Peter Rosegger
Das Geschichtenbuch des Wanderers
Peter Rosegger

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Die Kokette.

Du sprichst von koketten Frauen, junger Freund, wie ein Blinder von der Farbe. Kokett nennst Du es, wenn eine Dame durch auffallende Farben, Bewegungen, Blicke die Augen der Männer auf sich zu lenken sucht. Kokett nennst Du sie, wenn sie sich ein wenig vordrängt und ein wenig versteckt, wenn sie ein wenig dreist ist und ein wenig erröthen kann, wenn sie ein wenig anzieht und ein wenig abstößt und so die Herzen der Männer bearbeitet, bis sie Feuer geben, und wenn der Mann für sie lichterloh entbrennt, sie geneigt ist, die Glut regelrecht zu dämpfen. Das ist ja alles ganz nett und verläuft auf das Anmuthigste.

Ich kenne eine andere Koketterie, mein Junge, und will Dir erzählen; willst Du keine Lehre daraus ziehen, so magst Du Dich wenigstens für klüger halten, als ich war – und das wird Dir sicherlich ein großes Vergnügen sein.

Ich habe Dir schon einmal gesagt, daß ich mich als Student eine Zeit lang mit Unterrichtgeben in der Stenographie fortgeholfen habe. Also gewann ich auch durch Vermittlung eines Bekannten wöchentlich zwei Stunden bei einer Dame Stachari. Es war eine blasse, schwarzhaarige und großäugige Dame, die stets in schwarzem Seidenanzuge war und am Busen eine Kamelie oder eine rothe Rose stecken hatte. Sie konnte nicht älter als vierundzwanzig Jahre sein, ich wußte nicht, ob sie vermählt war oder ledig; das alte Stubenmädchen erwähnte mehrmals des »Herrn«, den ich aber nie zu Gesichte bekam. Die Wohnung bestand aus drei Zimmern, die sehr luxuriös eingerichtet waren. Zumeist herrschte in denselben ein künstlich hergestelltes Dunkel und ein betäubender Blumenduft. Die Blumen und ihr Duft, so behauptete sie, seien ihr Licht, ihre Luft, ihre Nahrung, ihre Liebe, ihr Traum, ihre Seligkeit. Was den Männern der Wein, der Tabak, das Opium sei, das wäre ihr die Blume, was den Männern das Spiel, die Gefahr, das Weib sei, das wäre ihr die Blume. Die Blume sei das einzige Wesen auf der Erde, von dem sie nichts Schlimmes erfahren, nicht enttäuscht worden wäre.

Nun hätte ich für mein Leben gern gewußt, was die junge Dame schon für Schicksale gehabt und worin die Enttäuschungen bestanden, natürlich wagte ich nicht zu fragen und sie berührte ihre Vergangenheit, ihre persönlichen Verhältnisse mit keiner Silbe.

Nachmittags von fünf bis sechs Uhr hatten wir den stenographischen Unterricht; ich wußte aber nicht, zu welchem Zwecke sie die Schnellschreibekunst erlernen wollte, einmal nur äußerte sie, solche mache ihr Spaß und sei ein netter Zeitvertreib, während ich immer der Meinung gewesen, die Stenographie sei Zeitersparniß. Indes ging ihr die Sache doch nicht recht von der Hand; mehrmals legte sie schon in der ersten Hälfte der Stunde den Stift weg, lehnte sich in den Sessel zurück und machte den Vorschlag, lieber ein bißchen zu plaudern. Nun wußte ich über nichts eigentlich zu plaudern, als über Gabelsberger, denn ich war ein ganz unerfahrener Mensch, der bisher in Gesellschaft sich stets bescheidener Schweigsamkeit befließen hatte. In erster Zeit hatte mich sogar die Ansprache verlegen gemacht: ich nannte sie gnädige Frau, sie widersprach nicht, doch ahnte ich bald die Unschicklichkeit dieser würdigen Ansprache, denn die Dame kam mir manchmal sehr jung vor und ich nannte sie endlich »mein Fräulein«. Manchmal schlug sie Heine's Buch der Lieder auf, fragte mich, welche Gedichte mir am besten gefielen und las wohl selbst eines oder das andere, wobei sie manchmal seufzte und schwermüthig ward.

Als es in den Spätherbst hineinging, wollte uns der Tag nicht mehr leuchten zu unserem Schreibunterrichte, da wurde die Lampe angezündet, die einen rothen Schirm aus Seidenpapier hatte, so daß die Schreibeblätter und die Hände und die Wangen einen rosenglühenden Schein gaben. Manchmal zitterte im Schreiben ihre Hand ein wenig und sie bat mich, daß ich sie führe, was aber durchaus nicht nach der Schnellschreiberegel ist. – Zwei Minuten nach Ablauf der Stunde pflegte ich aufzustehen, mich vor meiner Schülerin zu verneigen und davonzugehen. Bei solchem Fortgehen kam ich mir sehr einfältig vor und ich ärgerte mich nachträglich, daß ich nicht artiger gewesen war gegen das liebenswürdige Fräulein. Das böse Gewissen ließ mich deswegen oft halbe Nächte lang nicht schlafen und ich nahm mir fest vor, das nächstemal sachgemäßer zu handeln. Als ich jedoch das nächstemal wieder neben ihr saß, wieder die stille Lampe brannte, wieder ein Heine'sches Gedicht gehaucht wurde, war ich eben gerade wieder so blöde, sehnte mir insgeheim den Verlauf der Stunde herbei und als sie vorüber war, zögerte es doch in mir, ob ich schon gehen oder meine Schülerin noch ein bißchen nachsitzen lassen solle.

Eines Abends im December machte mir das Fräulein die etwas überraschende Mittheilung, daß sie auf unbestimmte Zeit verreisen werde und daher den stenographischen Unterricht leider unterbrechen müsse. Sie händigte mir die Hälfte des ausbedungenen Honorars ein, die andere Hälfte stellte sie mir in Aussicht nach ihrer Rückkehr. Beim Abschiede theilte sie mir erröthend mit, daß sie sich von mir eine Gunst ausbitten wolle – ein Andenken von mir – eine ganz kleine Haarlocke.

Was sie an einer Haarlocke habe? fragte ich, die Sache ins Scherzhafte ziehend, denn ich mußte mein heftig pochendes Herz verdecken. Sie antwortete, das wisse sie schon und schnitt mir unter unsagbar zarten Berührungen vom Nacken links ein Löcklein ab. Nun wären wir gottlob im richtigen Geleise! dachte ich, that nichts dafür und nichts dagegen, wartend, daß das Glück mir in den Schoß falle. Das Fräulein stand eine Weile sinnend, endlich flüsterte sie: »Also denn – es ist bestimmt in Gottes Rath!« damit steckte sie mir ein halbaufgeblühtes Rosenknösplein in das Knopfloch. Ich drückte ihr die Hand, wünschte eine glückliche Reise und Wiederkehr und taumelte zur Thür hinaus.

Die qualvolle Zeit, die nun für mich kam, ist nicht zu beschreiben. Ich fühlte mich ganz und gar verwaist, mir war, als hätte ich die einzige Schwester – oh, weit mehr als eine Schwester! – verloren. Täglich mehrmals ging ich durch die Gasse und schaute hinauf zu ihren Fenstern, die mit Holzbalken verschlossen waren wie mitten im Sommer. Um Neujahr waren die Fenster plötzlich wieder offen, ich erschrak wonnig. Aber es waren nicht mehr die dunkelrothen Gardinen, es waren weiße Spitzenvorhänge, zwischen denselben schaute ein alter schmauchender Weißkopf hervor.

Also dahin für immer!

Die Rosenknospe hielt ich wie ein Heiligthum und legte sie gepreßt in das Etui, in welchem das Bild meiner verstorbenen Mutter war. Von ihr hatte ich kein Bildniß, um so lebhafter baute und malte die Phantasie an ihrer Gestalt, bis sie die Schönste, die Begehrenswertheste war, die je auf Erden gelebt. Hören ließ sie aber nichts von sich und ich wußte nicht, sollte ich meine Gedanken und Sehnsucht nach Osten aussenden oder nach Westen, um sie zu finden.

Uebrigens schleifte mich das Leben fort über Kummer und Freude, über Hoffnung und Enttäuschung, mir blieb dabei nur der Vortheil, daß ich älter und reifer wurde. Nach einem halben Jahre war die verreiste Schülerin glücklich verwunden und nach einem Jahre vergessen.

Frauen aber vergessen nicht so leicht. Als ich im zweiten Jahre auf der Universität war, erhielt ich eines Tages ein Packet zugeschickt. Kein Brief und kein Name war dabei. Das Packet kam aus einem böhmischen Orte, dessen Namen ich nicht zu enträthseln vermochte. Es bestand aus einem Buche mit folgendem Titel: »Die Schule der Liebe. Ein Unterricht für junge Männer und Frauen.« Ein Verlagsort war nicht angegeben, hingegen stand an der Stelle desselben mit Bleistift geschrieben: »Dem unvergeßlichen Lehrer die dankbare Schülerin F. St.

Anfangs stutzte ich. Wo und wann hätte ich in der Liebe Unterricht ertheilt! Endlich verfiel ich doch auf die Stenographenstunden mit Fräulein Stachari. Dieses schöne Buch sollte wohl der Rest des Honorars sein. Jedenfalls habe ich mehr aus demselben gelernt, als das Fräulein aus meinem Schnellschreibeunterricht. Als diese gedruckte Schule der Liebe durchgemacht war, kam es mir unbegreiflich vor, daß irgend ein Mensch blöde sein könne. Neuerdings stieg die Erinnerung an die junge schwarze Dame in mir auf, aber nun in ganz neuer Beleuchtung; ich durchsuchte alle Ecken und Ränder des Buches, jedes Blatt, um etwa ganz klein, vielleicht gar in stenographischer Schrift geschrieben, ihre Adresse zu entdecken. Vergeblich. Sie blieb mir unerreichbar und fern in Dunkel gehüllt. Freilich fehlte es nun nicht mehr an anderweitigen Zerstreuungen, doch that es mir leid, wenn ich an das Fräulein Stachari dachte.

Endlich nahm mein Leben eine andere Richtung. Die Studien waren vollendet, ich gewann an der Universität zu G. eine Privatdocentenstelle. Ich fühlte mich ruhiger und ernster werden und begann mit tieferen Absichten nach dem schönen Geschlechte auszublicken. Eine Advocatenstochter war, mit welcher ich Verkehr anzubahnen suchte. Zur selben Zeit erhielt ich den Brief, welchen ich noch in der Tasche trage.

Prag, am 20. Juni 1884.

»Verehrter Professor!

Wohl kaum darf ich hoffen, daß Sie sich noch erinnern an eine unaufmerksame und störrische Schülerin, welcher Sie stenographischen Unterricht ertheilten. Wie saßen wir doch so fromm und dumm beisammen! Ach, lange, lange ist es her! Die Stenographie habe ich gottlob vollständig vergessen, wozu auch hätten wir Frauen den Mund und manchmal sogar einen frisch rothen, wenn wir uns nur aufs Schreiben verlegen wollten! Weniger habe ich des jungen Lehrers vergessen, der war stramm wie ein Lieutenant und schüchtern wie ein Mädchen in der Fibelclasse. Heute wird wohl das Eine noch zutreffen, aber das Andere sicherlich nicht mehr. Möglicherweise hat sich auch bei der kleinen Schülerin seither Einiges geändert, denn sie lebt in den Jahren, die wie Champagner prickeln. Keine Wirthin, die aller Welt aufwartet mit dem Stängelglase, die aber gern ihrem ehemaligen Lehrer den Labetrunk reichen möchte, falls er ihn von ihrer Hand nähme. Das Leben ist, ach, ja so flüchtig, und manche Frucht, die in kindischen Jahren sehnsuchtsvoll gesäet, gehegt worden, reift so spät! Aber nicht zu spät, so lange der Gaumen noch lechzet, der Arm sich ausstreckt nach schwellendem Apfel.

Ist Ihnen nie gesagt worden, daß ein junger Professor Reisen machen, die Welt genießen und auch Prag sehen müsse? Ach, so halten Sie sich doch daran! und das Wichtigste ist, daß Sie in Prag sich nach Ihrer Schülerin umsehen und mit ihr einen ganzen Abend lang von alten schönen Zeiten plaudern! Ach, wie wird das hübsch sein! Sie dürfen mit Ihrem Besuche aber durchaus nicht so lange warten, bis Sie ehrwürdig werden. Und damit nicht noch mit dem thörichten Schreiben so viel Zeit vergeht, schließe ich rasch; das Weitere ist Ihre Sache.

Ihre

Josefine Stachari.«

Noch ist die genaue Adresse angegeben.

Jetzt war mir etwas eigenthümlich zu Muthe. Das ganze nun zur Leidenschaft gesteigerte Fühlen für die geheimnißvolle und doch so offenherzige Dame ward in mir wach. Ich setzte mich hin, schrieb einen Brief, in welchem ich mit heftigen Ausdrücken der Ungeduld mein Kommen anzeigte. Der Brief selbst war eine so ungestüme Umarmung, daß ich ihn nach der zweiten Durchsicht zerriß. Der Weg von G. bis Prag ist kein Spaziergang zu einem Stelldichein, aber hatte ich nicht schon seit langem im Sinn, nach dem schönen Dresden, nach dem großen Berlin zu reisen? Dabei ließe sich Prag ja sehr leicht machen. Ich bekämpfte mein Temperament und schrieb der Dame mit einer den Zuständen durchaus nicht entsprechenden Ruhe, daß ich vorhätte, demnächst auf einer größeren Reise Prag zu berühren, bei welcher Gelegenheit ich nicht verfehlen würde, sie aufzusuchen.

Wenige Tage später war von ihr der zweite Brief da:

»Liebster Herr Professor!

Diese Aufregung! Diese Freude! Diese Angst! Ich kann mich kaum fassen, ich kann es nicht glauben, daß es sein soll, Sie hier zu sehen. Es wäre zu herrlich! Ich müßte Ihnen an den Hals fallen und weinen. Ich habe Ihnen so viel mitzutheilen, anzuvertrauen; aber Sie müssen mir versprechen, ritterlich zu sein gegen ein hilfloses Weib, dessen verzagendes, seliges Herz Ihnen entgegenschlägt. Ach wie lange war die Zeit, wie einsam war mir oft unter meinen Blumen! Ihr Schreiben hat mich über alle Maßen glücklich gemacht, haben Sie Dank! Und kommen Sie rasch, setzen Sie sich auf den nächsten Zug, fahren Sie Tag und Nacht, ich vergehe vor Ungeduld, Ihnen mein Glück an den Busen zu legen. Sagte mir meine Ahnung doch schon lange, daß ich mich an Ihnen nicht täusche, daß Sie nicht täuschen können, mein theurer, mein lieber Freund. Nur müssen Sie nichts Arges von mir denken über meinen unbändigen Freimuth, ich bin ein Weib. Die Stunde, wann Sie mich finden, kennen Sie, es ist unsere Stenographenstunde wie vor fünf Jahren. Fünf Jahre jünger bin ich geworden durch Ihren Brief, haben Sie nochmals Dank und eilen, eilen Sie zu Ihrer Freundin

Josefine Stachari.«

Für eine Portion war das genug. Mir wurde fast unheimlich. Für ein nettes Abenteuer baute sich die Sache fast zu groß auf, das läßt sich nicht so leicht abhaken, wie es angehakt ist. Das war nun doch einmal ein Weib, wie ich im müßigen Ideale mir es oft gedacht hatte, ein in heiliger Leidenschaft lohendes, alle Convenienzen kühn verachtendes, heldenhaft liebendes Weib. Daß mittlerweile in meiner Erinnerung auch ihr Bild wundersam reizend und schön geworden war, habe ich Dir ja schon gesagt.

In den ersten Tagen der Ferien packte ich meinen Koffer und reiste Tag und Nacht der alten Königsstadt Prag zu. Es war mir zu Muthe wie auf einer Brautfahrt. Es war doch zu rührend, wie sie meiner gedacht, wie sie auf mich gewartet hatte, bis ich in der Lage war, ein Weib heimzuführen. Und selbst, daß sie von mir fortgezogen, war das Werk einer großen Seele. Sie wollte uns gegenseitig die Reinheit hüten, sie wollte mich frei lassen, frei leben und frei wählen.

Unsere Stenographenstunde war Nachmittags von fünf bis sechs Uhr gewesen. Zu Prag ins Hotel gekommen, war mein Erstes, durch einen Boten ihr meine Ankunft anzuzeigen, und daß ich mich noch an demselben Tag um fünf Uhr bei ihr einfinden würde. Hierauf reinigte ich mich sorgfältig von dem Staube der Reise, nahm ein Mahl zu mir und bereitete mich vor auf den Besuch.

Punkt fünf Uhr schellte ich an der Thür ihrer Wohnung. Ein schmuckes Stubenmädchen erschien, um zu öffnen, fragte leise, ob ich der Herr aus G. sei und führte mich dann in ein dunkelgehaltenes Gemach. Es war fast üppig eingerichtet und die Blumen und Rosen schienen mir noch prangender zu blühen und noch betäubender zu duften, als vor Jahren. Da glitt sie auch schon auf mich zu, in schneeweißem Hauskleide war sie, sank mir an die Brust und flüsterte: »Sie sind's! Gott, wie mir das Herz pocht!« Dann schluchzte sie und wir saßen auf einem Sopha. Obzwar wenig Licht fiel auf ihr Antlitz, so sah ich doch, daß dasselbe etwas rundlicher geworden war, und ihre Wangen schienen mir noch blasser und ihre Augenwimpern noch schwärzer und ihr Mund noch röther als vor Jahren. Und weil durch die leidenschaftliche Begrüßungsscene auch ihre schwarzen, seidenweichen Haare locker geworden waren und nun niederrollten auf ihre wogende Brust, so war sie unbeschreiblich schön. Vor den schweren Fenstergardinen stand ein rundes Tischchen, an welches mit einem Kettlein ein Papagei gefesselt saß, der fortwährend krächzte.

»Ach!« flüsterte sie, »der Vogel freut sich auch, daß Sie gekommen sind. Und Sie sind so stattlich und schön geworden, oh, ich bin wahnsinnig vor Glück!« Dabei nahm sie meine Hände und preßte sie heftig.

»Ach, Freund!« hauchte sie, »Sie bringen mir die schönen Tage der ersten Jugend zurück!« Und da ich kaum eines Wortes mächtig war, so fuhr sie mit unendlichem Reize fort zu plaudern von vergangenen Zeiten, von dem Leben in G., von ihrer Kindheit, die herbe gewesen, von dem Glücke, das nun gekommen. Ich merkte nicht auf das, was sie sprach, ich hörte nur ihrer Stimme süßen Klang, ich fühlte nur den Athemhauch aus ihrem Munde – mir verging das Denken und urplötzlich rissen meine Arme sie wild an mich, um sie zu küssen. . . . In demselben Augenblicke fuhr sie kreischend auf und stieß mich heftig zurück.

»Mein Herr!« rief sie mit vor Zorn fast erstickter Stimme, »das ist abscheulich!« dann stürzte sie zur Glocke mit dem Ruf: »Mein Gemahl! Mein Gemahl!«

Da trat aus dem Nebenzimmer ein schlanker, hagerer, brauner Mann im feinsten Salonanzuge.

»Gott, o Gott!« schluchzte das Weib und preßte ihre Hände ins Gesicht: »Diese abscheuliche Frechheit! Züchtigen Sie ihn! Meine Freundschaft so zu mißbrauchen! Eine harmlose Plauderstunde über vergangene Zeiten! Von meinem Glück wollte ich ihm erzählen! Und er schändet's, der wahnsinnige Bube! – O Gott, meine Nerven . . . .!«

Der braune »Gemahl« stand immer noch an der Thür und drehte seinen langen Schnurrbart. Ich hatte mich von meiner Ueberraschung eher erholt, als es mir heute selbst erklärlich ist. Ich war aufgestanden und wartete einstweilen darauf, was der Gemahl sagen würde. Da dieser weder einen Revolver noch einen Dolch ergriff, sondern sich nur an mir und seiner rasenden Frau ergötzte und verschmitzt schmunzelte, so trat ich einen Schritt an ihn und sagte: »Es ist kein übles Abenteuer. Wem gehört sie aber nun! Sie, mein Herr, werden Gemahl genannt, und ich werde durch glühende Liebesbriefe aus dem fernen G. herbeigeholt!«

»Hat Alte wieder Dummheit gemacht!« schnarrte der braune Mann mit fremdartiger Betonung, dann zog er sich wieder in sein Zimmer zurück und lehnte die Thür zu.

Eine kochende Hölle im Herzen, starrte ich das Weib an. Sie sank mit vollendetem Faltenwurf ihres Kleides zu meinen Füßen nieder und schluchzte: »Ach, verzeihen Sie mir! theurer Freund! Ich bin namenlos unglücklich!«

Mit der Fußspitze schob ich sie von mir. Ohne auch nur ein Wort zu verlieren, ging ich zur Thür hinaus. –

Willst Du etwas draus machen, Port? Ich gestatte Dir's.



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