Victor von Scheffel
Episteln
Victor von Scheffel

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Zweite Epistel in die Heimat.

Säkkingen, den 13. Januarii 1850.

Wie der Doktor Scheffel seine erste Ausfahrt in den »Wald« gehalten und dabei den Balthes Nicker, mehrere Schneelandschaften und andere Hauensteiner Biedermänner, sowie den »Meysenharts Joggele« kennen gelernt hat.

Heute ziehen wir ein doppeltes Paar wollene Socken an und suchen unsere wärmsten Handschuhe vor und leihen bei der Kellnerin im Knopf ein Paar Salbandüberschuhe, und der Amtschirurg Vogelbacher setzt seine alte Pelzkappe auf und zieht die grossen Pelzohren daran herunter; – denn es ist giftig kalt, und das Amt muss in den Wald fahren.

Bekanntlich hat das Sprichwort »Lasst die Toten ruhen« keine juristische Bedeutung, im Gegenteil, wenn einer nur ein wenig auf abnorme Weise das Zeitliche gesegnet hat, so kommt er nicht eher zu seiner Grabesruhe, als bis Amt und Physikat ein riesenhaftes Protokoll über ihn aufgenommen haben, denn wozu wäre denn das viele Papier auf der Welt, wenn es nicht verschrieben werden sollte?

Diesmal war einem armen Burschen von Schweighof, der von einem weiten Weg bei Nacht und Nebel nach Hause wollte, auf der Grünnenbacher Höh' oben der Lebensgeist und die Kraft zum Weitermarschieren ausgegangen, und er hatte sich aufs Ohr in den Schnee gelegt, um nimmer wieder aufzuwachen.

Deswegen standen mittags 12 Uhr die Schlitten vor dem Amthause, leichte zweisitzige Fahrzeuge, und den einen bestieg das Bezirksamt, nämlich ich und mein schnöder Aktuar, und den andern bestieg eine grosse Pelzkappe, ein Mantel und ein paar Wasserstiefel, und das war das Physikat, nämlich der Amtschirurg Vogelbacher. (Dieser Biedermann würde eigentlich eine besondere Abhandlung verdienen; – z. B. hat derselbe die Bedeutung eines guten Schnapses zu jeder Tageszeit so tief erfasst und den Kultus des gebrannten Geistes so andächtig getrieben, dass auf 6 Stunden im Umkreis der durstigste Mensch, wenn ihn Kälte oder Überzeugung zu einem ähnlichen Schritt veranlassten, nicht mehr sagt: »Bringt mir einen Schnaps!« sondern, was zugleich viel plastischer klingt: »Bringt mir einen Vogelbacher!«)

Und bald knallten die Peitschen und rasselten die Schellen, und fort sausten Amt und Physikat durch die glatte Schneebahn; und fuhren den Rhein entlang bis Obersäkkingen, dann ging's links ab, bergan in den Wald hinauf, und noch ein paar schöne Durchblicke durch die Baumgruppen nach dem Rheintal und den glatt abgeschnittenen Schweizerbergen gab's; dann fuhren wir einem duftigen Nebel entgegen, und bald war die Ferne verhüllt, und das Auge sah nur noch die weiten Schneeflächen, die unvermerkt und ohne bestimmbare Grenzlinie in den Horizont übergingen (– ganz dasselbe Bild in Weiss und Grau gemalt wie bei Meer und Himmel in Blau), und nur hie und da ragten ein paar schweigsame Tannen, deren Nadeln vom Reife so fein beeist waren wie der Bart meines Aktuars, zwischen durch, ober es tauchte ein einsam zugeschneites Strohdach auf, um zu erinnern, dass ausser den Füchsen, Raben und Rehen, an die uns die Fussspuren im Schneefeld gemahnten, auch noch der homo sapiens Linnäi in diesen Gefilden existiere. So ging's durch Rüppolingen und Harpolingen nach Willaringen.

Dort stund ein stattlich Wirtshaus und »Balthes Nicker baut' mich« über der Tür geschrieben, und heraus trat er selber, der alte Balthes, eine Gestalt wie aus Erz gegossen, in dem roten, mit Sammet ausgelegten Hauensteiner Tschoben, mit dem feingefältelten Hemdkragen, kurzen Hosen und Strümpfen und breiten, geschnallten Schuhen. Und er lupfte sein schwarzes Käpplein und fragte nach der Herren Begehr.

Und als wir ihn des Wegs nach dem Schweighof befragten, um den in sein elterliches Haus verbrachten Verunglückten dort zu besichtigen, da lächelte der alte Balthes und sprach: »Da hätten die Herren früher kommen müssen, heut früh hat ihn der Pfarrer von Rickenbach begraben.« Und der Stabhalter von Willaringen bestätigte es. Da wurde denn hier Halt gemacht und dem Stabhalter die Weisung erteilt, den Bürgermeister von Schweighof und die Angehörigen des Verunglückten hierher bestellen zu lassen.

Wir traten in die Wirtsstube. Nach altem Brauch kam der alte Balthes zu jedem heran, schüttelte ihm kräftig die Hand und sprach: »Willkommen!« Und das kam mir so herzlich vor, dass ich mich fest veranlasst fand, es mit dem herzlichsten Gruss aus meiner Sammlung, nämlich einem kräftigen »Leben Sie gefälligst hoch!« zu erwidern; ich bedachte mich aber zur rechten Zeit, dass diese germanische Redensart vielleicht ebenso wenig Anklang finden würde als der griechische Gruss Chaire, den jener Storch auf dem Halsband geschrieben dem Schwarzwälder in Nordamerika zubrachte, und den dieser als »Kaibe« interpretierte.

Und dann stand das »dunderschiessige Maidle«, das am Fenster beim Spinnrad sass, des alten Balthes Tochter, auf und kam ebenfalls mit »Gottwilche!« zu fragen, was uns gefällig sei; – und wenn sie auch nicht sylphidenartig durchs Zimmer schwebte, sondern handfest auftrat, und wenn auch ihres Mieders Taille keineswegs, um mit Dahlmann zu reden, »auf Grund und Mass der gegebenen Umstände zurückführt«,Anspielung auf den Titel des Dahlmannschen Werkes: »Politik, auf Grund und Mass der gegebenen Zustände zurückgeführt« (1835). sondern viel zu hoch war, so war doch die kurz aufgeschürzte Erscheinung mit ihren zwei langen, kastanienbraunen Zöpfen so ansprechend, dass selbst Vogelbachers, des Amtschirurgen, Antlitz sich verklärte, als wenn er ein altes Kirschwasser von 1822 vor sich geschaut hätte.

Nachdem eine Herzstärkung genommen und mit dem alten Balthes mancherlei über schlechte Zeiten und Kriegsläufte und Schneebahnschlitten gesprochen worden war und sich dabei herausgestellt hatte, dass er kein leidenschaftlicher Verehrer der Gothaer Partei und ihm der Reichstag zu Erfurt ziemlich »Wurst« war, kamen durch den Schnee die anher vorgeladenen Männer anmarschiert; die Gäste verzogen sich aus der Stube, das Maidle nahm sein Spinnrad und verzog sich auch, und das Verhör begann.

Zuerst der Bürgermeister von Schweighof. Er hatte es so natürlich gefunden, dass man einen Toten auch begrabe und nicht zu warten brauche, bis Amt und Physikat ihn besichtigt haben, – er kannte weder die betreffenden Ministerialverfügungen im Regierungsblatt vom so und so vielten noch die einschlagenden §§. aus Rettigs Polizeigesetzgebung, die das Gegenteil vorgeschrieben, dass alle Versuche, ihn eines Unrechts zu überzeugen, an ihm abprallten. Alter Bürgermeister, wenn du gewusst hättest, wie gross meine Freude über deine Gesetzesübertretung war, und was du mir damit selbst für einen Gefallen erwiesen, – der amtliche Verweis, den ich erteilen musste, hätte noch einige Lot von seinem ohnedies nicht schweren Gewicht bei dir verloren!

Dann der alte Vater des Verstorbenen. Sein Bub war fortgegangen, um die in andern Ortschaften wohnenden Mitglieder der Familiensippschaft zum Begräbnis eines Verwandten einzuladen, – denn das Unterbleiben dieser Einladung, auch an den Entferntesten, gilt im Hauenstein als ein grosser »Affront«, – und wie er am selben Abend noch mit den Eingeladenen heimgehen wollte, verliessen ihn die Kräfte oben auf der Höh' bei Egg, und er blieb im Schnee liegen, und ehe seine Begleiter mit dem Schlitten zu Hilfe kamen, war er schon erstarrt. 's war ein braver Bursch von 24 Jahren, und dem Alten rann manche Träne die Wange herunter, bis er die Geschichte zu Ende erzählt hatte.

Dann die übrigen Angehörigen desselben.

Nachdem ich sie mit gutem Trost und Zuspruch entlassen hatte, wurde beschlossen, die Untersuchung in Egg fortzusetzen, wo die Leute waren, die den Erstarrten vom Berg herabgeholt und wieder zu beleben versucht hatten. Und der alte Balthes Nicker meinte, wenn ich einmal wieder zu ihm komme, dann werden die Matten grüner und die Einquartierungssteuern kleiner sein, und dann werde mir's besser im Wald oben gefallen. So hab' ich auch gedacht; – aber der Mensch denkt und der Meysenharts Joggele lenkt!

An letzteren hatten wir beide nicht gedacht.

Und wieder fuhren die Schlitten in gutem Trabe des Weges weiter und durch Duft und Nebel und weite Schneefelder in den alten Willaringer Tannenwald; das war eine Waldeinsamkeit, der Boden hoch mit Schnee bedeckt, und die Schwarzwaldtannen, gebückt und traurig unter der Schneelast, liessen ihre Äste hängen, und man sah's ihnen an, dass sie einen schweren Traum träumten, und ich hätte viel darum gegeben, wenn ich ein paar Minuten so ins innere Mark einer Tanne hätte hineinschauen und die Gedanken, die da langsam auf- und niederstiegen, herauslesen und entziffern können. Es muss eine eigene Welt sein, so ein »harziges Tannenbewusstsein.« – Ob der Amtschirurg Vogelbacher, als wir durch den Willaringer Tannenwald fuhren, dieselben Wünsche und Gedanken gehegt wie ich, habe ich nachmals nicht in Erfahrung gebracht. –

In Egg liessen wir ihn ruhig weiter fahren und stiegen zur Fortsetzung der Untersuchung im Wirtshaus des Fridolin Thoma ab, wo die Eiszapfen Mann an Mann vom Dache bis auf den Boden herabhingen. Es liess sich jedoch Bahn durch dieselben brechen, und die warme Wirtsstube nahm uns auf. Hierher wurde nun männiglich vorgeladen, wer über den Unglücksfall Auskunft geben konnte, und ein paar Stunden inquiriert. Dann blieb ich noch eine gute Zeit bei den Leuten sitzen und trank und sprach mit ihnen über dies und das. Es war eine Hauensteiner Stube wie auf dem Kirnerschen Bilde, um den grossen Porzellanofen eine Ofenbank, die man sonderbarer Weise »Kunst« nennt, und die auch während der Winterszeit den Mittelpunkt der Tätigkeit manches Biedermannes bildet, indem er darauf den edlen und freien Künsten des Schnapstrinkens und Schlafens gleichmässig obliegt.

Darauf sassen nun die Mannen, die Ellenbogen kräftig auf den Tisch gestützt, und erzählten mir, »dem Herrn Amtmann,« allerlei Geschichten, und es sprach sich ein so inneres mit sich und der Welt Imreinensein in allem aus, dass mir's recht behaglich zu Mut wurde. So viel ward mir ebenfalls klar, dass, wenn Proudhon oder Leroux oder irgend ein anderer Apostel des Sozialismus in eine Hauensteiner Stube einträten, sie fünf Minuten später bombenähnlich hinausfliegen, beziehungsweise gefuhrwerkt würden. Zum Entsetzen für jeglichen Humanisten stellte einer von den Leuten den Satz auf: »Bei uns hat's eigentlich der Bettler am allerbesten, er braucht für nichts zu sorgen, geht durch alle Weltläufte ohne Furcht, etwas dabei zu verlieren, wo er hinkommt, kriegt er ein Obdach und dort wieder eine Speckseite oder einen Schnaps, und wenn's ein alter Knabe ist, von dem man weiss, dass er sein Teil Leben schon gelebt hat, so geniesst er noch hohe Achtung, und sein Rat wird von alt und jung gesucht.«

Ein anderer erzählte, wie er einmal in Basel bei einem reichen Herrn gewesen und habe einen schweren Kartoffelsack in den Keller getragen, und da sei er ihm gefallen und er habe den Herrn gebeten, ihm den Sack aufzulupfen, und da sei dieser so krumm und schwach und steif gewesen, dass er sich kaum habe bücken können, und habe vergeblich an dem Kartoffelsack sich abgezappelt, und da habe er zu dem Kaufmann gesagt: »Ihr seid ein armer Mann und ich bin ein Freiherr!!«

Solche und ähnliche Ketzereien wurden vielfach aufgestellt, und es wurde mir dabei klar, dass man nicht nötig hat, mit Fallmerayer bis auf den Berg Athos zu gehen, um bei den Hagion Oros-Mönchen Friede und Weltüberwindung zu finden – dass dies auch noch anderswo als »hinterwärts von Trapezunt« gefunden werden kann.

Der Hauptgegenstand der Unterhaltung war natürlich der im Schnee Verunglückte, und da erzählten sie mir, dass es vielfach vorkomme, dass einer bei Nacht im Schnee aus der Bahn verlaufe und so lang herum irre, bis er liegen bleibe; – und dass es auch sonst passiere, dass einer, auch ohne getrunken zu haben, eine ganz falsche Wegrichtung einschlage und hie und da, wenn er drei oder vier Stunden gelaufen, wieder da ankäme, von wo er ausgegangen – ohne zu wissen, warum und wie. Das habe aber seinen Grund gewöhnlich darin, dass es an solchen Orten »nit sufer sei« und dass dort »einer umgoht.« In der Nähe von Egg geht auch so ein Geist um, der die Leute irreführt.

Da dies unbefugte Irrführen von Leuten im Polizeistaat unmöglich geduldet werden kann, so inquirierte ich alsbald genauer inbetreff dieses in meinem Amtsbezirk umgehenden Geistes, konnte aber nur so viel erfahren, dass derselbige den geisterhaften Namen »Meysenharts Joggele« führe, und dass seine amtliche Stellung im Geisterreiche darin bestehe, mit den Leuten von Egg und Umgegend – um einen Stettenschen Ausdruck zu gebrauchen – »Schindluder zu treiben.« Derselbe scheint also in der nämlichen Branche angestellt zu sein wie der Poppele von Hohenkrähen und der Rübezahl in Schlesien – ob er aber Unterstaatssekretär oder bloss vortragender Rat oder gar nur Assessor oder Volontär in diesem Departement ist, und woher er überhaupt stammt, und warum er seine soziale Position gerade dahier gefunden hat, darüber schwieg die Geschichte. –

Gegen 8 Uhr abends nahm ich von den Hauensteinern unter Versicherungen gegenseitiger Hochachtung Abschied. Der Schlitten fuhr lustig von dannen; kurz vor Egg rasselten wir zwar an einen Feldstein an und brachen ein Stück von der Deichsel entzwei, allein das war bald repariert, und ich sah es als einen Tribut für den Meysenharts Joggele an.

Allein das war dem schnöden Geist nicht genug. – Immer weiter fuhr der Schlitten in die nebelgraue Schneenacht hinein, und immer ging's gleichmässig eben fort, und der Postillion meinte, es gehe etwas lang, bis die Strasse bergabwärts nach Säkkingen führe, – und immer geisterhafter ragten die Tannen da und dort und knarrte die Schneedecke, aber es ging immer noch nicht bergabwärts, und Säkkingen erschien nicht. Und immer kälter pfiff die Abendluft, und selbst dem Postillion ward etwas problematisch zu Mut, wie jenem Mann an der Kanderer Strasse:

»Er chunnt vom Weg, er trümmlet hüst und hott,
Er bsinnt si: »Bin i echterst woni sott?«

und ich selber dachte verdammt wenig mehr an Elfen und Schneegeister und an das Rauschen der Schwarzwaldtannen und die Poesie einer nächtlichen Schlittenfahrt, sondern vielmehr an ein warmes Nest und einen Schluck Vogelbacher zum Schutz gegen Erkältung. Und nach beinahe zweistündiger Fahrt war's noch immer nicht bergab gegangen! Endlich schimmerte ein fernes Licht.

Columbus kann nach der Küste von San Salvador nicht sehnsüchtiger geschaut haben als wir nach dem Licht. Wir kamen vor der Behausung an, der Postillion trat heraus und randalierte, und wer kam hervor? Wer frage ich! Das war der nämliche rote Tschoben und die nämliche Gestalt wie heute mittag, – das war der ganze leibhaftige alte Balthes Nicker von Willaringen; und wir hatten durch gütige Vermittelung des Meysenharts Joggele das Kunststück aufgeführt, von Egg in einem weiten Umkreis statt nach Säkkingen wieder nach Willaringen zu fahren, und die Matten waren noch nicht grüner und die Steuern noch nicht kleiner geworden, als uns der alte Balthes sein zweites »Willkommen« entgegen brachte.

Mir aber war's, als ob der Meysenharts Joggele mit stillem Gekicher sich auf der Deichsel unseres Schlittens aufrichtete und folgende Standrede hielt: »Ersehet hiermit, hochweiser und gelahrter Doktor, wie weit ihr Menschen-Geziefer mit all eurer Weisheit kommt; da kutschiert ihr mit aller Sicherheit durchs Leben, und nach langer Irrfahrt kommt ihr doch wieder dort an, von wo ihr ausgegangen seid; da macht ihr Revolutionen, aber während das Ziel gerade vor euch liegt, fahrt ihr den Weg links, und nach ein paar Jahren Irrfahrt seid ihr wieder am alten Fleck und habt euch höchstens noch eine gelinde Erkältung zugezogen. Ersehet hieraus ferner, dass es noch viel zwischen Himmel und Erde gibt, wovon nichts in euren Kompendien steht, z. B. mich, den Meysenharts Joggele, – und wenn euch eure Lebensbahn, was noch öfter vorkommen wird, wieder einmal ganz anders wohin verschlägt, als wohin euer Dichten und Trachten war, so denkt an mich und an die Logik von uns kleineren Geistern und jungen Teufeln, die auch ihre Berechtigung hat. Im übrigen nehmt jetzt ein Glas Kirschenwasser zu euch und gehabt euch wohl, Herr Doktor!«

Ich meinerseits liess mich auf den ersten Teil dieser Meysenharts Joggele'schen Standrede im Gefühl meiner Souveränität nicht weiter ein, fand jedoch seinen schliesslichen Rat so vernünftig, als wenn ich mir ihn selbst erteilt hätte, trank in stillem Grimm einen Bittern, sagte dem Bürger Postillion noch einige Grobheiten, liess mir vom alten Balthes noch den germanischen Trost erteilen, dass es so trotz alledem besser gegangen sei, als wenn der des Wegs unkundige Postillion uns den Berg hinab nach Säkkingen gefahren hätte, da er auf der neuen Strasse noch leichter hätte aus der Bahn kommen und uns das Vergnügen eines Sturzes in die Tiefe bereiten können; – und nach kurzem gedachte ich der weissen Zipfelkappe und des »Schlafe, was willst du mehr?«, legte mich samt dem Aktuario aufs Ohr und entschlummerte.

Des andern Morgens fuhren wir dann bei guter Stunde wieder weiter, mussten abermals zum Erstaunen unserer Freunde von gestern abend durch Egg, fanden diesmal den rechten Weg und hielten wohlbehalten nach herrlicher Bergfahrt unsern Einzug in der »getrewen und festen Waldstatt Säkkingen.«

Wie wir aber des Abends im Wirtshaus zu Säkkingen unsere Irrfahrten erzählten und sämtliche Gäste einverstanden waren, dass das lediglich dem Bürger und Geist Meysenharts Joggele zuzuschreiben sei, da schmunzelte der Amtschirurg Vogelbacher, der trotz seines Kultus der gebrannten Geister ein grosser Rationalist ist, pfiffig und sagte: »Ach was Joggele! Was den Herrn Rechtspraktikanten nach Willaringen zurückgeführt hat, heisst nit Joggele, sondern Vreneli, und ist dem alten Balthes seine Tochter. Er hat sie am Mittag schon mit so grossen Augen angeguckt, samt ihren kastanienbraunen Zöpfen, – mir geht ein Licht auf wie eine Pechfackel. Herr Knopfwirt, noch ein Gläslein!«

Und seit der schnöde Amtschirurg diese Hypothese aufgestellt hat, mag ich sagen, was ich will, so gibt's allerhand Biedermänner, die mit schlauem Lächeln die Achseln zucken, wenn von der Doppelfahrt nach Willaringen die Rede ist.

Auch daran ist noch der Meysenharts Joggele schuld! –


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