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Zweites Capitel.


Wendekreis des Krebses. – Grosse Meerestiefe. – Ankunft in St. Helena. – Magnetisches Observatorium. – Grosse magnetische Wirkungen der Insel. – Richtung der Linie der geringsten magnetischen Intensität. – Die Veränderung ihrer Lage gegen frühere Beobachtungen. – Wasserhosen. – Plötzliche Windstösse und Regengüsse. – Höhe der Wellen. – Untiefe Kattendyk. – Zweiter Versuch mit dem tiefen Senkblei. – Kalte Strömung. – Grosser Temperaturwechsel in der Luft und im Meere. – Seine wahrscheinliche Ursache. – Ankunft am Cap der guten Hoffnung. –


Auf jeder Seite des Wendekreises des Steinbockes, den wir am 19. Decbr. des Abends passirten, trafen uns regelmässig zwischen 9 Uhr Vormittags und Mittags und zuweilen gegen drei Uhr früh heftige Windstösse. Die gethürmten Haufenwolken, die Sir John Herschel so trefflich beschreibt, waren stets die Ursache.

Zuerst erblickten wir die Häufchenwolken wie schneeweisse Wellen, windwärts in einer Höhe von 3° 46' auf einer nicht scharf begrenzten nebelartigen Wolke ruhend. Wie sie höher stiegen, bildeten sie einen unregelmässigen Bogen; und während der Wind sie auf uns zutrieb, konnten wir den Regen niederströmen sehen. Als die Wolke den 35. Grad der Höhe erreicht hatte, traf der Windstoss das Schiff und zwang uns, die Marssegel niederzulassen und alle Segel ausser dem Focksegel zu streichen. Die Böen kamen gewöhnlich drei bis viermal in einem Vormittag. Während ihrer Dauer wendete sich der Wind mehr nordwärts, und es ging ihnen stets eine starke Vermehrung der kurzen und gebrochenen Wellen, die in diesem Theile des Meeres häufig sind, voraus.

Ein merkwürdiges Phänomen beobachteten einige Offiziere am 20. Decbr. um 8 Uhr 30 Minuten Abends. Es war eine schöne klare Nacht, keine Wolke am ganzen Himmel zu sehen, und dennoch hatten wir einen Regenschauer, der länger als eine Stunde dauerte. Die Temperatur des Thaupunktes nach Daniell's Hygrometer war 72°, die der Luft 74°.

Ausser unseren fast täglichen Experimenten über die Temperatur des Meeres in einer Tiefe von 600 Faden hatten wir verschiedene vergebliche Versuche gemacht, zwischen den Wendekreisen Sondirungen zu erlangen. Das Fehlschlagen dieser Versuche war hauptsächlich dem Mangel einer geeigneten Lothleine zuzuschreiben, aber es zeigte sich uns zugleich ein passender Weg, diesem Bedürfnisse abzuhelfen; ich liess daher eine Leine von 3600 Faden oder mehr als 4 engl. Meilen Länge verfertigen, versehen mit Wirbelgelenken, damit sie sich nicht beim Hinablassen verwickle und stark genug sei, um ein Gewicht von 76 Pfund zu tragen.

Am 3. Januar 1840 unter 27° 26' südl. Br. und 17° 29' westl. L. erreichten wir, begünstigt vom Wetter und allen anderen Umständen, mit 2425 Faden den Grund des Meeres, eine Einsenkung der Erdrinde, welche der Erhebung des Montblanc über die Meeresfläche ziemlich gleich kommt.

Unter 21° südl. Br. und 15° 30' westl. L. passirten wir (8. Jan.) von neuem die Linie der kleinsten magnetischen Intensität. Durch Benutzung jeder Veränderung des Windes, der zu verschiedenen Zeiten des Tages von SSO. nach OSO. umlief, legten wir im Durchschnitt zwischen 23 und 24 engl. Meilen täglich zurück und gingen endlich am 31. Jan. 3½ Uhr Nachmittags auf der Rhede von St. Helena vor Anker.

Der Hauptzweck unseres Besuches war, ein permanentes magnetisches Observatorium zu errichten und Lieutenant Lefroi von der königl. Artillerie nebst seinen Begleitern und ihren Instrumenten ans Land zu setzen. Der Gouverneur Generallieutenant Middlemore gestattete mir, die der Krone gehörenden Ländereien zu untersuchen; nachdem ich zur Errichtung des Observatoriums eine Stelle in der Nähe des Hauses ausgesucht hatte, welches für den Kaiser Napoleon gebaut worden war, das er aber nie bewohnt hatte, stellte mir der Gouverneur den Platz sogleich zur Verfügung, und auch die nöthigen Anordnungen und Contracte über den Pacht von Grund und Boden und den Bau und die Errichtung der Gebäude wurden in wenigen Tagen durch den bereitwilligen Eifer der betreffenden Beamten besorgt.

Hier wie auf allen vulcanischen Inseln war es in Folge der störenden Einwirkungen des Felsens ganz unmöglich, richtige Bestimmungen bei den magnetischen Experimenten zu erhalten. Diese Einwirkung ist hier so stark, dass sie selbst bei der grossen Entfernung des Ankerplatzes unserer Schiffe so grosse Anomalieen in den Resultaten unserer Beobachtungen über die Abweichungen der Inclination, Variation und Intensität hervorbrachte, dass die gewöhnliche Einwirkung des Eisens im Schiffe davor verschwand. Ebenso ungenügend fielen die Vergleichungen unserer magnetischen Instrumente aus, denn wir konnten nicht zwei Stellen finden, mochten sie einander noch so nahe oder entfernt sein, wo wir mit einem und demselben Instrumente übereinstimmende Resultate erlangt hätten. Die Wichtigkeit St. Helena's als magnetische Station wird daher mehr aus der Entdeckung momentaner, unregelmässiger und secularer Veränderungen, als aus absoluten Bestimmungen hervorgehen; und für meteorologische Zwecke wird sie gewiss von wesentlichem Vortheil sein.

Nachdem wir von unserem gütigen Freunde, dem Gouverneur, und den anderen Beamten, die uns mit ihrem Beistande unterstützt hatten, Abschied genommen, lichteten wir am 9. des Morgens die Anker, nachdem wir unsere Briefe und Depeschen zur Beförderung nach England an Bord des Bombay geschickt hatten.

Der Passatwind verhinderte uns, so weit nach Osten zu segeln, als ich wünschte, und wir passirten zum dritten Male die Linie der geringsten magnetischen Intensität unter 21° südl. Br. und 8° westl. L. Unser langsames Vorwärtskommen in dieser in magnetischer Hinsicht interessanten Region gab uns Gelegenheit, zahlreiche Beobachtungen anzustellen, welche Oberstlieutenant Sabine nebst den daraus abzuleitenden Folgerungen in den Philosophical Transactions für 1842, 1. Theil, veröffentlicht hat, worauf wir den Leser von Fach verweisen.

Am Morgen des 15. Februars sahen wir eine kleine Wasserhose, auf welche Nachmittags ein heftiger Regenguss von einstündiger Dauer folgte. Der Regen, der eine Temperatur von 67° hatte, drückte in wenigen Minuten die der Luft von 79° auf 73° herab.

Unter 26° 10' südl. Br. und 12° 16' westl. L. machten wir einen neuen Versuch mit dem Tiefloth, der aber fehlschlug, da die Leine sich zufällig verwickelte und in einer Tiefe von 1260 Faden brach.

Bald nach Einbruch der Dunkelheit am 21. Febr. sprang eine Anzahl von Tintenfischen 15 oder 16 Fuss hoch über das Bollwerk der Windseite an Bord; viele sprangen ganz über das Schiff weg und im Ganzen fanden wir nicht weniger als fünfzig auf dem Verdecke. Wir konnten diesmal nicht, wie früher einmal, glauben, sie seien von einer Welle in das Schiff geschleudert worden, denn das Meer war ganz glatt und nur ein massiger Wind wehte.

Während wir am 23. Febr. vor einer starken nördlichen Brise segelten, sahen wir in SW. sich schwere Wolken sammeln und hatten kaum Zeit gehabt, unsere Segel einzureffen, als aus jener Gegend eine heftige Bö kam, auf die fast unmittelbar eine Windstille von kurzer Dauer folgte. Das Barometer zeigt diese plötzlichen Windstösse nie an und nicht selten, wenn man nicht zur rechten Zeit auf sie vorbereitet ist, verliert man durch sie die Masten. Der Nordwind bekam wieder die Oberhand bis gegen Mittag, wo er sich abermals plötzlich gegen Süden wendete, so dass wir in einer andern Region der veränderlichen Winde angekommen zu sein schienen. Vor und während der heftigen Regengüsse, die mit wenigen Ueterbrechungen 20 Stunden niederströmten, fuhr zu unserer Verwunderung das Barometer so wie das Sympiezometer fort zu steigen. Die Temperatur des Regens war wie am 15ten 67° und die der Luft sank von 74°,5 auf 69°.

Am 27. Febr. unter 31° 20' südl. Br. passirten wir östlich segelnd den Meridian von Greenwich.

Obgleich der Südwestwind des vorhergehenden Tages nur von massiger Heftigkeit war, befanden wir uns doch am nächsten Morgen (29. Febr.) in einer aus derselben Richtung sehr hochgehenden See. Verschiedene Experimente ergaben nur 22 Fuss als ganze Höhe der Wellen, oder 11 Fuss über und ebenso viel unter der gewöhnlichen Meeresfläche; ihre Schnelligkeit betrug 89 engl. Meilen die Stunde und der Zwischenraum zwischen jeder Woge 1910 Fuss.

Auf der angeblichen Stelle der Untiefe Kattendyk (33° südl. Br., 4° 52' östl. L.) fanden wir mit 120 bis 150 Faden keinen Grund, obgleich wir unaufhörlich sondirten; am nächsten Tage (1. März) unter 33° 10' südl. Br. und 5° 50' östl. L. konnten wir mit 580 Faden den Boden nicht erreichen.

Am 3. März 9½ Uhr Vormittags unter 33° 21' südl. Br. und 9° östl. L. setzten wir bei vollkommener Windstille die Boote aus, um mit dem Tiefloth zu sondiren. Wir fanden Grund in 2676 Faden in einer Entfernung von etwa 450 engl. Meilen westlich vom Cap der guten Hoffnung. Die Strömung ging mit einer Schnelligkeit von einer engl. Meile die Stunde in westlicher Richtung und seit mehreren Tagen hatten wir ihre Wirkung reichlich in diesem Maasse gefühlt.

Diesen Abend (7. März) machte sich ein allmäliges Sinken der Temperatur der Luft und des Meeres bemerklich, je mehr wir uns der africanischen Küste näherten, und vor Mitternacht kamen wir in einen kalten Nebel, der jede weitere Aussicht verhinderte; da das Wasser eine andere Farbe angenommen, warfen wir das Senkblei aus, ohne mit 130 Faden Grund zu finden.

Um 1 Uhr Mittags des folgenden Tages (8. März) war die Temperatur des Meeres von 70° auf 56° 5' gesunken, während die Luft 65° zeigte und der Nebel uns unangenehm kalt erschien. Wir befanden uns jetzt in 32° 21' südl. Br. 17° 6' östl. L., also etwa 45 engl. Meilen vom Cap Paternoster, und fanden mit 127 Faden Grund auf einer Bank von feinem dunkeln Sand. Wegen der Wärmeausstrahlung des Strandes hatten wir bei unserer Annäherung an die africanische Küste eine Erhöhung der Temperatur erwartet; die Ursache des Sinkens zeigte sich aber am Morgen des 9ten, wo wir, nachdem wir Cap Paternoster mit Tagesanbruch zu Gesicht bekommen hatten, auf eine uns entgegengesetzte Strömung stiessen, die an Stärke und Kälte der Temperatur zunahm, je mehr wir uns dem Lande näherten. Das Vorhandensein einer von Osten kommenden und um das Cap gehenden kalten Strömung ist längst vermuthet worden; so viel ich aber weiss, war es unbekannt, dass sie sich in nördlicher Richtung verlängerte. Da wir mehrere Tage lang nach dem Cap zu laviren hatten, fanden wir Gelegenheit zu zahlreichen Beobachtungen, die uns bewiesen, dass eine örtliche Strömung von sehr beschränkter Ausdehnung, aber beträchtlicher Kraft vom Cap der guten Hoffnung aus die Westküste von Africa entlang geht; man kann sich dieselbe denken als ein Volumen Wasser, sechzig engl. Meilen breit und zweihundert Faden tief, von einer durchschnittlichen Schnelligkeit von einer engl. Meile die Stunde und der mittlern Temperatur des Oceans, das zwischen der africanischen Küste und dem angrenzenden Meere hinläuft. Die über diesem kalten Strome hängende Nebelwolke entsteht natürlich durch die Condensation der Dünste der darüberliegenden Atmosphäre, deren Temperatur gewöhnlich um verschiedene Grad höher ist als die der Luft. Sie ist so erkennbar, dass sie dem Schiffe stets als ein schätzbares Zeichen der Nähe des Landes dienen kann.

Am Abend des 17. März ankerten wir in der Simons-Bucht, und begannen sogleich die nöthige Vergleichung unsrer magnetischen und andern Instrumente, da dieser Ort wegen seiner Sandsteinformation zu diesem Vornehmen geeigneter war als jeder andere, den wir seit unserer Abreise von England berührt hatten.

Alsdann stellten wir Beobachtungen über die Einwirkung der Eisentheile des Schiffes auf unsere Instrumente auf beiden Fahrzeugen, so wie auch durch die freundliche Unterstützung des Capitains Puget an Bord des Melville an, des ersten Zweideckers, auf dem ich Gelegenheit fand Versuche anzustellen und wo sich die Störung als sehr gering bewies.

Hier setzten wir auch den Lieutenant Cardley Wilmot nebst drei Gehülfen und den nöthigen Instrumenten ans Land, um meinen Instructionen gemäss dieses magnetische Observatorium einzurichten.


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