Paul Schreckenbach
Um die Wartburg
Paul Schreckenbach

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X.

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Um die Mittagsstunde des vierten Tages nach der Entsetzung der Wartburg ritt Markgraf Friedrich mit einem großen reisigen Troß in den Hof des Klosters Reinhardsbrunn ein. Er saß stolz und und aufrecht auf seinem Streitrosse und winkte schon von ferne dem Abte freudig zu, der im Tore stand und ihn erwartete.

Es war kein Wunder, daß des Fürsten Antlitz einen froheren Ausdruck zeigte als in der vergangenen Zeit, denn es war ihm in den letzten Tagen vieles gelungen. Die Eisenacherburg hatten die Streiter noch in der Nacht seines Einzuges in die Burg freiwillig geräumt, und es schien überhaupt ein heilsamer Schrecken über sie gekommen zu sein. Zwar eine Aufforderung, Frieden zu machen und sich zu unterwerfen, beantworteten sie ablehnend, aber von einem Angriff auf die Feste oder auch von einem Widerstande im freien Felde war nicht die Rede. Sie hielten ihre Tore verschlossen und lebten in großer Sorge vor einem erneuten Überfalle des Markgrafen, sandten auch eilige Boten zum Könige mit der dringenden Bitte um Hilfe.

Fast noch mehr hob seinen Mut ein Schreiben, das er von seinem Bruder erhielt. Mochte nun der Jude Isaschar durch ein verändertes Horoskop oder der Ritter von Schlotheim durch kluges Zureden den Sinn Herrn Diezmanns gewandelt haben – jedenfalls zeigte er sich mit einem Male entschlossen, seinem Bruder nach Kräften beizustehen, wenn der König seinen Angriff erneuern würde. Seine Macht war freilich nicht sehr groß, aber ein halbes Tausend Helme und Lanzen konnte er doch in die Wagschale werfen, und vor allem mußte die offene Parteinahme für den Bruder, mit dem er bisher so selten in Freundschaft gelebt hatte, überall im Lande den besten Eindruck hervorbringen. Endlich sah doch einmal das Volk seine Fürsten einträchtig Schulter an Schulter stehen.

»Gesegnet sei dein Eingang, mein teurer Sohn!« begrüßte ihn die Stimme des Abtes, als er in solchen Gedanken dem Kloster bis auf wenige Schritte nahegekommen war. »Es ist mir lieb, daß du so schnell meinem Rufe gefolgt bist. Ich denke, es wird dich nicht gereuen!«

»Gott grüß' dich, Abt,« sagte der Fürst, indem er sich aus dem Sattel schwang und dem geistlichen Herrn die Hand zum Gruße bot. »Ich dachte mir's schon: Es wird nichts Kleines sein, warum ich in dieser sträflichen Winterkälte nach Reinhardsbrunn reiten sollte.«

»Es ist wahr, heute ist es verflucht kalt,« erwiderte der Abt. »So würde ich sagen, wenn ich zu den Kindern dieser Welt gehörte,« verbesserte er sich.

»Komm herein und wärme dich, das Essen wird gleich auf den Tisch getragen werden.«

Er führte den Markgrafen, um dessen Gefolge sich die Dienstleute des Klosters bemühten, selbst in die Abtgemächer, die von den Zellen der Brüder gesondert lagen und behaglich, teilweise sogar prunkvoll ausgestattet waren. Ein dienender Bruder öffnete die Tür zu einem kleinen Gemache, in dem ein gedeckter Tisch stand. Zahlreiche große und kleinere Flaschen prangten auf ihm und legten Zeugnis davon ab, daß Abt Markwart von Reinhardsbrunn eine gute Gabe Gottes nicht zu verschmähen pflegte. Ein mächtiges Feuer prasselte in dem Kamin, und durch die dicken Bären- und Luchsfelle, die an den Wänden hingen und überall den Fußboden bedeckten, wurde der Eindruck der Gemütlichkeit und Wärme noch um ein Bedeutendes erhöht.

»Bei Sankt Hubertus, deinem Schutzpatron, bei dir ist es heimlich und warm!« rief der Markgraf. »Hier kann ich auftauen. Das Eisen kältet heut so mächtig, daß ich fast zu Eis gefroren bin.«

Auf einen Wink des Abtes begann Bruder Ivo, den Panzer und Helm abzuschnallen, und trug die Rüststücke in das Nebengemach. Er besorgte das alles so gewandt und schnell, daß man erkannte, wie häufig er ritterliche Gäste bedienen mußte. Dann verließ er geräuschlos das Zimmer.

»Drei Teller und drei Becher?« fragte der Markgraf befremdet. »Hast du den Prior mit zur Tafel geladen?«

»Nein, der Würdige ißt drüben mit den Brüdern. Hier wird einer sitzen, den du sicher nicht vermutest, und der dir mancherlei zu sagen hat.«

»Du machst mich neugierig. Es ist doch nicht etwa mein Bruder Diezmann?«

Der Abt lachte und schüttelte den Kopf. »Du rätst es nicht! Ich werde dir ihn gleich aus dem Gastgemache herbeiführen. Aber zuvörderst, mein teurer Sohn, wünsche ich dir Glück zu deinem Siege über die Eisenacher. Du hast sie kräftig zu Paaren getrieben. Möge das immer so sein! Und wie steht's auf der Wartburg? Es war ein Gerücht zu mir gedrungen, dein Vater sei sehr krank. Ist es an dem?«

»Mein Vater hatte einen Schlagfluß, und um ein Haar wäre er des Todes gewesen. Er hat es nur seiner kräftigen Leibesbeschaffenheit zu danken, daß er noch lebt, sowie der Pflege meiner Frau!«

»Frau Else hat ihn gepflegt?« rief der Abt verwundert. »Sie mochte ihn doch nimmer leiden?«

»Gerade darum wird sie ihn wohl gepflegt haben,« entgegnete der Markgraf bitter. »Sie eifert ja Sankt Elisabethen in allen Stücken nach, von der wir lesen, daß sie Aussätzige in ihr Bett legte, um Gott zu gefallen.«

»Wie? Sie hat noch immer ihren Wahn?«

Der Markgraf zuckte die Achseln, und seine Stirn umwölkte sich. »Gesagt hat sie noch nichts wieder, daß sie nach Himmelskron will; auch scheint ihr Wesen heller und freudiger zu sein, als es war, da ich im Sommer ausritt. Aber ängstlich meidet sie mich. Sie wohnt in ihren Gemächern, ich in den meinen.« Er stockte und fuhr dann seufzend fort: »Als ich einritt in die Burg bei Nacht, da stürzte sie mir entgegen und warf die Arme um meinen Hals, und ich dachte schon, ich hätte mein Weib wiedergewonnen. Aber seitdem habe ich sie kaum unter vier Augen gesehen, und wenn sie mir die Hand bietet, so steht sie mit niedergeschlagenen Augen da, spricht kein Wort, wird blaß und rot, als täte sie eine Sünde damit.«

»So, so!« sagte der Abt. »Das möcht' ich fast als günstiges Zeichen deuten. Mich däucht, dein Weib sehnt sich nach dir, aber sie wagt sich's wohl selber noch nicht zu gestehen.«

»Wollte Gott, es wäre so!« rief der Markgraf. »Vor der Hand ist nichts davon zu merken. Wär' ich aber eifersüchtig von Natur, so müßt' ich's auf meinen Vater sein. Den pflegt sie, wie nur ein gutes Weib ihren geliebten Mann pflegen kann.«

»Und der Landgraf? Wie dankt er's ihr?«

»Ganz verwandelt hab' ich ihn gefunden, mild und weich und voll dankbarer Sanftmut. Die Würfel klirren nicht mehr in seinem Gemache, und den Becher meidet er gänzlich. Wie ein frommer Mönch sitzt er in seinem Lehnstuhle, zumeist in dichten Pelz gehüllt, und redet viel mit Herrn Walther von erbaulichen Dingen, vor allem auch von seinem baldigen Hintritt. And meine Frau, die ihm früher unleidlich war, ist ihm jetzt über alles wert, und er ehrt sie wie einen leibhaftigen Engel des Himmels.«

Der Abt lachte. »Das alles wird schwerlich Dauer haben. Sobald Herr Albrecht wieder zu Kräften kommt, wird ihm auch der Wein wieder schmecken. Ich kenne ihn seit fünfundvierzig Jahren, Herr Albrecht ist– –«

Er brach ab, denn durch die Seitentür trat ein hochgewachsener Mann in der Tracht der Benediktinermönche, der aber als Zeichen besonderer Würde ein großes goldenes Kreuz um den Hals trug. Er nickte dem Abt vertraulich zu und sagte: »Allzu lange ließest du mich warten. Markwart, nun komme ich ungerufen.« Dann neigte er sich ehrerbietig vor dem Markgrafen, »Ich grüße Euer Gnaden und hoffe, daß Ihr Euch meiner noch erinnert.«

»Dessen seid sicher, Herr Domherr von Aspelt,« erwiderte der Markgraf verwundert und etwas enttäuscht, daß ihn der Abt mit keinem bedeutenderen Gaste überraschte. »Was führt Euch in dieser kalten Zeit von Mainz hierher?«

»Ich war in Erfurt, und dort erreichte mich eine geheime Botschaft meines Bruders, die mich an die Herren Markgrafen von Meißen und Osterland wies. Ich ritt ehegestern zu meinem Freunde Markwart und wollte erkunden, wo Euer Gnaden zur Zeit weilt. Der sandte sogleich nach Euch.«

»Nun, und Eure Botschaft?«

»Nein,« wehrte der Abt. »Ich bitte dich, Markgraf, nicht jetzt, nach Tische! Sitzen wir dann bei einem Becher Weins beisammen, reden wir von Geschäften.« Er griff nach einer Klingelschnur, um den Dienern das Zeichen zum Auftragen der Speisen zu geben.

»Es sei,« erwiderte Friedrich lachend. »Ich merke, dieser Gesalbte des Herrn hat großen Hunger. Der meine ist auch nicht übel.«

Während des Essens, dem die Herren alle Ehre antaten, redeten sie nur von gleichgültigen Dingen. Dann aber befahl der Abt den Dienern, aus dem Gemache zu entweichen, und holte selbst aus einem Schranck eine große bauchige Flasche süßen hispanischen Weines, dazu drei Gläser von seiner welscher Herkunft, die füllte er eigenhändig und schob jedem eins hin. »Zu guten Worten ein guter Trank!« sagte er.

»Erlaubst du nun endlich. Markwart, daß ich erfahre, was mir der Herr Bischof Peter von Basel zu sagen hat?« fragte der Markgraf wohlgelaunt.

»Ein kleiner Irrtum, erlauchter Herr!« warf der Domherr ein. »Mein Bruder ist seit einer Woche nicht mehr Bischof von Basel, er ist durch des heiligen Stuhles Gnade erhöht worden zum Erzbischof von Mainz.«

Der Markgraf fuhr höchst überrascht empor. Das war freilich eine Kunde von der größten Bedeutung, und den behäbig und schlau lächelnden Domherrn sah er plötzlich mit ganz anderen Augen an.

»Ich beglückwünsche ihn und Euch,« sagte er verbindlich. »Der Stuhl des heiligen Bonifatius konnte keinen würdigeren und tüchtigeren Herrn erhalten.« And bei sich im geheimen dachte er erfreut: Es konnte auch wirklich kein anderer erhoben werden, an dem König Albrecht so viel gebranntes Herzeleid erleben wird, wie an diesem schlauen, tatkräftigen und herrschsüchtigen Priester.

»Ich danke Euer Gnaden,« entgegnete der Domherr. »Ihr werdet bald einsehen, edler Herr, daß meines Bruders Erhöhung auch Euch nicht zum Schaden ist. Ehe ich Euch aber Weiteres künde, so gebt mir hier in Gegenwart des Abtes Euer fürstliches Wort, daß alles, was ich Euch im Namen meines Bruders sage, in Eurer Brust begraben sein soll.«

»Ich gebe es. Und wenn Ihr einen Eid begehrt –«

»Nein,« unterbrach ihn der Domherr mit einem feinen Lächeln. »Euer Wort genügt. Es ist in deutschen und welschen Landen bekannt, daß Ihr es haltet. So hört denn: Es ist meinem Bruder zuwider, daß der König allzu mächtig wird. Wo soll das hinaus mit diesem Habsburger? Die österreichischen Länder hat er schon, Böhmen hat einer seiner Söhne, in Schwaben will er seines Bruders Sohn berauben und die alte Herzogsmacht für sich wieder aufrichten, Meißen hat er Euch entrissen, nun greift er nach Thüringen. Wo soll das enden? Bald wird kein Fürst im Reiche mehr etwas gelten, bald werden alle seine Knechte sein.«

Friedrich sah ihn mit blitzenden Augen an. »Ihr redet gut!«

»Seid Ihr nun gewillt, edler Herr, das, was dem Mainzer Stift in Thüringen gehört, nicht anzutasten und alles bei denselben Rechten zu lassen, die wir von Alters überkommen haben, so bietet Euch mein Bruder die Hand dazu, daß Ihr Euch des Königs erwehren möget.«

Der Markgraf stand in großer Erregung auf. »Niemals habe ich daran gedacht, nach dem geringsten Besitze zu trachten, der dem hochwürdigen Herrn von Mainz in Thüringen zusteht!« beteuerte er mit erhobener Hand. »Dafür nehmt gleichfalls mein fürstliches Wort!«

»Dann seid Ihr sicher, daß mein Bruder Euch beistehen wird. Noch ist dieser König freilich viel zu mächtig, als daß er ihm als Feind entgegentreten könnte.

Das Schicksal seines Vorgängers, der dem Könige unterlag, muß ihn schrecken. Aber kann er Euch nicht Helme und Spieße zusenden, so bietet er Euch doch, was nicht minder nötig ist: Geld. Er wird machen, daß Euch die Judenschaft in Erfurt und die in Mainz eine große Summe leihen. Ich habe Vollmacht, mit Manasse darüber zu verhandeln.«

»Sehr gelegen kommt mir das!« rief der Markgraf und ergriff mit leuchtenden Augen des Domherrn Rechte. »Ich sag's Euch offen: In nächster Zeit brauche ich vor allem einige hundert gute Rosse. Aber meine Truhen sind ziemlich leer, und wer in Bedrängnis ist, der findet schwer einen, der leiht, und fast ebenso schwer einen, der bürgt.«

»Nun, hier in Reinhardsbrunn hättest du zum wenigsten einen Bürgen gefunden,« warf der Abt ein. »Zum Verleihen ist freilich nicht mehr viel vorhanden, die Zeiten sind schwer und unsicher. Aber wenn der hochwürdige Herr von Mainz für dich bürgt, so wird dir das hundertmal mehr von Nutzen sein als alles, was der Abt von Reinhardsbrunn für dich tun könnte.«

»Du hast schon so viel für mich getan, daß ich mich schämen müßte, wieder als Bittender zu dir zu kommen,« erwiderte Friedrich und faßte des Getreuen Hand. »Ich stehe tief in deiner Schuld. Nur noch eins erbitte ich von dir: Fahre an meiner Statt nach Erfurt und handle mit dem Juden. Ich erwarte in diesen Tagen die Ritter und Knechte, die mir mein Bruder Diezmann sendet. Ich sammle sie in Tenneberg und will sie dann mit den Mannen, die ich auf der Wartburg habe, vereinen zu einem Schlage gegen die Eisenacher.«

»Mögen dir dann nicht Mann und Roß erfrieren! Wer in aller Welt führt in dieser Jahreszeit Krieg?« rief der Abt.

»Es ist gut, wenn man über seinen Feind kommen kann, da er es am wenigsten vermutet,« versetzte der Markgraf. »Da darf man nicht Wind noch Wetter scheuen. Die schnellsten Hiebe sind die besten!«

»Ja, Ihr seid ein Mann von Stahl, edler Herr,« sagte der Domherr bewundernd. »Auch darin seid Ihr einer guten Stahlklinge gleich, daß Ihr auf der Stelle wieder emporschnellt, wenn Euch das Geschick tief niedergebeugt hatte. Darum nennt Euch das Volk in deutschen Landen überall ,den Freidigen'.«

Der Markgraf lächelte. »Ich muß wohl glauben, daß Ihr in guter Meinung so redet, denn wer wollte einem Fürsten schmeicheln, der noch immer in hoher Bedrängnis ist! In welcher Höhe gedenkt Ihr übrigens bei der Judenschaft für mich zu bürgen?«

»Mein Bruder ließ mir sagen: Bis zu dreitausend Mark Silbers.«

»Eine sehr stattliche Hilfe, für die ich dem Herrn Erzbischof von Herzen dankbar bin. Sagt ihm das, ich bitte Euch. Es ist mir wie ein Wunder des Himmels, daß mir Hilfe wird von einer Seite, von der ich es nimmermehr erwartet hätte.«

»Ihr werdet bald inne werden, erlauchter Herr, daß sich vieles wandeln wird in deutschen Landen, nachdem mein Bruder auf den Stuhl von Mainz erhöht worden ist. Der vor ihm in Mainz gebot, schlug einst auf seine Jagdtasche und rief: ,Ich habe noch mehr deutsche Könige darin!´ Er hat das stolze Wort teuer bezahlen müssen, denn König Albrecht, den er über den Nassauer erhoben hatte, zwang ihn zu Boden. Peter von Aspelt prahlt nicht, aber er spinnt in der Stille ein starkes Netz, in dem sich mancher fangen mag.«

Während seiner Worte war ein Lärm auf dem Klosterhofe entstanden, man hörte lautes Rufen, Hin- und Herlaufen von Männern und schwerer Rosse Tritt. Der Markgraf war ans Fenster getreten und hatte es aufgestoßen.

»Es sind meine Knechte unter Lutz Wangenheim,« sagte er; »ich hatte Befehl gegeben, daß sie sich um diese Stunde sammeln sollten, auf daß wir gen Tenneberg reiten.«

»Wie, Ihr nächtigt hier nicht?« rief der Domherr.

»Ich bin mit hundertundfünfzig Lanzen ausgefahren. Wie sollt' ich meinen Freund und sein Kloster mit solch hohem Einlager ohne Not beschweren? Ich komme morgen in der Frühe herüber, da wollen wir das Weitere verhandeln. Bis dahin gehabt Euch wohl und seid versichert, daß ich Euch dankbar bin für Eure Kunde.«

Der Abt warf sich einen Pelz, der an der Wand hing, über die Schultern, um den Markgrafen hinauszugeleiten, und läutete nach dem Diener. Der Domherr aber sagte: »Euer Gnaden entschuldigen mich, daß ich nicht in den Wind hinaustrete. Ich habe wohl zu lange in Welschland gelebt und kann die Winterkälte nicht mehr vertragen. Sie schafft mir böses Reißen in den Gliedern.«

»Bemüht Euch nicht, Herr. Und auch du, Abt, tätest besser, wenn du im Warmen bliebest,« erwiderte der Fürst.

»Was? Ich alter Hirschjäger sollte die Kälte scheuen?« rief der Abt. »Komm, Markgraf, tritt hier herein, daß sie dich waffnen!«

Er öffnete die Tür des Nebengemaches, aber statt des erwarteten Dieners sahen sich die beiden dem Ritter von Helldorf gegenüber.

Der Markgraf erschrak sichtlich. »Ihr hier, Helldorf? Ihr seid mir nachgeritten? Es ist doch nichts Böses geschehen auf der Wartburg?« so überstürzten sich seine hastigen Fragen.

»Nichts Übles, gnädiger Herr. Euer edles Gemahl sendet Euch das.« Er reichte ihm einen versiegelten Pergamentstreifen hin, und plötzlich bog er das Knie. »Laßt mich der erste sein, gnädiger Herr, der Euch zuruft: Heil dem Herrn Landgrafen von Thüringen! Gott gebe ihm gute Zeiten immerdar!«

Friedrich fuhr zurück, und seine Wange erblich. »So ist mein Vater gestorben?«

»Nicht das, gnädiger Herr. Wollet lesen, was die Herrin Euch schreibt.«

»Lies, Markwart,« gebot der Fürst. »Mir macht es Beschwer.«

Der Abt entfaltete den Zettel und las: »Der Vater hat mit freiem Willen dem Fürstenamt und Regiment entsagt, geschworen und zu Urkund gegeben, daß er alles wolle in Deine Hände legen. Komm zurück, sobald Du kannst. Ich grüße Dich!«

In starrem Staunen blickten der Abt und Herr Friedrich sich an. Endlich sagte Markwart mit starker Stimme: »Was ihn auch dazu trieb – er sei dafür gesegnet. Es war Zeit, daß einer das Regiment bekam, der von Gott dazu berufen ist. Nun gebietest du hier nicht mehr im Namen deines Vaters, sondern kraft eigenen Rechtes. Heil dir, Friedrich, Landgraf von Thüringen!«


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