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XXI.

Jean, der Diener, war mit›Mumpitz‹ gegen die Steinböschung der Kurve gestürzt. Das Maul des Wallachs war blutig eingefetzt, so messerscharf hatte das Grauen die Trense zurückgezuckt. Taumelig arbeitete er sich unter dem schlagenden Tiere empor und stierte mit schreckverblödeten Augen, die weit aus den Höhlen herausdrängten, in den Abgrund. Tief unten zwischen dem Geröll war etwas Farbenwirres zu einer unbeweglichen Masse zusammengeballt. Die Zügel über die Schulter geschlungen, schleppte der Mann seine zerschlagenen Glieder den sandigen Weg hinab. Hinter ihm hinkte kläglich der aus dem zerrissenen Maule und schmerzenden Kniewunden blutende Wallach.

Jean kam in die Straßen und lallte und gestikulierte wild. Denn er hatte auf Stunden die Sprache verloren. Eine Horde Neugieriger zog hinter ihm drein zu der Unglücksstätte. Samariterwagen rasselten, ein Schinderkarren polterte herbei. Und bald wußte es die ganze Stadt, daß die wunderschöne blonde Baronin von Ingenheim mit dem Pferde von der Sankt Annenhöhe zu Tode gestürzt war. Und soviel hatte man endlich aus dem betörten Diener herausgeforscht, daß plötzlich die Stute, die immer ihre nervösen Launen gehabt hätte, durchgegangen sei, daß die Baronin die Herrschaft über das verängstigte Tier verloren habe, daß die Stute in rasender Karriere auf die Brüstung niedergegangen und hinübergeflitzt war wie ein Bolzen von der Armbrust. Das wußte noch im Laufe des Vormittags die ganze Stadt, durch die in trauerndem Totenschritt der Samariterwagen zu der Villa des Regierungspräsidenten fuhr.

Die beiden Anwälte hörten es auf dem Gericht. Der Geheimrat Helmholtz trat auf dem Korridor an ein hohes Bogenfenster und blickte hinauf in den sommerblauen Himmel. Doktor Wurm aber eilte ans Telephon und ließ sich schleunigst mit der Waffenfabrik verbinden.

»Haben Sie es schon gehört?« fragte er Seebeck atemlos.

»Ja,« sagte der bewegt, »die arme, arme Frau!«

»Glauben Sie an den Unfall?«

»Ich will daran glauben,« kam die leise Antwort, »denn sonst müßte ich daran glauben, daß ich sie in den Tod getrieben habe.«

»Aber, verehrter Herr Generaldirektor –« wollte der Anwalt Trost und Vernunft predigen. Da merkte er, daß die Verbindung gelöst war. Wütend hakte er an. Womöglich wollte Seebeck jetzt ihm die Verantwortung aufbürden. Natürlich: geht es gut, ist es selbstverständlich; geht es aber einmal schief, ist der Anwalt an allem schuld. Der Anwalt, immer der Anwalt! An diesem Vormittage war Herr Doktor Wurm ein sehr peinlicher Gegner.

Faber erfuhr es, als er durch den Universitätsgarten zur Vorlesung kam. Zwischen zwei Studenten, die hinter ihm folgten, fiel der Name Ingenheim. Wie ein Kreisel fuhr er herum:

»Was ist mit Ingenheim?« fragte er schroff, ohne jede Einleitung. Verblüfft faßten die Studenten an die Mützen. »Haben Sie es noch nicht gehört, Herr Professor?« befliß sich der eine zuvorkommend. »Sie ist doch abgestürzt,« beeilte sich der andere. »Mit dem Pferde von der Sankt Annenhöhe,« ergänzte der erste.

»Tot?« fragte der Professor.

»Ja,« nickte der zweite.

»Genick gebrochen,« schauderte dem ersten.

»Überhaupt zerschmettert,« gruselte dem zweiten.

Faber lüftete den Hut und ging die Treppen hinauf zu seinem Hörsaale. Er hatte jetzt zu lesen, es war ein viertel elf. Er sprach klar, plastisch, leidenschaftlich wie stets. Sein Verstand hielt eiserne Wacht bei seinen Worten. Nur in der Brust, wo das Herz pochte, dehnte sich eine atembeklemmende schwarze Blase. Mehrmals preßte der Professor die linke Hand wie in Schmerzen auf das Herz. Scharfen Beobachtern entging nicht die grünliche Blässe seiner Stirn. »Es ist gut, daß das Semester zu Ende geht,« frohlockte eine gefühlvolle kleine Polin, die ihn im stillen, ganz, ganz im stillen anschwärmte, »er ist arg überarbeitet, der arme Professor.« Und jedesmal, wenn seine weiße Hand sich über dem Herzen zusammenkrampfte, ging ein leiser stechender Schmerz durch ihren jungen schwärmerischen Busen.

Freundlich, doch mit tiefen Falten der Abspannung um den Mund, gab Faber nach der Vorlesung den, wie immer, anstürmenden Anfragen Antwort. Dann stieg er mit schweren Füßen, wie ein alter Mann, von dem Podium hinunter und ging mit schleppendem Gange durch die jugendbrausenden Korridore. Müde, seelenlos erwiderte er die Grüße der Kollegen und Studenten und gelangte endlich ins Freie. Wie eine dunkle Decke lag es auf seinem Geiste. Und die schwarze Blase in der Brust schwoll und schwoll an und nahm ihm den Atem.

Er ging durch die Straße, in der die Ingenheimsche Villa lag. Er hielt vor dem Hause. Neugierige umstanden flüsternd das Gartengitter und sahen sensationslüstern hinauf zu den dicht verhangenen Fenstern. Faber blieb stehen unter der gaffenden Menge. Ob er hineinging? Der Baron war verreist. Das wußte er. Denn gestern nachmittag war er noch einmal im Regierungsgebäude gewesen.

Schon gestern nach der Vorlesung war der Zorn über Manjas Zumutung verraucht. Und über die grimme Entschlossenheit des Morgens brachen tausend angstgepeitschte Sturzwellen des Zweifels und des Zagens herein. Den ganzen Nachmittag über lief er zwischen den Wänden seines Zimmers einher und horchte mit aufgewühlten Sinnen hinaus nach dem Gräßlichen, das jetzt, jetzt, gerade in diesem Augenblick geschehen konnte. »Heute tut sie es,« schrie das Entsetzen in ihm, »heute tut sie es bestimmt! Worauf soll sie jetzt noch warten? Heute im Zorn und Unbedacht hat sie dazu die Kraft.« Und er lauschte hinaus ins Zimmer, machte die Ohren steif, wurde ganz zu Gehör, als könne er hier das Rauschen des Todes vernehmen. Und er rannte und rannte, von einer Ecke zur andern, und krallte die Finger in den Kragen und dachte: sie tut es, sie tut es. Und streckte die Finger gespreizt zur Decke und flüsterte: »Ich kann sie doch nicht sterben lassen – ich kann sie doch nicht wie einen Hund verrecken lassen!« Und rannte wieder wie in einem Kerker umher und wußte, daß er sie doch nicht hindern könne. Das weite Zimmer wurde seiner Qual zu eng, er lief durch den Flur, durch die verwaisten angstdrohenden Stuben. Sophie war in des Vaters Wohnung, das Verlobungsmahl für den Abend zu rüsten. Er kam in sein Zimmer zurück und stand unter dem Lüster und horchte wieder hinaus auf das Gräßliche, das wenige Straßen von ihm entfernt dieses junge strotzende Leben erdrosselte. Und wieder durchhastete er alle Rettungswege. Nichts gab es, nichts. Die beiden einzigen Mittel: sein Tod oder der Meineid lagen nicht in seinen Möglichkeiten. Nein, es gab keine Rettung. Er hatte keine. Er konnte nichts tun, als hier stehen, den Schrei des Wahnsinns, der seine Kehle zerriß, niederkrampfen und lauschen, lauschen, warten, bis das Furchtbare sich vollendet hatte. Er lief wieder von Wand zu Wand. Und plötzlich rannte sein literarisches Hirn auf Grund, Ja, Graf Leicester. Ja, so stand er da und lauschte. Und unter seinen Füßen legt sie das schöne Haupt auf das Schafott.

Triebhaft öffnete er einen Schrank der Bibliothek und krallte den Band heraus. Blätterte, mit zuckenden Fingern, bis er die Szene fand: »Ich lebe noch! Ich trag es, noch zu leben!« las er. Und setzte sich nieder und las die Szene. Es fesselte seine Gedanken. Es riß ihn fort. Tragödie gewordene Tragödie. »Stürzt dieses Dach nicht sein Gewicht auf mich? Tut sich kein Schlund auf, das elendeste der Wesen zu verschlingen? Sie geht dahin, ein schon verklärter Geist, und mir bleibt die Verzweiflung der Verdammten.« Er las und las. »Mit einem eh'rnen Harnisch angetan sei deine Brust! Die Stirne wie ein Felsen! Willst du den Preis der Schandtat nicht verlieren, dreist mußt du sie behaupten und vollführen!« Das Buch schlug zu Boden.

Ja, ja, mit einem eh'rnen Panzer angetan! An sein Weib denken, nur an sein Weib. Hart sein und das Geschick auf sich nehmen. Die Stirn ein Felsen! Ja, eine andere Wahl blieb nicht.

Gefaßter nahm er das Buch wieder hoch. »Umsonst! Umsonst! Mich faßt der Hölle Grauen. Ich kann, ich kann das Schreckliche nicht schauen, kann sie nicht sterben sehen.«

Das Buch sank, seine Augen gingen ins Weite, durchbohrten die Wände des Zimmers, sahen sie, sahen das arme totgehetzte Weib wie eine Vision, ein Messer in der Hand, mit blutquellenden Augen auf die zarten violetten Pulsadern starren.

Er schleuderte das Buch an die Wand, daß es aufblätternd dröhnte, war im Flur, hatte den Hut auf dem Schädel und stürmte hinab.

Er wollte es doch tun, hundertmal, trotz ihres Verbotes. Er wollte nicht die Last ihres Todes durch sein Leben schleifen.

Im Regierungspräsidium erfuhr er, daß Herr von Ingenheim verreist sei und erst morgen mittag zurückerwartet werde.

Da kam ein verzweifelter Fatalismus über ihn. »Es soll nicht sein,« bohrte er sich in das Unabänderliche hinein. Und doch trieb das Grauen ihn zu der Ingenheimschen Villa.

Er mußte Gewißheit haben. Ob sie noch kämpfte oder – oder –! Er stürmte dahin, Rücksichten gab es nicht mehr. Wenn er sie am Leben fand – vorwärts – vorwärts – dann wollte er ihr noch einmal zureden. Ihr noch einmal Vernunft einätzen in das angstwirre Gehirn. Sie hypnotisieren mit Lebensgier. Er lief – lief. Doch je näher er dem hübschen, weinlaubumsponnenen Hause kam, desto zögernder wurde sein Schritt. Was half es, wenn er wieder auf sie einsprach! Sie würde wieder von ihm das Unmögliche fordern. Sie würde wieder dabei verharren, daß sie durch ihren Tod des Mannes Achtung erpressen müsse. Daß sie für ihren Jungen und zum Nutzen der Stellung ihres Mannes sterben müsse. Und er würde wieder dastehen, nichts als egoistische Verneinung und tote hilflose Vernunft in Händen. Was konnte ihr sein Kommen bringen! Und doch ging er von einer inneren Kraft getrieben weiter, immer weiter. Gerüttelt von dem ahnenden Grauen, daß das Unmögliche schon geschehen sei.

Als er vor die Villa kam, sah er den Diener, der den Garten sprengte, mit einem Dienstmädchen des Nachbarhauses durch den Zaun das uralte Pyramus- und Thisbe-Liebesspiel erneuen. Da ging er rasch vorbei. Das war ein untrügliches Hoffnungszeichen. Und im Weitergehen überredete er sich: Heute würde sie es nun sicher nicht tun. Wenn sie es nicht in der ersten zornigen Verzweiflung vollbracht hatte, tat sie es sicherlich nicht mehr. Morgen würde sie noch einmal zu ihm kommen und ihn wieder mit Bitten bestürmen. Denn morgen war ja noch Zeit. Der Termin war erst übermorgen. Dann wollte er sich eine Bedenkzeit bis nachmittag erzwingen. Es half nichts, er mußte List brauchen. Und am Nachmittage ging er hin und sprach mit Ingenheim. Ja, so sollte es werden. So sollte es werden. Und er klammerte sich mit allen zähen Willenskräften an die Überzeugung, daß sie es nun heute nicht mehr tun würde, und an die feste Entschlossenheit, morgen die Entscheidung und Manjas Erlösung von aller Todesnot herbeizuführen.

Der gerade Weg, den er vor sich sah, gab seiner Mannhaftigkeit ihre Sicherheit zurück. Als er heim kam, fand er Sophie schon bei der Abendtoilette. Er kleidete sich um und stürzte sich, seines Planes frohbewußt, in die Freude des Familienfestes. Er riß sich den Rausch wie eine Narrenkappe über die Augen. Neckte die Schwägerin, hielt einen kernigen scherzhaft-ernsten Toast auf die »chemische Verbindung«, lärmte und rumorte in seiner urwüchsigen geistverschönten Ausgelassenheit und bildete wie stets das sprühende Knisterfeuer, an dem die andern die Fackeln der Fröhlichkeit entzündeten. Und als sie spät in der Nacht durch die stillen Straßen heimgingen, schmiegte Sophie sich an seinen Arm und sagte, und alle Sterne leuchteten aus ihren Augen: »Heut' bist du wieder mein alter junger Geliebter und Herr.« Da nahm er sie mitten auf der Straße in die Arme.

Doch als sie längst neben ihm tief und friedlich atmete, wälzte er sich schlaflos auf der Matratze. Die Folterknechte Angst und Grauen hatten ihn wieder unter den Zangen. Er wußte plötzlich, ganz plötzlich kroch die Erkenntnis aus den dunkeln Ecken des nächtlichen Zimmers hervor, daß Manja nicht die Frau war, die sich in blinder Wut hinschlachtete. Sie stirbt wie ein Römer der Kaiserzeit, kam es über ihn, wie ein Arbiter elegantiarum. Sie nimmt bewußt und still ihren Abschied von all den Kostbarkeiten ihrer Welt. Und er wand sich in Martern, bis der Morgen kam. Um acht läutete er Manja an. »Frau Baronin ist ausgeritten,« gab die Zofe Bescheid. »Darf ich etwas bestellen?«

»Danke, nein.«

Es war ein lastbefreiter Jauchzer. Sie lebte – sie lebte! Sie ritt aus! Hatte seine Psychologie gestern doch recht behalten. Juchhu! Ausgelassen jodelte er im Zimmer umher, daß Seine Niedlichkeit im Nebenzimmer nicht zu bändigen war.

»Geh' hinein,« Sophie öffnete die Tür, »wir denken, der Papa arbeitet, dabei spielt er Tiroler. Da spiel' mit!«

Und Seine Niedlichkeit machte ein Mäulchen wie ein gefräßiger Wolf und johlte: »Ichhu!«

Und dann – dann hatte er es erfahren. –

Faber stand unter den flüsternden Gaffern und überlegte, ob er in das Haus hineingehen solle. Was wollte er dort? Die zerschmetterte Frau noch einmal sehen? Was hatte er dort drinnen zu tun? Gespenstig durchbebte ihn die Sage, daß der Leichnam noch einmal zu bluten beginnt, wenn sein Mörder an die Bahre tritt. Er ballte die Fäuste. Ich bin nicht ihr Mörder! Ich bin nicht ihr Mörder!! Und doch schlich er wie ein Verbrecher aus der gaffenden Menge. Die schwarze Blase in seinem Herzen war jetzt so schmerzhaft aufgedunsen, daß er nach Atem rang wie ein verdurstender Hund. Die Lungen röchelten. Er mußte sich an einen Laternenpfahl anklammern. Dort stand er, bis eine vorbeirollende Droschke ihn erlöste und die wenigen Schritte nach seiner Wohnung barg.

Auf dem Schreibtisch fand er Manjas Brief. Mit klammen Fingern erbrach er ihn. Las, las ihn wieder, die Arme fielen auf die Tischplatte, das Gesicht sank nach. Und der stolze Professor Faber weinte, weinte, wie er nicht mehr geweint hatte, seit er lange Hosen trug, weinte laut und klagend mit rinnenden Tränen, wie ein Mann weint im blutigsten Weh.

Leise ging die Tür, er hörte es nicht. Leise schloß Sophie Faber wieder die Tür. Er hörte es nicht. Mit blutlosem Gesicht stand sie vor seiner Tür, horchte angstgeschüttelt auf das Schluchzen im Zimmer und war sich zum ersten Male in ihrer Ehe des rechten Weges nicht bewußt. Ehrende Scheu vor der Wucht dieses Mannesleides hielt sie zurück; Liebe, nie mit solcher Elementargewalt empfundene Liebe trieb sie hinein über die Schwelle. Endlich öffnete sie wieder zaghaft die Tür, schloß sie unhörbar hinter sich, ging auf Zehen zu ihm, die schmerzheilige Stille nicht zu stören, legte ihre Hände auf den gebeugten Kopf und sprach kein Wort. Und als das Schluchzen allmählich versiegte und die Schultern nicht mehr so ringend keuchten, kniete sie an seiner Seite nieder und streichelte wortlos seine Knie. Da hob er den Kopf, trocknete das Wasser von dem Gesicht und begann mit würgendem Atem zu erzählen. Alles, alles erzählte er der kauernden Frau. Diese trostlose bitterböse Geschichte flüsterte er nieder zu der Frau zu seinen Füßen. Von den zwei Jahren der Lauterkeit sprach er, von dem Verhängnis des Regentages in Norderney, von ihrer opfervollen Sühne, von ihrem Besuch vor einigen Tagen, von der grausamen Verwicklung, von seinen Kämpfen und seinem Entschlüsse, von ihrem Fordern und seiner Weigerung, von ihrem Tode. Alles, alles erzählte er der kauernden Frau mit den angstweiten Augen. Und dann gab er ihr den Brief. Und als sie ihn gelesen hatte, sank sie in sich zusammen und weinte verzweifelt, wie sie nicht mehr geweint hatte, seit die schweren Erdschollen auf den Sarg der Mutter niedergedröhnt waren. Stumm saß der Mann.

Dann stand die Frau größer und schlanker als ehedem im Zimmer.

»Fritz,« sagte sie, mit Gewalt sich beherrschend, »ich fühle, die nächste Zeit gehört dieser Frau, die dich bis in den Tod geliebt hat.« Sie hob die Hand. »Bitte, laß es mich sagen! All deine Gedanken müssen und sollen dieser Frau gehören und ihrem Tode. Ich kann dir nicht danken für deine Entscheidung, heute noch nicht. Es wäre mir wie eine Entheiligung dieses Heldentums. Ich fühle, ich müßte auf einige Zeit von dir gehen, meine Gegenwart darf nicht in deinen Schmerz hineinbringen. Laß mich mit den Kindern verreisen! Gefahr droht dir nicht mehr –«

Er schüttelte den Kopf, »Gefahr droht nicht. Sie hat recht. Über diese Tragik hinweg wird kein Streit sein. Aber – bleibe, Sophie! Dein Empfinden ehrt dich und die Tote. Aber – bleibe!«

»Ich kann dir jetzt nichts sein,« wehrte sie. »Ich habe das Gefühl, daß ich wie etwas Ungefüges in deinen Schmerz hineinrage. Ich würde bei dir stehen und es dir tragen helfen, wenn ich könnte. Aber ich fühle, solchen Schmerz muß ein Mann auskämpfen, ganz allein.«

Da gab er ihr die Hand. »Sophie, ich habe dir alles erzählt, weil du mein einziger Freund bist. Wir wollen auch dieses zusammen tragen.«

»Wenn du es willst,« willigte sie zögernd ein. Nach einer Pause fügte sie kindlich lebhaft hinzu: »Du sollst mich kaum sehen. Wie ein Schatten nur will ich durch das Haus gleiten und für die Kinder sorgen. Und, hörst du, Fritz, kümmere dich nicht um mich! Es sei, als wäre ich weit fort. Hab' nie das lästige Empfinden, mit mir sprechen zu müssen. Mich anschauen zu müssen, mich sehen zu müssen. Du und dein Schmerz, ihr beide gehört dieser Frau, gegen die ich ein Nichts bin.« Er hob die Hand. »Laß!« beugte sie rasch vor. »Ich weiß. Ich weiß es. Und nur, Fritz, wenn du mich einmal brauchst, rufe mich! Ich bin immer da.« An der Tür sagte sie leise: »Die Frau ist das Größte, das ich bisher gekannt habe. Größer aber bist du, Fritz, der du sie sterben ließest. Ich sage das nicht, weil es um mich und die Kinder geschah. Das verstehst du. Ich kenne dich und weiß, wie schwer es gewesen ist.«

Und leise schloß sie hinter sich die Tür. –


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