Victor von Scheffel
Episteln
Victor von Scheffel

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Römische Episteln.

Roma, den 2. Novembris, – uff Aller Seelen Tag 1852. via delle 4 fontane ¹ 17, 1° piano.

Ein grosser Bericht des Dris. Scheffel an den wohllöblichen, festen und – so die Zeyten sich nit geändert – jetzt wie ehedem und allweg durstigen »Engeren« zu Alt-Heydelberg am Neckar.

Schier hab ich zu fürchten, dass meine lieben und ehrenwerten Freunde in der Heimat mich zu den Toten und Begrabenen rechnen, massen ich seit frühem Sommer, wo die Sonn noch hoch am Himmel stund und ich aus der Seestadt Genua weiters gen Welschland gefahren, kein Lebenszeichen mehr von mir gegeben. Inzwischen ist viel Wasser den Rhein ab, – auch viel Weines halsabwärts geflossen, und steht zu hoffen, dass der Engere sein Winterquartier bezogen, dass der Wildbader Fascikel sub. Lit. M. & K. Rubr.: »Fremdenpolizei, Sittenwidriges Zusammenleben betr.« längst reponiert, und dass der würdige Vorfand von seiner Fahrt zu den oberbaierischen Brunnhäusern mit heiler Haut und unangetriebenem Felber zurückgekehret, – auch bereits ergötzliche Fata auf den Tisch des Hauses niedergelegt – und sollte mir bass zur Freud gereichen, wenn er etwannen in oder um Rosenhaim von einer sicheren Jungfrau Theresia Aschenlocher, bürgerlicher Zimmerbaliers- und Hausbesitzerstochter eyn näheren Bericht erkundet hätte und mir mitteilen wollt.Anspielungen auf scherzhafte Vorkommnisse im Engeren.

Auch ich hab mich wieder ins Winterquartier heimgezogen – und nachdem ich vier Monat lang weder eyn Tintenfass gesehen, noch eyne »Allgemeine« gelesen, dagegen meine Stiefel auf steinigen Bergpfaden in albanischen, sabinischen und volskischen Regionen namhaft krumm getreten, mit samnitischen Autochthonen in dunkeln Spelunken den roten Landmein herausgespielt, mit Honoratioren, die sich später als calzolaji demaskierten, nach welschem Schusterbrauch hab trinken müssen, auch von der Schweinhirtin Filumena zu Civitella eynen rührenden Abschied genommen – bin ich glücklich und von Räubern unangefochten, so vielleicht Wind davon bekommen, dass ich in der casa Baldi zu Olevano nit nur den letzten bajokk hab sitzen lassen, sondern auch noch etzliches schuldig geblieben, mit Hülfe des schnöden Vetturin Raganelli von Genazzano gen Rom gefuhrwerkt worden und steige seit zwölf Tagen mit einem frischgewaschenen Vatermörder – stolz, wie man den Spanier liebt – die spanische Treppe zum Corso hinunter.

Hab mich überhaupt wieder so zivilisiert, dass ich gestern zum erstenmal wieder angebettelt worden, was mir in den letzten Monaten des Landlebens nit mehr passierte, denn wenn Schachleiter wüsste, in welch äusserem Habitus und Aufzug sein jüngerer Kollega in den paësen am Monte Cavo und anderwärts herumgestiegen, – er würde zu seinem Hund Pfeffer sagen: »Guck, Feffer, wie sich eyner in den Menschen irren kann; so wenig Wohlanständigkeit war dem jungen Mann, wie er noch in Bruchsal unter gebildete Leut war, kaum zuzutrauen.«

Hier in Rom, wo sich der Mensch nach langem Landaufenthalt erst wieder erinnert, dass er in jungen Tagen Lesen und Schreiben gelernt, ist es aber meine erste Pflicht und Schuldigkeit, dem Engeren für seine epistola encyclica meinen Dank abzulegen, denn die hab ich erhalten – erhalten mit Freud und mit Not, und war eyne grosse Geschichte – denn in Italien kommt's nicht alle Tag vor, dass der Mensch eynen Brief erhält, und ist darum eyn Ereignis; – so zum Beispiel meine Freundin, die braune Lala in Olevano, wie die von einem pittore aus Frankfurt eynen Brief zugesendet bekam, so ist derselbig nit nur zum mindesten siebenmal an verschiedenen Gegenden verlesen worden, sondern auch des nächsten Sonntags ging sie mit dem Brief zur Kirche, als wie man anderwärts eyn Gebetbuch trägt, und zwar die Adresse nach aussen gekehrt.

Also, wie mich böser scirocco im August nach Albano vertrieben hatte, kamen erst dunkle Gerüchte an mein Ohr, es läg zu Rom im café greco was Namhaftes für mich. Dauert auch keine zwey Tag, so kommt ein sicherer Meier ins Gebirg und vermeldet, es sey eyn Brief da und ausserdem eyn Avisschein, dass auf der Post was Bedeutendes angekommen sey oder liege – und es werd eyn Wechsel oder bar Geld sein, denn derlei wird in Rom nit an die Adress abgegeben, sondern muss am uffizio persönlich geholet werden, mit Pass und carta di soggiorno und für viel bajokk. Des näheren wusst aber auch selbst Meier nichts, was in dem Aviso stünd. Also dacht ich scharf hin und her, von wannen mir eyn Stück Geld oder Geldeswert als wie eyn Meteorstein vom Himmel gen Rom hätt fallen mögen; simulierte auch, ob etwa die »Augsburger« für nicht abgedruckte historia nigrae silvae eyn Schmerzensgeld spendierte, – oder ob irgend eyn unbekannter Freund, der sich zu mir, wie Ernst Förster zu seinem Bruder, dem Unvermeidlichen »seit seiner frühen Kindheit Tagen mit eyner grossen Schuld getragen« selbige ex improviso abzahlen wollt – und wie wohlen ich auf kein sichere Spur kommen konnt, beschloss ich doch auf Rat guter Freunde, jählings nach Rom zu fahren, und fuhr auch an eynem hellen Sommertag mit dem Friedensrichter von Ariccia durch die Campagna und hatt unterwegs noch das Vergnügen, demselbigen vier Stück Hühner, so er den Bauern abgeschunden, die aber die Gelegenheit wohl erfahren, vom Dach des Wagens sich aufzuschwingen und lieber gen Tivoli zu fliegen, als in Rom von der Frau Friedensrichterin verspeist zu werden, wieder eynfangen zu helfen, worauf er zum Dank eine conversationem mit mir anhub, aus der ich ersah, dass er von Deutschland nit Anderes wusste, als dass dort eyn berühmter Professor des juris ecclesiastici gelebet, dessen Name 12 ober 15 Silben habe und beiläufig auf Weichsel- oder Wanzelgrueber endige – was er aber ebensowenig aussprechen konnt, als mir jemals ein solcher Canonist zu Gesichte gekommen.

Wie ich nach Rom einfuhr, war grad viel Aufregung, und standen Gruppen an den Strassen, eine proclamationem der hohen Polizey gegen die ladri malvolenti, sgrassatori, infestatori delle strade etc. zu lesen, massen in diesem Jahrgang auch die Räuber auf verschiedenen Heerstrassen des Kirchenstaats mannhaft an der Restauration des status quo arbeiten. Komm aber endlich ins café greco – frag nach dem grossen unbekannten Aviso und erhalt folgendes Aktenstück:

Karlsruhe, 20. Aug. 52. Nro. 13077. Die O. P. Direktion des Grossh. Baden benachrichtigt Sie, dass sich auf dem Postamt zu Heidelberg ein an Sie adressierter Brief befindet, welcher wegen unterlassener Frankatur nicht befördert werden konnte. Man ersucht Sie, denselben durch einen Ihrer Korrespondenten in Heidelberg frankieren zu lassen etc. Taxe 15 Kreuzer.

Nachdem ich diese Taxe, die inzwischen um mehrere bajocchi angeschwollen war, entrichtet und nach dem Brief gefragt, erhalt ich – neben besagtem Aviso, und gleichzeytig in Rom angekommen, den betreffenden encyclischen Heidelberger Brief, aus dessen doppeltem Poststempel zu schliessen, – dass neben dem geordneten Geschäftsgang, der mir schliesslich eynen Plenarbeschluss Nro. 13077 zuzog, noch eyn mündliches Verfahren im Engeren, oder beim l'hombre, etwa zwischen Herrn Postrat Eberlin und »eynem meiner Korrespondenten« stattgefunden, so den gordischen Knoten schneller löste als besagte Nro. 13077.

War somit zwar die Hoffnung auf eynen Wechsel jäh verschwunden, und sobald ich die Worte »epistola encyclica« gelesen, beschloss ich, deren Inhalt am geeigneten Ort mir zu eigen zu machen. Faltete das Schreiben zusammen, ging die via condotti hinab auf den Corso, und stieg den Corso hinunter, bis nahe an kapitolinischen Hügel. Dort, wo eyn grosser Schwibbogen über eyne Seitenstrasse sich spannt, schlug ich mich links. In selbiger Gasse steht weder Torlonias noch Kolbs Bankhaus, wohl aber – über bescheidenem Türraum gross »Facchino« angeschrieben. Es war vormittags 11 Uhr. Ich trat in die geweihte Weinspelunk zum »Pacchino« (das deutsche »Hausknecht« gibt den vulgären Begriff des Worts wieder) – dort, wo ich dem bottega auf seine Frage ob ich eyn halbe foglietta bianco oder nero befehle, eyn stolzes »un fiasco d'Orvieto« entgegengeschmettert, und er mit eynem seltsam fragenden ma chè??! sie angeschrotet und – nicht entkorkt, sondern entölt hatte, – dort hab ich des Engeren Encyclischen gelesen, iterumque relegi – und in dem dreymal gesegneten Orvieto, so dem Montefiasconer an Gewürz, Blum und Duft völlig gleich kommt, aufs Wohl der Getreuen in partibus infidelium, der Oberpostdirektion mit Nro. 13077 und der Jungfer Kneisler von Wittischweiler still gerührt getrunken. Und wiewohlen schon in der zehrenden Hitz und dem scirocco Welschlands eyne innere Ursach liegt, dass der deutsche Mensch allhiero sträflich viel Weines tilgt, so glaub ich, dass auch dieser encyclinische Brief dazu beigetragen, mich in sotanem schweren Beruf durch alle Zeytläufte bis anhero zu stärken und zu »festigen,« denn trotz ausgedehnter Wirksamkeit an schwierigen Plätzen (vide Foerster pag. 259 s. v. Genzano und p. 567 s. v. Velletri), bin ich bis anhero an Leib und Seele frisch geblieben – und eyn leiser Anflug von südlicher Färbung auf der Nase mag nach Foerster p. 494, eher zu den wunderbaren Lufterscheinungen bei Sonnen-Auf- und Untergang in der Umgegend Roms als zu eynem testimonio allzuscharfer Trinkung zu zählen sein. Ist daher nit mehr als billig, dass ich dem Engeren Rechenschaft ableg von dem Wichtigsten, was ich auf meinen Fahrten seithero erschauet und erlebet, – und wiewohlen bei der graziosen Ungeniertheit, mit der in Italien das Dasein abgesponnen wird, auch vieles über den Weg lag, so sich nit näher beschreiben, sondern nur inter alia apogrypha mündlich referieren lasset, so lieget doch eyne so reiche materia scribendi vor mir, dass ich nur auf Gradwohl, wie es Zeyt und Gang der Fahrt mit sich gebracht, hineynzugreifen brauch. Gedenk daher des Abends, beim Schein der dreyarmigen römischen Lampe, hier mannigfache ethnographische notitias aufzusetzen, – woraus der Engere zugleich sich überzeugen mag, dass ich allhier in Rom die Abendstund mit Verbreitung nützlicher Kenntnis ausfülle.

Rom, den 8. Novembris 52.

Wie in Welschland so vieles hinterfür instituieret ist, also auch die Jahreszeyt. Bin ich im Monat Octobris aus dem Sabinergebirg heimgezogen, weil daselbst eyn so scharfer Wind zu blasen anhub, dass selbst Meister Zielke aus Düsseldorf, so sonst ein hartgesottener Landschaftsmaler ist, von erklecklicher Sehnsucht nach seinem alten Flausrock befallen ward, den er, sowie seine Liebe, in der Heimat gelassen; und hat mir dazumalen der Wein, so uns die brave Regina zur Erquickung beim Zeichnen auf den Berg von Civitella schickete, nit mehr gemundet, vielmehro mich kältlich angefröstelt – und wie ich anfang, mich in Rom für den Winter zu bereiten, kommt die alt Sonn mit wahrer Frühlingswärme aufzugehen und scheint so vergnüglich auf die alt Weltstadt, dass kein Bleibens daheim ist. Derohalb hab ich auch meine epistolam nit continuieret, sondern bin weit umhergestiegen in der Campagna, und ist dieselb mit ihrer weiten, toten Fläch, mit ihrem grossen Trümmerwerk und mit den Bergen im Hintergrund eyn gar feiner Anblick, wiewohlen ich die »Wurzel des Heimwehs,« die, wie Ernestus Förster p. 494 erwähnt, »dem nordischen Wanderer daselbst regelmässig zu verdorren pflegt,« dort noch nit vorgefunden. Gedenk aber, wann ich sie einmal aufbotanisier, dem Erfinder dieses tropi unfrankieret gen München zu schicken.

Also bin ich exempli causa draussen gewesen am Thybris, so noch immer seine blonden Wogen gen Rom wälzet, aber sehr träg, als wann er die ganz Geschicht satt hätt – und steht in einem Buschwerk dort eyn Sauerbrünnlin, so die Römer aquam acetosam nennen, und die Franzosen haben dort eyn grossen Spektakul mit Heeresübung und scharfem Schiessen verübet, als wenn das imperium schon morgen die Welt wieder eyn bisslein durcheynand schütteln sollt. Und ist der alt Thybris sehr verdriesslich daneben her geflossen, gleichsam als wenn er sagen wollt: Ihr braucht kein so Lärm zu machen, ihr werdet auch noch auf die Köpf kriegen wie viel ander Leut, so ich hierlands bereits mit und ohne Schiessgewehr rumoren gehört hab. – Ist auch eyn alter Turm am Ufer des Thybris, torre del Quinto, von wo aus man weit umschaut im Land – über die feinen Täler der Campagna bis zum monte Soracte, als welcher jetzt noch so stolz aus der Ebene aufsteigt wie zu Horatii Zeyt, und auf seinem Gipfel immer noch kahl ist, also dass zwey Reisende von Karlsruhe vor etzlich Jahren mit Grund in ihr Tagebuch notieret, er glich dem Schädel ihres Freundes »Ziesel,« der wohl itzt wie allweg beim Tafernwirt Cappler in der Kreuzstrass sein Bier trinkt. – Bin sodann an den Ponte Mole gewandert, wo eynst Constantinus, der römisch Kayser, den Maxentium schlug und itzt eyne rechtschaffene Herberg steht, also dass die deutschen Maler in früheren Tagen dort grosse Zusammenkünft und schwere Trinkungen hielten – aber die Zeyten sind vorbei und in dem eleganten Saal in palazzo Simonetti, wo itzt der Verein der deutschen Künstler aufgeschlagen ist, wird abends Whist gespielet und den Fremden von Distinktion der Hof gemachet, und wenn eyner von den guten alten Zeyten am Ponte Mole erzählet, so rümpfet mancher Vornehm die Nas, als wie der Pharisäer über den armen Zöllner.

Ich inzwischen hab dort eyne gute Flasch Orvieto geblasen und an den wackern Maler Reinick gedacht, so dort wie anderwärts manch gutes Lied gesungen und itzt schon in kühler Erden schläft, und hab die Wagen gemustert, so von Florenz her nach der porta del popolo eynfuhren und hab eyn Stück »italienischer Zustände« mit angesehen, so mich sehr erfreute. Sassen nämlich zwey Gefeiten hinter eynem Verschlag der Osteria und tranken eynige Korbflaschen zu ihrem Salat und waren wie im Hinterhalt, und wie eyn Wagen herfuhr, ergriff der eyne sein Krückenstock und wurde plötzlich hinkfüssig, wackelte hinaus und bettelte für den povero vecchio – und richtete sich der Grad seines transitorischen Fussleydens nach Beschaffenheyt der Kutschen, massen er bei eynem gemeinen Vetturin noch notdürftig laufen konnt, wie aber eyn Kardinal mit seinen drey galonierten Dienern angefahren kam, ward er von totaler Lahmheit befallen und schleifte sich gotteserbärmlich über die Strassen; schund aber nur zwey bajokk heraus, was seinen Kollegen, dem er die Ausbeut an Weintisch zurückbracht, zu der unziemlichen Bemerkung veranlasste: due bajocchi! O quell' ladro! –

Item eyn andermal hab ich eyne Pilgerfahrt gethan in das Tal der Nymphe Egeria, so bekanntlich eyne Freundin des Königs Numa war, bei welcher Gelegenheyt selber als erster römischer legislator sich über den Begriff des concubinatus, wie es eynem frommen Juristen ziemet, aufklärte. Und ist eyn weiter Weg durch das alte Rom, am Colosseo und an den Thermen Caracallae vorüber, bis zur porta S. Sebastiano, deren Mauern weyland Narses gegen unsere Landsleut, die Gothen, hat bauen lassen. Scheinen auch schon andere gute Landsleut desselben Wegs gezogen zu seyn, massen ich draussen an der via Appia eyn Kirchlein gesehen, so an seinem alten Portal die Inschrift traget: S. Leodegarius et Sa. Hermenegild Altimannia, und hat mich dies alte longobarder Kirchlein mehr gerühret als alle Pracht von Sankt Peter, wo sie mir, als ich den heiligen Vater zu schauen, pflichtschuldig im schwarzen fracco mich eyngestellet, mein gross seiden Taschentuch gestohlen und nur den Hausschlüssel gelassen haben. Und wiewohl mich eyn Römer zum Trost versichert, es seyen keine Bürger von Rom, so solch Handwerk treiben, sondern »scuola Napolitana«, so soll doch eyn Heiligkreuzdonnerwetter drein schlagen, dass die Spitzbuben mich, der mit Paul Baumgartner von Harpolingen und dem Strittmatter Fridli von Hogschus fertig geworden, in der Sankt Peterskirche zu Rom so dran gekriegt. Item, so zogen wir an der heiligen Hermenegildis vorüber – und kamen, an vielerley Ruinen von Columbarien und kleinen Tempeln vorbei, in das Tal der Egeria; und ist selbes eyn schöner stiller Platz, wo mächtige, immergrüne Eichen wachsen, und der Blick gar fröhlich ausschweift nach den Trümmern ringsum, und den Hügeln und grossen Aquädukten der Campagna und nach den wohlbekannten albanischen Bergen. Und bei dem heiligen Steineichenhayn, in welchem eyn epigonischer Jurist auch jetzt noch, im Fall der Not, mit eyner Nympha oder andern anständigen Person recht angemessen promenieren könnt, ist eyne Grotte anmutig im Felsen gebauet und rieselt itzt wie ehdem der geweihete Quell der Egeria. Und ist das Wasser recht lind und kühl und von wohltätiger Wirkung. Gleichet nämlich nit im mindesten denen Quellen von Korsika, von denen eyn sicherer Gregorovius, so auch eyn sauberer Patron sein mag, in die Allgemeine Zeitung geschrieben, dass man bei ihnen aller Gedanken an deutschen Wein vergesse, – vielmehro stellet sich nach eynem Trunk aus dem Quell Egeria eyn eigentümlich starker Durst in der Kehlen eyn, also, dass trotz Natur und Altertum das Gemüt dessen, so sich an gesagtem Quell geletzet, sofort darauf gelenket wird, sich nach eynem guten Trunk Weines umzuschauen. Und waren wir vier gute Karlsruher beisammen, so gleichmässig von diesem Durst befallen wurden, warteten deshalb nit ab, bis wir zum Facchino nach Rom kamen, sondern brachen in die erst Herberg, so am Weg stund. Und wurde die Vermutung aufgestellt, dass wohl König Numa der Alte auch nit umsonst aus dem Born der Egeria wird getrunken, sondern sich gleich uns auf dem Heimweg in eyn benachbartes latinisches Wirtshaus verfügt haben. Konnten somit bei unserem Vorhaben uns auf eine longaeva consuetudo berufen.

Die Kneipe aber hiess osteria dei pupacci, aus welchem Namen wir mit Grund konjunktiereten, dass hier eyn Eynkehr für Marionettenspieler und ander fahrendes Volk sey, so im Weichbild von Rom kein Unterkommen findet.

Und hatte der Wirt seinen Wein in die Erde vergraben, um ihn frisch zu halten; der Tisch aber ruhete auf eynem antiken Säulenkapitäl, und glich das ganze eyner grossen Spelunke. Item, der Egeria Durst zeigete sich sehr wirksam, und wurde von uns versammelter, badischer Landeskraft scharf getrunken; – also dass wir der Heiligkeit des Orts zu Ehren schliesslich nur noch in gewähletem lateinischem Sermon uns bewegeten, wobei es an gelehrten Zitaten aus denen klassischen Autoren nicht fehlete; – und Dank denen studiis, so wir viere unter Leitung des Hofrat Süpfle am Lyceo Carolsruhensi gemacht, wehte ein Ciceronischer Hauch durch unsere disputationes, und versetzeten wir uns im Geiste ganz in graues Altertum; – und da der Engere eyn Freund malerischer Zitate ist, so frommt es wohl, eynige herzusetzen, wie ich sie von meinen gelehrten Landsleuten des Abends in der osteria dei pupacci vernommen:

»Manum de capello!« sprach Tibull, als ihm sein Freund Propertius den Hut antreiben wollte.

»Ne in Facchinum!« sprach Atticus, als er morgens mit Kopfweh erwachete.

»Valde à propos!« Cicero zum Laternenanzünder am Appischen Tor, als er seine Zigarre an dessen Licht ansteckte.

Jacet ingens litore truncus. Es liegt eyner am Strassengraben, der ungeheuer betrunken ist, Vergilius u. s. w.

Item, wurde auch von meinen lieben Landsleuten auf dem Heimweg das Lied vom Jäger aus Kurpfalz so klangvoll abgesungen, dass der Torwart an porta Sebastiano eyn seltsam schiefes Antlitz machte. – Item in solcher Weis nützlichen Studien (cf. Zell, Ferienschriften, die Wirtshäuser der Alten) sind mir die Tag verflossen, und hab erst gestern wieder in der Palombella am Pantheon mit eynem schleswig-holsteinischen Rittmeister eynen harten Strauss in Orvieto zu bestehen gehabt – also dass mich der Engere für rite excusatum ansehen mag, dass mein Bericht noch gar nicht begonnen ist. Denn all dies ist nur eyne introductio. Kann aber heut nit mehr ernst und chronologisch beginnen, massen eben meine deutschen Hausgenossen kommen und trotz aller sententia des Atticus sagen, es sey Zeyt in Facchino zu gehen.


 << zurück weiter >>