Paul Schreckenbach
Die letzten Rudelsburger
Paul Schreckenbach

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IX.

Seit zehn Tagen befand sich Gertrudis bei ihrer Tante, der gestrengen Domina des Frauenklosters Beuditz, und Klaus Kyburg saß in seiner Turmstube auf der Rudelsburg. Er hantierte mit Holzkohle, Schwefel und Salpeter und mischte das geheimnisvolle Kraut, das er Herrn Kurtefrund liefern wollte, und das Mädchen, das gewohnt war, mit dem Falken auf der Faust über Felder und Wiesen zu jagen, trieb eine ganz ungewohnte Beschäftigung: sie stickte an einem Altartuche. Und während er vor seinen Tiegeln saß, und während sie die feinen Goldfäden durch den Sammetstoff zog, flogen ihre Gedanken über die dicken Mauern, die sie beide umschlossen, und über Fluß und Berg und Tal, die zwischen ihnen lagen, und suchten einander.

Klaus Kyburg erlebte damit nichts Neues. Seine Gedanken waren schon längst bei ihr gewesen allezeit, und ihr Bild hatte, seit er auf der Burg weilte, beständig vor seiner Seele gestanden. Gertrudis dagegen hatte bis zum Tage ihrer Entfernung von dem väterlichen Schlosse für ihren Schützling nicht viel mehr gefühlt, als ein freundliches, allerdings immer mehr steigendes Interesse. Sie konnte sich's ja nicht verhehlen, daß er ein ungewöhnlich stattlicher Mann war mit seiner hohen, biegsamen Gestalt, seinem scharfgeschnittenen Gesichte mit den kurzen, schwarzen Locken und dem keck aufgezwirbelten Schnurrbart. Es konnte ihr auch unmöglich entgehen, daß mehr Geist aus seinen Augen leuchtete, als sonst vielleicht alle Mannen ihres Vaters aufzuweisen hatten. Auch wußte er von ganz anderen Dingen zu reden und die Worte unendlich viel gewandter zu setzen als die plumpen, ungelehrten Reitersleute, die sie seit ihrer Kindheit kannte, mochten sie nun ritterliche Dienstmannen oder schloßgesessene Herren sein. Nur ihr eigener Vater und der Graf Günther von Schwarzburg waren in dieser Hinsicht mit dem Fremdling in Vergleich zu stellen, doch fiel er nicht zu ihren Gunsten aus. Ritter Kurtefrund hatte ihn zweimal aufgefordert, abends nach dem Mahle, wenn die Herrschaft und das Burggesinde noch eine Weile beim Becher zusammensaßen, von seinen Fahrten und Abenteuern zu erzählen. Er hatte das bereitwilligst getan, und da hatten bald alle Blicke an seinen Lippen gehangen, sogar derer Blicke, die ihm heimlich abgeneigt waren, weil sie dem Fremden seine Stellung auf der Burg neideten. Auch sie selbst hatte ihm mit glühenden Augen zugehört und war weit später in ihre Kemenate hinübergegangen, als sie sonst zu tun pflegte und die Sitte gebot. Aber dann hatte sie ruhig ihr Lager aufgesucht, und durch keinen ihrer Träume war der geschritten, der diese bunten und abenteuerlichen Fahrten bestanden hatte.

Nun mit einem Male war das anders geworden. Sie sah im Wachen und im Traume das Bild dieses Mannes, wie er ihres Vaters Hände festhielt, die Augen furchtlos und zwingend auf den Wütenden gerichtet, und mit Blick und Griff ihn bändigte, so wie man einen wilden Leuen zähmt.

Das herbstolze Mädchen, das vorher nie nach einem Manne geschaut hatte, empfand anfänglich diesen Zustand als etwas Entwürdigendes, Unerträgliches. Wie ein wilder Falke, der zuerst die Kette am Fuße fühlt, gegen seine Fesseln wütet, so rang sie mit all der ungestümen Kraft ihrer herrischen Seele um die Freiheit ihres Herzens. Sie vergoß heimlich viele brennende Tränen des Zornes und der Scham, sie faßte unzählige Male den Vorsatz, nicht mehr an ihn zu denken, sie warf sich vor dem Altare der Klosterkapelle wieder und wieder auf die Knie und flehte zur heiligen Jungfrau, sie fest zu machen gegen den Zauber, der sie ganz zu berücken drohte. Vergebens – das Bild Nicolaus Kyburgs verblaßte nicht in ihrer Seele, es trat im Gegenteil mit jedem neuen Tage leuchtender, herrschender, siegreicher in den Vordergrund und verdrängte schließlich alles andere daraus, nahm sie vollkommen in Besitz. Und es kam der Tag, da sie einsah, daß sie den landfremden Mann liebte, der ihres Vaters Dienstmann geworden war. Da brach sie in Tränen aus und weinte wohl eine Stunde lang heiß und unaufhaltsam, und wenn sie schon vorher die Gesellschaft der frommen Schwestern mehr gemieden als gesucht hatte, so zog sie sich von Stund an fast ganz in die Einsamkeit ihres hochgelegenen Gemaches zurück. Sie wollte allein sein mit ihren Träumen und Gedanken.

Ihre Tante, die gestrenge Äbtissin Sieglinde, beobachtete sie mit Staunen und Befremden. Sie erkannte in ihr die unbändige Maid nicht wieder, deren trotziges und unweibliches Gebaren ihr, der sich sittsam gebärdenden Klosterfrau, oftmals ein Ärgernis gewesen war. Die Gertrudis, die sie kannte, war ein wildes Mädchen, das nach keines Menschen Meinung fragte, mit ihrem Rosse über Hecken und Gräben setzte, für jeden, der sie zurechtweisen wollte, eine scharfe Antwort bereit hatte. Jetzt war eine verträumte Jungfrau ins Kloster eingezogen, die wenig sprach, oft gar nicht zu hören schien, was man zu ihr redete. Sie sonderte sich von allen Menschen ab, und ihr Antlitz zeigte hin und wieder die Spuren heimlich vergossener Tränen. Was hatte das zu bedeuten?

Zehn Tage hielt Frau Sieglinde es aus, in Ungewißheit über ihrer Nichte absonderliches Gebaren zu schweben. Dann vermochte sie es nicht mehr über sich, zu schweigen, sie ließ vielmehr Gertrudis zu sich kommen und platzte in echt Kurtefrundscher Unmittelbarkeit mit der Frage heraus, ob sie krank oder besessen sei, oder ob sie Liebeskummer habe. Sie erfuhr dabei freilich gar nichts, denn Gertrudis fragte sie nur, ob sie sich nicht denken könne, daß ihres Vaters Verhalten sie traurig mache und bedrücke. Aber die flammenden Wangen und niedergeschlagenen Augen der vor ihr Stehenden sagten ihr genug. Frau Sieglinde war eine erfahrene Dame. Sie hatte in ihrer Jugend der Minne Lust und Leid mannigfach erfahren, denn sie trug das heiße Blut ihres Geschlechtes in den Adern. Erst mit dreißig Jahren war sie ins Kloster gegangen aus Kummer und Verdruß über den Ritter Dietrich von Werthern, der an ihrer Statt ihre beste Freundin heimführte. Aber das Klösterlein Beuditz war damals, als sie eintrat, keineswegs ein gottwohlgefälliges Haus des Herrn gewesen. Die Herren vom umliegenden Landadel, die ihre Töchter und Schwestern dort hatten, kehrten gern ein, tafelten und zechten nicht schlecht, und die böse Welt munkelte davon, daß die gottgeweihten Jungfrauen bei solchen Gelagen nicht weit von ihnen säßen und sich hinterher häufig im Tanze schwenken ließen. Die kräftige und stattliche Sieglinde Kurtefrund sollte von diesem Treiben durchaus keine Ausnahme gemacht haben. Heute war das nun freilich anders, sie selbst zählte fünfzig Lenze, und die meisten Schwestern waren nicht viel jünger; auch hatte der nunmehr selig entschlafene Bischof Witticho von Naumburg in den Klöstern seines Sprengels ein etwas heiligeres Leben durchgesetzt. Aber ein volles Verständnis für Liebessachen war der Domina verblieben. Daher glaubte sie ihrer Nichte kein Wort, sah sie vielmehr listig an und sagte: »Schnick schnack! Dein Vater wird schon wieder gut, das weißt du ganz wohl. Versuche nicht, mich alte Frau mit Lügen anzuleimen. Sage mir lieber die Wahrheit, und wenn der Mensch halbwegs darnach ist, will ich dir gern helfen. Also, wer ist's? Der Gleißberger oder der junge Gartolf auf der Burg Werben?«

»Keiner von denen und überhaupt keiner!« erwiderte Gertrudis trotzig.

»Das ist mir äußerst glaubhaft!« versetzte die Äbtissin spöttisch. Plötzlich kam ihr ein Verdacht. »Wie alt ist denn der junge Merkwitz, den du aus dem Turme gelassen hast?« fragte sie.

Jetzt mußte Gertrudis lachen. »Ein Knabe ist er, dem noch kein Bart sproßt. Ein Knabe von siebzehn Jahren!« Und gleich wieder ernst werdend, setzte sie hinzu: »Laß mich in Frieden mit deinen Fragen. Ich will nichts mit den Männern zu tun haben, ich will keinen, keinen. Ach, am liebsten nähme ich den Schleier! Es ist mir alles in der Welt verleidet.«

Dabei funkelten Tränen in ihren Augen auf. Aber Frau Sieglinde hielt das offenbar für einen Scherz, denn sie brach in lautes Lachen aus. »Grundgütiger Himmel!« rief sie, »davor bewahre uns der liebe Gott! Das gäbe bald eine schöne Wirtschaft! Da würden alle jungen Ritter der Gegend ins Kloster kommen unter dem oder jenem Vorwande, wie die Wespen, die einen Honigtopf wittern. Ja, es könnte wohl geschehen, daß der neue Bischof selber ein stehender Gast unseres Hauses würde, denn ich kenne den lieben Johann von Miltitz gar gut, o sehr gut, wenn er auch viel jünger ist als ich.«

Sie lächelte höchst sonderbar bei diesen Worten. Gertrudis aber zuckte unwillig die Achseln und entgegnete schnippisch: »In dein Kloster würde ich gewiß nicht eintreten, da suchte ich mir sicherlich ein anderes aus.« Damit lief sie aus der Tür.

Diese letzte Bemerkung verdroß die Äbtissin gewaltig, denn sie hatte es höchst ungern, wenn von ihrem Kloster in so wegwerfender Weise gesprochen wurde. Aber sie grollte nicht lange. Die Tante siegte in ihr über die Klosterfrau, sie begann sich ernstlich um ihre Nichte zu sorgen. Daß eine Liebesgeschichte im Spiele war, das stand ihr unumstößlich fest. Sie wußte zu genau, wie ein Mädchen aussah, das von Liebesschmerzen gequält war. Gerade so stolze und wählerische Jungfrauen, überlegte die Domina, verfallen nach langem Schwanken und Aussuchen oftmals auf Männer, die kein Mensch vorher ernstlich in Betracht gezogen hätte. Gertrudis war bisher allen Bewerbern gegenüber spröde und unnahbar gewesen, sie hatte zum Ärger ihres Vaters Freier zurückgewiesen, die ihm recht willkommen gewesen wären. Sollte sie nun etwa sich eine Dummheit in den schönen, trotzigen Kopf gesetzt, ihr Herz vielleicht an einen jungen Stadtherrn gehängt haben? Es gab unter den heiratsfähigen Geschlechtersöhnen in Naumburg oder Halle oder Erfurt stattliche und reiche Männer genug. Die Ritter auf den Burgen wußten auch sehr wohl, daß sie ebenso adlig waren wie sie selbst. Aber sie setzten ihren Adel geflissentlich herab, höhnten und spotteten über die Wappen, die sie im Schilde führten, erklärten, Krämer könnten nicht Ritter sein, schlossen sich nicht nur gegen sie ab, sondern befeindeten und befehdeten sie, wo sie nur konnten. Der Schlimmste war dabei von jeher der Domina um ein Jahr jüngere Bruder Werner Kurtefrund gewesen. Er haßte die Kaufherren in der Stadt mit dem Hasse des wilden Wolfes gegen die gezähmte Dogge. Eine Heirat seiner Tochter mit einem Manne von städtischem Adel würde er nie und nimmer zulassen, lieber würde er sein Kind in die Zelle eines Klosters setzen. Das stand so fest wie der Fels, auf dem seine Burg ruhte. Hatte also Gertrudis solch eine verkehrte Wahl getroffen, so konnte das eine böse, eine sehr böse Sache werden, denn auch ihr Kopf war von hartem Stein.

Bekümmert ließ die Domina alle die jungen Stadtherren, die sie kannte, an ihrem Geist vorüberziehen, aber von keinem konnte sie sich denken, er vermöge ihrer Nichte Seelenfrieden ernstlich zu bedräuen. Daß die stolze Jungfrau ihr Herz an einen Dienstmann ihres Vaters verloren habe und noch dazu an den fremden Nekromanten, der seit einiger Zeit auf der Rudelsburg weilte und ihre Nichte hierher geleitet hatte, darauf verfiel sie nur vorübergehend und wunderte sich, daß ihr der Gedanke überhaupt durch die Seele ging. Zu solch einem Menschen neigte sich ein Mädchen wie Gertrudis niemals herab, und solch ein Mensch hatte auch wohl niemals die Kühnheit, seine Augen ernstlich zu der Tochter des Herrn der Rudelsburg zu erheben.

Hätte sie ihn freilich gerade jetzt sehen können, so würde sie ihm vielleicht doch diese Kühnheit zugetraut haben. Denn Klaus Kyburg erlebte zur Stunde einen der stolzesten Augenblicke seines Lebens. Vor ihm auf dem Tische seines Turmgemaches stand eine große, weitbauchige Glasflasche, gefüllt mit einem schwarzen Pulver, das aussah wie der Same des Mohnes. Er ließ ein kleines Häuflein davon auf den Tisch rinnen und legte eine dünne Metallplatte darauf. Dann führte er vorsichtig mit weit ausgestrecktem Arm eine glühendgemachte Nadel an den schwarzen Staub heran. Sogleich zischte er auf, die Platte ward fast bis an die Decke geschleudert, und eine schwere, weißliche Dampfwolke schwebte empor.

Mit funkelnden Augen blickte Kyburg danach hin. Kein Zweifel, es war ihm gelungen, das geheimnisvolle Kraut herzustellen, das die maurischen Heiden erfunden hatten, mit dem sie Felsen sprengten, große Kugeln aus eisernen Rohren schossen und damit dicke und unersteigbare Mauern in den Staub legten. Das hätte Muley Hassan der Weise nie gedacht, daß sein fränkischer Lieblingssklave entlaufen und die wunderbare Erfindung arabischer Klugheit den Christenhunden im Norden bringen würde. Sonst hätte er ihm sicherlich mit seiner Damaszenerklinge eigenhändig den Kopf vor die Füße gelegt. Ja, war es nicht geradezu ein Wunder, daß ihm die Flucht geglückt war aus dem fernen Heidenlande und daß er das Geheimnis dieses Zaubermittels den Heiden hatte entführen dürfen? Er war nicht fromm im Sinne der Kirche, aber in diesem Augenblick durchströmte ein heißes Dankgefühl gegen Gott sein Herz, und er neigte das Haupt zu einem kurzen Gebet.

Dann begann er zu träumen. Es mußte nun zunächst ein Geschütz gegossen, Kugeln geformt werden. Auch dessen war er kundig. Dann wollte er dem Ritter eine Probe seiner Kunst ablegen und malte sich bereits die unmäßig erstaunten Mienen Kurtefrunds und seiner Leute aus. Darauf mußte man ein großes Geschütz herstellen, vor Naumburg rücken, die Stadt beschießen. Und wenn dann die Mauern zerschossen waren und die Bürger sich demütig den Siegern unterwarfen, dann konnte er den höchsten Lohn fordern und die Hand ausstrecken nach ihr, die jetzt unerreichbar hoch über ihm zu stehen schien.

Würde sie wollen? Würde sie seiner Werbung Gehör schenken? Daran zweifelte er keinen Augenblick, wenn er an den Ritt zurückdachte, den er mit ihr zum Kloster Beuditz getan. Sie hatten zwar kaum ein Wort miteinander gewechselt auf dem ganzen vierstündigen Wege, aber das zeitweilige Erröten und Erbleichen des stolzen Mädchens und der scheue Blick, den sie manchmal über ihn hinstreifen ließ, hatten ihm genug gesagt. Die süße Frucht, nach der er sich sehnte, ward reif, es kam wohl bald der Tag, da er sie pflücken konnte.

Schwere Tritte auf der Treppe ließen ihn aus seinen Träumen auffahren. Er stellte hastig die Flasche in einen Wandschrank und schürte das Feuer, das im Kamin schwelte.

Es war Herr Kurtefrund selbst, der die Stiegen erklommen hatte und nun eintrat. »Pfui Teufel!« rief er, »wie riecht es bei Euch! Öffnet die Fenster, lasset frische Luft durchs Gemach streichen. In dem Qualm kann ich nicht atmen.«

Kyburg beeilte sich, seinem Wunsche nachzukommen. Der Ritter ließ sich schwerfällig auf eine Bank nieder und zog einen Brief aus seinem Wamse hervor. »Lest mir vor, was meine alte Base schreibt, die Priorin ist im Kloster zu Helfta. Ein Mann des Klosters brachte mir vorhin den Wisch. Weiß nicht und kann mir nicht denken, was die Alte bewegt, an mich zu schreiben. Viel Gescheidtes wird's nicht sein.«

Kyburg griff nach dem Schreiben, halb gleichgültig, halb geärgert darüber, daß er das Geschwätz einer alten Nonne vorlesen mußte gerade in dem Augenblicke, als seine Seele in stolzen Träumen schwelgte. Aber bald wurde seine Teilnahme aufs höchste entfacht, das Pergament zitterte in seiner Hand, und er vermochte kaum, seine hohe Erregung zu verbergen. Das Schriftstück lautete: »Gelobt sei Jesus Christus in Ewigkeit. Amen. Meinen Gruß zuvor. Viellieber Vetter und günstiger Freund, ich tu Dir kund und zu wissen, daß gestern hier in unser Kloster eingeritten sind die edlen Herren Herr Graf Georg und Herr Günther von Kevernburg und haben mich vorgefordert und lange mit mir gehandelt in vertraulicher Rede, ob Deine Tochter wohl möchte sich ehelich verbinden mit Herrn Günthers Sohne, dem jungen Herrn Günther, der jetzt bei den deutschen Herren in Preußen ist auf einer Heerfahrt, daß er mit höchster Ehre den Ritterschlag möge gewinnen–––-«

»Ha!« rief Kurtefrund mit blitzenden Augen und schlug sich mit beiden Händen auf die Schenkel. »Donnerwetter! Ist das zu glauben? Ein Graf von den besten des Reiches, denen von Schwarzburg nahe verwandt, wirbt um meine Tochter! Hat der Hartkopf ein Glück! Ha! Wie kommen die Kurtefrunds empor! Meines Großvaters Vater ward aus einem freien Bauer ein Ritter, mein Großvater wurde mit vielen anderen Kastellanen auf diese Burg gesetzt, mein Vater drängte die anderen hinaus und erwarb das Lehn allein für sich, ich habe viele Güter dazu erworben, meine Tochter freit einen Grafen, und bei Gott, ich wollt' mich nicht wundern, wenn mein Sohn eine Schwarzburgerin oder Orlamünderin ins Haus brächte!«

Der Ritter hatte offenbar in seiner stolzen Freude fast vergessen, daß er bei diesem Selbstgespräche einen Zeugen hatte. Er beachtete seinen Geheimschreiber gar nicht und gab ihm dadurch Zeit, sich zu fassen. Endlich gebot er: »Lest weiter bis zum Ende!« und Kyburg las, tief erblaßt und mit wilden Blicken auf das Pergament starrend: »– und da männiglich bekannt ist, daß deine Tochter spröden Gemütes ist und manches Mannes Werbung schon ausgeschlagen, so lagen mir die edlen Herren mit Bitten an, ich solle bei Dir nachfragen heimlich, ob Deine Tochter sich für Herrn Günther den Jüngeren mag entscheiden, ehe bevor sie Freiwerber zu ihr möchten senden, und ich bitte Dich, Du wollest mir kund tun, was ich den edlen Herren solle für Bescheid geben. Möge es Dir wohlergehen und die Heiligen mit Dir sein! Gertrudis, des Klosters zu Helfte unwürdige Priorin, der Gott gnade.«

Er hatte geendet und schaute nun finster vor sich nieder. Kurtefrund aber sprang auf und rief: »So will ich meiner Tochter vergeben, was sie getan hat mir zum Schaden. Und wie Ihr sie hinübergebracht habt ins Kloster, so holt Ihr sie jetzt. Auf! Ihr reitet mit Sechzehn aus! Ehe die Nacht kommt, könnt Ihr zurück sein, den Brief nehmt mit, lest ihn der Domina vor, sie wird sich wohl verwundern! Sagt Kunemund, er solle satteln lassen, und verliert keine Zeit!«

Kyburg neigte sich schweigend und ging. Der Befehl mußte ihm gelegen kommen, denn wenn irgendeine Möglichkeit war, mit Gertrudis zu reden, ehe sie ihrem Vater gegenüberstand, so war sie ihm dadurch gegeben. Er gab die Hoffnung, sie zu gewinnen, nicht auf, auch wenn ein Graf des Reiches um sie warb.


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