Victor von Scheffel
Episteln
Victor von Scheffel

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebente Säkkinger Epistel.

Säkkingen am Rhynstrom, den 11. Mayen 1851.

Myn lieb und frumm Schwesterlin Maria!

Dermalen dir ein sunderbarlich Bruder durch unserer lieben Himmelskunigin Maria und dyner Eltern Fürsicht bescheeret worden, muesst du's auch hinnehmen, so er dir sunderbarlich Brieff und Zügs gen Carlesruhe schrybt.

Und war es neulich eyn kuehler Mayentag, und war allerhand Gruenes an Strauch und Studen hervorgebrochen, und es rauschete der alte Rhyn vergnueglich durch's wyte Land und sprach zue sich selbsten: »Sintemal Fruehling heryngezogen ueber Gottes wyte Welt, ist's ein fein lustig Geschäft, die Wellen und Wasserströmung talab zu fuehren, und kümmert's mich nit eines Nixenhaares Breyte, was der Schwyzer im Aargaue schimpfirt und der Saekkinger Burgersmann fuer Späne hobelt: Hui-joh! vorwärts« und trieb syne Wellen, als wär er von altersher ein Flossknecht von Basel gewesen.

Stand dazumalen der Dr. Scheffel an synem Fenster, von wannen er schon oftmalen in den Rhyn gelueget und syne Gedanken als wie eyn Fischreyher über die Wasserfluet hinfliegen und kreyschen gelassen, und sprach auch zue sich selbsten: »Menschenkind, du bist wiederumb zu lang by dynen rauhen Frynden, den Waeldern, gewesen und hast dir eytel Schnee um den Bart wehen lassen und bym biedern Pfarrherrn ze Herrischried viel kuehlen Biers getrunken und manch rechtschaffenen Auerhahn, so auch noch lieber im Tannenwald syner Liebsten nachgezogen waer und sich an Tannzapfen muehsamblich geletzet haett', ohn Erbarmen zum Vesperimbiss aufgezehret, und hast nit vermerket, dass im Thal der Hollunder lustig Blattwerk und Knospen getryben, und es sich sonder Gefaehrde auf Heerstrassen spazieren lasset. Von dessentwegen, altes Menschenkind, das zu Zyten als fahrender Schuehler in dütschen Landen vagabundiret, nimm dynes Stechpalmstocks und zeuch aus, dass dir die Maiensonne des Schaedels erwärme.« Also zog selbiger Dr., so aygentlich eyn Schryber bym Ambt gewesen und selbigen Mittages von Rechts wegen uff syner Canzeleyen des Dienstes haett pflegen sollen, von Säkkingen us, ohne zu wissen, warum und wohin.

Selbiges ist eben die wunderspreissliche Kraft des Fruehlings, dass mit Sonnenschyn und warmen Lenz des Menschen Trachten gelenket wird, ohne zu wissen, warumb und wohin.

Und kam derselbige gen Wallbach und zum alten Brennetwyrtshus, so an der Heerstrass gen Basel stehet, und wo ein biederer Fuhrmann syt Alters her noch niemalen vorüber gefahren, ohne Augenschyn zu nehmen, ob der goldgelb Grenzacher Wyn noch im Fass liegt oder nit. Und wann es nit im wunderschoenen Mayen gewesen, so waer benamster Dr. an selbiger Trinkstube nit vorüber gezogen. So aber sprach er zue sich selbsten: Heut sollt du nur by dir selber einkehren, so lang die Sunnen schynet, und wann dir's by dir selber langwylig wird, so ist am Abend noch lang Zyt, umb in ein christlich Wirtshaus ynzubrechen und anderwyt Kurzwyl zu suchen. Also zog der Dr. mannhaft am Brennet vorüber, und zog mit gliecher Mannhaftigkeit durch Wehr durch, wo nit nur die Fryfräulein von Schoenaw hausen, sondern auch an mannigfalt Schenken eyn Arm herausgestreckt wird, umb des Wanderers zue fahen. Kam endlich in eyn gruen Wiesenthal, so sich gen Hasel hin ziehet, und war dort viel Kraut und Gras in den Wiesen aufgesprosset, und war ein nit gewaltiges Hygelland und sang der Guguk im Wald, als wenn er von des Doctoris leerer Geldtasche Kunde und noticiam gehabt. An eynem Platz aber, wo etzliches Gefels mit allerhand Spalt und Riss sich ins Wiesenthal hervorgeschoben, und Wo der weyse Dr. kecklich durch Staud und Gestrüpp marschiret, trat derselbige auf was Weyches, als wann er eynen Eidechsen oder salamandrum beruehret, oder auf einen Gansfuss gestossen waere. Und rief es unter ihm: »Ihr Flegel kunntet auch besser zuschauen, so ihr in unserem Geländ herumtappet, ohne zu wissen warumb und wohin!« Der Dr. aber, so bey Schimpfreden auch eynen scharpfen Trumpf auszuspielen weiss und by synen Fründen ze Willaringen und Hogschür vyl grauser Flüche mit »Gott strof mi« und »Gott verdamm mi« gelernet, wollte dem Rufer mit Reden und Stechpalmstock eynige Bildung beybringen, als es in dem Buschwerk zue synen Fuessen merksam raschelte und eyn kleyn Geschöpf herauskam.

Und ward dasselbige von Figur nit übel anzuschauen, und wie wohl es seyner Hoehen nach keyne zwey Schueh vom Erdboden entwachsen war, doch sauber proportioniret und hatte eyn grauen Kapuzen an, so ihm bis über die Fuesse reichte, zog auch selbige zimpferlich zusammen, also dass vom Fuesswerk nüt ans Sonnenlicht hervorluegte, und schnitt dazue eyn grimmig Gesicht, also wie der edle Dr. sich erinnerte, selbiges am Hofrat Gervinus zue Frankfurt gesehen zu haben, wann andere Menschenkind von der dütschen Republik anhueben zu spintisieren. So aber auch schon lang her vorgefallen.

Wie der Dr. aber des seltsamen Gesellen ansichtig geworden, verdruckte er die Schimpfreden, so ihm auf der Zunge gelegen, und redete fründlich zu ihm und sprach: »Ei so leben Sie gefälligst hoch, deutscher Reichsbürger!« Sothanermassen verzog sich des Männleins Antlitz etwas heiterer und antwortete: »Erstens leb ich nicht gefälligst hoch, sondern zum guten Glück eyn lützel tiefer, als ihr mit eurer Nasen schon gefahren, und zweitens bin ich kein deutscher Reichsbürger, sonst haett ich am gruenen deutschen Erdboden noch weniger Freud als jetzt, wo ich an frischen Mayentagen hinaus luege, ob die Himmelsbläue noch so fern ist, wie heut vor 6000 Jahren. Inzwischen scheynt ihr mir eyn guet Gesell, so syner Red eyn bessere Wendung zu geben verstaht, als syner Fuesssohl, und erschau auch an eurem Habitus und durstigen Mundwinkeln, dass ihr in leichter Jugendzyt wohl moeget eyn fahrender Schüler seyn, wie sie von Halle, allwo myn menschlicher Vetter, der gross Erdmann die philosophiam dociret, und Jena zum Kyffhäuser aufsteigen, und wie sie zue Altheidelberg auf unserer Frau Hertha Bühel den Maidlin viel Lueg und Trueg zuschwatzen. Und das ist kein schlecht Glück für euch, sonst könntet ihr jetzo für euern grossen Fusstritt allhiero zu eyner Tropfsteinsäulen versteinert im Hasler Thal stehen – gerad wie das Eheweib Lots des Gerechten, so myne Collegen, die Salzmännlein, bei Sodom neulich zu eyner Salzsäulen praepariret, dieweil sie sich sonder Gebühr aufgeführet.«

Auf das hin hat der Dr. zwar kein absonderlich Hochachtung vor dem Graumännlein gespüret, dieweil er sich noch bei frischen Knochen und nichts Tropfsteinsäuliges an ihm fühlete, auch parlamentarische Drohungen bass verachten gelernt hat; gedachte vielmehr, um syner Wanderfahrt eyn vernünftigen Zweck zu geben, wo ihm eyn gut gehopfter Trunk Bieres geschenket werden könne, brummte in Bart und sprach: »Schon guet, graues Insekt, so ihr mir aber nit in kurzer Frist eyn rechtschaffen Herberg anzeiget, wird unser Bekanntschaft eyn schnell End nehmen.« Sprach das Erdmännlein: »Eyn fahrend Schueler findet überall Unterschlupf, ohne zue wissen warumb; schüttelt den Saekinger Staub von euren Sohlen und folget mir, und so ihr mir nimmer auf den Fuess tretet, könnt ihr noch allerhand erschauen, wovon euch der Pater Zobel bei der letzten Mission nichts gepredigt hat.«

Also klopfte das Erdmännlein an eyn mächtig Felsstück, so eynem Spalt vorgeschoben war, und wich das Felsstück zurück, und tat sich ein Gang auf, von dem keyn End abzusehen war. Sintemal der Dr. schon solche Gaeng manigfalt beobachtet, wie sie von wysen Herbergsvätern an kuehle Berghalden eingehauen werden und man sie Felsenkeller nennet, fassete er ein merklich Zutrauen und folgete dem Männlein. Selbiges aber schleppte zween grosser Kienspäne bey, und zündeten sie an, und fuhren schwygsam in den Gang yn. Und war der Gang kaum von des Dr. Hoehen, und stiess selbiger das Haupt oftmals an. Und so oft er an dem Felsgestein seinem Schädel Weh zufügete, lachte das Männlein und sprach: »Ihr wisset halt nit, wozu das Haberbrod und der kleine Kostets gut ist.« (Bader p. 18.) Waren schon tief yngefahren, und wurde dem Dr. der Gang bald zu eng, und stieg mehrmalen der boes Gedanken in ihm auf, ob er nit mit synem Stechpalmstock dem Männlein eyn ansehnlich Tracht Säkkinger Prügel als Recompens für sothane Führung aufmessen wollte, da wich wiederumb eyn Felsstück auf des Männleins Klopfen zurück und kamen in eyn gross fürnehm Hallen. Und war es eyn majestätisch Pracht, wie das Gefels übereinander gefüget war und im Kienspanlicht erglänzete; und war wie eyn Wald von Säulen, so das schwere Gestayn an der Decken gar zierlich stützeten, und wann das Männlein an die Säulen klopfete, gab jedwede eyn hell lustigen Ton von sich und stimmeten allineinand, so dass es ein fein zart harmoniam zusammentoenete als wie von eyner Aeolusharfen oder Maultrommel. Und von der Hallen giengen zwey wyte, wyte Gaeng nach rechts und links ab, und ausserdem viel Spalt und Riss in des Erdrychs Tiefe. Und wie die Hallen im grossen von Tropfstein uffgerichtet war, so war jedwed Spältlin im Boden auch conftruiret, und giengen kleine Tropfsteinroehrlin, wie eyn Schnydersnadel so fyn, von oben nach unten, und an viel Orten war das Gebäud noch gar nit fertig uffgericht't, und war erst ein Ansatz zu eyner Säulen oben an der Decke und eyn glycher Ansatz unten am Boden, und waren aber noch nit zusammengetroffen zu eynem Ganzen, sondern luegten sehnsüchtiglich eynand zu, und die Thränlin, so das ober Staynrohr waynete, fielen auf das untere an, und satzten sich fest und wuchsen in die Hoeh – also dass es volle 100 Jahr von den Thraenentropfen um eines Fingers breit nach der Decke aufschiesst. Und dieweil sie am End doch zusammenkommen, ist nit ohne Grund anzunehmen, dass die Tropfstein länger umb einand weynen als die Menschenkind, so eynand lieb haben und nit beyfamen syn können; – und ferners, dass ein lang und hartnäckig Weynen untereinsmalen auch zu was guet ist.

Und dem Doctori so jetzund merkete, dass er nit in eyn Felskeller, sondern in eyn gross unterirdisch Prachtwerkstatt gefahren, zogen viel schöne Gedanken im Kopf herum, dieweil es ihm von der Decke auf den Schädel getropfet und er eynen Hauch Tropfsteingeist verspüret. Das Erdmännlein aber sprach: »O homo sapiens Linnäi, nit wahr, an myner Kienfackel und dieser Höhlen Gewaltsamkeyt ist euch eyn Licht uffgegangen, dass ihr Gesellen da draussen das Gross in der Welt nit allyn gepachtet, – und was ist aller Lärm und Rumorens und Himmelstürmens, so fürnehmlich ihr fahrende Schueler in die Welt gebracht, gegenüber der stillen Herrlichkayt, der wir Erdmännlein im tiefen Bergschacht theylhaft sind! Und was in unserer Hoehlen schafft und waltet, und dem Stayn die Thraenen schenket, und den Bach aus unterirdischen Klüften vorbrausen und die Säulen erklingen lasset, und wir graue Männlein selber sind all ein Stück der Gotteskraft, und in jedwedem, es mag von Stein und Bein, oder von Fleisch und Blut genaturet sein, arbeitet der Weltgedanke, und ihr habt nit allayn mit Löffeln davon gefressen. Und weil ihr vernagelte Doctores da draussen eure Menschen- und Buchweisheit für's höchst gehalten und euch in eure ledernen ideas so hineingelebet, dass ihr der Natur fremd geworden, und nit mehr zu lesen versteht, was in tiefen Erdritzen und auf Bergeshöhlen und an den Ysgletschern wie in des Vesuvii Lava geschrieben staht, – und weil ihr dadurch eure so nah anverwandten Schöpfungsgenossen, den Fels im Berg, den Bach im Thal, den Tannenbaum auf der Hoeh so grausamlich vernachlaessigt habt, und weil diese guten Gesellen auch eyn gut Wartung und Pflege und Kurzweil haben müssen, so sind wir kleine Männlein und unsere ganze Zunft, die Kobold und Zwergen und Nixen und Elfen und Gnomen und Irrlichter nachgewachsen, und ist unser Dienst und Aufgab, die Sück' wieder auszufüllen, die ihr Menschenkind in eurer Einseitigkeit in die Welt habt einreissen lassen. Wer würd' die Hoehl' da innen sauber halten und den Tropfsteinen bey ihrem langen Weynen auf ihren klingenden Säulen hie und da ein lustig Liedel vorspielen, wenn nit wir Erdmännlein hingesatzet waeren? Und so lang ihr nit da draussen zum ganzen und vollen Verstandnuss der Natur zurückkehret, so lang seyd ihr nit allein Mayster in der Schöpfung und müsst euch gefallen lassen, wenn ihr den Schaedel noch manchmal da anstosset, wo eyn bieder Erdmännlein besser Beschayd wayss, als ihr.«

Und wie das Erdmännlein sein Sermon vollendet, da kicherte es aus allen Bergspalten herfür, und aus den Tropfsteinsäulen kam ein gewaltig Getön, wie spöttisch, und die Tropfen an der Decke erglänzeten und zwinkelirten in allen Regenbogenfarben, und der Dr. hörte unter ihm was munkeln, wie wenn ein ander Erdmännlein spräche: »Der hat's dem grossen Menschenkind ordentlich gesagt!« –

Des Doctoris kleiner Führer aber zündete eyn newen Kienspan an und führte denselben wyters und zaygete ihm die ganz Hoelenpracht. Und kamen in eynen Gang, da verengete sich das Gefels so merklich, dass der Dr. auf allen Vieren des Weges kroch und doch noch mannigfach Kopf- und Rippenstoesse vom Tropfgestein zu erlyden hatt. Dann aber traten sie wieder in eyn hoch gewölbten Raum, wo die Säulen mächtig an die Decke aufstiegen, und war hier alles gefüget als wie in eyner Kirchen! Und war deutlich an eyner Säule eyne wohlgestaltet Kanzel wahrzunehmen, und war am Boden eyn gross viereckig Felsplatten, wo an vier Seiten regelmässig feine Säulen standen, als wie ein fürnehmb Grabdenkmal von eynem Erdmannskönig, und war an eynem andern Platz der Tropfstein also merkwürdig in einander gewachsen, dass es nit ander's darstellete als eyn gross steinern Standbild der Himmelskönigin Maria mit dem Heiland auf dem Schooss, so wie frumme deutsche Maister und Staynmetzen an alten Kirchen oftmals sie ausgemeisselt.

Und schritten fürbass und erschaueten noch allerhand sonderbare Gestaltung. Und war ein Tropfsteingeäst, so beim Kienspanschein eynem alten Kriegsmann glich, so sich auf sein Schwert stützete und das Haupt wie zue ewigem Schlaf an den Felsen neigete. Und waren noch viel solche comparationes anzustellen.

Hernachmals stiegen sie viel Stufen hernieder und kamen an ein still klar Bergwasserlyn, so zu eynem See zusammengerunnen ist. Und war in dem Wasser viel wunderfeines Gebild wie von Korallen und steinernen Moosen, so zart und fleissig erschaffen, als wenn es aus eyner Juwelierswerkstatt von Augsburg oder Nürnberg herfürgegangen waer.

Und sprach das Erdmännlein: »Hier holen wir unfern Kindern manch anmutig Spylzüg.«

Und lag eyn gross ausgehöhlt Tropfsteinhorn am Boden, daraus schöpfete das Männlein dem Doctori eyn kuehlen Trunk Bergwassers, und dieser trank ihn auf einen Zug aus – und vermerkete daran wohl, dass er im Erdmännleins Revier war, wo alles anders ist denn oben, dieweil ihm zu Säkkingen im güldenen »Chnopf« und landauf landab im Rhynthal eyn solcher Trunk Wassers zeitlebens nit gelungen waer.

Krochen sodann mannigfalt herum und wieder zurück und stiegen auch noch in den andern Gang, so rechts von der grossen Hallen sich ins Tiefe der Erd eynstrecket. Und war dort von zierlichem Tropfgestein nit mehr viel wahrzunehmen, vielmehr eyn gross Wildniss von aufeinand gestürztem Felsgestein, und tief unten rauschete und brauste ein Bach; von wannen er in diese Höhlen einfleusst, weyss niemand, und kunnt auch das Erdmännlein, so ihm schon weyt nachgekrochen war, nit bekunden; behauptet aber, dass er unten im Rhyntal bei Riedmatt, wo die fürnehmb Comthurey derer deutsch Ordensritter zue Beuggen in der Naehe steht, ans Tageslicht hervorbreche und in Rhyn fliesse. – Und in selbigem Hoehlenthayl war viel Schlamm und Erdreich bis an die Decke hinaufgeschwemmet und alles Tropfgestein darmit überzogen, und erzaehlete das Erdmännlein, dass newlich, als drauss im Thal die Gewässer wild geworden und die Wehra die ganz schoen steinern Strass, so von der heiligen Mutter Gottes von Todtmoos gen Wehr führet, zusammengerissen, auch sothaner Hoehlenbach angeschwollen und eyn ungattig Rumoren begonnen, und viel Erdreichs emporgewirbelt haette, so dass ein Donner und Gebraus in der Hoehlen gewesen, wie es den ältesten Erdmännlyn nit gedenket; – seyen auch ein Erdmännleyn und ein Weyblein, so in einem Ritzen zärtlich geplaudetet und der Wasserflueth nit rechtzytig wahrgenommen, elendiglich vertrunken.

Am End von selbem Gang kamen sie in eyn gross hoch Gelass, von wannen ein tief Schlund hinabgieng, und sah es dorten im fahlen Kienspanschein schauerlich aus, als wenn die Welt eyn End haett' oder mit Tropfstein zugenagelt waer. Und sagte das Erdmännleyn, dass hier Das Höhlenverliess sey, wo sie schon manchen von ihren Feinden, den Eggberggnomen, so hie und da in die Hoehl einzubrechen trachten, in sicheren Gewahrsam verbracht.

Dann führete das Männlein den Dr. wieder in die erst Hallen zurück, und als es ihm befremdlich vorkam, dass er keyn von synen Gefaehrten erfchauet, sintemal der Dr. auch gern eynem rechtschaffenen Erdweyblein etzlich Schmeychelei gesaget und nit darwider gehabt haett, so ihm eyne eyn schoen Tropfstaynbluemlin verehret, befragete er das Männlein. Der sprach: »Du leichtsinniger fahrender Schueler, der du von deyner Canzeleyen durchgebrennet, vermaynest du, dass wir Erdmännlyn auch die schlecht Kunst des Blaumontagmachens tryben oder an Werktagen dem Bummeln nachziehen? Myne Genossen, die Erdlyt, sind all' tief unter uns in die Schachten eingefahren, wo kein Raum für eyn gross Lümmel wie dich ist, und pochen und schaffen viel koestlich Gold und Silber heraus, so sie aber nit, wie du, wenn du's haettst, vertrinken!«

Da neigete der Dr. syn Haupt zur Erden und hoerte eyn merkwürdig Hämmern und Pochen tief unten, das Männlein aber fuhr auch in eyn Spalt yn und rief ihm zue:

»Wann du mich nit uf den Fuss getreten, so haetteft du mich auch nit so lang zu eynem Fuehrer in unserer Hoehlen gehabt. So dir's aber gefallen, so hoff ich, dass du als Dank auch Niemand verlautbaren wirst, wasmassen der Fuess, auf den du getreten, beschaffen ist. Und wozu das Haberbrod und der kleine Kostets gut ist, hab ich dir auch nicht gesagt. Fahr wohl!«

Da verschwand das Männlyn, und der Dr. verzog sich durch den Gang gen dem Hasler Thal zu; und hatte noch ein lützel Kienspan und beschwerliches Kriechen. Durch des Männlins Red ufmerksam gemacht, dachte er allerhand über die Naturung von desselbigen Fuesswerk, als ihm aber einfiel: Der klein Mann wird doch nit mit eynem Gansfuess behaftet syn, da verlosch auf einmal der Kienspan, und der Dr. schmetterte seyn Haupt zu dreymalen an die Felszacken an, dass ihm all' Denken über des Erdmanns Gansfuess verging. Sah aber schon das Tageslicht fern als wie ein Morgensternlyn in den dunklen Hoelengang einblynken, und ward der Schyn immer groesser, so dass der Glast dem Aug beginnentlich gar blendsam war, – und schliesslich stand der Dr. wiederumb im grünen Hasler Wiesenthal, und war ihm, als wann er eyn langen Traum geträumet.

Gieng aber mit merklicher Hochachtung von dem Erdmännlin und seiner Hoehlen heimwärts, und der Brennetwirt schüttelte das Haupt, als er vorbeizog, dieweil er wiederumb nit einkehrte. Satzte sich vietmehro zu Hause an synen Tisch und schryb syner Schwester Maria zum Gedächtnuss diesen Brieff. Will aber keineswegs behauptet haben, dass das Männlein von der Hasler Höhl mit eynem Gaensfuss behaftet gewesen! Da sey Gott für. –


 << zurück weiter >>