Moritz Gottlieb Saphir
Album geselliger Thorheiten
Moritz Gottlieb Saphir

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Höchst rührender, nichts desto minder höchst menschlicher und nichts desto minder höchst einleuchtender Vorschlag, Plan und Bauriß zu einem »Gegen-Tierquälereiverein«, wie er sein soll im ganzen Umfange der idealistischen Vollkommenheit.

Die vorwärts eilende Bildung beschäftigt sich nun hauptsächlich mit dem »Wohl der Tierwelt«! Das ist ein gewaltiger Bildungsschritt! Denn es zeigt von einer umfassenden und geistreichen Ein- und Ansicht der Dinge, daß sich unsere Zeit nicht mehr mit dem »Wohle der Menschenwelt« beschäftigt, und daß die Zeit ihre Zeit nicht vergeblich verschwendet. »Man soll kein armes Tier quälen!« Dieser Spruch sollte zwar von Eheherren gegen ihre Frau, von Frauen gegen ihre Stubenmädchen, von Direktoren gegen ihr Kunstpersonal und andere gelten. Allein wir wollen von dieser Barmherzigkeit nur bei wirklichen Tieren, nicht bei dem » animal bipes implume« Gebrauch machen, und da die Zeit da ist, in welcher die Männer ihren Pferden mehr Liebe schenken als ihren Frauen, ihren Hunden mehr Sorgfalt und Menschlichkeit angedeihen lassen als ihren Dienern, und Kunstdirektoren an Pferde, Affen, Elefanten mehr verschwenden als an Künstler und Künstlerinnen, so ist ein

»Gegen-Tierquälereiverein«

das zeitgemäßeste Unternehmen. Ich habe einige Statuten zu einem solchen Verein in seiner ausgedehntesten, umfassendsten Bedeutung, in seiner idealistischen Vollkommenheit entworfen und teile einige der Hauptparagraphe hier mit:

1) Vor allem, und um bei der »Tierquälerei« im engen Familienkreise anzufangen, müssen wir unsere Sorgfalt auf jene kleinen Tiere richten, die uns am nächsten gehen, und welche oft ein desto grausameres Schicksal erleiden müssen, je mehr diese Qual in den geheimsten Falten der menschlichen Verhältnisse vor sich geht!

Wir reden hier von jenen kleinen, gemütlichen Wesen, welche in neuester Zeit zuerst durch Nicolais »Reise in Italien« zu einer Bedeutung gelangten, dann durch Goethes »Flohlehre« berühmt und durch Bertolotti endlich Mitglieder aller philosophischen und wissenschaftlichen Fakultäten wurden, von den – Flöhen nämlich.

Welchen Qualen diese Geschöpfe ausgesetzt sind, welch einen grausamen Tod sie sterben müssen, und oft gerade durch jene Wesen, welche das weichste Herz haben sollten, ist weltbekannt! Jetzt, da durch die Homöopathie die Blutegel zu Hyänen und die Flöhe zu Blutegeln promoviert werden, jetzt nehmen diese Dunkelmänner eine höhere Stellung ein und müssen in den Rechten der Menschheit beschützt werden!

Der »Gegen-Tierquälereiverein« wird also besonders sein Augenmerk auf die Flöhe richten und zu diesem Behufe besondere

»Flohvögte«

anstellen, welche in allen Familien darauf zu sehen haben, daß die häuslichen Flöhe nicht über die Maßen gepeinigt werden, welche dem weiblichen Personale moralische Vorstellungen zu machen haben, daß Strafe zwar sein muß, daß aber alle Folter- und Marterprozesse abgeschafft sind, die Hinrichtung der Flöhe also, wenn sie auf frischer That ertappt worden sind, ohne alle Gnade stattfinden muß, alles Hetzen, Treiben und langsam Töten auch verboten ist.

Auch ist bei jedem Floh der animus injuriandi erst zu beweisen; in Fällen, wo die zarte Jugend oder die Unzurechenbarkeit der Flöhe erwiesen ist, oder andere erleichternde Nebenumstände eintreten, muß die peine capitale oder die Todesstrafe gemildert, zum Beispiel in Verbannung u. s. w. umgeändert werden. Auch werden sie jedem, der sich das jus gladii eines solchen Geschöpfes herausnimmt, einschärfen, den Flöhen vor ihrem Tode so viel Zeit zu gönnen, um ihre Familienangelegenheiten zu ordnen.

2) In Hinsicht der

»Mäuse und Ratten«

hat der Verein darauf zu sehen, daß die Methode, sie durch Hunger zum Geständnis oder zum Tode zu bringen, gänzlich abgeschafft werde. Auch das »Absonderungssystem« ist grausam; die Menschlichkeit erfordert, daß jeder Maus oder Ratte ein gesundes, luftiges, lichtfreies Lokal angewiesen werde. Die Mäusefallen müssen vom »Vereine« untersucht werden, ob sie keine Spitzen, Nägel oder andere schmerzverursachende Dinge in sich haben, damit das unschuldige Geschöpf nicht gequält werde. Rattengift ist durchaus gegen das Gesetz der Milde und des Mitleids, und es ist jedem Hausgesinde durch moralische Vorstellungen einzuflößen, jede Maus oder Ratte im Betretungsfalle an eine seidene Schnur anzubinden, sie ins Freie zu führen, wenn nicht zu schlechtes Wetter ist, und ihnen die Freiheit zu schenken.

3) Ein besonderes Gesetz erheischt die

»Fliegenwelt!«

Das Denkmal der Barbarei: die »Fliegenklatsche«, muß ganz abgeschafft werden und auch der Gebrauch des etwas menschlichem Fliegenwedels nur in besondern Fällen, bei Kranken u. s. w., gestattet werden. Das sogenannte Fliegenfangen mit der Hand darf nur in Glaceehandschuhen stattfinden. Gegen Leimruten jedoch spricht die Menschlichkeit ganz laut. Die Fliegen sind durch Vernunftgründe und annehmbare Vorstellungen zu Räson zu bringen, und wenn einige unter ihnen sich halsstarrig und verstockt zeigen, sind sie angewiesen, nach Nordamerika auszuwandern, und zu diesem Behuf wird der »Verein« stets ein segelfertiges Schiff in Hamburg liegen haben.

4) Besondere Rücksicht und Liebe verdienen die

»Hunde!«

besonders aber die »tollen Hunde!« Diese sind nicht mehr totzuschlagen, sondern der »Verein« gründet ein

»Irrenhaus für Hunde«,

wo jeder Hund psychisch behandelt wird; wo erst untersucht wird, an welcher Gemütskrankheit der Hund leidet; ob er toll aus Liebe, aus Eifersucht, aus Zorn – verrückt wurde, ob der Hund wirklich toll oder bloß dichterisch ist, ob er melancholisch, hysterisch u. s. w. ist. Auch das Einfangen der herrenlosen Hunde ist gegen das Zartgefühl aller ältern Mamsells, die mit Hunden auf der Straße gehen. Anstatt des Einfangens wird der »Verein« ein Mittel ausfindig machen, durch Redensarten, durch sanfte Musik, durch schöne Zeichnungen die Ausmerksamkeit der herrenlosen Hunde auf sich zu ziehen und sie dergestalt dem geselligen Verbande wiederzugeben.

Auch wird der »Verein« darauf sehen, daß alle Möpse, Spitze, Pintscher u. s. w., welche bei alten Mamsells Herz und Polster ausfüllen, nicht gar zu sehr durch ihre Liebkosungen und Küsse gemartert und des Lebens überdrüssig werden; auch wird der »Verein« dafür sorgen, jedem »Schoßhund«, den das grausame Geschick trifft, auf dürren und spitzigen Knien ruhen zu müssen, ein weiches Kissen anzuschaffen.

Bei »Rezensentenhunden« wird der »Verein« darauf sehen, daß sie stets ein Halsband mit dem Namen der Redaktion darauf tragen, daß aber dieses Halsband elastisch sei, da diese Gattung Hunde einen immer weiteren Hals bekommt.

5) In Hinsicht der

»Wanzenvertilgung«

wird der »Verein« besonders auf das Prinzip der reinen Menschlichkeit sehen und jenes Rachegespenst, welches mit Feuer und Flammen ganz fanatisch gegen diese Blutsauger minorum gentium zu Felde zieht, ganz zu vertilgen suchen! Scheiterhaufen und Autodafee sind nicht mehr an der Zeit, und auch die Wanzen sind der großen Emanzipation des Herzens teilhaftig. Man suche jede einzelne Wanze von der Immoralität und unästhetischen Beschaffenheit ihres Lebenswandels zu überzeugen und sie zu einem nützlichen Mitgliede der Menschheit zu machen, wozu der Verein einen Preis von fünfzig Dukaten auf die Beantwortung der Preisfrage aussetzt:

»Wie sind die Wanzen von den Verirrungen ihres Geschmackes und ihres Lebenswandels zurückzubringen und zu nützlichen, ehrsamen und gebildeten Wesen in der Kette der Wesen umzuschaffen?«

6) In Hinsicht der

»Krebsenkochung«

hat der »Verein« besondere Mittel ergriffen. Das Lebendigsieden ist grausam und empört die menschliche Natur. Es ist daher den Krebsen vor dieser Prozedur ein betäubendes Mittel zu geben, oder sie sind zuerst in kaltem Wasser zu ersäufen, welches ihre Schmerzen mildert.

7) Insonders aber wird der »Verein« ein mitleidig-menschliches Augenmerk auf die gequälten

»Schriftstellertiere«

haben. Den Buchhändlern wird alles Schinden derselben mit zärtlichen Vorstellungen untersagt, und den Nachdruckern wird das Gesetz der Blutsauger, der Vampire u. s. w. alle Tage dreimal vorgelesen.


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