Victor von Scheffel
Episteln
Victor von Scheffel

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Caput V.

Von beschwerlichem Aufenthalt in Rom zur Sommerszeyt, – item von lebensgefährlichem Besuch derer Wirtshäuser vor den Thoren.

In der ersten Zeyt nach meiner Ankunft allhier hat mir's nit recht behagen mögen. Ist nämlich die Stadt an eyn ungesunden Platz in der Ebene gebauet, und steckt noch immer viel Sumpfluft rings umher. Dazu kommt der Scirocco, so oft bleyschwer – plumbeus auster hat ihn schon Horatius benamset – über eynem lastet, und dann stinkt's in Rom an und für sich schon – massen der Mensch hier ohne polizeyliches Ärgernis allen Unrat zum Fenster hinaus wirft und niemand für Reinigung der Gassen sorget. Und hab ich manchmal, wenn ich am alten Säulengang des Pantheon vorüber ging, – auf selben Plätzen, wo der Fisch- und Viktualienmarkt abgehalten wird, wo die Sonn die faulen Merluzzen und Sardellen in ihren Urstoff auflöst und aus den Käse- und Wurstbuden der pizzicarolen eyn wunderbar gemischter Geruch hervordringt – eyn solches Konzert verschiedentlicher und gradatim sich steygernder Düft riechen müssen, dass ich gewünscht, es möcht kölnisch Wasser regnen. Und diese schwer Luft benimmt eynem alle Lebensfreud, verursacht auch obstructiones, und hat zwar mein Hausherr sorgsam bemerket, zwey Lot cremor Tartari in eyner Flasche Wassers aufgelöset und des Morgens nüchtern getrunken, sey gut gegen alle bös Luft – ich hab aber gedacht: krieg du die Kränk mit samt deinem cremor Tartari.

War damals das Weintrinken in der Stadt sehr flau, – massen auch die deutschen Maler bereits – wie die Bienen – ausgeflogen in die Berge, um nützliche studia zu machen; hab mich daher darauf beschränket, hie und da mit dem alten Meister Lotsch, so eyn badischer Bildhauer ist und viel schöner Marmorgestalten schon gemeisselt hat, in eyne Vigne vor der porta Salara zu wandern; und war dies eyn anmutig still Wirtshäuslein, allwo es Sonntags oft ganz echt und volkstümlich zuging – und die trasteveriner Burschen mit ihren Schärpen und spitzen Hüten sich manchmal eynen saltarellum aufspielen liessen. Und führt der Weg dahin durch Gärten und Weinberg, so rechts und links durch hohes Gemäuer eingeschlossen sind – was keyn Eyngang oder Seitengässlein hat. Wachset auch die edel und zur Zubereytung eynes Salats überaus nützliche Pflanz, deren Beer man Capern heisset, an selben Mauern, und hab ich manche Hand voll davon gepflücket.

Item so hat uns die Beschaffenheit des Wegs und Mauerwerks ringsum eynmal schier zum Bösen ausgeschlagen; denn wie wir eynmal unsern eynsamen Gang zu selber Vigne machen, so kommen auf einmal etzliche Italiener atemlos hinter uns gerennet und schreyen, dass wir springen sollten, was das Zeug hielt, dieweil eyne Herd wilder Campagnaochsen hinter uns dreyn käme. Werden nämlich diese Herden an Rom vorbeigetrieben und dürfen wegen ihrer Gefährlichkeyt die Stadt nit passieren, ist auch streng vorgeschrieben, dass eyn oder zwey Hirten eyne Viertelstund vorausreiten und die Leut warnen, massen diese Ochsen in wildem Trab vorwärts drängen und alles niederrennen, so ihnen in Weg kommt. Item so waren die Hirten diesmal eyn falschen Weg geritten, und erhob sich hinter uns bereits eyne mächtige Staubwolk, und kam die ganz Herd durch den engen Hohlweg dahergebraust, und war nirgends eyn Unterschlupf noch eyne Gelegenheyt, über die Mauer zu klettern. Also sprach der alt Meister Lotsch: »Landsmännle, jetzt gilt's!« und setzte sich in eynen wilden Galopp, und ich sprang hinterdreyn wie das helle Donnerwetter, und hörten wir schön des Schnauben des Getiers und hatten zum Glück vor scharfem Rennen nit Zeyt, uns die anmutig Perspektiven, von eynem Campagnaochsen zertreten oder am Horn gespiesset zu werden – wie es eynem französischen Hauptmann vor kurzem ergangen – näher auszumalen.

Kamen auch atemlos, aber rechtzeitig an unserer Vigna an, wo der padrone schon die Tür geschlossen und den Eyngang verrammelt hatte, hat uns aber, um Gottes willen und als gute Freund, noch hereyngerissen, und ist gleich darauf die ganz wild Schar, bei der sich auch namhafte Büffel befunden, vorüberpassieret, – und waren alle Leut innen versammelt, um die Thür mannhaft zuzudrücken, falls es eynem der Ochsen eynfallen sollt, dawider zu rennen. Und war dies in Wahrheyt mehr als ein Spass, also dass wir hernach sonder Scherz und gar andächtig unsere Fogliette getrunken – und haben viel schlimme Geschichten von solchermassen angerichtetem Unglück erzählen hören.

Und pfleg ich seither eyner Ochsen- und Büffelherd sorgsam auszuweychen – also dass ich später eynmal auf der Heerstrass bei Velletri mein ganz Malergerät im Stich gelassen und mich in eyn Cannafeld geflüchtet, dabei aber, wie Marius bei Minturnae, elend in eynen Sumpf geraten bin.

Beschloss aber nach jener Aventur, Rom zu verlassen, dieweil da zu Sommerszeyt nichts Gedeihliches herauskommt.


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