Paul Schreckenbach
Die letzten Rudelsburger
Paul Schreckenbach

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III.

Als die ersten Strahlen der Morgensonne durch die kleinen Fenster des Tautenburger Turmgemaches blitzten, hatte der Schläfer darinnen einen wunderlichen Traum. Er sah die Jungfrau, die ihn gerettet hatte, auf der Spitze eines hohen Berggipfels stehen, umflossen von hellem, rosigem Lichte, und ihm, der tief im Tale stand, winkte sie mit einem glückverheißenden Lächeln zu. Da sprang er den Berg empor, von Klippe zu Klippe sich schwingend, bis sie ihm ganz nahe zu sein schien. Er streckte die Arme aus, um sie zu umfassen, aber in demselben Augenblick sah er, daß zwischen ihm und ihr ein tiefer Abgrund klaffte, den kein Mensch überspringen konnte. Verzweifelt starrte er hinab in die dunkle Tiefe. Da mit einem Male faßten ihn zwei eiserne Hände an den Schultern, hoben ihn empor und warfen ihn mit ungeheurer Kraft über die Kluft hinüber, so daß er gerade vor den Füßen des Mädchens auf die Knie zu liegen kam. In demselbm Augenblicke war sein Traum zu Ende, denn er spürte wirklich einen gewaltigen Druck an den Schultern und fuhr erschrocken in die Höhe. Vor ihm stand der Ritter Kurtefrund von der Rudelsburg, der ihn unsanft aus dem Schlafe geweckt hatte. Er war vom Kopf bis zu den Füßen in blankes Eisen gekleidet.

»Was begehrt Ihr, Herr?« rief Kyburg und saß im Nu aufrecht auf seinem Lager. Ihm schwante, daß dieser frühe Besuch etwas Absonderliches zu bedeuten habe, und seine Schlaftrunkenheit war im Augenblicke verflogen.

Der Ritter suchte seinen Zügen den Ausdruck des größtmöglichen Wohlwollens zu geben. »Hört mich an!« sagte er und stützte sich breitbeinig auf sein Schwert. Er pflegte gern zu reden, denn es war ihm von der Natur eine Fähigkeit gegeben, die Worte zu setzen, wie sie unter Seinesgleichen ganz ungewöhnlich war. »In zwei Stunden etwa, guter Freund, werden die vor den Toren der Burg stehen, die Euch gestern so übel mitgespielt haben. Bezichtigen sie Euch der Zauberei und üblen Teufelswerkes, so muß Euch der Schenk ausliefern vor das Gericht des Bischofs von Naumburg, und was dann die Pfaffen über Euch beschließen, das weiß der Henker. Nun halt' ich Euch für unschuldig, ebenso der Schenk, denn von den frommen Narren, die jetzt das Land durchziehen und sich geißeln und törichte Lieder plärren, ist jeder einzelne so dumm wie ein ganzer Stall voll Schafe. Darum haben sie Euch für einen hausierenden Hebräer gehalten, wo doch jeder sehen kann, daß Ihr ein ritterlicher Mann seid.« Hier mühte er sich, den Schein eines Lächelns über sein Antlitz gleiten zu lassen, und neigte sich ein wenig gegen ihn. »Kurz und gut also,« fuhr er fort, »ich schlage Euch vor, reitet mit mir nach der Rudelsburg! Dort seid Ihr sicher, und ich meine, ich könnte Euch dort wohl gebrauchen.« Kyburg stand mit einem Ruck auf beiden Füßen und blickte dem Ritter erstaunt, ja erschrocken ins Gesicht. Nicht nur Sicherheit und Unterkunft ward ihm, dem vom Schicksal arg Heimgesuchten, mit einem Male geboten, nein, das war viel mehr, es war geradezu die Erfüllung des Traumes, den er eben geträumt hatte. Wäre heute der Rudelsburger mit seiner Tochter von dannen geritten, so hätte er sie vielleicht niemals wiedergesehen. Denn wie hätte er Zutritt erhalten sollen auf einer Burg, deren Namen er bis gestern noch niemals gehört hatte, und von der er noch zur Stunde nicht wußte, wo sie gelegen war? Das hohe Frauenbild, das ihm unablässig leuchtend vor der Seele stand vom ersten Augenblick an, da er es gesehen, wäre ihm wahrscheinlich für immer entschwunden gewesen.

»Nun? Wie dünket Euch?« sagte der Rudelsburger ungeduldig.

»Herr, ich komme mit Euch mit Freuden!« rief Kyburg. »Aber,« setzte er nach einigem Besinnen hinzu, »als was wollt Ihr mich auf Eurem Schlosse halten und gebrauchen?«

Kurtefrund überflog seine Gestalt mit raschem Blicke und sagte dann bedächtig: »Fürs erste: Ich denke, Ihr seid des Schildamtes kundig und wisset ein Schwert wohl zu führen «

»Das kann ich, Herr.«

»Zum zweiten: Ich acht', Ihr seid auch wohl imstande, den Federkiel zu handhaben, und versteht die vermaledeite Sprache, in der die Pfaffen und Schreiber die Verträge und Urkunden abfassen.«

»In beidem, Herr, irrt Ihr nicht.«

»Und endlich zum dritten: Ihr wisset etwas von der geheimen Kunst, die aus Kupfer oder Blei Gold werden läßt oder zum wenigsten es vermag, das Gold, das man in den Tiegel wirft, zu vervielfältigen?«

Kyburg sah dem Rudelsburger starr ins Gesicht und hielt eine ganze Weile den Blick seiner Augen aus. Dann sagte er: »Habt Ihr Feinde, Herr?«

»Die schwere Menge.«

»Sind solche unter ihnen, die feste Häuser haben oder sich hinter Mauern bergen?«

»Ja freilich. Da sind vor allen anderen die Heringskrämer von Naumburg. Bin zwar zurzeit mit ihnen vertragen, aber bei Sankt Elisabeth, es soll nicht lange mehr mit dem Frieden währen!«

»Nun, Herr,« sagte Kyburg mit starker Stimme. »Eure Tochter hat mir das Leben gerettet. Ohne sie wäre mein Fleisch und Bein auf einem Holzstoße verkohlt. Das bindet mich an Euch und macht mich zu Eurem Freunde. Und ich verspreche Euch dies: Gebt Ihr mir, was ich bedarf, so schaff' ich Euch noch vor Weihnachten ein Mittel, das alle Eure Feinde in den Staub vor Euch wirft.«

»Ihr versprecht viel,« erwiderte der Ritter, »fast zu viel. Und ich frage Euch: Wie kommt es, daß Ihr bei solcher großen Kunst als ein Landstreicher umherfahret?«

»Das mag ich Euch leicht erklären, Herr. Von den Heiden floh ich auf ein Schiff von Sankt Marco und hatte nichts, als was ich auf dem Leibe trug. Von Venedig bettelte ich mich durch bis zum Bischof von Brixen, der mein Gönner ist von früher her und der mich aufnahm. Er stattete mich mit Kleidung aus und auch mit Geld und riet mir, zum Erzbischof nach Magdeburg zu fahren, bei dem die ärztliche Kunst hoch im Preise stehe. Er schrieb mir auch einen Brief, der mich empfehlen sollte. Den haben die Räuber gestohlen und zerrissen. Dem Hochwürdigen von Brixen darf man nicht nahe kommen mit der geheimen Kunst der Heiden. Er ist der Welt abgestorben und lebt nur noch den Werken der Liebe und Barmherzigkeit.«

»Das leuchtet mir ein,« versetzte der Rudelsburger nach einigem Nachdenken. »Ihr seid also bereit, mein Mann zu werden und Euch in meinen Dienst zu schwören, bis dieses Jahr zu Ende ist? Denn bis dahin muß sich's ja zeigen, was Ihr vermöget.«

»Hier meine Hand, Herr, ich gelobe mich Euch bei den Wunden des Heilandes und meinem Schutzpatron Sankt Jacob! Und so Ihr mich redlich haltet, so sollt ihr einen Dienstmann an mir haben, wie Ihr noch keinen hattet.«

»Mich redlich zu halten gegen Euch, will ich Euch gern geloben. Wer mir gute Dienste leistet, kann sich auf meine Erkenntlichkeit verlassen. Von allem anderen reden wir, wenn wir daheim sind. Jetzt aber müssen wir Euch ausrüsten, wie einen, der in meinem Gefolge reitet.« Er öffnete die Tür und rief die Stiegen hinunter: »Wilke, bringe dem Manne ein Gewand und einen Harnisch und alles, was ein Reiter haben muß. Dein Herr hat mir's zugesagt.«

Eine Viertelstunde später ritt Kyburg im Gefolge des Rudelsburgers aus dem Tore der Tautenburg. Es war kein ritterliches Ziergewand, das man ihm gegeben hatte, er trug vielmehr die Kleidung eines gewöhnlichen reisigen Knechtes. Aber sein hoher, schlanker Wuchs kam doch dadurch aufs vorteilhafteste zur Geltung, und seine schwarzen Augen blickten so kühn und herrisch unter der Eisenhaube hervor, als wäre er der reichste Landherr in der Runde.

Gertrudis, die neben ihrem Vater an der Spitze des Zuges ritt, schien davon nichts zu bemerken und hatte offenbar nicht mehr acht auf ihn als auf jeden anderen. Sie hatte ihn mit einigen kühlfreundlichen Worten willkommen geheißen unter den Mannen ihres Vaters, wobei sie nicht hatte verhindern können, daß ihr ein feines Rot in die Wangen getreten war. Dann aber hatte sie sich fast schroff von ihm abgewandt und nicht wieder das Wort an ihn gerichtet.

Ritter Kurtefrund, der seine Augen überall hatte, bemerkte wohl die feurigen und bewundernden Blicke, die der Fremdling auf seine Tochter warf, und sie bereiteten ihm ein großes Vergnügen. War der Mann wirklich geheimer Wissenschaft kundig, so konnte er ihm unermeßlich nützlich werden. Es war ein wunderliches Spiel des Zufalls, daß ihm der seltene Vogel ins Garn gegangen war. Verliebte er sich nun gar in seine Tochter, so war er stärker an die Rudelsburger gefesselt als durch jeden Eid und würde ihm gern und willig dienen mit allem, was er vermochte. Und für Gertrudis, die Stolze, Unnahbare, war ein fremder Landstreicher nimmer eine Gefahr, auch wenn er so adlig aussah wie der da. Sie ließ ihn ja ganz und gar links liegen. Er dagegen wandte von Zeit zu Zeit das Haupt nach ihm zurück und nannte ihm den Namen eines Dorfes oder festen Hauses, an dem man vorüberritt.

Es waren der Ortschaften viele, die der Zug berührte oder zur Seite liegen ließ, denn Herr Kurtefrund ritt nicht im Tale hin den Fluß entlang, sondern er hatte den Weg über die Höhe eingeschlagen. Das war mit weisem Bedacht geschehen. Er wollte den Wallfahrern nicht begegnen, die vermutlich ihren Weg nach Camburg nahmen, und er wollte sein festes Haus Neidschütz besuchen. Dort schaltete sein Oheim Lutz Kurtefrund, der zwanzig Jahre jüngere Bruder seines längst verstorbenen Vaters. Der harte, verschlossene Mann, der jetzt schon in den Sechzigern stand, war ein in der ganzen Gegend bekannter Sonderling. Er haßte zweierlei in der Welt von ganzer Seele, nämlich die Weiber und die Naumburger. Denn vor vielen Jahren hatte ihm ein Naumburger Patrizier in einer Fehde das linke Auge ausgerannt. Darob hatte sich die Braut des also Gezeichneten entsetzt, denn seine Leibesschönheit war ohnehin keine große, und jetzt war sie ganz dahin gewesen. Das Verlöbnis war auseinander gegangen, und ein Jahr später hatte die wankelmütige Schöne demselben Naumburger ihre Hand gereicht, dem ihr früherer Verlobter sein entstelltes Gesicht verdankte. Ungeheure Bitterkeit war deshalb in die Seele des Verschmähten eingezogen. Alles, was lange Haare trug, war ihm ein Greuel geworden; auch seine Dienerschaft bestand ausschließlich aus Männern, weil er kein weibliches Gesicht um sich sehen wollte. Nur eine Köchin in weit vorgerückten Jahren und von sehenswerter Häßlichkeit duldete er auf dem Schlosse, »denn dieses alte Mordsreibeisen«, pflegte er in seiner mehr deutlichen als anmutreichen Redeweise zu sagen, »ist nur noch zu einem Viertel Weib, zu dreiviertel Drache.« Ebenso groß oder noch größer war sein Haß gegen die Naumburger, besonders seit dort sein Erbfeind und einstiger Nebenbuhler, Dietrich von Merkwitz, zu hohen Ehren gekommen war. Kein Ritter im ganzen Lande sehnte so wie er den Tag einer blutigen Abrechnung mit dem hochmütigen Krämervolke herbei, und Werner Kurtefrund machte wesentlich deshalb den Umweg über Neidschütz, um seinem Oheim die willkommene Kunde zu bringen, daß der Schenk dem Bunde gegen die verhaßte Stadt nun endlich beigetreten sei.

Das eine Auge des alten Ritters leuchtete denn auch hell auf, während sein Neffe erzählte, und seine dünnen Lippen umspielte ein Lächeln des Triumphes. Gleich darauf wurden aber seine Züge wieder so finster wie zuvor.

»Ich kann dir, Gott sei's geklagt, nichts so Günstiges berichten wie du mir,« sagte er; »im Gegenteil, eine sehr unliebsame Kunde ward mir vorhin zugetragen. Der alte Bischof Witticho liegt auf der Saaleck im Sterben.«

»Donnerwetter! Das wäre des Teufels!« fuhr der Rudelsburger auf. »Der alte Esel war so friedlichen Gemüts, daß wir von ihm nie und nimmer etwas zu befürchten hatten. Er hätte immer nur zum Frieden gemahnt, auch wenn wir schon in Naumburg drin gewesen wären und die Stadt an allen Ecken gebrannt hätte. Wen sie nun auch wählen an seiner Statt – solch' einen Dummen wählen sie sicher nicht. Verdammt, verdammt!«

Der Neidschützer stieß seinen Stock in die Erde. Er war gerade vom Felde heimgekehrt, wo er die Fröhnder beaufsichtigte, und da hatte ihn sein Neffe noch vor dem Tore des Burggehöftes überrascht. Das Gefolge stieg in einiger Entfernung von den Pferden, um sich unter ein paar schattigen Linden zu lagern und dort zu frühstücken. Auch Gertrudis wollte das so halten und gar nicht erst das Schloß betreten, denn der weiberfeindliche Großohm war ihr halb lächerlich, halb widerwärtig, und sie grüßte ihn nur aus der Ferne mit sehr kaltem Gruße.

»Schreie nicht so!« sagte der ältere Kurtefrund zu seinem Neffen. »Die Kerle brauchen nicht zu wissen, daß du dich ärgerst. Es ist, wie es ist, und wird sich nicht ändern. Übrigens weißt du so gut wie ich, wie viel Reibereien und Spähne zwischen dem Bischof bestehen und der Stadt. Die hochmütigen Schneider wollen sich ganz frei machen von ihrem geistlichen Oberherrn, das kann sogar ein Pferd merken. Sie kaufen ihm mit ihrem verfluchten Gelde ein Recht nach dem andern ab, leiden's schon nimmer, daß er in der Stadt seine Wohnung nimmt, sind häßlich mit seinen Leuten und wollen ihre eckigen Schädel nicht mehr vor ihm beugen. Da meine ich, es müßt' ihm eine Freude sein, wenn sie recht kräftig geduckt werden, ja er müßt's für seinen Vorteil achten. Und das muß von jedem Bischof gelten, wer auch gewählt wird!«

»Ha, das wohl!« knurrte der Rudelsburger, »er mag sich wohl freuen, wenn sie einer recht kräftig auf den Leib tritt. Aber daß einer ihr Nest zerstört, das muß ihm sehr unlieb sein, denn er zieht viel Geld aus der Stadt; auch wär's ihm eine Schande vor den Fürsten des Reiches.«

»In der Welt kommt immer alles anders, als wir denken,« tröstete der Oheim. »Übrigens, wer ist denn der Mensch dort, der auf deine Tochter zutritt? Ein stattlicher Kerl, bei meiner armen Seele! Ist's ein Fahrender von Adel?«

Über das Gesicht des Rudelsburgers zuckte es wie ein Blitz. »Donner und Hagel!« rief er. »Der kann vielleicht hier was tun! Er ist ein Arzt.«

»Was? Seit wann führst du denn solch ein Geschöpf mit dir herum? Hast du Angst um deinen Kadaver? Oder ist er für die Pferde?«

»Ah – das erzähl' ich dir ein andermal. Er kann mehr als Brotessen. Jetzt will ich einmal seine Kunst ausproben.« Er ging mit langen Schritten auf Kyburg zu. »He, guter Freund!« rief er, »kommt einmal her. Dicht neben meiner Burg steht das Schloß Saaleck. Dort liegt der alte Bischof von Naumburg sterbenskrank. Denkt Ihr, daß Ihr dem Alten helfen könnt, so daß er leben bleibt? Es wäre mir gerade jetzt sehr viel daran gelegen.«

»Ja, Herr, es steht in jedem Falle in Gottes und der Heiligen Hand, ob sie dem Arzte Gelingen geben wollen. Aber versuchen will ich, was ich kann.«

»So reitet Ihr mit Kurt und Fritz schnurstracks dahin. Wenn Ihr Euch sputet, könnt Ihr in weniger als einer Stunde vor dem Tore stehen!«

»Wie Ihr befehlt, Herr,« erwiderte Kyburg, und wenige Minuten später ritt er schon in scharfem Trabe mit den beiden Knechten dem Dorfe Janisroda zu.

Ehe er in die Dorfstraße einbog, traf er auf drei andere Reiter. Ihr Führer war augenscheinlich ein ritterlicher Weidmann, der soeben von einem Jagdausftug heimkehrte. Eine Jagdbeute war zwar nicht zu sehen, aber die Armbrust, die einer der Knechte trug, deutete darauf hin; auch war der Herr ganz in Grün gekleidet und hielt einen Jagdspieß in der Hand.

Er stutzte, als er Kyburg erblickte. Auch ihm schien offenbar ein Mißverhältnis aufzufallen zwischen der ritterlichen Haltung des Mannes und seiner Kleidung. Etwas wie Neugier zeigte sich in seinen Zügen, und indem er ihn von oben bis unten scharf musterte, fragte er, höflich an seinen Hut greifend:

»Ihr tragt die Farben Herrn Kurtefrunds? Da können wir zusammen reiten, denn wir haben fast denselben Weg.«

»Vielen Dank, Herr!« erwiderte Kyburg. »Aber gemächlich reiten dürfen wir nicht, denn wir müssen, so bald es geht, in Saaleck sein.«

Der Jäger warf ihm einen erstaunten Blick zu. »In Saaleck? Dahin reite ja auch ich. Sendet euch Herr Kurtesrund zum Bischof? Nun wisset, Bischof Witticho wird keines Menschen Rede mehr vernehmen, denn er liegt in schwerster Krankheit.«

»Eben deshalb will ich zu ihm, denn ich bin ein Arzt.«

Ein zweiter überraschter, fast lauernder Blick traf ihn, und es war, als ob ein Schatten sich auf das Antlitz des Ritters senke. Er pfiff durch die Zähne, sah ihn mehrmals von der Seite an und sagte endlich: »Nun, wenn Ihr ein Arzt seid, so braucht Ihr Euch gar nicht hinzubemühen. Der Arzt des Bischofs wird Euch sicherlich nicht an das Krankenlager lassen, denn er ist auf seine Kunst sehr eingebildet. Ihr könnt mir das glauben.«

»Ihr seid von den Leuten des Bischofs?«

Den vollen roten Mund des Jägers umzuckte ein Lächeln. »Es ist so,« entgegnete er artig. »Euer Besuch hat keinen Zweck.«

»Mit Verlaub,« bemerkte einer der Rudelsburger Knechte, zu Kyburg gewendet, »es ist der Herr Domherr von Miltitz, der mit Euch redet.«

Jetzt kam die Reihe, überrascht und erstaunt auszusehen, an Kyburg. Wie, dieser noch ziemlich jugendliche Herr, der aussah wie ein ritterlicher Stutzer, dieser Mann mit dem schwarzen modischen Schnurrbärtchen über den Lippen, den lebhaft und lebensfroh sprühenden Äugen und dem feinen rosigen Gesichte sollte ein Domherr sein?

Miltitz bemerkte seine Verblüffung und lachte hell auf. »Ihr denkt Euch wohl einen Säulenheiligen unter einem Domherrn? Aber da Ihr's nun wißt, so wiederhole ich Euch: Laßt den Bischof in Ruhe sterben, dem hilft kein Mensch mehr, und reitet ruhig nach der Rudelsburg.«

Kyburg schüttelte den Kopf. »Ich habe Herrn Kurtefrund versprochen, daß ich nach Saaleck reiten will, und also reite ich dahin.«

»Nun denn, ins Teufels Namen, so kommt!« rief der Domherr und sah ihn erbost an. »Es soll nicht heißen, ich hätt' euch zurückgehalten. Kommt!«

Er spornte sein Roß, und nun ging's eilig vorwärts. Als man das Dorf Freirode im Rücken hatte, lag eine riesige Burg, fast anzusehen wie eine kleine feste Stadt, vor Kyburgs erstaunten Blicken.

»Ist das Saaleck?« fragte er den einige Schritte vorausreitenden Domherrn.

Der riß erstaunt sein Roß zurück und rief: »Mensch, was soll das? Ich denke, Ihr dient dem Rudelsburger, und kennt seine Burg nicht?«

»Ich stehe erst seit heute früh in seinen Diensten.«

»So so! Wunderbar und sonderbar!« murmelte der Domherr und lenkte sein Tier an dem Burgweg nach der Rudelsburg vorüber hinab in den Kreipitzscher Grund. Als man eine Strecke geritten war und um die Ecke bog, tauchten die beiden mächtigen Türme von Saaleck auf.

»Das ist« begann der Domherr, aber das Wort erstarb ihm im Munde. Auf dem vordersten der beiden Steinkolosse wurde eben eine große schwarze Fahne befestigt. Er zügelte sein Roß, und ein Leuchten des Triumphes zog über sein Antlitz. Dann wandte er sich zu Kyburg um und sagte mit einem spöttischen Lächeln: »Ihr kommt zu spät, wie Ihr seht. Bischof Witticho ist nicht mehr. Und nun saget Herrn Kurtefrund einen Gruß von dem, den übermorgen früh das Kapitel wählen wird an des Verstorbenen Statt. Die zärtliche Sorge um Herrn Wittichos Leben hat mich gerührt; möge er dem neuen Bischof von Naumburg denselben günstigen Sinn erweisen. Ihr aber empfangt als erster meinen bischöflichen Segen!«

Er hob sich im Sattel empor, schlenkerte die Arme in lächerlicher Weise durch die Luft und ritt dann mit einem scharfen Lachen den Berg hinab.


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