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Treue

Sie fühlte das flackernde Licht versprühn,
Und sie sprach, im Sterben noch mild und schlicht:
»Mein Lieb, solange die Veilchen blühn,
Gräme dich, – länger nicht!«

Und er hielt der armen Toten die Treu,
Er hielt sie ihr klagend drei Tage lang.
Dann scholl durch die hohen Säle aufs neu
Der goldenen Becher Klang.

Sie schlief so still in verschwiegener Gruft,
Und lang schon war sie so schmerzensmüd.
Doch draußen flutet die Lenzesluft,
Und das rauschende Leben glüht.

Im Stalle stampfte sein braunes Roß,
Heiß rief ihn die Sehnsucht nach Flur und Hain.
Und er jagte wild mit dem bunten Troß
In den knospenden Wald hinein.

Am Bergquell sah er das Hirtenkind;
Und er jagte lieber von Tag zu Tag.
Das Laub ward grüner, weicher der Wind,
Immer schöner der Hag.

Er traf das Mägdlein, gar fern vom Zug,
Und er sah erstaunt ihrer Augen Glanz,
Leis strich er ihr Goldhaar. Und sieh, sie trug
Blaue Veilchen im Kranz.

Er riß das Gewind aus dem wehenden Haar,
Und warf es zornig ins dornige Grün.
Er sprach: »Wie lange in diesem Jahr,
Wie lange die Veilchen blühn!«


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