Paul Schreckenbach
Die letzten Rudelsburger
Paul Schreckenbach

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V.

Auf der höchsten Bastei der Rudelsburg, die in das Saaltal hinabdrohte, saß Klaus Kyburg und blickte mit glänzenden Augen hinab auf den hellschimmernden Fluß und die grünen Wiesen, die das Gewässer zu beiden Seiten umsäumten. Sein Antlitz leuchtete verklärt, aber er summte dazu eine überaus traurige Weise, die sein Ohr in der römischen Campagna einst aufgefangen hatte. Damit bewies er seine deutsche Abstammung, denn seit unvordenklichen Zeiten singt der Deutsche, wenn er am fröhlichsten ist, die schwermütigsten Lieder.

Er hatte alle Ursache, freudevoll gestimmt zu sein in seinem Gemüte, denn heute zum ersten Male, seit er auf der Burg weilte, hatte die stolze Jungfrau, an der sein Herz hing, sich herbeigelassen, ihn anzureden, ja sogar eine Unterhaltung mit ihm zu pflegen.

Sonst sah er sie nur bei der gemeinsamen Mahlzeit, wo er unter dem ritterlichen Burggesinde, sie an der erhöhten Herrentafel neben ihrem Vater saß. Da war ihm keine Gelegenheit gegeben, mit ihr zu reden, ja sogar seine Augen mußte er in Zucht halten, daß sie nicht allzu deutlich sprachen und seine Gefühle für die Herrin anderen verrieten. Denn es war zu befürchten, daß mißgünstige Späher ihn beim Burgherrn verleumdeten. Aber je fester er die Glut, die ihn verzehrte, in seinem Innern verschließen mußte, um so heißer loderte sie empor, und er erkannte, halb mit Schrecken, halb mit Lust, daß sie durch nichts mehr zu löschen war. Dabei war sie ein reines Feuer, fast mehr Anbetung und Verehrung als Begehren. Noch nie hatte er ein Weib gesehen, in dem mit herber Jungfräulichkeit und frauenhaftem Stolze ein so freies, unbekümmert natürliches Wesen vereinigt war. Sie gab sich nicht als das sanfte, sittsame Burgfräulein, und selten sah man sie die Augen niederschlagen, sondern wenn sie mit jemandem redete, es mochte Mann oder Weib sein, so blickte sie ihm voll ins Gesicht und sprach ohne Ziererei und Zimperlichkeit aus, was sie dachte. Dabei war so viel weibliche Würde in ihrer Erscheinung, daß nie ein unziemlicher Scherz in ihrer Gegenwart laut wurde und keiner der rohen Reitersknechte jemals einen frechen Blick auf sie zu richten wagte. Wen sie ansprach von dem Gefolge ihres Vaters, der empfand es als eine Ehre, und darum hatte vorhin manch neidischer Blick auf ihm geruht, als die Herrin mit einer Frage an ihn herangetreten war.

»Ritter Kyburg,« hatte sie gesagt, »mein schönster und bester Jagdfalk ist seit gestern krank und verweigert die Nahrung. Ihr seid ein weitgereister Mann und vieler Dinge kundig – wißt Ihr etwa ein Mittel, das ihn könnte gesund machen?«

Ihm war bei dieser Anrede vor Freude das Blut in die Wangen geschossen. Vielleicht konnte der erkrankte Vogel ein Mittel werden, ihr näher zu kommen.

»Edle Jungfrau,« hatte er erwidert, »der Aufzucht und Wartung des edlen Falken bin ich nicht unkundig. Sie ist mir gelehrt worden in welschen Landen nach dem Büchlein, das der große Kaiser Friedrich der Staufer darüber geschrieben hat. Gebt mir das Tier in Pflege, und vielleicht gelingt mir's, es wieder gesund zu machen.«

Da war sie eine halbe Stunde später mit zwei Mägden und dem Falken erschienen, der traurig, mit gesenktem Kopf und aufgeblusterten Federn auf einer Stange saß. Sie hatte sich dabei sehr kühl und hoheitsvoll gebärdet, aber beim Anblick der seltsamen Tiegel, Flaschen und Pfannen in seinem Gemache war die Evanatur in ihr zum Durchbruch gekommen und hatte sie zu einigen neugierigen Fragen veranlaßt. Langdauernd war freilich der Besuch nicht gewesen, nicht länger als einige Minuten, aber ihn hatte die Annäherung an die angebetete Herrin über die Maßen froh und glücklich gemacht, und er blickte so selig vor sich hin, wie ein verliebter Klosterschüler.

Da fiel von seinem Rücken her ein hoher Schatten auf die Mauerbrüstung. Er fuhr herum und sah ein paar Schritte hinter sich den Burgherrn stehen, und es schien ihm, als zuckte um den Mund des gestrengen Ritters ein listig-spöttisches Lächeln. Aber es schien ihm wohl nur so, denn in ruhigem, sachlichem Tone sagte Kurtefrund: »Macht Euch bereit, mit mir auf der Stelle nach Kloster Pforte zu reiten. Der Abt hat mich geladen zu einem Besuch in Geschäften. Darum nehmt Tinte und Rohrfeder, auch etliches Pergament mit, denn Ihr sollt als mein Schreiber mich begleiten.« Er trat näher an ihn heran und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Es wird wegen des Naumburger Hähnleins sein, das ich im Käfig halte. Die Schneider und Krämer trauen sich gewiß nicht auf meine Burg und haben sich hinter den Abt versteckt, der mir befreundet ist. Ihr werdet da mancherlei hören, was nicht aller Welt kund zu werden braucht, und ich mahne Euch an den Eid, den Ihr mir geschworen.«

»Herr,« versetzte Kyburg stolz, »daran braucht Ihr mich niemals zu mahnen. Ich halte, was ich gelobt habe, unverbrüchlich.«

»So macht Euch fertig und wartet am Tore. Ein Roß wird Euch gebracht,« sagte Kurtefrund.

Eine Viertelstunde später ritt ein reisiger Zug auf der Höhe über der Saale nach Pforte hin. Denn der Weg durch das Tal war schlecht. Um den Klosterhof Kusene lagen bebaute Äcker und Fruchtgärten; sonst dehnten sich rings um den Fluß weite, sumpfige Wiesen, auf denen Weiden und hochragende Erlen, die Horstträger zahlreicher Reiherfamilien, sich erhoben. Auch ein breiter Weg führte das Tal entlang, aber er wurde nach jedem Regen fast unpassierbar. Deshalb suchte auch des Königs Heerstraße, die von Eckardtsberga kommend unterhalb Saaleck den Fluß durch eine Furt überschritt, sogleich die Höhe zu gewinnen und wand sich auf der Hochfläche droben nach Naumburg hin.

Vor dem Dorfe Flemmingen senkte sich ein Hohlweg, von der großen Straße abzweigend, nach dem Tale hinunter, und zwischen den Bäumen, mit denen der Bergabhang bestanden war, tauchten die Mauern und Dächer von Pforte auf. Viele und stattliche Häuser umschloß die hohe Ringmauer, denn das Kloster, das an Thüringens Pforte lag, war reich und besaß Dörfer, Höfe, Meiereien, Äcker und Waldstücke in großer Zahl. Warum waren die Mönche sehr dem Wohlleben zugeneigt, und es hatte der ganzen Strenge des jetzigen Abtes Albertus bedurft, um eine einigermaßen geistliche Zucht unter ihnen wiederherzustellen.

Sehr hinderlich war dem Manne bei seinem gottwohlgefälligen Werke die beständige Einkehr der umwohnenden Edelherren, die des Klosters Gastfreundschaft geradezu als ihr gutes Recht betrachteten. Sie kamen oft und selten allein, meist forderten sie, daß der Abt ihre Zech- und Jagdkumpane mit aufnehme, und häufig saßen sie dann bis tief in die Nacht hinein beim Wein und erfüllten die geweihten Räume mit dem Gesänge sehr unheiliger Lieder.

Gern hatte daher der Abt den Ritter Kurtefrund nicht zu sich entboten, denn der Rudelsburger war der schlimmsten Zecher einer und wegen seiner gewalttätigen Art und rauhen Sitten dem Gottesmanne unlieb. Aber der vielmögende, reiche Ratsherr Dietrich von Merkwitz hatte ihn dringend gebeten, die Verhandlungen über seines Sohnes Freilassung im Klosterfrieden führen zu lassen, und den gleichen Wunsch hatte einer ausgesprochen, dem der Abt nicht gern zuwiderhandelte. Das war der uralte Laienbruder Thymo von dem Hogeniste, ein mehr als neunzigjähriger Greis. Er war ein Großoheim des Ritters Kurtefrund und war vor fünfzig Jahren selbst ein Herr auf der Rudelsburg gewesen. Dann hatte ihn sein heißes Blut überall hingetrieben, wo Krieg und Fehde war. Unter Markgraf Friedrich von Meißen hatte er gegen König Adolf von Nassau und den finsteren Österreicher Albrecht, dann gegen die Fürsten von Askanien und Gott mochte wissen, wen sonst noch, gefochten, war aber stets unbeweibt und unseßhaft geblieben. Als er siebzig Jahre alt geworden war, hatte er an die Pforte des Klosters angeklopft und, männiglich zum höchsten Erstaunen, eine Zelle und ein Mönchsgewand begehrt. Dem Wunsche war gern gewillfahrt worden, denn der alte Ritter war sehr vermögend und setzte auf der Stelle das Kloster zu seinem Erben ein. Nun lebte er dort seit zwanzig Jahren, und die geistliche Luft schien ihm sehr gesund zu sein, denn weder an Körper noch an Geist war ein Abnehmen der Kräfte bei ihm wahrzunehmen. Er war ein hagerer, spindeldürrer Greis von gewaltiger Leibeslänge, der keine geistliche Übung versäumte, nur wenig Nahrung und fast keinen Wein zu sich nahm und in jeder Weise heilig lebte. Beim Abte galt er alles, der verehrte ihn sehr; bei den Mönchen dagegen, besonders bei den runden und feisten, war er sehr gefürchtet, denn er sagte jedem ohne alle Schonung und mit den bissigsten Worten seine Meinung ins Gesicht. Selbst der wilde und harte Kurtefrund hatte vor dem Alten eine fast abergläubische Scheu und hatte sich schon hin und wieder durch seinen Einfluß dazu bestimmen lassen, etwas Gutes zu tun und etwas Böses zu lassen, was seit dem vor zehn Jahren erfolgten Tode seiner Gemahlin sonst kein Mensch vermochte, auch seine Tochter nicht. Allerdings war ihm deshalb die Gesellschaft des Greises unerfreulich, und er war jedesmal froh, wenn der Großohm bei seinen seltenen Besuchen ihn nicht antraf, oder wenn er wieder fort war.

Auch heute war ihm der Gedanke unbehaglich, daß der Alte vielleicht bei der Unterhaltung mit dem Naumburger zugegen sein könnte. Er war entschlossen, an Dietrich von Merkwitz, den er persönlich und als Führer der Naumburger haßte, die unerschwinglichsten Forderungen zu richten. Der Himmel hatte ihm eine Gewalt gegeben über seine Feinde, die er gründlich ausnützen wollte. Der stolze Krämer sollte für die Freilassung seines Sohnes dermaßen zahlen, daß er dadurch zum armen Manne wurde. Und ihm, dem Rudelsburger, sollte ein Naumburger die Mittel liefern, die Stadt zu befehden, denn ob der Mann, der da an seiner Seite ritt, wirklich Gold zu machen verstand, das mußte doch erst die Zukunft lehren. Von Naumburg dagegen konnte das gute Geld an einem Nachmittage auf die Burg geschafft werden.

Das alles hatte er sich während des Rittes noch einmal zurechtgelegt und war entschlossen, sich durch die christlichen Salbadereien des Abtes nicht im geringsten beeinflussen zu lassen. Aber schon im Hofe erfuhr er, daß der Abt in einer dringlichen Angelegenheit nach Memleben geritten sei, was ihn schwer verdroß, und als er in das kleine Zimmer neben dem Refektorium geführt ward, sah er sich zu seiner peinlichen Überraschung dem gefürchteten Großohm gegenüber. Der Alte war offenbar in übler Laune. Er saß in einem großen Lehnstuhl, trommelte mit den riesigen Knochenhänden auf dem vor ihm stehenden Tisch herum, und seine tiefliegenden feurigen Augen unter den mächtigen eisgrauen Brauen funkelten den Eintretenden finster und drohend an. Er sprach kein Wort.

«Grüß Euch Gott, Großohm,« sagte endlich der Rudelsburger mürrisch nach mehreren Augenblicken unbehaglichen Schweigens und streckte ihm die Hand entgegen.

Der Alte tat, als sähe er sie nicht, erwiderte auch den Gruß nicht, sondem streckte nur den langen Zeigefinger gegen Kyburg aus und fragte: «Wer ist der Kerl, und was soll er hier?«

»Mein Geheimschreiber, Ohm. Ich denke, wir werden manches zu verbriefen haben, darum hab' ich ihn mitgebracht,« versetzte Kurtefrund.

Der Alte richtete sich in seinem Sessel auf. «Ist das der Nekromant, den du auf dein Schloß genommen hast, daß er dir Gold mache?«

Kurtefrund nickte: »Er ist's.«

Der Greis sah ihn eine Weile an und brach dann in ein krähendes Gelächter aus. »Also nicht durch Schaden klug geworden? Immer wieder dieselben Dummheiten? Und wenn's nur Dummheiten wären! Aber es ist etwas weit Schlimmeres, es ist Teufelswerk. Diese ganze Alchymisterei ist eine Beleidigung Gottes, die der Allmächtige nicht ungestraft lassen wird. Blech ist Blech, und Gold ist Gold, so hat er's gewollt und geschaffen. Da kommen nun diese windigen Männlein und wollen mit ihrer Weisheit seine Schöpfung verwandeln! Tiefe Gottesverächter sollte man säcken und verbrennen. Da sind die noch die Besseren, die nur vorgeben, sie könnten zaubern, und die Dummen das glauben machen und sie weidlich schröpfen. So einer war der vorige Schuft, den du auf der Burg hattest, und so einer wird wohl auch der da sein.«

»Herr,« schrie da Kyburg und faßte unwillkürlich an sein Schwert. »Wahrt Eure Zunge, sonst schützt Euch weder Euer weißes Haar noch Eure Kutte vor der gebührenden Antwort auf Eure Beleidigung!«

Der Alte saß da, als wäre er erstarrt. So hatte ihm seit vielen Jahren kein Mensch zu dienen gewagt. Er war gewohnt, bissige Grobheiten auszuteilen, nicht aber sie einzustecken.

Daher geriet er jetzt in höchsten Zorn, nachdem er die Sprache wieder gefunden hatte. »Kurtefrundl« kreischte er, »Werner Kurtefrund, leidest du, daß mich dein Mann bedroht, wo du dabei stehst? Weisest du ihn nicht in seine Schranken, den Frechling, der zu mir redet, wie zu einem alten Hunde?«

Er streckte beschwörend die Hände aus, aber der Ritter hatte offenbar gar keine Lust, die trotzige Antwort seines Mannes zu rächen. Im Gegenteil, sie bereitete ihm ein großes Vergnügen, denn er gönnte es dem unbequemen, widerwärtigen Greise von ganzem Herzen, daß ihm einmal einer so derb über den Mund fuhr, und er hatte Mühe, seine Lachlust zu bändigen, als er ihn so keifen hörte. Daher gab er sehr kühl zur Antwort: »Ihr kennt die Sprichworte, Ohm: Wer schlägt, wird wiedergeschlagen, und auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil! Was, zum Henker, bewegt Euch, Leute zu beleidigen, die Ihr nicht kennt? Und nun sagt mir, was ich eigentlich hier soll. Den Abt reitet der Teufel, daß er abfährt, wenn ich einreite, ich, den er eingeladen hat. Das ist eine bodenlose Unverschämtheit von dem Plattenträger, die ich nicht einstecken werde. Ich werde auf der Stelle heimreiten.«

»Nein,« schrie der Alte, »Du wirst auf der Stelle dableiben und hören, was ich, dein Großohm, dir zu sagen habe. Denn daß du das nur weißt, mein Söhnchen, Abt Albertus hat dich nur geladen, weil ich's wollte. Ich, ich will mit dir reden, aber zuvor geht der da hinaus. Hinaus, sage ich!« Er wies mit einer gebieterischen Handbewegung nach der Tür hin.

Kyburg wandte das Haupt und sah fragend zu Kurtefrund hinüber. Der war durch des Alten schroffe Art offenbar schwer geärgert, denn dunkle Röte bedeckte sein Antlitz, und er nagte heftig an seiner Unterlippe. Trotzdem war sein anerzogener und Jahre hindurch geübter Respekt, ja seine Scheu vor dem harten Greise so groß, daß er nicht kurzerhand seinem Willen zuwiderhandeln wollte. Darum sagte er verdrossen: »Habt Ihr mir etwas Geheimes zu verkünden, so mag er hinausgehen. Soll ich aber in Eurer Gegenwart verhandeln mit einem andern, so will ich ihn dabei haben.«

«So? Dann habe deinen Willen«, erwiderte der Alte ruhig. »Geheimes habe ich dir nicht zu künden, aber die Wahrheit will ich dir sagen. Tu hast im März den Naumburgern einen Wagen mit kostbaren Gewandstoffen weggenommen, vorgebend, er sei auf deinem Grund zu Falle gekommen, gehöre also dir. Du hast im Juni ihre Wiesen mähen lassen vor Kusene und das Heu eingeführt. Du hast jetzt den Sohn Dietrichs von Merkwitz in deinen Turm werfen lassen, hältst ihn hart gefangen, hast also den Landfrieden gebrochen« –

»Was?« fuhr Kurtefrund auf. »Der Bube ist auf meinem Grunde als Wilddieb abgefaßt worden. Heißt das den Landfrieden brechen, wenn man solch einen Schelm ins Loch wirft?«

»Du weißt es ganz gut, daß der Knabe kein Schelm ist. Aus Leichtsinn und Unbedacht geriet er auf deinen Grund, und so du ihm Pferd und Falken genommen hättest, so wäre ihm recht geschehen. Aber wenn du ihn festsetzest wie einen gemeinen Dieb, so frevelst du wider des Reiches Ordnung und alles Recht.«

»Mir gefällt's, nicht Leichtsinn, sondern Bosheit in dem zu sehen, was der Bube verbrochen hat, und danach behandle ich ihn.«

»Dir gefällt's? So? Dir gefällt's?« rief der Alte erbost. »Da gefällt dir's wohl auch, dem Merkwitz für seinen Sohn ein tüchtiges Lösegeld abzupressen?«

»Da habt Ihr richtig geraten,« entgegnete Kurtefrund kaltblütig. »Der Heringskrämer soll bluten, daß er die Engel pfeifen hört.«

Der Greis sank in seinen Stuhl zurück und klappte mehrmals hintereinander den Mund auf und zu. Es sah aus, als schnappe er nach Luft oder vermöge in seinem Grimm keine Worte zu finden. Dann rief er laut und eindringlich: »Werner Kurtefrund, besinne dich! Kehre um von deinem bösen Wege, bevor es zu spät ist! Du wirst jeden Tag mehr zum Landschaden, und es muß, es muß ein schlimmes Ende nehmen mit dir und deiner ganzen Sippe, denn ihr seid ruchlos, einer wie der andere! So waren wir nicht, so waren deine Väter nicht. Die scheuten schlimme Gewalttat und übten edle Rittersitte. Darum sind sie hoch empor gekommen. Wenn aber Ritter zu Räubern werden, so werden sie der Räuber Lohn empfangen!«

Kurtefrund blickte ihn finster an und schwieg. Es lag Wahrheit in dem, was der Alte sagte, das fühlte er wohl. Seit Jahren reihte er eine Gewalttat gegen die Naumburger an die andern, und die letzte war die schwerste, sie mußte von vielen im Lande geradezu als Räuberei beurteilt werden. Aber sie gab ihm einen ungeheuren Vorteil in die Hand, wenn er sie ohne Bedenken ausnützte, und deshalb verstockte er sein Herz gegen die Warnung des Greises und war entschlossen, dennoch seinem eigenen Kopfe zu folgen.

So ging er denn auf die Anklagen und Vorwürfe des alten Hogeniste gar nicht ein, sondern fragte nur kurz: »Ist Dietrich Merkwitz selber hier im Kloster, oder seid Ihr beauftragt, mit mir zu verhandeln an seiner Statt?«

«Er wollte selber kommen; ich wundre mich, daß er noch nicht zur Stelle ist.«

In diesem Augenblicke wurde die Tür aufgerissen, und ein Rudelsburger Knecht stürmte herein. »Herr, vom Berge zieht Kriegsvolk herab. Es mögen wohl achtzig oder hundert Spieße sein!«

»Ha, Verrat und Gewalt! Zwingen will mich der Merkwitz!« rief Kurtefrund, und aus seinen Augen lohte der Zorn. »Gut, daß ich die Knechte bei den Rossen ließ!« Er sprang zum Fenster. »Aufgesessen!« schrie er hinaus, dann wandte er sich wieder dem Alten zu und rief: »Ihr seht, Ohm, auch andere sinnen auf Gewalttat, auch Eure guten, friedlichen Krämer von Naumburg. Aber mich sollen sie nicht fangen.« Im Nu war er zur Tür hinaus und saß im Sattel. Dort reckte er die rechte Hand hoch empor, und im Angesichte aller seiner Mannen und vieler dabeistehender Mönche rief er mit laut hallender Stimme: »Hiermit schwöre ich, Werner Kurtefrund, bei Sankt Elisabeths Gebeinen und meiner Seele Seligkeit, daß Dietrich von Merkwitz seinen Sohn nicht wieder sieht, wenn er ihn nicht abholt mit zwanzigtausend Gulden Lösegeld. Und kommt er nicht bis Sankt Augustinustag, so werf ich den Wilddieb über die Mauer!«

Damit riß er sein Roß herum und preschte durchs Tor, die Seinen ihm nach, und ehe die Naumburger im Tale ankamen, war die Rudelsburgsche Schar schon so weit entritten, daß ein Nachsetzen völlig zwecklos gewesen wäre.


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