Moritz Gottlieb Saphir
Album geselliger Thorheiten
Moritz Gottlieb Saphir

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Taschenkodex und Spruchbüchlein eines schlichten Praktikers.

Sei jeden Augenblick bereit, alle Menschen auszulachen; denn sei überzeugt, alle Menschen sind jeden Augenblick bereit, dich auszulachen; und da alle Menschen um viel Menschen mehr sind als du, so steh alle Tage ein paar Stunden vor tags auf, um alle Menschen auszulachen.

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Wenn dir ein vornehmer Mann etwas verspricht, so lerne ein Handwerk und – verlaß dich drauf.

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Wenn du schön bist, so schau alle Tage viermal in den Spiegel, zweimal dir zuliebe, einmal, um zu sehen, wie du aussiehst, wenn du in den Spiegel siehst, und einmal, weil jeder Mensch doch einmal des Tages in den Spiegel sehen soll; bist du aber häßlich, so schau alle Tage fünfmal in den Spiegel, zweimal aus Buße, einmal, damit du nicht vergessen sollst, wie du aussiehst, und wieder zweimal, damit du ja nicht in Versuch kommst, zu glauben, ein Frauenzimmer liebe dich deines Geistes wegen.

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Wenn an einer Table d'hôte die Schüssel an dich kommt, so geniere dich nicht und suche, solange du kannst, nach dem besten Bissen; denn sei versichert, wenn die Schüssel an den Nachbar kommt, so sucht er sich gewiß den besten Bissen aus.

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Wenn du viel gearbeitet hast und sehr ermüdet bist, so geh abends nicht ins Theater; denn sei versichert, du wirst ohnehin schlafen.

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Wenn deine Frau dir schmeichelt, so greife schnell in die Tasche; denn sei versichert, sie will etwas.

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Wenn ein Mann dir schmeichelt, so verzeih ihm nur gleich im stillen; denn sei versichert, er will dich betrügen oder er hat dich betrogen.

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Wenn ein Bekannter dir begegnet und laut ausruft: »Ach, mein Teuerster!« so komm ihm nur gleich mit der Frage entgegen: »Ich bitt' Sie, haben Sie nicht fünf Gulden bei sich?« denn sei versichert, er wollte dich um dasselbe fragen.

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Wenn du von einem Rezensenten gelobt sein willst, so mache ihm ein Geschenk; denn sei versichert, so was hilft immer.

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Wenn du einem Rezensenten etwas schenkst, so schenke ihm bares Geld; denn sei versichert, da triffst du seinen Gusto gewiß!

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Wenn du einen Künstler lobst, so lob ihn nie auf Kredit; denn sei versichert, wenn er einmal gelobt ist, vergißt er dich!

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Wenn du den Kopf zum Fenster hinaussteckst, so thue es nie, ohne die Obrigkeit zu preisen; denn sei versichert, wer über dir wohnt, würde dir, wenn keine Aussicht wäre, gewiß gerne einen Topf Wasser über den Kopf gießen, auch wenn er gar nicht weiß, wer und was du bist.

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Im Theater kokettiere immer mit fünfundzwanzig Frauenzimmern auf einmal; denn sei versichert, zehn kokettieren mit dir, um sich über dich lustig zu machen, fünf, um ihre Nachbarin auf den »eingebildeten Laffen« aufmerksam zu machen, fünf aus Eitelkeit, zwei aus Dummheit und drei aus Instinkt, alle fünfundzwanzig aber noch einmal aus Langeweile, und alleweil bleibt doch etwas kleben!

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Trau der ganzen Welt so wie dir; denn sei versichert, der Mensch soll sich selbst nicht trauen.

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Wenn du in der Gunst des Publikums steigst, so denke an Eulenspiegel und weine; denn sei versichert, du wirst wieder heruntersteigen.

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Wenn dir ein Frauenzimmer sagt: »Du hast mein Herz erschüttert!« so glaub's und – bau nicht darauf; denn sei versichert, auf einen Boden, der einmal erschüttert ist, soll man nicht bauen.

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Wenn du alle Augenblicke erinnert wirst, daß du eine Frau hast, so thut sie dir weh; denn sei versichert, man wird nur an jene Gliedmaßen von selbst erinnert, die einem weh thun!

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Ein gutes Gewissen schläft auch auf einem Baumstrunk! D'rum schaff dir keine Baumstrunkhandlung an; denn sei versichert, sie bleiben dir über den Hals!

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Kaufe nie etwas zu einem »festgesetzten Preis«; denn sei versichert, wenn der Preis ehrlich wäre, hätte man ihn nicht festgesetzt.

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Wenn du einem Frauenzimmer unter den Hut sehen willst, und es senkt den Kopf, als ob es etwas auf der Erde suche, so grüble nicht weiter; denn sei versichert, wenn es schön wäre, es würde zum Himmel hinauf gesehen haben, ob es nicht regnet.


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