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Siebentes Capitel.


Abfahrt von der Campbell-Insel. – Sommers Anfang. – Weihnachtsabend. – Erster Eisberg. – Wallfische. – Grosse Meerestiefen. – Wir passiren den südlichen Polarkreis. – Neujahrstag. – Wir erblicken das Packeis. – Täuschende Erscheinung von Land. – Fahrt durch das Packeis. – Pinguine. – Temperatur des Meeres. – Beobachtungen auf dem Eise. – Wir erreichen wieder freies Wasser. – Wir entdecken Land. – Cap Adare. – Das Admiralitätsgebirge. – Sabineberg. – Cap Barrow. – Bellinghausen. – Landung auf der Possessionsinsel. – Sturm aus Süden. – Grosser Ueberfluss an Wallfischen. – Berg Herschel. – Berg Lloyd. – Inselkette. – Tiefmessungen. – Häfen. – Stürmisches Wetter. – Coulman-Insel. – Unregelmässigkeiten der Meerestiefe. – Corallen. – Cap Wheatstone. – Strömung. – Berg Melbourne. – Festes Eis.


Mit einer mässigen Brise aus Westen lichteten wir um 9 Uhr früh die Anker und segelten aus dem Hafen. Sobald wir das Land hinter uns hatten, richteten wir unsern Lauf südwärts; und da der Wind sich bald zu einer starken Kühlte mit dickem Wetter und Regen verstärkte, so verloren wir die Campbell-Insel gegen Mittag aus dem Gesicht.

Die fünfzehn Monate, die seit unsrer Abreise aus England verstrichen waren, hatten in keiner Weise unsern Eifer für die Südpolarreise vermindert; jetzt, wo wir endlich die Arbeiten, von denen wir alle die merkwürdigsten und wichtigsten Ergebnisse für unsere Reise hoffen durften, zu beginnen im Begriff standen, leuchtete jedes Antlitz von Freude und Befriedigung; und obgleich ich nicht ohne grosse Sorge in die Zukunft blicken konnte, so wurde doch auch diese sehr vermindert durch die Gewissheit, dass wir die besten menschlichen Mittel zur Erreichung unserer Zwecke besassen. Unsere Schiffe waren in jeder Hinsicht tüchtig versehen mit Lebensmitteln für drei Jahre und Vorräthen der besten Art und bemannt mit Offizieren und Matrosen, denen ich die grösste Ausdauer in allen Beschwerden und Gefahren unbedingt zutrauen durfte.

Am 18. December wehte ein starker Sturm aus Südwesten, so dass wir unsern geraden Weg nicht länger verfolgen konnten. Um Mittag befanden wir uns unter 54° 22' südl. Breite und 169° 12' östl. Länge, und wir hatten eine Strecke von 100 Meilen südwärts zurückgelegt. Um Mitternacht beobachteten wir einen hellen Schein in den Wolken, zwischen Südosten und Süden, ähnlich dem verschwimmenden Schimmer des Südpolarlichts, in einer Höhe von 12 Grad.

Das stürmische Wetter dauerte während des 19. und 20. fort und wir hatten keine Gelegenheit Sondirungen anzustellen; am 21. hatten wir das Unglück, zwei unserer selbstregistrirenden Thermometer durch Reissen der Schnur zu verlieren. Commandeur Crozier fand bei 230 Faden unter der Oberfläche eine Temperatur von 39°,5, auf der Oberfläche selbst 42°. Dies war unter 57° 52' südl. Breite und 170° 30' östl. Länge.

Obgleich der heutige Tag der Anfang des Sommers der südlichen Regionen war und wir uns noch unter keiner hohen Breite befanden, stieg dennoch die Temperatur der Luft zu keiner Zeit des Tages über 40°, nachdem sie, je weiter wir südlich kamen, sehr allmälig gesunken war. Die kleinere Art des Sturmvogels wurde viel zahlreicher; verschiedene Flecken Seegras wurden gesehen und wir erwarteten beständig Land zu erblicken, von dessen Nähe dieses Seegras und die vielen Pinguine, welche wir sahen, Anzeichen waren.

Am nächsten Tage trat Nachmittags fast völlige Windstille ein und wir stellten einige sehr interessante Experimente über die Temperatur des Meeres an. Wir fanden auf der Oberfläche 37°, in 150 Faden Tiefe 38°,5, in 300 Faden 39°,5, in 450 Faden 39°,7, in 600 Faden 39°,7, ein Beweis, dass wir seit gestern den Punkt der gleichförmigen Temperatur des Oceans in seiner ganzen Tiefe passirt hatten und dass die Wirkung der Ausstrahlung seiner Wärme von der Oberfläche sich bis zu einer Tiefe von 300 Faden erstreckt. Unsere Breite war 59º südlich, unsere Länge 171° östlich.

Schnee und Graupeln kamen in Begleitung eines mässigen Südostwindes und brachten die Temperatur des Meeres bis auf 32° herab. Der zierliche kleine blaue Sturmvogel flog in grossen Heerden in südlicher Richtung an uns vorüber. Der Albatros und kleinere Sturmvögel umschwebten uns in beträchtlicher Menge; auch erblickten wir einige Schnabelfische.

Während der drei letzten Tage hatten wir die Wirkung einer Strömung gefühlt, die uns täglich zwischen 10 und 11 Meilen nordwärts trieb.

Am Weihnachtstag hatten wir einen heftigen Sturm, was uns aber nicht hinderte, diesen Tag wie gewöhnlich festlich zu begehen. Beständiger Schnee und Regen, die gewöhnlichen Begleiter des Nordwindes, und die Furcht auf Eis zu stossen, so wie die Möglichkeit, an noch unentdecktem Land vorbeizufahren, verhinderten mich, bei so ungünstigem Wetter weiter, zu segeln. Wir legten daher unter dichtgerefften Marssegeln bei und setzten erst am 26. Decbr. um zwei Uhr Nachmittags unsern Weg nach Süden wieder fort.

Am Nachmittag des 27sten sahen wir viele Wallfische und um 4 Uhr Nachmittags unter 63º südl. Breite und 174° 30' östl. Länge fanden wir mit 600 Faden noch keinen Grund. Die Temperatur auf der Oberfläche war 30°; in 150 Faden Tiefe 35°,5; in 300 Faden 38°,2; und in 600 Faden 39°,7, wo also die Thermometer die mittlere Temperatur des Meeres erreicht hatten.

Um 7 Uhr 20 Minuten Nachmittags erblickten wir den ersten Eisberg unter 63° 20' südl. Breite; kurz darauf kamen noch mehrere zu Gesicht und vor 8 Uhr konnten wir vom Verdeck aus fünfzehn zählen. Ganz anders als die Eisberge des Nordpolarmeeres zeigten sie sehr geringe Verschiedenheit in der Gestalt, sondern waren meistens gross und dem Anschein nach sehr fest, von allen Seiten senkrecht abstürzend, während die tafelförmige Spitze 120 –180 Fuss hoch war und einige mehr als 2 Meilen im Umkreis hatten. Als wir durch diese Kette von Eisbergen hindurchfuhren, sahen wir, dass sich beständig grosse Stücke von ihnen ablösten, ein Beweis ihres schnellen Schmelzens in so hoher Breite, und lange Streifen von schweren Eisstücken auf ihrer Leeseite bildeten.

Zwischen zahlreichen Eisbergen und vielem Treibeis setzten wir unsere Reise nach Süden fort. Wir erblickten sehr viele Wallfische, meistens den gewöhnlichen schwarzen, der dem grönländischen sehr ähnlich sieht, aber von ihm verschieden sein soll; auch Pottfische liessen sich sehen. Von den gewöhnlichen schwarzen Wallfischen hätten wir so viel fangen können als wir wollten; sie waren meistens ungewöhnlich gross und würden gewiss sehr viel Thran geben; sie waren übrigens so wenig scheu, dass unsere dicht vorbeisegelnden Schiffe sie nicht zu stören schienen. Während einer kurzen Windstille Nachmittags fingen wir viele wirbellose Seethiere und darunter die Clio borealis und die schöne kleine Argonauta arctica, von denen sich jedenfalls hier wie in der nördlichen Breite die Wallfische nähren.

Ein leichter Südwind war von fast beständigen Schneewehen und dickem Wetter begleitet, so dass wir während der Nacht Segel einziehen und dicht beim Winde bleiben mussten, denn wir befanden uns inmitten zahlreicher Eisberge, die wir erst sahen, wenn wir fast daran stiessen; ausserdem ging zwischen den Eisbergen die See sehr hoch, was unsere Lage sehr gefährlich machte. Das tosende Branden der Wellen gegen ihre steilen Ufer war gewöhnlich das erste Anzeichen, das wir von ihrer Nähe erhielten.

Am nächsten Morgen um 7 Uhr wendeten wir uns wieder südlich, da der Wind sich nach Westen gedreht und günstigeres Wetter gebracht hatte. Die Berge und losen Eisstücke wurden allmälig minder häufig, so dass wir an diesem Tage selten mehr als zehn oder zwölf auf ein Mal erblickten und meistens nicht einmal so viel.

Bald darauf kreuzten wir den Weg des russischen Seefahrers Bellinghausen in 64° 38' südl. Breite und 173° 10' östl. Länge; und da um 2 Uhr Nachmittags Windstille eintrat, gab uns dies gute Gelegenheit, neue Tiefmessungen des Meeres anzustellen. Wir hatten eine Leine von 5000 Faden zurecht gemacht, aber nur 1560 Faden waren von der Rolle gelaufen, als das Blei auf den Grund traf. Die Temperatur auf der Oberfläche war 31°; in 150 Faden Tiefe 35°,2; in 300 Faden 37°,2; in 400 Faden 38°,8; und in 600 Faden 39°,8. Ich bedauerte, dass die zur Aushaltung grossen Druckes in der Tiefe construirten Thermometer, welche ich in England bestellt hatte, nicht vor unserer Abfahrt von Hobarttown angekommen waren. Die specifische Schwere des Wassers an der Oberfläche und desjenigen aus 600 Faden blieb sich vollkommen gleich, nämlich 1.0272 in beiden Fällen bei einer Temperatur von 32°.

Die Strömung ging mit einer Schnelligkeit von 8 Meilen des Tages nach Ostsüdost.

Um 6 Uhr Nachmittags bekamen wir eine schöne Brise aus Osten und wir fuhren die ganze Nacht mit allen Segeln, wobei wir an sehr vielen Eisbergen und vielen Eisschollen in langen schmalen Streifen vorbeikamen, wie wir weiter nach Süden vorrückten. Gegen Abend erblickten wir einen schönen weissen Sturmvogel, ein sicheres Anzeichen der Nähe eines grossen Eisfeldes, obgleich wir damals noch nicht wussten, dass diese Vögel nie weit von der Hauptmasse des Packeises wegfliegen.

Am Mittag des 31sten befanden wir uns unter 66° südl. Breite und 171° 50' östl. Länge. Das Wetter war sehr klar und ein heller Schein am Himmel verrieth uns die Lage des Packeises. Die Streifen von Schollen wurden sehr zahlreich, aber Eisberge waren den Tag über wenige zu erblicken. Um 9 Uhr Abends erblickte man von der Mastspitze einen Streifen Eis, der sich von Ost bei Süd nach Süd bei Ost erstreckte und sich als der Saum des Packeises auswies; da aber kurz darauf eine vollkommene Windstille eintrat, konnten wir uns ihm erst um 8 Uhr am nächsten Morgen nähern, wo ein leichter Nordwind mit dickem Wetter und Schnee entstand. Wir steuerten südlich und kamen an grossen Massen Treibeis vorbei; um 10 Uhr passirten wir den Südpolarkreis und erreichten den Saum der Hauptmasse des Packeises, von dem wir jedoch jetzt wegen des dicken Nebels nur eine kleine Strecke übersehen konnten; nachdem wir daher eine Weile an dem Rande hingesegelt waren, mussten wir uns wieder nordwärts wenden, um bei hochgehender See und zu schwachem Winde nicht unter die Schollen zu gerathen.

Da heute Neujahrstag war, bekam das Schiffsvolk nach dem auf allen arktischen Reisen herkömmlichen Gebrauch Doppelrationen; ebenso erhielt jeder Einzelne einen vollständigen warmen Anzug geschenkt; dafür hatte die Regierung gesorgt und es war bei unserm Eintritt in die Polarregion gewiss das Beste und annehmlichste Neujahrsgeschenk, das sie bekommen konnten. Gegenseitige Glückwünsche wurden zwischen den Offizieren und der Mannschaft gewechselt, und der Tag wurde wie in England in fröhlicher Gesellschaft gefeiert. Der Aufenthalt unter zahlreichen Eisbergen und die Massen Treibeis rings um uns vermehrte das Interesse des Tages für Diejenigen, die noch nie in solchen Gegenden gewesen waren: die Andern mussten wenigstens einigermaassen die Aufregung und Freude ihrer Gefährten theilen. Wir waren allerdings in einer viel niedrigem Breite als wir erwartet hatten auf das Packeis gestossen; aber uns entmuthigte noch keineswegs das frühzeitige Erscheinen eines so ernsten Hindernisses unsrer Reise, denn das wenige, was wir sahen, zeigte noch nichts von der Undurchdringlichkeit, die wir gefürchtet hatten.

Wir erblickten mehrere Wallfische und der weisse Sturmvogel (Procellaria nivea) umflog uns in grossen Schaaren. Abends setzten wir ein Boot aus und unsere Sammlung wurde mit mehreren Exemplaren dieses schönen Vogels vermehrt; auch eine Robbe sahen wir. Während das Wetter sich eine Weile etwas aufhellte, erblickten wir deutlich das Packeis, welches sich, so weit das Auge reichte, nach Süden erstreckte. Einige grosse Wasserlöcher sahen wir hinter dem Saume, der wie gewöhnlich aus den schwersten dichtzusammengedrängten Eisstücken bestand, aber uns Hoffnung genug liess, bei günstigem Wetter hindurchzudringen. Vor der Hand war vollkommene Windstille mit hochgehender See von Norden, so dass unsere Schiffe mehrere Stunden lang fast nicht zu regieren waren.

Um 5 Uhr früh (2. Januar) bemerkten wir nicht weit von uns einen Eisberg, der ein grosses Felsstück trug und fast ganz mit Schlamm und Steinen bedeckt war. Er sah einer kleinen Insel sehr ähnlich und ich schickte Mr. Smith ab, um ihn zu untersuchen und Proben des Felsstücks mitzubringen. Das letztere war vulcanischen Ursprungs und musste viele Tons wiegen. Um 8 Uhr früh trat eine frische Brise aus Osten mit dichtem Schneegestöber ein und das Sinken des Barometers liess mich schlechtes Wetter fürchten; wir wendeten uns daher wieder nordwärts, um in freieres Wasser zu gelangen und eine günstige Gelegenheit zur Einfahrt in das Packeis zu erwarten. Es blieb den ganzen Tag über neblig, was mit dem starken Winde und der hohen See unsere Lage sehr gefährlich machte. Als wir wieder vom Packeis aus nordwärts fuhren, stieg die Temperatur des Meeres von 28° auf 30° in einer Entfernung von 7 oder 8 Meilen. Hier befanden wir uns wieder in freierem Wasser und fuhren den ganzen übrigen Tag lang unter wenigen Segeln, auf günstigeres Wetter hoffend. Im Laufe des Tages sahen wir verschiedene Wallfische, mehrere Robben und viele weisse Sturmvögel, so wie auch drei Pinguine.

Gegen Mitternacht stieg das Barometer wieder, und da auch andere Anzeichen eine Verbesserung des Wetters voraussehen liessen, wendeten wir wieder und fuhren südwärts. Wir setzten alle Segel bei und fuhren durch mehrere schmale Streifen von grossen Eisschollen, die Trümmer zerfallener Eisberge, welche während der dicken Schneeschauer, die schnell aufeinander folgten und oft von langer Dauer waren, die grösste Wachsamkeit nothwendig machten. Erst Nachmittags erblickten wir wieder den klaren blauen Himmel und die Sonne schien im vollsten Glanze; die zahlreichen seltsam gestalteten Eisberge reflectirten ihre lebhaften Strahlen in allen möglichen schönen Schattirungen und bildeten, wie unsere Schiffe sich hindurchwanden, eine Umgebung von hohem Interesse und grosser Erhabenheit.

Am Abend des 4. Januar sammelten sich schwere Wolken im Osten und Nordwesten; die in letzterer Richtung waren von besonders drohendem Aussehen, mit schroffen, zackigen Umrissen, wie die Haufenwolken der Aequatorgegenden mit glänzenden Lichtreflexen an den hervorspringenden Punkten, die sehr gegen die Schwärze der Hauptmasse abstachen. Auch die untergehende Sonne zeigte ein eigentümliches Phänomen, indem ihre Scheibe fünf dunkle horizontale Querstreifen von fast gleicher Breite zeigte und während der grössern Refraction ihres untern Randes, wie er um 11 Uhr 56 Minuten 51 Secunden den Horizont berührte, höchst unregelmässig plattgedrückt erschien; sie schwebte langsam nach Westen zu und sank fast unmerklich hinab, bis ihr oberer Rand genau 17 Minuten 30 Secunden später verschwand. Wir bemerkten auch die eigentümliche Purpurfarbe, welche der Dunst in der Nähe des Horizontes, der untergehenden Sonne gegenüber, in den arktischen Breiten beständig und zuweilen selbst bei uns zurückspiegelt.

Als wir uns dem Packeis näherten, passirten wir sehr viele Eisberge, aber nach Mitternacht bemerkten wir verhältnissmässig wenig. Der Wind wurde zu einer starken Brise aus Nordwesten und führte uns schnell gegen Süden. Um 8 Uhr Abends erblickten wir die Hauptmasse des Packeises und fuhren mehrere Meilen an seinem Rande hin, um es zu untersuchen. Von der Mastspitze schien es offen genug zu sein, um uns das Eindringen, so weit wir nach Süden sehen konnten, zu gestatten; und obgleich das ungewisse Wetter und die Richtung des Windes, der gerade auf das Eis zu wehte und uns hindern musste, wieder die offene See zu erreichen, wenn wir es wünschten, uns ungünstig waren, so beschloss ich doch einen Versuch zu machen und mit den Schiffen so tief als möglich hineinzudringen. Ich gab dem Terror das verabredete Signal und wir segelten gerade vor dem Winde und wählten die Punkte aus, die uns zum Durchbrechen des äusseren Saumes des Packeises am günstigsten zu sein schienen. Wie gewöhnlich war dieser Saum aus viel schwereren Eismassen als das übrige zusammengesetzt, wir drangen aber doch ohne ernstliche Beschädigung, wenn auch nicht ohne verschiedene heftige Stösse, hindurch.

Nach etwa einer Stunde gelangten wir in einige kleine Lachen, untereinander verbunden durch schmale Canäle, nach denen wir absichtlich gesteuert waren. Der Terror folgte dicht hinter uns und wir fanden das Eis viel leichter und weniger dicht übereinander gehäuft, als wir nach seinem Aussehen aus der Ferne geglaubt hatten. Es bestand hauptsächlich aus kleinen Eisschollen vom vorigen Winter, untermischt mit viel älterem hügligen Eis, das durch starken Druck in sehr schwere Massen zusammengedrängt war; aber es war keineswegs von so furchtbarem Charakter, als uns die Schilderungen der südlichen Eismauer, welche die americanische und die französische Expedition gefunden hatten, erwarten liessen.

Mittags befanden wir uns unter 66° 55' südl. Breite und 174° 34' östl. Länge. Von der Mastspitze war keine offene See mehr zu entdecken; blos von Eis umgeben und glücklicherweise bei klarem Himmel setzten wir unsern Weg durch das Packeis fort, indem wir die offensten Canäle wählten und die Schollen, welche uns hemmten, durchbrachen; die Strasse blieb offen genug, um uns zu gestatten, ohne Gefahr oder Schwierigkeit durch das Eis zu schiffen, obgleich wir zuweilen Stösse erhielten, die nur Schiffe von so verstärkter Bauart wie die unsrigen aushalten konnten.

Abends zeigte sich uns ein in hohem Grade täuschendes Bild von festem Land, und da es mehrere Stunden lang seine Gestalt nicht im mindesten veränderte, glaubten mehrere Offiziere, wirkliches Land zu erblicken. So täuschend ähnlich sah es einer Reihe spitzer, ganz mit Schnee bedeckter Berge und so leicht konnte es das unerfahrene Auge beirren, dass, wenn wir unsern Weg nicht hätten fortsetzen können, sie bei unserer Rückkehr nach England jedenfalls behauptet hätten, hier Land gesehen zu haben. Es war jedoch weiter nichts, als der obere Theil einer Wolke, die mit scharfen, aber unregelmässigen Umrissen die Grenze bezeichnete, bis zu der sich unter dieser Breite die atmosphärischen Dünste erheben können; unten ist der Dunst in jedem Grade der Condensation, darüber aber der klare kalte Raum, wo der Dunst nie hinaufsteigen kann. Nahe am Rande des Eises sind diese Trugbilder stets am merkwürdigsten und täuschendsten. Es war dies eine merkwürdige Lehre für mehrere unsrer Neulinge, die nicht eher überzeugt waren, es sei kein Land, bis wir über die Stelle, wo ihre Nebelberge dem Meere entsteigen sollten, hinwegfuhren.

Wir sahen viele Robben, die sich auf dem Eise sonnten, und mehrere Pinguine; diese merkwürdigen Vögel liefen dem Schiffe nach und antworteten dem Ruf der Matrosen, die ihre Stimme nachahmten; und obgleich sie nicht so schnell, wie unsere Schiffe fuhren, über das Eis klettern konnten, holten sie es doch wieder ein, sobald sie das Wasser erreichten, und in kurzer Zeit folgte uns eine ganze Heerde, die um das Schiff spielte wie eine Schaar Tümmler.

Auch den zierlichen weissen Sturmvogel sahen wir in grosser Anzahl und einen einzelnen Sturmvogel von einer andern und grössern Art als unsere europäische Procellaria pelagica.

Der Wind nahm allmälig ab, je weiter wir in das Packeis hineinkamen, und war um Mitternacht, wo wir 60 oder 70 Meilen vom Saume des Packeises entfernt waren, zu einem sanften Lüftchen geworden; es herrschte jedoch noch so viele Bewegung unter dem Eise, dass ich mit Gewissheit behaupten konnte, in der offenen See nördlich von uns sei ein starker Sturm gewesen; die Wolken zogen schnell über uns hin und zuweilen war ein dichtes Schneegestöber, aber wir hatten von Zeit zu Zeit von der Mastspitze eine freie Aussicht, so dass wir, wenn auch mit verminderten Segeln, die ganze Nacht ruhig unsere südliche Fahrt fortsetzen konnten.

Am nächsten Morgen früh (6. Januar) wurde das Eis viel dichter, was unser Vordringen ausserordentlich verzögerte; eine sehr deutliche dunkle Stelle am Himmel nach Südosten zu, ein sogenannter Wasserhimmel, liess uns hoffen, in geringer Entfernung das offene Meer erreichen zu können, und wir wendeten alle Mittel an, um die Schiffe in dieser Richtung durch das Eis zu bringen; aber in den ersten Nachmittagsstunden wurde es so dicht, dass alle unsere Anstrengungen fruchtlos blieben und wir uns genöthigt sahen, in einer kleinen Lache, die keinen Ausweg nach Süden hatte, beizulegen um das Aufgehen des Eises abzuwarten.

Wir sahen viele Pinguine von, einer andern Art als die auf der Kerguelen- und den Aucklands-Inseln gefundenen, und schickten ein Boot aus, um einige derselben zu fangen, mit denen wir unsere Sammlung vermehrten.

Abends kam der Commandeur Crozier an Bord und wir hatten die Freude zu vernehmen, dass die Mannschaft des Terror so gesund und frischen Muthes war wie wir, denn auf beiden Schiffen stand nicht ein einziges Individuum auf der Krankenliste. Von seiner Bootsmannschaft fiel einer über Bord, und obgleich er gar nicht schwimmen konnte, sank er doch nicht unter ohne selbst etwas dafür zu thun, bis ihn ein Boot erreichte und ihn rettete.

Wir sahen einige Wallfische, aber nicht in so grosser Anzahl wie am Saum des Packeises. Zu Mittag befanden wir uns unter 68° 17' südl. Breite und 175° 21' östl. Länge und fanden, dass uns während der letzten zwei Tage die Strömung 26 Meilen nach Südosten getrieben hatte; für uns ein neuer Beweis, dass in jener Richtung offenes Meer sein müsse. Das Eis blieb aber bis zum Nachmittag des folgenden Tages (7. Januar) so dicht, dass wir keinen Schritt vorwärts kamen; wir machten unterdessen Experimente über die Tiefe des Meeres, fanden aber mit 600 Faden noch keinen Grund. Die Temperatur in dieser Tiefe war 39°,8; in 450 Faden 39°,2; in 300 Faden 38°,2; in 150 Faden 37°,5; auf der Oberfläche 28°.

Spät Abends löste sich das Eis ein wenig und wir bohrten uns 7 oder 8 Meilen weiter südöstlich durch, nach dem ermuthigenden dunklen Wasserschein, den wir nicht aus den Augen verloren hatten und dem wir allem Anschein nach bedeutend näher gekommen waren.

Eine Stunde vor Mitternacht stellte sich ein dicker Nebel ein, und da das Eis viel zu dicht für uns war, mussten wir mehrere Stunden lang beilegen.

Um 4 Uhr früh begannen wir unsere Arbeit von Neuem, unterstützt von einem leichten Südwestwind, und bis Mittag, wo vollständige Windstille eintrat, war es uns gelungen, die Schiffe mehrere Meilen durch das Eis zu bringen; Unsere heutigen Beobachtungen zeigten, dass die ganze Eismasse durch die Südwinde der beiden letzten Tage 14 Meilen nördlich getrieben worden war. Ich benutzte die Windstille, um auf einem grossen Eisfeld neben dem Schiffe einige magnetische Beobachtungen anzustellen. Die Beobachtungen der Inclination und Intensität stimmten vollkommen mit den auf dem Schiff gemachten überein, ein genügender Beweis, dass die Correctionen, welche wir wegen der Einwirkung der eisernen Theile des Schiffes auf die Instrumente anwendeten, immer noch richtig waren. Wir befanden uns jetzt unter 68° 28' südl. Breite und 176° 31' östl. Länge. Die Inclination betrug 83° 36' südlich und die Declination 34° 39' östlich.

Einige Leute vom Terror tödteten eine neue Robbenart, die sich durch die gänzliche Abwesenheit von Ohren von allen andern bis jetzt bekannten unterschied; nicht die kleinste Oeffnung liess sich an der Stelle, wo diese Sinneswerkzeuge bei diesen Thieren meistens sind, entdecken; diese merkwürdige Eigentümlichkeit bestätigte sich später, als Dr. Robertson das Thier secirte.

Wie gewöhnlich in den Polarmeeren brachte die Windstille eine grosse Veränderung im Eise hervor und öffnete es nach allen Seiten. Um 8 Uhr Abends erhob sich eine nördliche Brise und wir machten einigen Fortschritt durch das Packeis, indem wir mit vollen Segeln nach dem offenen Wasser im Südosten fuhren. Beim Durchbrechen der uns hemmenden Strecken von dichterem Eis erhielten wir mehrere heftige Stösse; Nebel und Schnee hinderten uns weit zu sehen oder uns den Weg auszusuchen, während der immer stärker werdende Wind uns rasch vorwärts trieb. Am 9. Januar um 5 Uhr früh hatten wir auch wirklich unser Ziel erreicht und befanden uns wieder im offenen Meere. Der nördliche Wind wurde bald darauf zu einem so heftigen Sturme, dass wir uns auf dichtgereffte Marssegel beschränkt sahen und wegen des beständigen Schnees und dicken Nebels, nachdem wir 30 Meilen südwärts im offenen Meere gefahren waren, zu Mittag beilegen mussten.

Dies geschah unter 69° 15' südl. Breite und 176° 15' östl. Länge.

Der Wind lief allmälig nach Osten um, so dass wir, obgleich der Nebel und Schnee so dick waren, dass wir höchstens eine halbe Meile weit sehen konnten, doch etwas vorrückten; da wir aber auf keine Eisberge stiessen und nur auf einzelne Schollen trafen und die See sehr schwer und hoch ging, so waren wir überzeugt, eine freie Stelle von grosser Ausdehnung erreicht zu haben.

Der Sturm wehte mit grosser Heftigkeit aus Osten bis den nächsten Tag 2 Uhr früh, wo er abzunehmen begann und um 9 Uhr sich soweit gemässigt hatte, dass wir gereffte Beisegel führen konnten. Auch der Nebel fing um diese Zeit an sich zu zerstreuen, und zu Mittag hatten wir eine höchst trostreiche und ausgedehnte Aussicht; von der Mastspitze war in keiner Richtung ein einziges Stück Eis zu erblicken. Unsere Beobachtungen ergaben 70° 23' südl. Breite und 174° 50' östl. Länge; die Inclination der Magnetnadel hatte sich auf 85° vermehrt.

Wir richteten unsern Lauf jetzt gerade nach dem magnetischen Pol, indem wir so genau südlich steuerten, als der Wind, der bald darauf nach Südost umsprang, gestattete. Unsere Hoffnung und Erwartung, diesen interessanten Punkt zu erreichen, hatte jetzt den höchsten Grad erreicht, sollte aber nur zu bald getäuscht werden. Ein starker »Landschimmer« erschien am Horizont, je weiter wir vorrückten, und hatte um Mitternacht eine Höhe von einigen Graden erreicht. Wegen der viel blasseren Farbe, welche diesen Schimmer von denjenigen unterschied, welche wir in den Nordpolarregionen gesehen hatten, waren wir Alle geneigt, das zu bezweifeln, was wir so sehr fürchteten, aber kurz vor zwei Uhr meldete der wachhabende Offizier, Lieutenant Wood, dass das Land deutlich gerade vor uns zu sehen sei.

Es stieg in hohen Bergspitzen empor, ganz bedeckt von ewigem Schnee; es liess sich deutlich von Südsüdwest nach Südost verfolgen und muss, als wir es zuerst sahen, mehr als 100 Meilen entfernt gewesen sein.

Den höchsten Berg dieser Kette benannte ich nach dem Oberstlieutenant Sabine, von der königlichen Artillerie, auswärtigem Secretair der königlichen Gesellschaft, einem meiner besten Jugendfreunde, der dieses Compliment um so mehr verdiente, als er der erste Anreger und einer der thätigsten und eifrigsten Beförderer der Expedition gewesen war.

Zu Mittag befanden wir uns unter der höchsten Breite (71° 15'), die Cook 1774 während seiner verschiedenen Versuche nach Süden vorzudringen erreicht hat. Wir hatten uns jetzt dem Sabineberg um 15 Seemeilen genähert und dennoch schien er noch sehr entfernt zu sein; wir bekamen allmälig mehr Land zu Gesicht, indem sich Bergketten rechts und links von den zuerst gesehenen erstreckten.

Um 6 Uhr Nachmittags waren wir noch etwa zwei Seemeilen von der Küste, die mit starkem Packeis besetzt war. Wir steuerten dicht an ihrem Rande hin nach einer kleinen Bucht, wo wir landen zu können hofften, da aber der Wind landeinwärts wehte und die See am Saume des Eises sehr hoch und schwer ging, konnten wir dies nicht ausführen. Wir wendeten uns daher wieder nach Südosten, um die östliche Spitze einer dichten Eismasse zu umfahren und auf die Leeseite eines vorspringenden Punktes der Küste zu gelangen, bei welchem wir einige kleine Inseln bemerkten, die, wie wir hofften, uns genügenden Schutz geben würden, um mit weniger Schwierigkeit zu landen.

Das südliche Vorgebirge der Bucht erhielt den Namen Cap Downshire, das nördliche nannten wir Cap Adare. Letzteres wird von hohen schwarzen; wahrscheinlich vulcanischen Klippen gebildet und sticht auffällig gegen die übrige mit Schnee bedeckte Küste ab. Wir fanden Grund mit 165 Faden, und mehrere schwarze Steinchen, die das Loth heraufbrachte; bestärkten meine Vermuthung von dem vulcanischen Ursprunge des neuentdeckten Landes; Cap Adare lag jetzt in einer Entfernung von 5 oder 6 Meilen Nord 52° West.

Abends hatten wir das schönste klarste Wetter und erfreuten uns einer bezaubernden Aussicht auf die zwei grossartigen Bergketten, deren Gipfel, ganz mit ewigem Schnee bedeckt, sich von 7–10,000 Fuss über die Meeresfläche erhoben. Die Gletscher, welche die Zwischenthäler ausfüllten und schon in der Nähe der Gipfel entsprangen, reichten an mehrern Stellen mehrere Meilen in die See hinein und gingen in hohe senkrecht abstürzende Klippen aus. An einigen wenigen Stellen hatte der Fels seine Eisdecke durchbrochen, wodurch wir allein erkennen konnten; dass Land den Kern dieses anscheinenden Rieseneisberges bilde.

Die sich nach Nordwesten hin erstreckende Bergkette nannten wir das Admiralitätsgebirge, und seine höchsten Spitzen erhielten die Namen Minto, Adam, Parker, Troubridge, Pechell und Dalmeny-Berg, nach den einzelnen Mitgliedern des hohen Collegiums, unter dessen Befehlen ich diente. Der Dalmeny-Berg bildete die westliche Spitze des Admiralitätsgebirges und auch das westlichste Land, das wir erblickten, und war 70–80 Meilen von uns entfernt. Verschiedene Messungen ergaben für den Berg Sabine eine Höhe von nahe an 10,000 Fuss und eine Entfernung von 30 Meilen von der Küste. Die Höhe der andern Berge konnten wir nicht mit Genauigkeit bestimmen, aber wir schätzten sie 7–9000 Fuss hoch; sie bildeten alle einen so grossartigen Anblick, als man sich nur denken kann.

Die Inclination hatte sich auf 86° vermehrt und die Declination auf 44°. Diese Beobachtungen setzten den magnetischen Pol unter 76° südl. Breite und 145° 20' östl. Länge, also über 500 Meilen südwestlich von uns. Aber das Land war ein unübersteigliches Hinderniss, uns ihm auf geradem Wege zu nähern, und wir hatten jetzt zu wählen, ob wir die Küste nach Nordwesten verfolgen wollten, in der Hoffnung, das westliche Ende des Landes zu umfahren und uns dort nach Süden zu wenden, oder ob wir der nach Süden sich wendenden Küste folgen und dann mehr westlich steuern wollten. Wir zogen das letztere vor, weil hier grössere Wahrscheinlichkeit war, unsere Forschungen über höhere Breiten auszudehnen, und weil wir dabei mehr Aussicht zu haben glaubten, einen der Hauptzwecke unserer Reise zu erreichen; und obgleich wir uns in unserer Erwartung, bald den magnetischen Pol zu erreichen, getäuscht finden mussten, gab doch diese unsern Weg hemmende Bergkette England wieder den Ruhm zurück, das südlichste bekannte Land entdeckt zu haben, ein Ruhm, den der unerschrockene Bellinghausen sich erworben und der mehr als zwanzig Jahre unser Eigenthum geblieben war.

Begünstigt von sehr schönem Wetter während der Nacht, gelang es uns, uns den kleinen unweit der Küste gelegenen Inseln um 9 Uhr am nächsten Morgen bis auf zwei oder drei Meilen zu nähern. Ich übergab jetzt den Befehl über das Schiff dem Lieutenant Bird und ruderte in Begleitung des Commandeurs Crozier und einiger Offiziere des Terror nach der Küste.

Die Ufer des festen Landes fanden wir ganz bedeckt mit Eis, das sich bis in das Meer hinaus erstreckte, und die schwere Brandung an dem Saume desselben machte jeden Versuch zu landen unmöglich. Eine starke Fluthströmung trieb uns schnell zwischen der von Eis starrenden Küste und der mit grossen Eismassen besetzten Insel hindurch, so dass wir einige Zeit in höchst gefährlicher Lage waren, denn trotz allen Bemühungen unserer Leute konnten wir unsern Platz nicht gegen die Fluth behaupten. Eine schmale Oeffnung, die wir im Eis bemerkten, gab uns endlich Gelegenheit, die Boote hineinzulenken; wir kamen in einen Wirbel auf der Leeseite der grössten dieser Inseln und landeten auf einem Gestade von grossen loosen Steinen und ans Land getriebenen Eisschollen. Der Himmel hatte unter dieser Zeit ein sehr drohendes Ansehen angenommen; der Wind wurde immer stärker und unsere gefährliche Lage und die Zurückrufungsflagge, die auf dem Schiff wehte, und die ich Lieut. Bird befohlen hatte, in Fällen der Noth aufzuziehen, zwang uns zur Eile.

Die Ceremonie, im Namen der Königin Victoria von dem neuentdeckten Lande Besitz zu ergreifen, wurde sogleich vorgenommen; und während wir die Flagge unsers Landes unter dem lauten Hurrah der Schiffsmannschaft aufpflanzten, tranken wir auf die Gesundheit Ihrer Majestät und Sr. königl. Hoheit des Prinzen Albert. Die Insel erhielt den Namen der Possessionsinsel. Sie liegt unter 71° 56' südl. Br. und 171° 7' östl. L., besteht ganz aus vulcanischen Felsen und ist nur auf der Westseite zugänglich. Wir bemerkten nicht die geringste Spur von Vegetation, aber zahllose Schaaren von Pinguinen bedeckten in dichtgedrängten Massen die Insel, die Ränder der Klippen und selbst die Spitzen der Hügel und drohten uns den Besitz streitig zu machen mit ihren scharfen Schnäbeln, wie wir uns durch ihre Reihen drängten. Dieser Empfang, so wie ihr lautes und rauhes Geschrei und der unerträgliche Gestank der hohen Schicht Guano, die sich seit Jahrtausenden gebildet hatte und die mit der Zeit dem Ackerbau unserer australischen Colonien sehr nützlich werden kann, veranlasste uns baldmöglichst die Insel wieder zu verlassen, nachdem wir unsere Boote mit geologischen Probestücken und Pinguinen beladen hatten. Wegen der heftigen Brandung am Gestade konnten wir nicht wahrnehmen, ob Ebbe oder Fluth sei; aber eine starke nach Süden laufende Strömung lief zwischen der Possessionsinsel und dem festen Lande nach Süden und der Terror konnte nur mit grossen Anstrengungen vermeiden, von ihr nach dem Lande getrieben zu werden. Später hieher kommende Schiffte mögen daher auf ihrer Hut sein, wenn sie sich an dieser Stelle der Küste nähern.

Nach langem und beschwerlichem Rudern erreichten wir endlich die Schiffe, kurz bevor mit einem starken Nordwinde ein so starker Nebel sich einstellte, dass einige Minuten Verzögerung unsre Rückkehr nach den Schiffen unmöglich gemacht und uns gezwungen hätten, wieder nach dem Lande zu fahren und dort unser Lager unter den Pinguinen aufzuschlagen, bis sich die Schiffe der Insel mit Sicherheit nähern konnten. Das Wetter nöthigte uns jetzt die offene See zu suchen. Die Nacht hindurch war heftiger Wind mit beständigem Schnee, und da wir auf keine Eisberge oder Eisschollen stiessen, fuhren wir in Erwartung besseren Wetters unter mässigen Segeln.

Einige wenige Wallfische und grosse Schaaren Captauben kamen uns zu Gesicht; aber der zierliche weisse Sturmvogel, der sich selten weit von der Hauptmasse des Packeises entfernt, hatte uns zu unserer grossen Beruhigung ganz verlassen.

Am nächsten Morgen hatten wir einen Sturm aus Süden, der uns auf dicht gereffte Marssegel und Sturmstagsegel beschränkte; da es auch sehr neblig war, richteten wir unsern Lauf östlich, voller Ungewissheit, auf was wir dort stossen würden, und den ganzen Tag und die ganze Nacht voll Besorgniss und sorgfältig Wache haltend; doch beruhigte es uns, dass das Schiff mit einer hochgehenden See zu kämpfen hatte, ein sicheres Anzeichen, dass sich windwärts, wohin wir uns jetzt am meisten sehnten, eine grosse Strecke freies Wasser befinde.

Das Land erblickten wir verschiedene Male an diesem Tage (13. Jan.); es war dasselbe, was wir schon früher entdeckt hatten, und wir setzten alle Segel bei, um nicht nach Norden getrieben zu werden. Abends wendeten wir und steuerten wieder landwärts, in der Hoffnung, das Wetter werde sich bessern während wir uns dem Lande näherten; aber der Sturm wüthete mit unermüdlicher Heftigkeit fort, so dass wir, als wir noch 10 oder 12 Meilen vom Lande waren und wegen des fast ununterbrochenen Schneegestöbers und dicken Nebels nichts vor uns sehen konnten, die offene See suchen mussten.

Im Laufe des 14. sahen wir viele Wallfische; einmal zählten wir 30 in verschiedenen Richtungen, und den ganzen Tag über sah man ihre Wasserstrahlen, wo man nur seine Augen hinwendete; ausser dem Bereiche ihrer Verfolger haben sie bis jetzt ein Leben voll Ruhe und Sicherheit geführt, aber sie werden nun gewiss zum Reichthum unsers Vaterlandes im Verhältniss mit der Energie und Ausdauer unsrer Kaufleute beitragen müssen; und wie wir wissen, sind diese keineswegs unbeträchtlich. So ist dem kaufmännischen Unternehmungsgeist ein neuer Weg geöffnet, der, wenn er mit Kühnheit und Ausdauer verfolgt wird, gewiss reichlichen Gewinn bringt. Wir bemerkten grosse Massen Mollusken und andere kleine Seethiere, die jedenfalls den Wallfischen zur Nahrung dienen; grosse Schaaren von Jungen der Captaube flatterten über denselben und verzehrten sie. Abends nahm der Wind etwas ab und da das Wetter heller wurde, machten wir abermals einen Versuch uns dem Lande zu nähern. Auch das Barometer war jetzt auf fast 29'' gestiegen, was, wie wir jetzt gelernt hatten, unter dieser Breite schönes Wetter verkündigte, obgleich in England ein verhältnissmässig so tiefer Standpunkt ganz anders betrachtet werden würde.

Am 15. früh hatten wir eine schöne Ansicht der Bergkette, deren südliche Verlängerung wir vor einigen Tagen nur unvollkommen bemerkt hatten. Bei mässigem Südwind hatten wir schönes klares Wetter und wir sahen sie unter den günstigsten Umständen; wie wir uns ihr näherten, betrachteten wir mit Gefühlen unbeschreiblicher Freude diese grossartige Scene, die Alles übertraf, was wir bisher gesehen oder geträumt hatten. Auch diese Berge waren bis zu ihren scharfgespitzten Gipfeln hinauf ganz mit Schnee bedeckt und ihre Höhe schätzten wir von 12 bis über 14,000 Fuss. Den höchsten nannte ich Herschel, nach dem berühmten Präsidenten der britischen Gesellschaft, und den zweiten Northampton, nach dem Marquis dieses Namens, dem Präsidenten der königl. Gesellschaft, welcher persönliches und thätiges Interesse an der Einrichtung des grossen Systemes magnetischer Beobachtungen über die ganze civilisirte Welt und an der Beförderung einer magnetischen Entdeckungsreise nach dem Südpolarmeere genommen hatte.

Mit einem starken Südwinde kämpfend lavirten wir windwärts dicht an einer Inselkette hin, die sich etwa 10 Meilen südlich von der Possessionsinsel erstreckt. Sie besteht aus acht dunkeln Felsen von geringer Grösse und seltsamer Gestalt; der eine derselben war bogenartig durchbrochen; ein anderer sah fast aus wie die Gangspill eines Schiffs.

Mittags befanden wir uns unter 71° 56' südl. Br. und hatten die Possessionsinsel 7 bis 8 Meilen westlich von uns. So oft wir uns dem Lande näherten, umgaben uns Heerden von Pinguinen, die das Schiff wie Tümmler in den europäischen Meeren umspielten, wahrscheinlich angelockt von dem glänzenden Kupfer. Auch zahlreiche Wallfische erblickten wir an diesem Tage; und Denjenigen, welche vielleicht später in diese Gegend auf ihren Fang ausgehen, geben wir den Rath, sich an der Leeseite der grossen Eisbänke zu halten, um sich vor der hier sehr hochgehenden See zu schützen, die uns höchst beschwerlich wurde, so oft wir nach Osten wendeten. Oft tauchte dabei das Bugspriet ins Meer und nur der Sorgfalt der wachhabenden Offiziere verdankten wir es, dass wir die obern Masten nicht verloren. Dennoch rückten wir mit dem Beistand einer starken Fluth oder vielmehr einer Strömung, da sie uns seit mehr als zwölf Stunden windwärts getrieben hatte, nach Süden vor. Wir sondirten so oft wir uns dem Lande näherten und fanden in einer Entfernung von 2½ bis 4 Meilen eine Tiefe von 60–92 Faden.

Während ich einen Aufnahmewinkel mass, erschien eine Insel, die ich vorher nicht bemerkt hatte und von der ich gewiss wusste, dass sie vor zwei oder drei Stunden noch nicht sichtbar gewesen war. Sie war über 100 Fuss hoch und der Gipfel und die Ostseite waren fast ganz frei von Schnee. Mich überraschte diese Erscheinung sehr, und als ich einige Offiziere darauf aufmerksam machte, bemerkte einer derselben, dass ein grosser Eisberg, den wir früher beobachtet hatten, verschwunden sei oder vielmehr sich umgewendet habe und jetzt eine neue Seite mit Erde und Steinen bedeckt zeige, die einer Insel so ähnlich war, dass nur die genaueste Untersuchung an Ort und Stelle uns vom Gegentheil hätte überzeugen können, wenn die Erscheinung nicht so genügend erklärt worden wäre; ausserdem war bei genauerer Beobachtung noch ein schwaches Schwanken der Masse bemerklich.

Ich wünschte sehr einen Hafen zu finden, wo ich vor Anker gehen und magnetometrische Beobachtungen für den 20., als einen der festgesetzten Termintage, anstellen könnte, denn ich wusste recht gut, von welcher Wichtigkeit eine vollständige Reihe solcher Experimente, 500 Meilen vom südlichen Magnetpol angestellt, sein musste; zu diesem Zweck untersuchte ich jeden Einschnitt der Küste. Alle waren jedoch mit Schneewehen von den Bergen angefüllt und bildeten eine mehrere hundert Fuss dicke Eismasse; und so fanden wir es nicht möglich, in einem der Thäler am Strande einzulaufen, wo in andern Ländern gewöhnlich Häfen sind. Immer noch hegten wir die Hoffnung, niedriges Land oder in der Nähe einer der Inseln einen geschützten Ort zum Schutz unserer Schiffe zu finden. Deshalb blieben wir während des Tageslichts dem Lande so nahe als es die Umstände erlaubten und suchten vor Dunkelwerden die offene See, da sich um diese Zeit die Fluth am Lande gewendet hatte und uns schnell leewärts trieb.

Um 10 Uhr Abends, wo wir zwischen 20 und 30 Meilen vom Lande entfernt waren, bot es einen höchst merkwürdigen Anblick dar; eine dichte Wolkenschicht verhüllte den Untertheil des Gebirges und blos seine schneebedeckten Gipfel erschienen wie in unermesslicher Höhe über den Wolken, scharf abstechend von dem schönen dunkelblauen Himmel.

Ein heftiger Südweststurm, gegen den wir den ganzen übrigen Tag lang vergeblich kämpften, hielt uns sehr auf. So fortdauernd stürmisches Wetter im Sommer hatten wir nicht erwartet, und wir mussten dadurch um so mehr unruhig werden, als ein Tag der kurzen Jahreszeit, wo diese Regionen schiffbar sind, nach dem andern verging, ohne dass wir uns unserm Ziele wesentlich näherten. Den 16. Jan. um Mittag befanden wir uns unter 72° 12' südl. Breite, wurden aber wieder gegen 25 Meilen nördlich getrieben von einem heftigen Sturm, der bis gegen den nächsten Mittag anhielt.

Als sich der Wind etwas legte, liess ich die Reffe aus dem Mars- und dem grossen Segel nehmen und wir konnten bald mit Nutzen mehr Segel beisetzen, da der Wind nach Westen umsetzte, so dass wir wieder südlicher steuern konnten. Auf dieser Fahrt erblickten wir immer neue Theile des Landes. Die Sonne schien mit grossem Glanze, was uns um so angenehmer war, als wir sie wegen des unaufhörlichen Regens lange nicht gesehen hatten; die jetzt weit entlegenen Berge warfen ihre Strahlen in den mancherlei Tönen und Schattirungen zurück, welche die verschiedenen Gestalten ihrer Eisdecke verursachten. Der schöne Nachmittag war uns nach dem vielen schlechten Wetter ein wahrer Genuss und gab uns einen bemerkenswerthen Beweis von der Kleinheit der Atmosphäre. Wir waren während der ganzen Dauer des Sturmes nach Osten gesegelt, und als Nebel und Schnee aufhörten, ergaben Winkelmessungen und Beobachtungen eine Entfernung von 90 Meilen von den Bergen, die wir noch so deutlich sahen, dass viele glaubten, sie wären blos 30 oder 40 Meilen von uns. Der Berg Herschel bildet mit dem Horizont einen Winkel von 36 Minuten und wäre bei gleich günstiger Witterung noch 30 oder 40 Meilen weiter weg sichtbar gewesen. Ohne Schwierigkeit kamen wir durch einen Streifen Eis, der etwa eine Meile breit in der Richtung des Windes vor uns lag und sich nach Norden und Süden weiter als wir sehen konnten erstreckte. Die Temperatur des Meeres war auf 28° gefallen und wir erwarteten natürlich bald auf die Hauptmasse des Packeises zu stossen, dessen Nähe ein starker Eisschimmer im Osten zu verrathen schien; aber darin irrten wir uns, denn es wies sich als eine blosse Nebelbank aus.

Nachmittags bemerkten wir eine ungewöhnlich starke Luftspiegelung in Südwesten, wodurch wir von Zeit zu Zeit Land erblickten, das wir noch nicht gesehen hatten und welches gleich darauf wieder verschwand. Da dieses Land auf diese Weise in einer Entfernung von mehr als 100 Meilen an dem Geburtstag einer Dame entdeckt wurde, die mir sehr theuer war und die ich jetzt das Glück habe als Gattin zu besitzen, so nannte ich die südliche Spitze dieses Landes Cap Anna; und da es sich später als eine Insel auswies, nannte ich sie nach ihrem Vater die Coulmans-Insel.

Bei mässigem Winde aus Südwesten und schönem Wetter steuerten wir am 18. Januar nach Südsüdost, bis wir das Land in grosser Entfernung aus dem Gesicht verloren; aber wir segelten durch ein unerforschtes Meer, das ganz frei von Eisbergen und Schollen war. Einige Wallfische, Pinguine, Captauben und Sturmvögel waren unsere einzigen Gefährten. Wir rückten auch weiter nach Süden vor und befanden uns um Mittag unter 72° 57' südl. Breite und 176° 6' östl. Länge. Um 1 Uhr Nachmittags warfen wir das Loth aus und fanden Grund mit 230 Faden. Das Blei brachte kleine Steine und Muscheln mit einigen Corallenstücken und einem im arktischen Meere häufigen Krustenthiere (Nymphon gracile) mit herauf. Die Temperatur in dieser Tiefe war 34°,6; in 150 Faden 33°,8; die Oberfläche zeigte 30° und die Luft 31°. Der Terror, der nicht ganz eine Meile von uns entfernt lag, fand schon mit 174 Faden auf sandigem Boden Grund, was eine sehr merkwürdige Unregelmässigkeit des Meeresbodens an dieser Stelle zeigt. Um 5 Uhr Nachmittags unter 73° 3' südl. Breite wendeten wir und steuerten dem Lande zu; um 8 Uhr fanden wir Grund mit 190 und um Mitternacht mit 180 Faden, nachdem wir 24 Meilen West bei Nord gefahren waren. Kurz nach 9 Uhr erblickten wir wieder das Land in einer Entfernung von 120 Meilen bei ganz klarem Wetter und es fiel uns auf, in einer so grossen Entfernung von so hohem Lande so geringe Tiefen zu finden. Zahlreiche junge Perlhühner flogen um das Schiff und eines, welches Mr. M'Cormick schoss, fiel an Bord; es war das erste Exemplar dieser Art, welches wir erlangten.

Um 4 Uhr Morgens (19. Jan.) fanden wir Grund mit 170 Faden, um 8 Uhr mit 210; zu Mittag hatte sich die Tiefe des Meeres auf 270 Faden vermehrt, obgleich wir uns dem Lande seit Mitternacht um mehr als 40 Meilen genähert hatten. Die Coulmans-Insel, die wir gestern nur durch Luftspiegelung erblickt hatten, glänzte jetzt im Gesichtskreis im Süden und hinter dem Berg Northampton bemerkten wir nach Südosten zu eine neue halbmondförmige Bergkette.

Eine Windstille von zwei oder drei Stunden Nachmittags benutzten wir, um das Schleppnetz in 270 Faden Tiefe auszuwerfen. Als wir es wieder heraufzogen, fanden wir darin einen Block grauen Granit, bestehend aus grossen Krystallen, Quarz und Feldspath, von anscheinend reinem und frischem Bruch, als wäre er eben erst vom Hauptfelsen gelöst worden; wahrscheinlich war er durch einen Eisberg hieher gebracht worden. Ausser diesem fanden wir noch viele Steine von granitischer und vulcanischer Structur; aber der merkwürdigste Fund in so grosser Tiefe waren schöne Exemplare lebendiger Corallen, die das einstimmige Urtheil von Naturforschern und Geologen bis jetzt für unfähig gehalten hat, tiefer als ein Paar Faden unter der Oberfläche des Wassers zu leben. Corallinen, Flustrae und verschiedene Arten wirbelloser Seethiere fanden wir ebenfalls im Netz, was auf einen Ueberfluss und grosse Mannigfaltigkeit des animalischen Lebens hinweist. Ich entdeckte darunter zwei Arten Pycnogonum; Idotea Baffini, die bis jetzt für einen ausschliesslichen Bewohner des Nordpolarmeeres gegolten hat; ein Chiton, sieben oder acht Bivalven und Univalven, eine unbekannte Art von Gammarus und zwei Arten Serpula.

Es war mir von grossem Interesse, unter diesen Thieren mehrere zu erkennen, die ich früher unter eben so hoher nördlicher Breite gefunden hatte; und obgleich im Widerspruch mit der allgemeinen Meinung der Naturforscher, zweifle ich doch nicht, dass man in der grössten Tiefe, aus der wir Schlamm und Steine aus dem Grund des Meeres heraufbringen können, noch animalisches Leben findet; der stärkste Druck in der grössten Tiefe scheint auf diese Geschöpfe keine Wirkung zu äussern; bis jetzt sind wir noch nicht im Stand gewesen, Untersuchungen in grösserer Tiefe als 1000 Faden anzustellen, aber selbst aus dieser Tiefe sind mit dem Schlamm Muscheln heraufgebracht worden.

Um 3 Uhr Nachmittags fing ein günstiger Wind an zu wehen und wir fuhren mit vollen Segeln südwärts, direct nach der Coulmans-Insel steuernd, die noch immer die östliche Spitze des sichtbaren Landes bildete und zwischen sich und dem festen Lande eine breite Durchfahrt zeigte. Eine tiefe Bucht erschien südlich von einem merkwürdigen Cap, hoch, schwarz und an der Spitze gespalten; weiter nördlich erblickten wir das Cap Wheatstone, die rechts liegende Spitze eines tiefen Küsteneinschnittes, dessen steile Seiten ganz frei von Schnee waren, obgleich er den runden Gipfel dicht bedeckte. Der Abend war immer noch sehr schön; aber wir wussten recht gut, dass ein Nordwind Nebel und Schnee bringen würde, seine nie fehlenden Begleiter; und das schnelle Sinken des Barometers machte uns bemerklich, dass wir die kurze Zeit des schönen Wetters schnell zu benutzen hätten. Beide Schiffe setzten alle Segel auf und wir führten wieder einmal die Leesegel auf beiden Seiten und fuhren gerade vor einer schönen Brise. Alles war lebendig und munter; das langweilige und mühsame Kämpfen gegen widrige Winde und ungünstiges Wetter war vergessen in der sichern Erwartung, nun bald in eine höhere Breite, als bis jetzt erreicht worden war, vorzudringen, und wenige Menschen am Bord beider Schiffe schlossen diese Nacht die Augen, so gross war die Aufregung und Spannung. Bald nach 3 Uhr am nächsten Morgen beschränkte dichter Nebel und Schnee unsere Aussicht zuweilen auf weniger als eine Viertelmeile und selten konnten wir weiter als eine Meile sehen; wir setzten jedoch unsern Weg fort bis gegen 6 Uhr, wo wir bei einem kurzen Aufhellen eine grosse Eismasse gerade vor uns bemerkten, glücklicherweise zeitig genug, um noch zu wenden und die Spitze derselben zu umfahren. Wir schlugen dann wieder einen südlichen Weg ein und befanden uns unter 73° 47' südl. Breite und 171° 40' östl. Länge, nach unserer Berechnung, denn die Sonne blieb unsichtbar, so dass wir keine Beobachtung zu Bestimmung der Breite machen konnten.

Wir sahen wieder Pinguine, weisse und Riesensturmvögel, so wie auch einige Robben. Bei einer nach ein Uhr eintretenden Windstille fanden wir in 320 Faden Grund und das Blei brachte steifen grünen Schlamm, Sand, kleine Steinchen und einige Bruchstücke von Seesternen und Corallen mit herauf. Kurze krause Wellen verriethen das Vorhandensein einer Fluth oder einer Strömung; und das Schiff trieb dreiviertel Meile die Stunde nach Süden ab. Cap Anna, die obere, senkrechte, äussere Spitze der Coulmans-Insel, lag 25 Meilen von uns in nordwestlicher Richtung. Mehrere Stunden lang herrschten leichte unbeständige Winde, die aber zuletzt zu einer starken Brise aus Süden wurden. Wir steuerten südwestlich, um uns dem Lande zu nähern, das eine beträchtliche Wendung nach Westen machte, konnten es aber wegen des dicken Wetters erst um 4 Uhr früh (21. Januar) zu Gesicht bekommen. Als wir dicht am Saume des Packeises angelangt waren, sahen wir das Landeis sich in einer festen ununterbrochenen Masse nach Süden erstrecken, den Rand mit vielen Eisschollen besetzt, die sich erst vor Kurzem abgelöst zu haben schienen.

Wir lavirten und steuerten östlich, um helles Wetter abzuwarten, und als wir von Neuem wendeten, erblickten wir deutlich das Land. Ein hoher, spitzer Berg, gerade westlich von uns, erhielt den Namen Monteagle, nach dem Kanzler der Schatzkammer; und einen andern, der uns als der höchste der bis jetzt gesehenen Berge erschien, den wir aber nicht genau messen konnten, nannten wir Melbourne, nach Lord Melbourne, der, als unsere Expedition der Regierung vorgeschlagen wurde, Premierminister von England war. Der letztere Berg war in seiner Form dem Aetna so ähnlich, dass er mehrere Tage lang bei den Offizieren beider Schiffe diesen Namen führte; aber seine Höhe muss viel grösser sein als die des sicilianischen Vulcans.

Das Landeis, obgleich nicht mehr als 5 oder 6 Fuss über der Oberfläche erhaben und daher wahrscheinlich nicht mehr als 40 Fuss dick, verschwimmt so unmerklich mit dem in dieser Gegend von den Bergen herabkommenden Schnee, dass es fast unmöglich war, die Gestalt der Küstenlinie genau zu bestimmen; von dem Rande des Landeises schien das Land in geringer Entfernung von seinem Saume allmälig zu steigen, bis es die Spitzen der höchsten Berge erreichte. Im Nordwesten füllte den Raum zwischen der Coulmans-Insel und dem Festlande eine ähnliche Eismasse aus, die seit Jahren nicht geschmolzen zu sein schien, und sie schien in dieser Hinsicht mehr der Eismauer zu gleichen, welche Lieutenant Wilkes vor dem von ihm in der Nähe des Südpolarkreises entdeckten Lande fand. Da man nirgends eine Spalte oder eine Lache in demselben erblickte, war die Unmöglichkeit, diese Eismasse in westlicher Richtung zu durchdringen, offenbar. Ich entschloss mich daher, an ihrem Rande hin südlich zu fahren, in der Hoffnung, später eine westliche Richtung nach dem magnetischen Pol einschlagen zu können, dem wir immer näher kamen, indem die Inclination jetzt 87° 39' war.

Mittags waren wir nach unserer Rechnung unter 74° 50' südl. Breite, aber die Beobachtung ergab nur 74°. Eine Strömung hatte uns also nördlich getrieben, was uns um so unangenehmer war, als wir uns schon in dem Glauben, in der höchsten bis jetzt erreichten südlichen Breite mit allen Aussichten, noch weiter zu kommen, angelangt zu sein, Glück gewünscht hatten. Trotz aller unsrer Anstrengungen konnten wir gegen den vereinigten Einfluss der südlichen Winde und der nördlichen Strömung nicht Stand halten, die uns immer noch nach Norden drängten, und als Nachmittags Windstille eintrat, blieb uns nichts übrig, als ruhig der allmäligen ruckläufigen Bewegung des Schiffes zuzusehen.

Es war die schönste Nacht, die wir bis jetzt unter dieser Breite gesehen hatten, und der Himmel war vollkommen klar und hell. Um Mitternacht, wo die Sonne etwa 2° über dem südlichen Horizonte hinschwebte, war der Himmel im Zenith vom tiefsten Indigoblau, das nach dem Horizonte zu allmälig blässer wurde.

Wir fanden mit 300 Faden Grund und das ausgeworfene Schleppnetz brachte viele Seethiere und einige Corallinen herauf. Unter denselben fanden wir mehrere ganz neue Formen, welche Dr. Hooker zeichnete und welche mit ihren Beschreibungen in Kurzem werden veröffentlicht werden und gewiss nicht die uninteressanteste Seite unsrer Entdeckungen bilden. Es ist hinreichend bekannt, dass wirbellose Seethiere gegen die Veränderung der Temperatur empfindlicher sind als Landthiere; und sie lassen sich mit grosser Genauigkeit isothermisch ordnen. Naturforscher werden sich jedoch schwer überzeugen lassen, dass diese gebrechlichen Geschöpfe möglicher Weise in einer Tiefe von fast 2000 Faden unter der Meeresfläche leben könnten; da wir aber wissen, dass sie den Druck von 1000 Faden ertragen können, warum sollte es ihnen dann nicht möglich sein, auch unter 2000 zu leben? Wir wissen auch, dass mehrere der Seethiere, die wir aus grossen Tiefen des Südpolarmeeres gefischt haben, im Nordpolarmeere leben. Sie können nur durch die Wendekreise von einem Pol zu andern gelangt sein; aber die Temperatur des Meeres in jenen Gegenden ist so hoch, dass sie nur in einer Tiefe von beinahe 2000 Faden in demselben existiren können. In dieser Tiefe konnten sie von dem Nord- in das Südpolarmeer ohne eine Temperaturveränderung von mehr als 5° übergehen, während jedes Landthier in der günstigsten Jahreszeit einen Unterschied von 50° und im Winter einen Unterschied von 150° Fahrenheit erleiden müsste – ein genügender Grund, warum beiden Regionen keine Vierfüssler, Vögel oder Landinsecten gemeinsam sind.


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