Victor von Scheffel
Episteln
Victor von Scheffel

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19. Die Grotte von Lasine.

Das Beste kommt zuletzt. Stefanus der Sklav war zwar unermüdlich, neue Wege und Stege aufzufinden, nachdem er gemerkt, dass seine Signori Geschmack dran fanden, die Kreuz und die Quer in unbekannten paësen herumzustreifen ... aber nachdem bis zur Klause des heiligen Vigilius nordwärts und bis zu den Bergen von Arco südwärts alles so zu sagen abgegrast war, ging ihm der Stoff allmählich aus. Eines Tages jedoch kam er geheimnisvoll, er hatte etwas Neues entdeckt: die Grotte von Lasine.

Eine schöne Grotte, eine wundersame Grotte, sprach er, er selbst sei noch nie dort gewesen, aber er habe es von andern gehört, das sei etwas für Signori, die von weit her kämen.

»Bene,« sprach ich, »lasst die Esel satteln, wir reiten nach Lasine!«

Und wir ritten wohl zwei, wohl drei Stunden auf unbekannten steilen Gebirgswegen; ein Gewitter brach über uns los und hüllte die Berge von Arco in Düster und Schwarz; das strohgefüllte Sattelwerk des Animal that seine Schuldigkeit ... endlich ritten wir in dem mit schlankem Kirchturm gezierten Nest ein, um den Lohn der Strapazen zu pflücken. Meine Seele, die so viel Neigung für Höhlen und Höhlenleben hat, war erfüllt von den Wundern der alten Mutter Natur, die sie zu erschauen hoffte, von Erdmännlein, Gnomen und Kobolden, von farbenschimmernden Kristallen und unterirdischen Strömen ... wir hielten an einem an Berg gelehnten Landhaus. Ein sehr verdächtiger neuer Torbogen »in Gothisch« gewährte den Eingang in einen Garten.

Ein Mann mit leuchtender roter Nase bemächtigte sich unserer, als wir nach der Grotte fragten. Wir stiegen bergan und hatten unterwegs zwei Anstalten zu bewundern, die eine zur Gewinnung hydraulischen Kalks, die andere zur Pressung von Olivenöl. Der Mann mit der roten Nase war unerschöpflich im Lob seines Padrons, des Eigentümers der Villa, der in Trient von seinen Renten lebt und deren Überschuss zu so trefflichen, die Gegend verschönernden Anlagen benutzt.

Nachdem wir einen von Regenwasser gebildeten See, drauf eine Barke in Miniaturformat im Schlamm festsass, passiert hatten, standen wir vor einem gemauerten Unterbau, durch den ein sechs Schritte langer dunkler Gang zu einer Art Eiskeller hinabführte. Ich begann ungeduldig zu werden. »Ma quando al fine vedremmo la vostra grotta?« unterbrach ich den Manu mit der roten Nase, der seine Erklärung des Sees noch nicht vollendet hatte. »Ecco la!« sprach er und deutete auf den Eiskeller. Am Ende des Gangs waren die Steine so ausgehauen, dass sie die Silhouette Napoleons des Alten im leeren Luftraum bildeten. Auch das noch! ...

Der Mann mit der roten Nase hat kein Trinkgeld von mir bekommen. Auch Stefano der Sklav nicht ... An jenem Abend fand ich, dass es Zeit sei, allmählich an die Abreise zu denken! ...


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