Peter Rosegger
Das Geschichtenbuch des Wanderers
Peter Rosegger

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Ein Gerichtstag zu Alt-Abelsberg.

Skizze aus der Culturgeschichte der Deutschen.

Wir sind für den 28. October anno 1628 nach Alt-Abelsberg auf den Amtstag vorgeladen. Da werden wir wohl einen Vorfahren schicken müssen, uns entschuldigend, daß wir selber nicht erscheinen könnten, weil wir noch gar nicht auf der Welt waren.

Was es denn geben mag? Die Abelsberger Vogtei hat einen tiefen Thurm und draußen auf dem Hügel, wo man weit in's Land sieht, ein hohes Gerüste, an welchem eine Leiter lehnt – eine Aussichtswarte der alten Zeit – mit dem Blick in's Jenseits. Man thut verdammt schwer mit dem Vogt von Alt-Abelsberg. Da sitzt er am breiten Tisch und ist mit Actenstößen vermauert, daß nur der Kahlkopf daraus hervorschaut. Zwischen den Papierwuchten steht ein Crucifix, der Schrecken aller Bösewichter, vor dem sich Mancher im Meineide wohl den lichten Galgen ab-, hingegen die »ewige Höllen« angeschworen hat. Unter dem Tisch ist aber ein Querbrett und auf demselben steht ein stattlicher Krug, aus welchem der Vogt bisweilen einen Schluck Weisheit zu sich nimmt, oder einen scharfen Trunk Strenge, oder einen Tropfen Milde, je nach Bedarf. Denn »dieweilen der allmächtige Gott dieses Jahr einen ziemlichen Herbst bescheert, zudem der Wein gut, so sind der Vogtei die großen Fässer zu füllen.«

So ist's amtlich bekannt gegeben worden.

Weiter unten sitzt ein Rathsherr von Abelsberg, der nur ausnahmsweise fungirt, daher eines besonders richterlichen Ansehens beflissen ist. Noch weiter unten hockt der Schreiberknecht, der die Gerichtsverhandlungen jenes Tages sorgfältig auf's Papier thut oder vielleicht gar auf's Pergament, auf daß es nach Jahrhunderten »zur Warnung christlicher Personen« gelesen werden kann. Die Gerichtsstube hat schwere Fenstergitter, was der heute vorgerufene Jörg Metze für überflüssig hält. »Wird's wohl sicherlich Keinem einfallen, daß er da beim Fenster hereinsteigt!«

Aber hinaus, mein Jörg Metze!

Wir, oder vielmehr die Unsern, sitzen am äußersten Rande der Anklagebank – ganz am Ende – und müssen warten, bis alle Anderen fertig sind. Das wird vielleicht gar etwas mit Ausschluß der Oeffentlichkeit.

»Die Barbara Obrechtin hie?«

Die Genannte meldet sich, sie wäre hie.

»Sie soll aufstehen und hergehen und dem Gericht ihre Reverenz erweisen. – Die Barbara Obrechtin hat ein böses Maul, ist des greulichen Fluchens verklagt, hat auch die Schüttnerin eine Hundsflug geheißen!«

»Und hat mich,« fährt die Klägerin Schüttnerin auf, »ein Schreibermensch und Pfaffenroß geheißen.«

»Ist's wahr?« fragt der Vogt.

»Beim heiligen Sacrament sag' ich's aus, es ist wahr!« ruft die Klägerin.

»Wenn's wahr ist, mag sie's ja sagen,« entscheidet der Vogt, denn die Obrechtin hat ein fein Gesichtlein.

»Wahr ist's, daß sie mich's geheißen hat,« schreit die Schüttnerin, »aber nit wahr ist's, daß ich's bin.«

»Und ich sag's umgekehrt!« ruft die Obrechtin. Sie hat ein fein Gesicht, doch es ist ihr nicht zu helfen, sie hat in dem letzten Wort – in dem Widerruf – die Beschimpfung wiederholt. Der Richter muß sie verdammen. Sie soll in den Thurm und drei Tag beten. –

»Der Ulrich Riedling!«

»Hie!«

»Er hat sein Eheweib mit dem Arthelm auf die Brust geschlagen.«

»Mit Vergunst, hoher Herr, sie ist selber d'ran Schuld, sie hat mir nicht den Rucken zugehalten.«

»Schlagt Ihr sie oftmalen?« fragt der Richter.

»Mit Vergunst, hoher Herr, nur an Sonn- und Feiertagen.«

»Weshalben?«

»Weil ich zu Werktags im Oberwald arbeite und nit daheim bin.«

»Damit Ihr Euch einander attachiret, setze ich Euch zusammen in den Thurm. – Man soll ihnen aber nur einen Suppentopf und einen Löffel geben.«

So der weise Entscheid des Vogtes. –

»Itzo kommen die Zwei!« sagt der Büttel und deutet mit dem Zuchtstock auf ein jüngeres Paar, dem er ein besonderes Interesse zu schenken scheint.

»Der Josef Birstl und die Agatha Grießel!«

»Sein bereit!« sagt der Bursche und steht mit dem Weibsbild von der Bank auf.

Der Richter: »Vor etlich Monaten habt Ihr hierorts zugesagt, daß Ihr Euch ehelich verbinden werdet. Ist bis dato nicht geschehen.«

»Wir finden keinen Geistlichen, der's so gut kann, als wir's brauchen,« entgegnet der Bursche.

»Es kommen« sagt der Richter, »bei den jungen Eheleuten jetzt die Siebenmonatskinder in Brauch.«

»Ja, wenn das Weib über die Stiegen fällt,« giebt der Bursche zu bedenken.

»Ist nur die Frage,« wendet jetzt der Rathsherr ein, »warum die Weisheit Gottes das junge Geschöpf neun Monat lang der Welt vorenthält, wenn es, wie man sehen kann, mit sieben schon ganz und gar reif ist! Darum ist mein Begehr: Früh genug heiraten.«

Das junge Weibsbild hebt zu weinen an; es wäre ihr das Heiraten sonst ja recht, aber Ehemänner schlügen ihre Weiber, während Andere mit ihnen größtenteils zärtlich wären.

Wird verordnet, das Paar hätte so lange, bis es »ehekirchlich« getraut, jeden Freitag eine Stunde auf der Schimpfkanzel zu stehen.

Der Rath wendet ein, ob man die Zwei nicht lieber auseinanderjagen solle?

»Kann bei denen Leuten nit mehr stattfinden,« ist der Bescheid des Vogtes und der Büttel führt die Abgethanen ihrer Wege. –

Jetzt wird der Säufer Hannes Brenn vorgeführt, man kennt ihn allerwegen. Aber er stellt sich ganz nüchtern und ist vor dem Vogt der Höflichste und Gewandteste von Allen. Er ist wie daheim in dieser Gerichtsstube und weiß genauen Bescheid, wie man sich zu verhalten habe. Den Richter besticht das nicht.

»Hannes Brenn,« sagt er, »Du bist neulings wieder auf Suff betreten worden.«

Der Hannes zuckt mit Bedauern die Achseln.

»Bist demzufolge eines Meineides gegen den allmächtigen Gott überwiesen, Hannes Brenn!«

»Das ist ein Irrthum, ehrenwerther Herr Vogt,« vertheidigt sich der Hannes, »meineidig worden bin ich nicht.«

»Dieser Ausspruch ist eine verdammliche Frechheit, Hannes Brenn,« sagt der Vogt, »und will ich Dir Deine eigene Urfehde in Erinnerung bringen, die Du vor Jahresfrist, wie Du wegen Suff das drittmal aus dem Thurm bist entlassen worden, gegeben hast.«

Und liest die Schrift:

»Ich Hannes Brenn, seßhaft zu Ober-Abelsberg, Gericht Abelsberg, bekenn: Nachdem ich mich zuwider der Römischen, Kayserlichen Majestet meines allergnädigsten Herrn ausgegangenen Mandaten mit Suff und Fluch und Stritt bisher trotz alles Verwarnens oftmals übersehen, dennoch durch Gnad und Barmherzigkeit des Herrn Landvogt milde gebüßt worden bin, schwöre ich anheute einen aufgehobenen Eid leiblich zu Gott und den Heiligen, daß ich von heut dato in der Landvogtei und gnädigen Verwaltung keine offen Herberg oder Wirthshaus besuchen will. Wo ich aber an mir selbst Untreue begehen und diese Urfehde nit halten möcht, soll alsdann mein gnädiger Herr Landvogt volle Gewalt und Macht haben, mich straks gefänglich einzuziehen auf Jahr und Tag. Diese Urkund habe ich gethan zu Abelsberg am 18. Juli Tag, anno 1628. Hannes Brenn.«

So die Urfehde. Der Richter fragt: »Nun, Hannes, wie steht es jetzt? Du bist neuerlich im Wirthshaus bei Suff und Fluchen und Stritt betreten worden.«

»Mag ja sein, Herr Landvogt.«

»Und also meineidig!«

»Meineidig bin ich nicht worden, Herr Landvogt.«

»Wiederhole demnach noch einmal,« liest der Richter, »schwöre ich anheute einen aufgehobenen Eid leiblich zu Gott und den Heiligen, daß ich von heut dato in der Landvogtei und gnädigen Verwaltung keine offen Herberg oder Wirthshaus besuchen will.«

»Darum bin ich in die Hirschberger Vogtei hinüber gegangen, wann der Durst zu groß worden ist.«

»Soll ich den Kerl peinlich berathen?« fragt der entrüstete Vogt.

Der Rathsherr meint, solchen Rath könne der Hannes leichtlich übel aufnehmen und dafür gelegentlich einen rothen Hahn verehren. Er schlage vor, den Eid des Hannes Brenn auch für die Vogteien Hirschberg, Obermoos und Neumünster erweitern zu lassen.

Ist angenommen und wird verfügt. –

Nun kommt die saubere Gesellschaft der Sacramentsschwänzer. Das sind fünf Bauern aus Ober-Abelsberg, deretwegen der Kirchherr sich bei Gericht beschwert hat, daß sie die österliche Beichte umgangen hatten und am verwichenen Ablaßsonntag auch noch bei keinem Beichtstuhl gesehen worden wären.

Die fünf Männer stehen rostig und eckig von der Bank auf.

Sie sollten vortreten.

Sie heben sich mit vieler Noth ein paar Schritte voran.

Ob sie des Teufels wären? fragt sie der Richter.

Sie schauen sich gegenseitig an: Daß sie nicht wüßten!

»Michel Schmied, wesweg bist Du am verwichenen Sonntag nicht zum Sacrament gegangen?«

»Ist halt so eine Sach',« antwortet der Angerufene und walkt in Verlegenheit seinen Filzhut, was die übrigen vier genau so machen, »bin desselbigen Tags schon Morgens früh so viel zornig worden, weil's geheißen hat, meine Kühe wären in der Nacht verhext worden, was sich aber alsdann herausgestellt hat, daß es nicht wahr ist gewesen. So hab' ich mir d'rauf gedacht: An einem solchen Tag, wo Du in der Gottesfrüh schon so höllisch gescholten hast, gehst nit zum Sacrament.«

»Und der Tubel-Franz, warum ist Der ausblieben?«

»Wenn ich Birnknödel freß, schier noch ehevor ich die Augen recht aufmach'!« entschuldigt sich der Tubel-Franz. »Sind just so gestanden im Bettkastel, vom vorigen Tag her, und mein Weib, das hat sie, wegräumen thut sie gar nichts. Ich reck' die Füß' aus und denk': aufstehen sollst! Und reck' die Händ' aus, und auf ja und nein kommt mir eine mit dem Birnknödel zurück – und schnurgerade in's Maul. Sagt mein Weib: Birnknödel ißt und willst heut' zum Sacrament? Ich schrei ihr das letzte Wort nach und spring' auf – und aus ist's für den Tag. Muß schon warten, bis ich einmal nüchternerweise aufsteh'.«

»Also, das wäre der Tubel-Franz gewesen,« meint der Vogt und klaubt in seinen Papieren; »jetzt möcht' ich aber gerne wissen, was der Anton Wolten für ein Hinderniß gehabt!«

Der Anton Wolten starrt seine Genossen an, ob das ihn angehe? ob er's wohl auch wäre, der Anton Wolten? Und als hieran alle Zweifel behoben sind, stottert er, daß an jenem Tage seine Hosen so unziemlich viele Löcher gehabt hätten, daß auch die Joppe, die man wohl noch an ihm sehen könne, derart schäbig wäre, daß es einem christlichen Gewissen wohl schon die Ehrerbietung vor dem Heiligsten verbiete, in solchem Aufzuge das Sacrament zu empfangen.

Der Vierte sagt aus, daß er sonstwie nicht genugsamlich vorbereitet gewesen sei, um die heilige Handlung zu begehen. Und der Fünfte, der Christian Holluf, ruft, als er zur Rede gestellt wird: »Das übersteigt schon alle Gnad' und Barmherzigkeit!«

»Gnad' und Barmherzigkeit verlangst Du, alter Sünder!« sagt der Richter.

»Nicht für mich, Herr Vogt, nicht für mich, aber für den Kirchherrn. Bedenkt's einmal! Den ganzen Tag im finsteren Winkel sitzen – mitten in der Sündenbrut, und nichts hören als Lumpereien und Schurkereien und allerhand stinkende Laster. Da müßt Einer kein Herz im Leib haben, wenn Unsereins auch noch kommen thät mit der schmutzigen Wäsch'. Wer kann denn das aushalten? Nein, nein, ich komme an einem andern Tag, wo der Kirchherr ausgerastet ist.«

So sagt nun der Rathsherr: »Das sind ja lauter christliche Leute! So viel Ehrerbietung haben vor dem Sacrament und seinem Diener, das wird man nicht bald wieder finden.«

Der Vogt ist anderer Meinung und verurtheilt die Fünfe zur sofortigen Beicht und Communion. –

Jetzt wird's draußen laut, die Thür springt auf und knarrt in ihren schweren Angeln. Sechs Männer schleppen ein gebundenes Weibsbild herein. Das hatte, weil Hände und Füße gefesselt, von ihren weißen Zähnen Gebrauch gemacht, so lange sie konnte und nun keine andere Gegenwehr, als die schneidende Zunge.

Der Landvogt fährt die Büttel an, was denn das für eine Art sei, die anberaumte Gerichtssitzung mit einem nicht dahergehörigen Weibsbild zu unterbrechen.

»Wir kriegen Jeder drei Schinderlinge,« entgegnete einer der Büttel. »Wir haben die Hexe abgefangen.«

»Von Dato 30. Julius Tag an wird für das Hexenabfangen nit mehr als zwei Schinderlinge gezahlt, per Person,« redet jetzt der Schreiberknecht drein und weist auf die Schrift, die solchen Beschluß enthält. »Doch soll hinfüro der Hexe Bett und dazugehörige Federn den Bütteln, als Folterknechten und Scharfrichtern, zu gleichen Theilen zugesprochen werden.«

Damit geben sich die sechs Gesellen zufrieden und es beginnt das Verhör der Hexe. Sie ist ein junges Weib mit rothem Haar und schielenden Augen. Sie ist angeklagt, ein Hagelwetter gemacht zu haben, das alles Obst in der Abelsberger Gegend zunichte schlug. Ursache: Weil man sie bei einem Apfeldiebstahl ertappt und scharf gezüchtigt habe. Beweis: Der Schlürer Jakob habe vor seinem Haus ein hühnereigroßes Hagelkorn aufgehoben und in demselben ein rothes Haar gefunden, das nur von der Magdalena Heitin herrühren könne.

Die Magdalena Heitin wird losgebunden und gütlich befragt. Sie leugnet, wie alle Hexen anfangs leugnen. Aepfel habe sie gestohlen, das gesteht sie, und dafür sei sie auch geschlagen und eine Weile bei den Haaren umhergezerrt worden und könne es schon sein, daß dem Schlürer Jakob dabei ein's in der Hand geblieben.

Wenn jeder Hexe, so bemerkt jetzt der Rathsherr, auf ihr erstes Aussagen geglaubt worden wäre, so hätte Abelsberg viel Geld erspart, das sonst auf Scheiterhaufen d'ran gegangen sei. Aber es nütze nichts. Gegen die Heitin sei ausgesagt worden und in so wichtigen Sachen gebe vor Gott dem Allmächtigen Keiner ein falsches Zeugniß.

Nun beginnt die peinliche Frage und dazu wird ein anderes Local gewählt. Wir hören durch die Wand die Magdalena Heitin schelten und wimmern, wir hören sie nach einer Weile herzbrecherisch schreien und alle Heiligen anrufen. Und wie die Qualen so groß werden, daß es nicht mehr möglich ist, dabei zu leben, und noch nicht möglich ist, dabei zu sterben, da hebt sie an, auszusagen. Wie ihr nach der Mißhandlung von wegen den Aepfeln vor Leid und Schand das Herz hätte abspringen wollen, da sei ihr im Riederschachen ein fremder Mann begegnet, der habe ihr zugeredet, daß er ihr helfen wolle, wenn sie Gott und allen Heiligen abschwören und ihm zu Willen sein möchte; sie habe es gethan und dann vom Fremden eine Haselgerte bekommen, mit der sie nachher das böse Wetter gezaubert.

»'s ist allemal dieselbe Geschichte,« sagt der Rathsherr.

Freilich wohl, mein ehrenwerther Rathsherr, ist's allemal die alte Geschichte, weil Einer unter den Martern der Folter nichts Neues einfällt und nur sie das nachsagt, was sie von Anderen gehört hat. – Aber bei der Magdalena Heitin sind sie an eine Unrechte gekommen; das ist eine Rachgierige, die denkt: Wenn sie mich zu Grunde richten, so sollen auch Andere hin sein. Und reitet die bravsten und angesehensten Weiber von Abelsberg und Ober-Abelsberg in's Verderben. Sie sagt aus, daß sie nicht allein wäre, und fragt, ob man nicht wisse, daß ein Hexenstück nur dann gelingen könne, wenn alle Zauberer und Hexen der ganzen Gegend damit einverstanden wären? Nun habe sie auf dem Besenritt viel gute Bekannte und ehrenwerthe Frauen begegnet, so die Gerbermeisterin von Ober-Abelsberg und die Frau des Küsters daselbst mit ihrer Tochter, dann den Schuhmacher Okensaß zu Abelsberg und sein Weib, und die Schwägerin des Rathsherrn Bühlkamm und deren Schwester, die Schulzensfrau und die Frau des Landvogtes und viele Andere. Die Schulzensfrau verlege sich aber nur auf das Umbeten der Krankheiten von einer Person auf eine andere, während sich die Traitmesserin von Abelsberg zumeist mit Verhinderung ehelicher Pflichten befasse.

Jetzt ist's Zeit für den Landvogt, zu beschwichtigen. Es würde ein boshaftes Geschwätz sein, man solle die Magdalena Heitin ein wenig peitschen und dann auf freien Fuß setzen. Dagegen wehren sich aber die übrigen anwesenden Angeklagten und Vorgeladenen. »Wenn gemein Mann und Frau auf bloße Gerüchtaussagen eingeführt werden, so begehren wir das auch bei Herrenleuten. Die Schwägerin des Rathsherrn Bühlkamm und deren Schwester und die Frau des Schulzen und des Landvogtes müssen so gut wie Andere in den Hexenstuhl gestellt und peinlich befragt werden!«

So will nun der Vogt die gefährliche Weibsperson einfür allemal unschädlich machen. Es wird ohnehin morgen eine Gesellschaft verbrannt; er läßt den Bütteln sagen: »Wenn wir mit der Magdalena Heitin können fertig werden, so mag sie mitgehen.« –

Schreiten hierauf zur Tagesordnung.

Wir haben jetzt aber gerade genug. – Landvogt von Alt-Abelsberg! Du hast uns Kinder einer neuen Zeit vor Deinen Richterstuhl gefordert! Oh, laß das, für uns wäre Dir doch kein Galgen hoch genug. Anders steht heute die Welt, anders der Himmel und wir sind Deine Richter. Du warst besessen von Aberglauben, Bigotterie und Fanatismus, menschlich Fühlen hast Du erst gekannt, als es Dir an den eigenen Hals ging. Irren ist menschlich, so damals, so heute, aber mit trotzigem Unfehlbarkeitsdünkel auf dem Irrthume zu beharren und demselben unzählige von Menschen zu opfern, das ist teuflisch. Das ist der Teufel des Mittelalters, den die Keule der Vernunft wohl betäubt, aber noch lange nicht getödtet hat. Wir haben hier kurzen Einblick gehalten in einen Deiner Gerichtstage, Du armseliger Landvogt von Alt-Abelsberg. Du bist der Irreleiter und der Henker Deines Volkes gewesen. Brich zusammen, morscher, blutbefleckter Richterstuhl und begrabe den Vogt mit Deinem Moder!

Unser Büttel, die Zeit, hat diesen Urtheilsspruch bereits vollführt.



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