Victor von Scheffel
Episteln
Victor von Scheffel

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Caput II.

Item, wie ich vom Leuker Bad ins Rhonetal hinabgestiegen, ist mir ein anderweit Stück Oberwalliser Handelsgeschichte begegnet, so mir schier eine Gemütsaffektion zugefüget. Hab indes hier die Sach nur in ethnographischer Hinsicht, zu Frommen der Heidelberger Handelswissenschaft zu beschreiben.

Waren lauter hohe, kahle Felsen und ein merkwürdig Wildnis von Höhen und Abgründen, also dass z. B. vom Dorf Albinen die Leut nur auf Leitern herabsteigen zu Tale. Marschier ich so ganz allein daher – item so kommt ein sauber Jungfräulein desselbigen Weges gezogen, so ein schmuck Gewand und eine Mantilla trug, und schier mit gleichem Fug nach Notre Dame des Lorettes als auf diesen Alpenpfad gepasst hätt. Also geh ich eine Zeitlang schweigsam daher und kombiniere, was dies für ein Bewandtnis haben möcht. Kam aber eine gross Windsbraut über die Berg her und ging mit Locken und Gewand des Jungfräuleins unbarmherzig um. So fass ich mir ein Herz und sag im zierlichsten Französisch, so ich verfügbar hatt: Mademoiselle, le vent est si impoli, qu'il paraît avoir l'intention de vous emporter. J' ose vous offrir mon bras. Und dass mit so zierlicher Anred die Brück zu einem Gespräch gebauet war, ist deutlich.

Also erfuhr ich, dass selbiges Mägdlein die Modistin von Sion war, so in Sommerszeit ein magasin de nouveautés, broderies et dentelles im Leuker Bad etablieret, und war dieselbe mit ihren Waren auf einem Maultier über die Berge gen Leuk geklommen und hatte sich eingerichtet und ging nun zu Fuss auf schwindelndem Alpenpfad nach Sion zurück, um weiteres zu holen. Somit geht auch der Oberwalliser Modehandel zu Fuss; – aber so zierlich, dass mir der Weg nit lang geworden – und bin dem grossen Wind sehr obligieret gewesen. Und wie wir gen Inden kamen, wo Vater Goethe anno 1779 ein Glas Roten getrunken, sind wir beide schon ziemlich intim gewesen, – und wird lang dauern, bis die Felsen und Schlünde dort herum wieder eine so feine conversationem zu hören bekommen. Und war weit und breit kein Mensch – als der Oberwalliser Modehandel, und ich, und an der hohen Brücke bei Inden, wo der Walliser Handelsweg rechts ab wieder in die Höhe ging und ich auf dem andern Ufer fortzuklimmen hatte, gab's einen schweren Abschied, und war hier noch mancherlei zu erzählen, wie ich der Modistin das Prinzip des Fräulein Fleischmann exponieret, dass alles auf die Lage ankomme und die Lage hier so aussergewöhnlich sei, dass sogar das ius osculi nit ohne Grund in Anwendung kommen könne. Und war froh, dass ich solide principia besass, massen ich mir dachte, dass wenn der sehr ehrenwert Meister Meder oder Papa Mays, der alte, zu dieser Stund auf den Pfaden des Oberwalliser Handels gezogen wären, die Lag noch viel verwickelter hätt werden können.

Item, ich bin noch desselben Tags allein weiter gestiegen und hab noch in weiter Fern – die Felsgalerie gegen Varen zu – den Oberwalliser Handel sich verziehen gesehen, auch mit dem Tuch grüssend übers Tal hinübergewinkt, und so ich Vollmacht besessen, hätt ich gern zur Erweiterung der Handelsbeziehungen des Engem einen Traktat mit Wallis abgeschlossen, dass gleiche Zoll- und Mautvergünstigung jedem Mitglied des Engern, so er von Lenk gen Siders zög, vergönnt und grundrechtlich eingeräumt werde.


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