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Sechszehntes Capitel.


Reihe von Eisbergen. – Farbe des Meeres. – Sturm aus Nordost. – Wir passiren den Südpolarkreis. – Zusammenstossen mit dem Terror. – Verlust des Bugspriets. – Rettung. – Ungewöhnliches Phänomen. – Ausbessern unsrer Schäden. – Focus grösster Intensität. – Kreis der mittleren Temperatur des Meeres. – Strömung am Cap Horn. – Beauchène-Insel. – Wir ankern im Port Louis auf der Ost-Falklandsinsel.


Die Reihe hoher Eisberge, welche uns die Nacht hindurch so viel Sorge gemacht hatte, zeigte sich wieder diesen Morgen (1. März); sie erstreckte sich so weit das Auge sehen konnte in einer ununterbrochenen Reihe gegen Norden und vereinigte sich mit der grossen Gruppe, durch welche wir während des Sturmes und Nebels am 11. Februar auf unsrer Reise südwärts so barmherzig geführt worden waren. Der Rand des Packeises erstreckte sich noch mehrere Meilen westwärts von den Bergen und ging in eine Spitze aus, die wir um 1 Uhr Nachmittags umfuhren. Sie bestand aus einer Zusammenhäufung der schwersten Eismassen, die ich jemals gesehen habe, von dunkelbrauner Farbe, von den Wellen abgerundet und sehr ausgewaschen. Mehrere hundert Robben plätscherten und spielten um die Spitze herum und zwei oder drei, die auf dem Eise lagen, schienen nur mit Schwierigkeit ihren Platz behaupten zu können, während die Wellen über sie weg brandeten. Von dieser Spitze aus wendete sich das Eis wieder nach Osten, aber die Bergkette nöthigte uns in nordöstlicher Richtung weiter zu steuern. Zu Mittag war unsere Breite 69° 52' südlich, die Länge 180° westlich; die Inclination war 83° 36' südlich und die Declination hatte sich auf 33° 7' östlich vermindert.

Es war eine herrliche Nacht, und nachdem wir die Eisbergkette passirt hatten, konnten wir uns wieder mehr östlich wenden. Gegen 1 Uhr nach Mitternacht sahen wir auf wenige Minuten einen schwachen Schimmer des Nordlichts.

Den folgenden Tag wehte ein mässiger Wind aus Südosten bei schönem Wetter; die Sonne brach zuweilen durch, war aber meistens von Wolken und dichtem Schneegestöber verfinstert. Das Meer hatte wieder seine gewöhnliche hellblaue Farbe angenommen, woraus wir schlossen, dass die rostfarbigen mikroskopischen Thierchen, welche dem südlichen Ocean eine schmutzig braune Farbe geben, die Temperatur vorziehen, welche in der Nähe des Packeises vorwaltet; denn hier, wie in den arktischen Regionen, zeigte sich die Nähe einer grossen Eismasse stets durch eine Veränderung in der Farbe des Meeres an. Grosse Schaaren des blauen Sturmvogels und der Captaube zeigten sich und das Geschrei der Pinguine wurde oft vernommen.

Während der Nacht und bis 7 Uhr früh war Windstille, dann aber erhob sich eine nördliche Brise und wir fühlten uns während des schönen Vormittags Alle sehr erquickt durch die erhöhte Temperatur der Luft, die in weniger als zwei Tagen von 23 auf 36 Grad gestiegen war.

Dicke Wolken gegen Norden, die uns häufige Windstösse und Schneegestöber herüberschickten, verkündigten eine stürmische Nacht, für die wir alle nöthigen Vorbereitungen trafen. Während des Tages waren uns nur zwei Eisberge zu Gesicht gekommen; und da wir weit genug nördlich waren, um sie nicht mehr allzusehr fürchten zu dürfen, so standen wir nicht an, die ganze Nacht hindurch zu fahren, obgleich der beständig fallende Schnee uns jede Umsicht nahm und die Nacht ausserordentlich finster war.

Der erwartete Sturm erhob sich kurz nach Mitternacht und nahm allmälig zu bis Mittag, wo er mit grösster Heftigkeit wehte. Das Barometer stand auf 28,162 Zoll, fing aber an zu steigen, als der Wind von Nordost nach Nordwest umsprang und schwächer wurde, die See sich eben so schnell beruhigte und das Wetter so schön wurde, dass wir ohne Besorgniss der achtstündigen Nacht entgegensehen konnten. Diesen und den folgenden Tag früh hatten wir veränderliche, aber leichte Winde und befanden uns zu Mittag unter 67° 8' südl. Br. und 171° 38' westl. L. Der fortdauernde niedrige Stand des Barometers trotz des guten Wetters liess mich fast eine Beschädigung desselben fürchten, und ich gab daher dem Terror Signale, die Barometer zu vergleichen; meine Besorgnisse waren jedoch grundlos, da die Instrumente beider Schiffe ziemlich denselben Standpunkt zeigten; das Barometer des Terror stand nämlich auf 28,485 Zoll, das des Erebus auf 28,478 Zoll. Um 7 Uhr Abends (5. März) passirten wir den Südpolarkreis nach einer Abwesenheit von 64 Tagen, die wir südlich von ihm zugebracht hatten. Dieses Ereigniss wurde mit grosser Freude gefeiert.

Am 7. August fanden wir unter dem 64. Breitengrade die ersten Spuren des Pflanzenreichs, indem wir an diesem Tage mehrere Stücke Seegras trafen. Ohne weitere Vorfälle hatten wir am Nachmittag des 9. die Breite von 60° 20' südlich erreicht, und da wir, um die vermeintliche Stelle des zweiten Focus grösster magnetischer Intensität aufzusuchen und auch um durch Beibehaltung einer höheren Breite unsern Weg nach dem Cap Horn abzukürzen, uns nicht weit von dem Parallelkreise des 60. Grades entfernen wollten, so steuerten wir gerade nach Osten, wobei uns ein frischer Südwind begünstigte.

Während der nächsten drei Tage machten wir bei starkem Südwind und ungestümem Wetter gute Fortschritte, stiessen aber während einer Reise von 400 – 500 Meilen nur auf 4 oder 5 Eisberge, und glaubten uns schon nördlich von ihrer Breite zu befinden. Den 12. März Nachmittags erblickten wir jedoch mehrere durch den Nebel, während wir mit allen Segeln, welche die Schiffe tragen konnten, vor einer starken nordwestlichen Brise fuhren. Abends wurde die Brise so stark und das Schneegestöber so dicht, dass wir einige Segel einnehmen mussten. Wir trafen auf zahlreiche kleine Schollen, die sicheren Verkünder von nahen Eisbergen, die nur der fallende Schnee unsern Augen verbarg, und vor Mitternacht liess ich die Marssegel einreffen und alle Vorbereitungen zum Beilegen bis zum Morgen treffen, da es mir zu gefährlich schien, unsere Fahrt im Dunkeln weiter fortzusetzen. Kaum hatte die Mannschaft die nöthigen Manöver vollendet, als sich dicht vor uns ein grosser Eisberg zeigte; das Schiff wurde sogleich dicht an den Wind gebracht, in der Hoffnung, ihn noch zu umschiffen, aber in demselben Augenblick kam der Terror unter Mars- und Focksegel auf uns los; und da er nicht zu gleicher Zeit den Erebus und den Eisberg vermeiden konnte, so war ein Zusammenstoss unvermeidlich. Wir legten sogleich alle Segel back, um die Heftigkeit des Stosses zu vermindern, aber der Stoss war so gewaltig, dass fast Niemand auf den Beinen blieb; unser Bugspriet, Fockstenge und andere kleinere Spieren stürzten herab; und die beiden Schiffe, die sich mit dem Tauwerk in einander verwickelt hatten und beständig mit fürchterlicher Gewalt aneinander stiessen, trieben auf die senkrechte Wand des hohen Eisberges auf unserm Lee zu, gegen den die Wogen fast bis zu seinem Gipfel in Schaum zerschellend anstürmten. Manchmal wurde der Terror über uns emporgehoben, so dass wir fast seinen Kiel sahen, und rollte dann wieder in die Tiefe, wie wir auf einer Welle emporstiegen und ihn unter uns zu begraben drohten, während das Krachen des Oberwerks und der Boote das Schreckliche der Scene noch vermehrte. Zum Glück schoben die Schiffe sich allmälig an einander vorbei und trennten sich, ehe wir in die schäumende Brandung getrieben wurden, und wir hatten die Freude unseren Gefährten von dem Eisberge abkommen und ausser Gefahr zu sehen. Uns liess er jedoch in der schlimmsten Lage zurück; die Trümmer der Spieren lagen noch auf den untern Raaen, so dass wir kein Segel beisetzen konnten um vorwärts zu kommen; auch hatten wir keinen Platz zum Wenden, da wir dem Eisberg jetzt so nahe waren, dass die dagegen anstürmenden Wellen den Schaum bis auf unser Verdeck zurückwarfen. Der einzige Weg, aus dieser grausenerregenden Lage zu kommen, war das gefährliche Experiment eines Sternbords, das bei einem solchen Sturm in so hochgehender See nur die Gefahr, jeden Augenblick in Stücke zerschmettert zu werden, rechtfertigen konnte. Das heftige Schlingern des Schiffes und der Umstand, dass die Masten, so oft die untern Raaen an die sich hoch über uns emporthürmende Eiswand anstiessen, brechen konnten, machten das Losbinden des grossen Segels zu einer sehr gefährlichen Sache; aber der Befehl war kaum ertheilt, so zeigte sich die Verwegenheit des britischen Matrosen. Die Leute eilten mit der gewöhnlichen Bereitwilligkeit hinauf, und obgleich sie zu wiederholten Malen wieder von der Raa weichen mussten, hatten sie doch bald das grosse Segel losgemacht. Mitten im Getöse des Sturmes und des Meeres war es schwer die gegebenen Befehle zu hören und auszuführen, und es dauerte drei Viertelstunden ehe die Raaen beigebrasst und die grossen Halsen scharf angeholt waren – ein Manöver, das bei solchem Wetter vielleicht noch nie versucht worden war; es hatte jedoch den gewünschten Erfolg: das Schiff gewann Rücklauf, tauchte mit dem Spiegel tief in das Meer, die untern Raanocken streiften an die rauhe Wand des Eisberges, und in wenigen Minuten hatten wir sein westliches Ende erreicht; nur der »Unterzug« oder die Reaction des Wassers von seinen senkrechten Klippen rettete uns vor dem fast gewissen Loose, an ihm in Atome zerschmettert zu werden. Kaum hatten wir uns von ihm frei gemacht, so bemerkten wir schon einen zweiten gerade hinter unserm Spiegel, auf welchen wir losfuhren; jetzt galt es das Schiff wieder zu wenden und in den Canal zwischen den beiden Eisbergen zu lenken, der höchstens dreimal so breit als das Fahrzeug war. Dies wurde jedoch glücklich vollbracht; wenige Minuten, nachdem wir das Schiff vor den Wind gebracht hatten, schoss es durch den engen Canal zwischen zwei senkrechten Eiswänden und durch die tosende Brandung, und im nächsten Augenblick befanden wir uns in ruhigem Wasser unter dem Winde des Walles.

Gleich darauf erblickten wir das Laternensignal des Terror und beantworteten es; er hatte beigelegt um uns zu erwarten, und die angstvolle Spannung seiner Bemannung kann nicht geringer gewesen sein als die unsre, denn die Nothwendigkeit des raschen und energischen Handelns, um den schnellwechselnden Anforderungen unsrer Lage zu entsprechen, hatte uns keine Zeit gelassen über die uns drohende Gefahr nachzudenken.

Wir drehten auf der Leeseite des Eisberges bei, der uns jetzt einen unschätzbaren Schutz gegen den immer noch über und um uns wüthenden Sturm gewährte, und fingen an das Wrack der gebrochenen Spieren wegzuräumen, während ein Theil der Mannschaft beschäftigt war, andere zum Ersatz der verlorenen zurecht zu machen.

Mit Anbruch des Tages hatten wir die Freude zu erfahren, dass der Terror nur zwei oder drei kleine Spieren verloren, sonst aber keinen ernstlichen Schaden erlitten hatte; das Signal »Alles wohl,« welches wir während der Nacht aufsetzten und wehen liessen, bis sie es beantworteten, diente dazu, ihre Gemüther so bald als thunlich von jeder Sorge über unser Schicksal zu befreien.

Windwärts von uns liess sich eine Gruppe Eisberge so weit als das Auge sehen konnte verfolgen; sie schien mit Ausnahme der kleinen Oeffnung, durch die wir entschlüpft waren, eine ununterbrochene Kette zu bilden; es ist daher nicht ganz unwahrscheinlich, dass der Zusammenstoss mit dem Terror uns gerettet hat, indem wir dadurch gezwungen wurden, den einzigen fahrbaren Canal zu benutzen, anstatt nach Osten weiter vorzudringen und in ein Labyrinth von Eisbergen zu gerathen, in denen wir unrettbar verloren gewesen wären.

Während unser Schiff in dem Schaum und den Wellen auf der Leeseite des Berges sich unruhig rollend bewegte, zeigte sich ein schönes Phänomen, das als ein Beitrag zur Erklärung der Ursachen des Polarlichts bemerkenswerth ist. Die Seltenheit dieser Lufterscheinung während der heurigen Jahreszeit hatte uns sehr befremdet; und deshalb war es uns um so merkwürdiger, ihr schimmerndes Licht zu beobachten, wie es über dem Gipfel der Eisklippen eine Reihe senkrechter Strahlen bildete und sich allen Unregelmässigkeiten in dem Umriss derselben anschmiegte, als ob zwischen der Erscheinung dieses Lichtes und dem feuchten Dunst, der aus den am Eisberge brandenden Wellen emporsteigt, einige Verbindung bestände und es durch eine elektrische Thätigkeit zwischen diesem Dunste und der den Eisberg umgebenden kälteren Atmosphäre erzeugt würde.

Am folgenden Tage um 8 Uhr früh segelten wir unter dichtgerefften Mars- und Focksegeln vor dem Winde weiter, der immer noch mit grosser Heftigkeit aus Westen blies. Wenn ich während der Stunde grösster Gefahr Gelegenheit hatte, den kaltblütigen Muth unserer Offiziere und Matrosen zu bewundern, so fand ich jetzt nicht weniger Ursache, den Fleiss und den Eifer zu loben, mit welchem sie an die Ausbesserung der erlittenen Schäden gingen; aber obgleich uns die Umstände zwangen, fast den ganzen Sonntag über zu arbeiten, so versäumten wir doch nicht, Vormittags in Gemeinschaft Gott unsern Dank für seinen Schutz und seine Leitung in den erlittenen Gefahren auszusprechen.

Ein Theil der Mannschaft besserte das Tauwerk aus, während die Zimmerleute ein neues Bugspriet verfertigten und eine andere Abtheilung mit der Ausräumung des vordern Raumes beschäftigt war, um zu dem Leck zu gelangen, den wir in der Gegend des Steuerbordbugs vermutheten, wo uns der erste Stoss traf und wo alles Oberwerk und der Krahnbalken in gleicher Fläche mit dem Deck weggerissen war. Wir fanden den Buganker etwa 3 Fuss unter der Wasserlinie hängen, die Schaufeln 7 oder 8 Zoll in den Rumpf getrieben und dort ohne weitere Befestigung schwebend. Dadurch erklärten wir uns den Leck, der zwar von keinem grossen Belang war, aber uns doch grosse Sorge gemacht hatte, ehe wir die Grösse des verursachten Schadens kannten.

Mittags befanden wir uns unter 60° südl. Br. und 143° 48' westl. L.; der Wind wehte immer noch sehr stark aus Westen, nahm aber Nachmittags, wie er nach Norden umlief, allmälig ab. Die hochgehende See war uns sehr beschwerlich; demungeachtet waren wir in Stand gesetzt, das neue Bugspriet fertig zu machen, einzusetzen und mit allem seinem Tauwerk noch vor Einbruch der Nacht zu befestigen. Wir waren an mehreren Eisbergen vorübergekommen; dies, so wie unser letzter Unfall veranlasste uns, während der ersten Stunden der Dunkelheit mit grösserer Vorsicht unsern Weg zu verfolgen, und als wir gegen Mitternacht auf mehrere Eisberge und zahlreiche Eistrümmer stiessen, legten wir bis Tagesanbruch bei.

Vor frischem Westwinde fuhren wir um 5 Uhr früh weiter und konnten ausser unseren gestrigen Segeln noch das untere Backbordleesegel beisetzen. Wir kamen im Laufe des Tages an vielen Eisbergen vorbei; aber Mittags drehte sich der Wind nach Süden und brachte uns klares Wetter, so dass wir die Nacht hindurch, wo wir nur 3 oder 4 Eisberge erblickten, ohne Gefahr gerade vor dem Winde segeln konnten.

Nachdem unsere Ausbesserungen ganz vollendet waren, fuhren wir den 15. März mit Tagesanbruch unter allen Segeln weiter und steuerten geradenwegs nach der vermeintlichen Stelle des Focus grösster magnetischer Intensität, welchen aufzusuchen ich noch nicht aufgegeben hatte. Wegen der Notwendigkeit, während der letzten zwei oder drei Tage das Schiff gerade vor dem Winde zu halten, waren wir 60 Meilen in nördlicher Richtung darüber hinaus gekommen, sahen uns aber jetzt in Stand gesetzt, den Parallel des 60. Breitengrades wieder zu gewinnen.

Von hellen Nächten begünstigt verfolgten wir unsern Weg mit mässiger Schnelle und setzten, so lange es Tag war, alle Segel bei, welche die Schiffe tragen konnten; denn da wir noch 2 – 3000 Meilen von den Falklandsinseln entfernt waren, sahen wir uns genöthigt, lieber etwas zu wagen, als unsere Reise durch Beidrehen während der langen Nächte zu verzögern.

Den 18. mit Tagesanbruch hatten wir die gewünschte Stelle unter 60° südl. Br. und 125° westl. L. erreicht; und obgleich ein frischer Westwind wehte und der Sturm des gestrigen Tages eine so hohlgehende See zurückgelassen hatte, dass unser Schiff auf das Heftigste rollte und stampfte, so erlangten wir doch zahlreiche magnetische Beobachtungen, die zwar nicht so übereinstimmend, wie sie unter günstigern Umständen hätten sein können, aber doch vollkommen genügend waren; und wenn sie auch nicht die Theorie, welche uns auf diese Stelle geführt, bestätigt haben, so werden sie doch, mit andern zusammengestellt, Physiker in Stand setzen zu bestimmen, ob es in den antarktischen Regionen wie in der nördlichen Hemisphäre zwei Foci grösster magnetischer Intensität giebt, oder nur einen und zwar nicht weit von dem südlichen magnetischen Pole, was ich für das Richtige zu halten geneigt bin. Die Mittel, diese wichtige Frage aufzuklären, sind aber jetzt reichlich vorhanden und ihre Beantwortung wird eines der interessantesten Ergebnisse unserer Beobachtungen sein.

Jetzt hielt uns nichts mehr ab, geradenwegs um das Cap Horn nach den Falklandsinseln zu fahren, wo ich zu überwintern und unsere Schiffe gründlich auszubessern gedachte, um mit dem Beginn der guten Jahreszeit einen dritten Versuch zu machen, unsere magnetischen Beobachtungen in eine höhere südliche Breite zu verfolgen.

Von heftigen Westwinden getrieben, segelten wir meistens 120 bis 160 Meilen täglich, so oft die hellen Nächte uns gestatteten vor dem Winde zu fahren, obgleich uns der Buganker, den wir nicht losbringen konnten, sehr hinderte. Endlich spülte ihn jedoch eine schwere Sturzsee, welche das Schiff am 18. während eines Sturmes traf, hinweg, nachdem wir ihn in dieser merkwürdigen Lage über 500 Meilen weit getragen hatten. Die Schaufeln brachen ab und blieben in dem Rumpfe des Schiffes stecken.

Am 19. und 20. hatten wir heftigen Sturm von 40stündiger Dauer, der uns zwang, mit dichtgerefften grossen Marssegeln beizulegen, da wir uns mitten unter zahlreichen Eisbergen befanden; die sehr hochgehende See stellte die Takelage unsrer neuen Spieren auf eine harte Probe und liess uns die Nacht in grosser Besorgniss verleben.

Mit Tagesanbruch segelten wir vor dem Sturme weiter und trotz der hochgehenden See kam selten eine Welle über Bord; denn obgleich unsere Schiffe wegen ihrer Bauart langsame Segler waren, so hatten sie doch den Vorzug beim Beilegen und Lenssen vortreffliche Seeboote zu sein. Mittags war unsere Breite 59° 21' südlich, unsere Länge 114° 57' westlich. Indem wir uns mehr nach Norden wendeten, hätten wir aus der Region der Eisberge herauskommen können; aber wir zogen vor uns so weit südlich zu halten, als es die Vorsicht erlaubte, theils um unsern Weg zu verkürzen, theils um magnetische Beobachtungen anzustellen.

Bald nach Mittag legte sich der Sturm und wir erfreuten uns eines schönen Abends. Bei dem schwachen Lichte des Mondes in der ersten Hälfte der Nacht und dem hellen Sternenschein nach Mitternacht konnten wir unsern Weg fortsetzen.

Um 2 Uhr früh fuhren wir dicht an einem kleinen Eisberg vorbei, den der weisse Schaum der darüber brandenden See von dem dunkeln Horizonte deutlich abhob.

Mittags befanden wir uns unter 59° 9' südl. Breite und 111° 18' westl. Länge; die Inclination der Magnetnadel war 71° 41' südlich und die Declination 20° 52' östlich. Die Temperatur des Meeres, die seit einigen Tagen wärmer als die der Luft war, stieg auf 41,5, während die Luft 38 Grad zeigte. Der Meer war von klarer hellblauer Farbe. – Der russfarbige Albatros, der einzige Vogel, den wir neuerdings gesehen, erschien in grossen Schaaren.

Wir hatten einen schönen hellen Abend, sahen uns aber immer noch vergebens nach der Aurora australis um. Voriges Jahr, zu derselben Jahreszeit, fast unter derselben Breite und gegen 100 Längengrade weiter westlich, erblickten wir sie fast jede Nacht in grösstem Glanze, woraus sich vielleicht schliessen liesse, dass ihr Vorkommen zum Theil von Localursachen abhängt, die in diesem Theile des Südpolarmeeres nicht vorhanden sind.

Unter 58° 36' südl. Breite und 104° 14' westl. Länge legten wir den 23. März Nachmittags um l½ Uhr bei und versuchten ohne Erfolg mit 600 Faden Grund zu finden. Die Temperatur in dieser Tiefe war 40°; in 450 Faden 40°,5; in 300 Faden 40°,8; in 150 Faden 40°,7; in 100 Faden 40°,8; in 50 Faden 40°,8; an der Oberfläche 41 Grad; die der Luft war 32 Grad. Die specifische Schwere war bei einer Temperatur von 43°,5 überall 1,0277. Diese Experimente zeigen, dass wir in der Nähe der Linie gleichförmiger Temperatur waren, die hier ungefähr einen Grad höher als in den andern Theilen des Oceans zu sein scheint und auch etwas weiter nach Süden liegt.

Wir erblickten mehrere schwarzrückige Albatros und einige kleine und blaue Sturmvögel, so wie auch zwei Pinguine, obgleich wir mehr als 1000 Meilen von dem nächsten Lande entfernt waren.

Begünstigt von westlichen Winden und schönem Wetter legten wir während der nächsten Tage ohne weitere bemerkenswerthe Vorfälle eine gute Strecke Weges zurück und befanden uns Mittags den 27. unter 59° 2' südl. Breite und 87° 21' westl. Länge. Die Inclination hatte sich auf 67° 30' südlich vermindert, und die Declination war 26° 28' östlich; vom Cap Horn waren wir noch etwas mehr als 600 Meilen entfernt. Diesen Morgen hatten wir ein heftiges Hagelwetter und einige der fallenden Stücke hatten fast 2 Zoll im Umkreis. Die Skuamöve, der ächte und der grosse Sturmvogel, ein Paar russfarbige Albatros und ein grosser Zug Butzköpfe zeigten sich an diesem Tage.

Da wir den nächsten Tag schönes Wetter und ruhiges Wasser hatten, machten wir wieder einige Experimente über die Temperatur des Meeres, da die am 23. angestellten ein anderes Resultat, als wir erwartet und in andern Theilen des Südmeeres gefunden, ergeben hatten. Die zu dem Experiment verwendeten Thermometer wurden wieder mit dem Normalthermometer verglichen, und da die Temperatur des Meeres und der Luft fast gleich war, wurden die Beobachtungen unter fast noch günstigern Umständen als früher angestellt. Dennoch stellte sich wieder dasselbe anomale Resultat heraus; denn in 600 Faden Tiefe fanden wir 40°; in 450 Faden 40°,5; in 300 Faden 40°,8; in 150 Faden 40°,8; auf der Oberfläche 42°; die Luft hatte 40° und wir befanden uns zu dieser Zeit unter 58° 55' südl. Breite und 83° 16' westl. Länge. Wir wiederholten diese Experimente am 29. und 30. mit ganz demselben Resultate, so dass wir zu dem Schluss kommen mussten, dass die Linie der gleichen Temperatur hier einen halben Grad höher sei als in anderen Gegenden des Meeres, oder dass eine unerklärliche Veränderung mit unserm Normalthermometer vorgegangen sei, wie mich eine Vergleichung mit den andern Thermometern fast vermuthen liess.

Den 1. April hatten wir eine starke Brise aus Westen mit schönem Wetter; aber das Meer war zu unruhig, um Tiefmessungen zu gestatten, an denen mir heute viel gelegen war, da wir uns nur 72 Meilen von den Diego-Ramirez-Klippen befanden. Merkwürdigerweise liessen sich nicht die mindesten Anzeichen von der Nähe des Landes blicken; das Meer behielt seine klare blaue Farbe; Seegras war gar nicht und Vögel waren nur in geringer Anzahl zu sehen; das mochte aber eine Folge der Strömung sein, die mit einer Schnelligkeit von 12 bis 16 Meilen täglich nach Osten lief. Sie musste alles von den Felsen gerissene Seegras mit sich fortnehmen und dadurch die Seevögel nachziehen, welche ihre Nahrung in den Muscheln und andern Seethieren finden, die in dem Seegrase Schutz suchen.

Um 8 Uhr Abends fuhren wir in einer Entfernung von 22 Meilen südlich an den Diego-Ramirez-Klippen vorbei; um Mitternacht legten wir bei und versuchten ohne Erfolg mit 200 Faden Grund zu finden. In der Hoffnung, bei Tagesanbruch das Cap Horn zu erblicken, wendeten wir Nord bei Ost, sahen aber durch ein Umlaufen des Windes nach Nordnordost unsern Plan vereitelt und uns gezwungen, eine südöstliche Richtung einzuschlagen, da das schnellfallende Barometer und das trübe Aussehen des Himmels einen Sturm ankündigte, der sich auch vor Mittag einstellte.

Als er an Stärke zunahm, refften wir die Marssegel ein und wollten ebendasselbe mit den grossen Segeln thun, als James Augely, der Quartiermeister, von der grossen Raa über Bord fiel. Die Rettungsboje wurde ihm sogleich nachgeworfen und er erreichte sie ohne grosse Anstrengung, so dass wir ihn für gerettet hielten. Obgleich die See viel zu hoch ging, um das Aussetzen eines Bootes zu gestatten, so standen doch Mr. Oakley und Mr. Abernethy mit ihrer gewohnten Kühnheit und Menschlichkeit bereits in einem der Kutter, um einen Versuch zur Rettung des Unglücklichen zu wagen. Ich musste ihnen befehlen, das Boot zu verlassen, denn die Wogen brachen sich mit solcher Gewalt über dem Schiffe, dass sie den Kutter jedenfalls augenblicklich angefüllt hätten, während wir durch einen kurzen Schlag windwärts von der Boje kommen und ihn ohne Schwierigkeit aus dem Wasser ziehen konnten. Wir setzten daher alle Segel auf und fuhren auf ihn zu; aber als wir noch einige hundert Schritte von ihm entfernt waren, sprang der Wind um und nöthigte uns leewärts vorbei zu fahren, aber so nahe, dass wir sicher sein konnten, mit dem nächsten Schlage unsern Zweck zu erreichen. Er sass fest auf der Boje, die Arme um die Stange geschlungen, hatte sich aber nicht mit dem zu diesem Zweck vorhandenen Taue festgebunden, wahrscheinlich weil er vom Fall betäubt war. In einer Viertelstunde fuhren wir wieder auf ihn zu und sahen die Boje gerade vor unserm Leebug; aber zu unserm unaussprechlichen Schmerz war unser unglücklicher Kamerad verschwunden. Wir kamen so dicht an die Boje heran, dass wir sie mit den Bootshacken fassen konnten, und hätte er nur noch 4 oder 5 Minuten ausgehalten, so wäre sein Leben gerettet gewesen; aber Gott wollte es anders. Dieser traurige Vorfall verursachte allen Kameraden des Verstorbenen, von denen er sehr geachtet wurde, grossen Kummer.

Abends legte sich der Sturm etwas, und da er allmälig nach Südwesten umlief, konnten wir während der Nacht unsern Curs nach Nordosten fortsetzen. Am nächsten Morgen bemerkten wir, ostwärts von den Diego-Ramirez-Klippen und andern Eilanden angekommen, zahlreiche Massen Seegras und viele Seevögel; ausser den gewöhnlichen bemerkten wir eine Chionis, die verschieden von der auf der Kergueleninsel gefundenen und daher wahrscheinlich eine neue Art war.

Mittags den 3. April befanden wir uns nach unsern Beobachtungen unter 56° 41' südl. Breite und 65° 9' westl. Länge. In den zwei Tagen, wo wir das Cap Horn umschifft hatten, waren wir also von einer Strömung 30 Meilen nach Nordosten getrieben worden.

Um 5 Uhr Nachmittags sahen wir eine Brigg mit dichtgerefften Marssegeln nach Süden steuern. Ihre Erscheinung erregte unter uns nicht geringe Verwunderung, da sie das erste Schiff war, welches wir seit unsrer Abreise von Neuseeland vor mehr als 4 Monaten gesehen hatten. Es war zu stürmisch, um sie anzusprechen, aber wir hielten näher an den Wind, um dicht an ihr vorbei zu kommen, und zeigten ein Licht, worauf sie antwortete.

Um 8 Uhr Abends, den 4. April, unter 53° 59' südl. Breite und 60° 47' westl. Länge, warfen wir einige Flaschen über Bord, jede mit der schriftlichen Bitte an den Finder, das eingeschlossene Papier mit Bezeichnung des Ortes und Datums zur Bestimmung der Richtung der Strömung in der Nähe des Caps Horn an den Secretair der Admiralität zu befördern. Ich pflegte auf der Reise zuweilen auf derselben Stelle mehrere, aber in verschiedenen Graden beschwerte Flaschen auszuwerfen. Diejenigen, welche wegen ihres grössern Gewichts am tiefsten schwammen, wurden natürlich mehr von der Strömung als von den vorherrschenden Winden fortbewegt; die leichtesten und an der Oberfläche schwimmenden folgten dagegen mehr der Richtung des Windes als der Strömung, während die von mittlerer Schwere die gemeinsame Wirkung beider nachwiesen. Die Gegend des Caps Horn erschien mir als eine zur Anstellung solcher Experimente geeignete Stelle, und ich erwähne die Sache hauptsächlich deswegen hier, weil eine der Flaschen am Cap Liptrap, nicht weit von Port Philipp in Australien, gegen Mitte Septbr. 1845 gefunden worden ist.

Um 5 Uhr am nächsten Morgen erblickten wir nordnordöstlich vor uns die Beauchène-Insel und segelten, da das Wetter schön war, dicht daran vorbei. Selbst dieser kahle Fels war für uns, die wir seit 136 Tagen kein Land gesehen hatten, ein Gegenstand von Interesse.

Mittags wurden vom grossen Mast die Seelöwen-Inseln mit dem langen Felsenriff auf ihrer östlichen Seite sichtbar. Im Laufe des Nachmittags legte sich der Wind, und vor Mitternacht war vollkommene Windstille. Die Tiefe des Meeres wechselte sehr unregelmässig von 35 bis 60 Faden mit einem Grund von grobem Sand und Muscheln. Um 5 Uhr früh erhob sich ein Ostwind, gegen welchen wir mehrere Stunden lang laviren mussten, ehe wir Cap Pembroke, die äusserste Spitze der Ostfalklands-Inseln, umschiffen konnten. Um 2 Uhr Nachmittags erreichten wir die Robbenklippen auf der Höhe dieses Caps und steuerten auf Port Louis zu. Um diese Zeit stellte sich mit einem frischen Nordost ein so starker Nebel ein, dass wir nicht weiter als eine Viertelmeile sehen konnten; aber geleitet von Capitain Fitzroy's vortrefflicher Karte fuhren wir ohne Zögern im Berkeleysund ein und fanden auch glücklich die schmale Einfahrt von Port Louis, wo wir um 5 Uhr Abends vor Anker gingen, der Niederlassung fast gerade gegenüber, aber ohne einen der Einwohner wegen des dichten Nebels zu Gesicht zu bekommen.

Mr. Hallet, der Purser, begab sich ans Land, um frisches Fleisch und Gemüse zu besorgen, womit er in weniger als einer Stunde zurückkehrte; und obgleich es uns allen sehr verdriesslich war, dass unsere Briefe aus England noch nicht angekommen waren, so erfuhren wir dagegen zu unsrer grossen Freude, dass Commandeur Crozier, Lieutenant Bird, Steuermann Smith und Mr. Mowbray, provisorischer Purser des Terror, an dem Tage, wo mein erster Reisebericht der Admiralität zugekommen war, befördert worden waren – ein Ereigniss, das bei allen ihren Kameraden, von denen sie verdientermaassen sehr geachtet wurden, grosse Freude verursachte.

Da ich die Dienste dieser Offiziere nicht entbehren konnte, ernannte ich Commandeur Bird zum zweiten Commandeur des Erebus und Lieutenant Smith trat in die so entstehende Vacanz ein; Mr. Mowbray aber wurde Purser auf dem Terror. Diese Ernennungen wurden später sämmtlich von der Admiralität bestätigt.


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