Paul Schreckenbach
Um die Wartburg
Paul Schreckenbach

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IV.

Nach einigen Tagen fand Frau Else endlich den Mut, ihrem Gemahle zu gestehen, was ihr fast das Herz abdrückte. Sie saß gegen Abend als eine Halbkranke in einem großen, mit Polstern ausgelegten Lehnstuhle, den man auf den Altan ihrer Kemenate gestellt hatte, und blickte, in Gedanken verloren, über die Baumwipfel zu ihren Füßen hin. Da trat er plötzlich zu ihr, faßte ihre Hände und bat sie in beweglichen Worten, ihm zu sagen, was ihr die Seele verstöre. Er ahne schon längere Zeit, daß eine schwere Last auf ihrem Herzen liege, und er könne es nicht länger mit ansehen, wie sie schweigend leide und sich verzehre.

Da redete sie denn und bekannte ihm alles rückhaltlos, als ob sie eine Beichte ablege, und er ließ sie reden und unterbrach sie mit keinem Worte. Auch als sie geendet hatte, schwieg er noch, und als sie endlich das tiefgesenkte Haupt zu ihm emporhob, sah sie seine Augen mit dem Ausdrucke des tiefsten Mitleids auf sich ruhen. Er strich ihr mit der Rechten übers Haar und sagte leise: »Armes Weib, wie mußt du gelitten haben unter den Sorgen der letzten Monde, daß sie dich so krank gemacht und deinen klaren Verstand getrübt haben! Meine arme, liebe Else!«

Des höchsten Staunens voll, schaute ihn die Markgräfin an. Diese Aufnahme ihres schweren Geständnisses hätte sie nie und nimmer erwartet.

Der Markgraf seufzte tief auf und fuhr dann in demselben gütigen Tone fort, als ob er zu einem Kinde redete: »Ich kann deine Sorgen nicht zerstreuen, aber ich hoffe, du wirst deinen Mut bald wieder finden, denn du bist ja von Natur starken und entschlossenen Geistes. Dann wird auch die Trübung deines Hirnes weichen.«

Frau Else schüttelte den Kopf, und zwei schwere Tränen rollten ihr die Wangen herab. »Du irrst, Friedrich,« sagte sie leise, aber fest. »Das ist keine Trübung meines Hirnes. Es ist ein Entschluß, um den ich lange gerungen habe, denn er bricht mir fast das Herz. O, ich bitte dich, widersteh' mir nicht, und mache mir die Trennung nicht unüberwindlich schwer! Laß mich nach Himmelskron ziehn mit meinem Kinde und der Welt entsagen. Dann wird alles gut werden. Mein Vater kommt aus der Qual, in der er schmachtet, und du bleibst bei deinem Fürstentum, und der König wird nichts über dich vermögen.«

Der Markgraf legte einen Arm um ihren Nacken, und in seinen Augen schimmerte es feucht. »Ich will dir den Mönch Boso von Reinhardsbrunn kommen lassen, er ist der größte Meister der ärztlichen Kunst in Thüringen,« erwiderte er. »Vielleicht weiß er etwas zu verschreiben, was dir schneller die Klarheit des Geistes wiedergibt, du armes, gutes, liebes Weib.«

Die Markgräfin rang die Hände, sie war ratlos. Wie sollte sie ihren Mann überzeugen, daß ihr Vorhaben bitterer Ernst sei? Er hielt sie für krank, für körperlich durch die Sorgen und Aufregungen der letzten Zeit überreizt und infolgedessen auch geistig krank. Davon war er nicht abzubringen und sandte auch ohne Verweilen einen Boten aus, den weisen Meister Boso auf die Wartburg zu rufen.

Nun wandte sich Frau Else am andren Tage an ihre Mutter – aber auch hier fand sie kein Verständnis. Die alte Landgräfin war zunächst aufs tiefste erschrocken über die schweren Gedanken, die ihre Tochter schon seit Monaten mit sich herumtrug, und sehr gekränkt, daß sie sich ihr nicht früher offenbart hatte. Sie überschüttete die junge Frau mit Vorwürfen, und als sie sah, daß das Antlitz der Gescholtenen immer starrer, der Ausdruck ihrer Mienen immer kälter und abweisender wurde, brach sie plötzlich ab und suchte sie durch Gründe zu besiegen. Sie erwies sich dabei als eine Orlamünderin, die gänzlich aus der Art geschlagen war. »Träume kommen nicht von Gott,« sagte sie. »Auch der böse Teufel hat die Macht, uns arme Menschen durch wirre Traumbilder zu versuchen. Wie kannst du meinen, daß dein Vater in der Verdammnis ist? Mehr als hundert Hufen an Äckern und Wald und Wiesen haben wir dem Kloster geschenkt, dazu noch mancherlei Gebäude und die Zinsen dreier Dörfer. Unmöglich können die Heiligen einen Mann im übeln Fegefeuer peinigen lassen, der sich ihnen so milde erwiesen hat.«

»Wenn ihnen aber das Opfer nicht angenehm war?« wandte Frau Else leise ein.

»Dann konnten sie ein Zeichen tun, daß sie es nicht mochten,« versetzte die Landgräfin erbost. »Aber hast du davon gehört? Nein. Sie haben wacker ihr Gut vermehrt durch unsere Schenkung. So müssen wir auch fest darauf vertrauen, daß sie ihre Pflicht tun und deinem Vater in den Himmelssaal helfen. Täten sie das nicht, so wären sie untreue Leute.«

Die Markgräfin blickte ihrer Mutter starr ins Gesicht. »Und was sagst du zu den Worten deiner Schwester, der Heiligen in Weißenfels?«

Die Landgräfin rückte unruhig auf ihrem Sessel hin und her und blickte verlegen vor sich nieder. Dann entgegnete sie, ohne ihrer Tochter in die Augen zu sehen: »Wenn du eine Heilige fragst, was du tun sollst, so wird sie dir immer raten, selbst heilig zu werden. Als ich Witwe ward, riet sie mir ja auch, den Schleier zu nehmen und der Welt zu entsagen.«

»Und hättest du nicht besser getan, Mutter, ihrem Rate zu gehorchen? Ich habe dich selten glücklich gesehen.«

»Nein!« rief die Landgräfin und fuhr mit einem Ruck in die Höhe. »Ich habe viel Schweres getragen in meiner ersten Ehe und Schwereres noch in meiner zweiten, und da du kein Kind mehr warst, so hast du es gesehen und weißt es. Aber ins Kloster? Nein. Ich habe keine Gaben dafür, sie sind wohl alle auf meine Schwester gefallen. Und du, meine Tochter, du bist auch nicht dazu geschaffen. Dein Mann rühmt ja so oft deine feine Klugheit und sagt, du könntest ihm bei allen Geschäften besser raten als alle Männer, Hermann Goldacker ausgenommen. Wer das kann und daran seine Freude hat, der paßt nicht zum Beten und Singen. Der geht bald ein, wenn er wider seine Natur ins Kloster eintritt.«

»Du meinst also, es sei recht geschehen, als ich das Kloster verließ?« fragte Frau Else ruhig.

»Ich meine zum wenigsten, das Unrecht ist gesühnt,« erwiderte die Landgräfin.

»Also ein Unrecht war es doch?«

»Wer könnte das leugnen? Wir hätten den Eid nicht leisten sollen,« sprach die Landgräfin seufzend.

»Siehst du, Mutter, du wolltest ein Zeichen, ob das Opfer von Gold und Gut den Heiligen angenehm sei, oder ob sie es verwerfen. Das Zeichen ist gegeben; wehe uns, wenn wir unser Herz dagegen verstocken! Gott hat geredet durch seiner Erwählten Mund, daß ich den Eid erfüllen soll, den mein Vater geschworen, den auch du geschworen hast. Dann soll alles gut werden. Wie könnt' ich da leben in Weltlust und Ehre, wenn ich durch mein Opfer meinen Gemahl retten kann vom irdischen Verderben und der Seele meines Vaters aus den Flammen helfen? Und auch du wirst eine frohere Sterbestunde haben, wenn ich getan habe, was ich als deine Tochter tun muß. Gott will es, Mutter, Gott will es!«

»Du wirst in der Luft des Klosters sterben!« rief die Landgräfin erschüttert.

Frau Else neigte das Haupt. »Wie Gott will, ich bin zu allem bereit.«

Die Landgräfin saß eine Weile stumm da, dann sprang sie auf und hielt die gerungenen Hände gen Himmel. »Nein!« rief sie. »Ich will es nicht! Hörst du? Ich will es nicht. Ich will dein Opfer nicht, und dein Vater braucht es nicht, denn die Träume sind Teufelstrug! Und dein Mann wird es auch nicht wollen, denn er liebt dich treu und heiß, und es ist mein Trost, daß du ohne seinen Willen nichts zu tun vermagst! Du hast dich seinem Willen zu fügen, denn du bist sein Weib; ihm gehorsam zu sein, ist deine nächste Pflicht.«

»Gott gehorsam zu sein, geht über alle Pflichten,« versetzte Frau Else und verließ mit einem traurigen Blick auf ihre Mutter das Gemach. Sie begab sich hinüber nach der Kapelle, um im Gebet eine Erleuchtung zu suchen, denn sie wußte nicht, was sie beginnen sollte. Die Ihrigen versperrten ihr den Weg zur Erfüllung ihres Gelöbnisses, und das Unglück kam über das Haupt ihres Gatten. Das Heer des Königs, so war gestern gemeldet worden, zog heute auf Hersfeld, um sich mit den Soldknechten des Abtes zu vereinigen. In zwei Tagen konnte die Burg eingeschlossen sein. Dann war es zu spät, wenn nicht Gott den Willen für die Tat nahm.

Da schoß ihr, während sie vor dem Altare des kleinen Kirchleins betete und weinte, ein Gedanke durchs Hirn: Flucht! Heimliche Flucht! Darob erschrak sie zuerst, als höre sie die Stimme des Versuchers, aber dann erschien es ihr, als habe Gott selbst ihr diesen Weg gezeigt. Wie sollte sie anders ihr Werk vollenden? Es war keine Zeit mehr zu verlieren, jede Stunde war kostbar.

Schnell von Entschluß, wie sie war, faßte sie nun ihren Plan. Unter den Kriegsleuten der Burg war einer, der hatte schon ihrem Vater gedient und war ihr und ihrer Mutter von Arnshaugk hierher gefolgt und war ihr ganz und gar ergeben. Der Alte war ihr Falkner daheim gewesen und hatte sie reiten gelehrt und hing so an ihr, daß er für sie in den Tod gegangen wäre. Es traf sich gut, daß er denen angehörte, die allnächtlich einige Stunden die Wache hatten. Durch seine Hilfe konnte sie ins Freie gelangen, in seiner Begleitung, gehüllt in ein graues Pilgergewand, über die Berge nach Himmelskron wandern und dort an die Klosterpforte klopfen als eine, die auf Gottes Befehl der Welt entsagen wollte. –

Der Himmel selbst schien ihr Vorhaben zu begünstigen, denn gegen Abend traf der Bruder Boso von Reinhardsbrunn auf der Burg ein und mit ihm sein Abt Markwart, der frühere Lehrer und vertrauteste Freund ihres Gatten. Die beiden saßen ganz gewiß bis über Mitternacht mit Hermann Goldacker und etwa noch dem Kaplan Walther beim Becher zusammen, und vor Mitternacht mußte sie die Burg verlassen, weil dann der Mond aufging und so ihre Flucht leichter bemerkt werden konnte. Zunächst freilich mußte sie die Fragen des kunstreichen Arztes über sich ergehen lassen, der ob ihres blassen, leidenden Aussehens bedenklich den weißen Kopf schüttelte und auf die Möglichkeit einer Verzauberung hindeutete. Sie gab nur kurze, einsilbige Antworten, und ihren Gemahl wagte sie gar nicht anzusehen, so schlug ihr das Herz. Sie meinte, er müsse es in ihren Augen lesen, was sie vorhatte, und er durfte nichts ahnen. So bat sie auch, von der Abendmahlzeit fernbleiben zu dürfen, weil sie sich unwohl fühle. Wie konnte sie gleichgültige Worte sprechen, während ihre Seele betrübt war bis in den Tod!

»Bei Sankt Benediktus!« sagte der gewaltige Abt Markwart mit seiner tiefen, dröhnenden Stimme, während sie die Stiegen herabschritten. »Bei Sankt Benediktus! Markgraf, deine Frau gefällt mir übel. Wie war sie sonst immer so klug und klar, eine echte Fürstin! Heute sieht sie aus, wie eine kranke Hindin. In Wahrheit – sie könnte wohl verhext sein.«

»Man sollte es fast meinen. Sie hat erschreckliche Gedanken. Ich erzähle dir alles morgen in der Frühe,« entgegnete der Markgraf düster.

Einige Stunden später stand Frau Else im Pilgerhut und Pilgermantel an einem Fenster ihres ehelichen Schlafgemaches. Sie lauschte auf den Klang der Uhr, die vor vier Jahren Eisenacher Mönche ans Welschland mitgebracht und auf den Turm der Burg als vielbestauntes Wunderwerk aufgestellt hatten. Wenn der elfte Schlag verklungen war, dann erwartete sie der treue Knecht da unten an der Tür des Burgfrieds, und sie warf von sich, was bisher ihres Lebens Glück und Wonne gewesen war. Traumhaft, mit weitgeöffneten Augen schaute sie sich noch einmal um in dem vertrauten Raume, und starr und brennend ruhte zuletzt ihr Blick auf einer Wiege, die in der Ecke stand. Dort schlief ihr Kind, die kleine Elisabeth. Sie vermochte sie nicht mitzunehmen auf ihrer nächtlichen Flucht, und sie wollte es auch nicht. Im Kloster hätte sie das Kind nur behalten können, wenn sie es den Heiligen gelobt hätte, und das litt weder ihr Mann, noch wäre sie jemals imstande gewesen, ihrer Tochter dieselbe Last aufzubürden, unter der sie selbst fast zusammenbrach.

Schon einmal hatte sie unter heißen Tränen Abschied genommen von der Kleinen, und jetzt, wie sie sah, daß das Kind sich im Traume regte und leise vor sich hinlallte, stürzte sie wiederum vor der Wiege in die Knie. Sie riß das schlafende Kind aus den Kissen und preßte es an sich und flüsterte und stammelte abgebrochene Worte, bis sie vor Herzeleid nicht mehr zu reden vermochte und nur noch weinte und schluchzte, während die Kleine ruhig weiter schlief und nicht einmal die Augen öffnete.

Da drang von der Türe her ein dumpfer Ton an ihr Ohr. Sie sprang auf und stand ihrem Manne gegenüber.

Der Markgraf lehnte an einem Türpfosten und hatte beide Hände gegen die Brust gepreßt. Er sprach nichts, sondern blickte sie mit einem rätselhaften Ausdrucke an.

»Du wolltest fort?« fragte er endlich.

Sie neigte schweigend das Haupt.

»Lege das Kind in seine Wiege, damit du ihm nicht ein Leid antust in deinem Wahnsinn.«

Sie gehorchte und sank dann wieder vor dem Bettchen in die Knie.

Es war eine Weile ganz still, nur die Atemzüge des schlafenden Kindes waren hörbar. Frau Else wußte, daß ihr Mann zu schweigen pflegte, wenn er den aufsteigenden Jähzorn besiegen wollte, und ein dumpfes Gefühl der Furcht stieg in ihrer Brust empor, während sie die Stirn auf die Kante der Wiege legte. Aber nicht Zorn lag in seiner Stimme, sondern Trauer und Wehmut, als er endlich zu reden anhub.

»Du wolltest fort!« sagte er. »Wunderlich! Bin ich ein Mann, oder bin ich wieder ein Kind? Das alles war schon einmal so, es ist nun siebenunddreißig Jahre her. In der Ecke, wo du jetzt kniest, da kniete eine andere, und sie trug auch ein graues Pilgerkleid. Sie herzte ihr Kind zum letzten Male, und das Kind war ich, ein Knabe von zehn Jahren. Dann habe ich meine Mutter nie wieder gesehen. Sie ist bald darauf in der Fremde gestorben.«

Er hielt inne und fuhr erst nach einigen Sekunden mit einem tiefen Seufzer fort: »Mein Vater wußte wohl, weshalb sie ging, und noch heute kann er die Augen nicht aufschlagen, wenn ihr Name genannt wird. Aber ich, was habe ich getan, daß mein Weib sich von mir lösen will?«

Frau Else sprang auf. »Friedrich!« schrie sie und umschlang seinen Nacken mit ihren Armen, »ich gehe ja aus Liebe von dir. Gott weiß, daß mir fast das Herz zerbricht. Aber ich will dich retten vom Fluche der Sünde!«

Der Markgraf löste sanft ihre Arme von seinem Halse und schaute ihr, während er ihre beiden Hände hielt, kummervoll in die Augen.

»Ich sehe, wie ernst es dir ist, und ich erkenne, daß dich schwerlich ein Mensch von dem Wege abbringen wird, den du gehen willst. Ich könnte dich mit Gewalt hindern, aber was hülfe das? Du wärst mir doch verloren, und es widert mich an, ein Weib zu zwingen gegen ihren Willen. Dennoch bitte ich dich, zu bleiben, denn wenn du gehst, so wird vielen in der Burg der Mut entsinken; sie werden meinen, du habest dein Leben in Sicherheit gebracht.«

Er trat einen Schritt von ihr zurück, und indem eine fahle Blässe sein Antlitz überzog, hob er die Hand zum Schwur und sprach mit dumpfer Stimme: »Du sollst fortan auf dieser Burg als meine Schwester, nicht als mein Weib leben! Das schwöre ich dir. Dafür fordere ich, daß du aushältst neben mir, solange der König die Burg belagert. Dann sollst du, wenn er abgezogen ist, wählen, was du tun willst.«

Frau Else sank zu seinen Füßen nieder und benetzte seine Hände mit ihren Tränen. »Ich danke dir, Friedrich,« stammelte sie.

»Sollt' ich aber unterliegen,« fuhr der Markgraf fort, indem er düster auf sie niederblickte, »so wisse, daß ich hier sterben werde. Denn ich unterwerfe mich diesem Könige niemals. Und dann hoffe ich zu Gott, daß du dich wieder zu mir findest, und daß ich in den Armen meines Weibes sterbe.«

»Friedrich!« schluchzte die Markgräfin, »du wirst nicht unterliegen und wirst nicht sterben, da du dich nun Gottes Willen unterwirfst, wie ich mich ihm unterworfen habe.«

Der Markgraf machte eine abwehrende Handbewegung. »Ich erwarte nichts mehr. Markwart hat sichere Kunde gebracht von der Stärke des Heeres, mit dem der König heranzieht. Geschieht nicht ein Wunder, so bin ich verloren.«

»Gott wird ein Wunder tun, Friedrich. Er hilft denen, die sich seinem Willen beugen und der Sünde entsagen.«

Der Markgraf antwortete nicht. Er lauschte angestrengt zum Fenster hinaus, denn in der Ferne klang Rufen und verworrenes Reden von Männerstimmen durch die stille Nacht, dazu ein scharfes, kreischendes Geräusch.

»Sie lassen die Zugbrücke herunter. Was ist das? Ich will nachsehen,« sagte er und eilte nach der Tür. Da wandte er sich noch einmal um. »Du gibst dein Wort, daß du jetzt bleibst, Else?«

»Ich gebe es.«

Während er die Treppe hinuntereilte, zog Frau Else das Pilgerkleid ab, das sie über ihren Gewändern trug. Ihr war unsagbar feierlich zumute; ein wunderbares Gefühl neuer Hoffnung und Sicherheit erfüllte ihr Herz. So mußten wohl die Märtyrer empfunden haben, die mitten unter Qualen und Schmerzen schon in der Ferne den Himmel offen sahen. Sie faltete die Hände, und während ihr noch die Tränen über die Wangen rannen, dankte sie Gott, daß sie das Opfer ihres Glückes darbringen durfte.

Da kamen schwere, klirrende Tritte die Stufen herauf, ihr Gemahl kehrte zurück. Seine Wangen waren gerötet, und in seinen Augen stand ein Leuchten, wie sie es seit langem nicht geschaut hatte.

»Was ist geschehen?« rief sie erstaunt.

»Das Wunder, das du erbeten hast,« sagte er tief erschüttert. »Wenzel von Böhmen ist ermordet worden.«

Die Markgräfin schrie auf. Sie wußte ganz genau, was diese Kunde zu bedeuten hatte. Nun mußte König Albrecht nach Böhmen ziehen, denn mit dem jähen Tode des letzten aus dem alten böhmischen Königsgeschlechte begann dort der Kampf um die Nachfolge. Seine Hauptmacht konnte nun nicht mehr gegen die Wartburg heranrücken, und vor der Hand war so mit einem Male das finstere Gewölk zerstreut, das über ihrem Haupte gehangen hatte.

Sie eilte mit weitgeöffneten Armen auf ihren Gatten zu. Aber plötzlich blieb sie stehen und schlug die Augen zu Boden. Die Arme sanken ihr schlaff an den Seiten herab, und dunkle Glut trat ihr ins Antlitz.

Ihr Mann sah sie schweigend an. Dann sagte er ernst und traurig: »Du hast recht. Der Schwester geziemt das nicht. Schlafe in Frieden.«

Und langsam, mit gesenktem Haupte verließ er das Gemach.


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