Peter Rosegger
Jakob der Letzte
Peter Rosegger

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Franz, bleib' daheim!

Die Schirmbäume am Guldeisnerhof warfen ihre Schatten; sie warfen solche über die Felder hinab und sogar eine Strecke jenseits der Bergblöße wieder hinan, denn es war schon am späten Nachmittage. Drei Männer stiegen den Feldweg herauf gegen den Hof. Es waren der Sepp in der Grub, der Rodel und der Jakob vom Reuthofe. Sie waren der Verabredung nach zusammengekommen und heraufgegangen, jetzt wollten sie sehen, ob sie Glück hätten.

Der Hof bestand in zahlreichen Gebäuden. Ställe, Scheunen, Schoppen, Dreschtennen, Fruchtkästen und zwei Wohnhäuser, alles stattlich und in bestem Stande erhalten. Das eine kleinere Haus, welches schier versteckt unter Kirschbäumen stand, war das Ausgedingstübel, das jetzt keine Insassen hatte, weil keine Ausnehmer, keine »Alten« vorhanden waren. Das andere, das große Haus, welches fast mitten in dem Kranze der Gebäude stand, aber doch so, daß es mit seinen vielen Fenstern frei in die Gegend aussehen konnte, trug an einer seiner Wände weiße Schußscheiben mit schwarzem Zentrum; der Guldeisner pflegte auf Scheiben zu schießen, wenn im Revier kein Reh war; und die Scheiben mit den Meisterschüssen ließ er sich selber zu Ehren an die Wand nageln.

Vor diesem Gebäude blieben die drei Männer stehen, um sich auszuschnaufen und hinzuschauen in das weite Land. Von keinem Hause in ganz Altenmoos hatte man eine so weite freie Aussicht, als vom Guldeisnerhof. Über die Waldbäume hinweg, die unten den Gesichtskreis engten, konnte von hier aus das Auge auf ferne Berge fliegen, die mit ihren weichen Linien in der Fremde draußen standen. Wenn dort die Sonne aufging, war es ihr erstes, daß sie dem Guldeisner zu den Fenstern hineinleuchtete in sein Bett, oder in die Kaffeeschüssel, wenn solche schon auf dem Tische stand. So gut hatten es die tiefer unten liegenden Häuser nicht; der Reuthof hatte gar keine Kaffeeschüssel, und ihre saure Milchsuppe mußten die Leute dort des Morgens im Schatten essen, während hier schon der goldene Sonnenschein lag.

»Ein schöner Platz ist's, der da heroben«, sagte der Sepp.

»Das Getreide wird halt doch um acht Tage später zeitig, als unten bei uns«, entgegnete der Rodel.

»Hingegen ist es schwerer im Körndl«, meinte der Jakob. »'s ist alles fester und körniger, was da heroben wachst. Wär's mein, das Gut, ich wollt's nicht verkaufen.«

Gegenüber dem Hause, am Holzschoppen-Kobel, stand mit versilbertem Halsbande geschmückt, der große schwarze Kettenhund. Er riß nicht an seiner Kette, er keifte und bellte nicht aufgeregt, wie die kleinen Kläffer, die an anderen Häusern hingen, er rasselte nur ein wenig und ließ in gemessenen Zwischenpausen ein würdiges Knurren hören.

Die Männer traten nun in das Haus und ohne viel Umstände in die große Stube. Da war niemand. Sie setzten sich an die Wandbank und der Sepp und der Rodel stopften ihre Pfeifen an. Der Jakob rauchte nicht, er schaute für sich in der Stube umher und dachte: Schöner, als die meinige, ist sie nicht. Aber größer ist sie. Tische stehen hier zwei, weil einer für die vielen Leute zu klein wäre. An der Stubenecke sind die Heiligenbilder nicht anders, wie bei mir. An der Wand bei den Tischen in Lederheftlein herum stecken die Löffel nicht anders, wie bei mir. Nur ihrer viel mehr. Sechsundzwanzig Löffel, und große! Das braucht was, jeden Tag in so einem Haus! Sechsundzwanzig Löffel! und was sie erst mit der Gabel essen! Und mit den Fingern! Und was sie trinken! Schlecht, hört man, wird nicht gelebt beim Guldeisner. Er selber versteht's und seinen Leuten gunnt er auch was. Soll unter seinem jungen Gesinde ja viele nahe Verwandte haben, der Guldeisner. – Na, ist recht.

So waren sie da und dachten ihr Teil und warteten in der geräumigen Stube. Alle Fenster waren geschlossen, und daß die Luft in solchem Raume etwas mürfelt, das bemerkt ein Bauer nicht. Die alte langweilig tickende Wanduhr hinter dem massigen Kachelofen zeigte schon die siebente Abendstunde. Von den gegenüberliegenden Waldbergen leuchtete das Sonnengold noch so hell zurück und zu den Fenstern herein, daß in der Stube eine grünliche Dämmerung war.

Jetzt kam von der Küche herein eine runde Magd mit feingeflochtenen Haarzöpfen, freundlichen Augen und frischer Gesichtsfarbe. Sie bedeutete den Männern, wenn sie etwa bei dem Guldeisner was zu schaffen hätten, so sollten sie so gut sein und ein klein wenig warten, dann möchten sie ins Stübel kommen. Er sei just aufgestanden.

Als die Magd hernach wieder zu ihrem prasselnden Herdfeuer hinausgegangen war, schmunzelte der Sepp, und sein Schmunzeln sagte mehr als sein Wort: »Das ist sie gewesen.«

»Schau einmal zum Fenster hinaus«, sagte der Rodel und tastete in die Luft hinein, »dort beim Brunnen steht auch eine!«

»Richtig!« sprach der Sepp, »eine säuberer, wie die andere. Diese schwarzen Augen! Die sind schwärzer wie der Teufel!«

»Und leicht auch gefährlicher!« meinte der Rodel.

»Und im Garten dort steht auch noch was!« sagte der Sepp.

»Meiner Seel'!« rief der Rodel, »das ist erst die Schönste! Salat begießen tut sie. Herrschaft, bei der ihrem Begießen muß es gut wachsen sein!«

»Ihre Kittel tragen da heroben die Weibsbilder nicht allzu lang.«

»Macht aber nichts, haben keine zerrissenen Strümpfe an.«

»Haben halt gar keine an.«

»Der Guldeisner hat's gern so, essen mögen seine Weiberleut', so viel sie wollen, aber mit dem Gewand sollen sie sparsam sein, wird er halt meinen.«

»Tut's eh leicht, wenn's schön warm ist.«

So tratschten sie, auch Männer können es, wenn sie Langweile haben. Der Guldeisner war unverheiratet, wußte die fleißigsten und frischesten Dienstboten in seinem Hof zu versammeln, und so ging die Arbeit allzeit munter von statten.

»Das ist halt das Schlimme!« sagte nun der Jakob mit einem schwermütigen Atemzug.

»Was meinst, Nachbar«, fragte der Rodel, »der Sparsamkeit mit dem Gewand wegen?«

»Wenn er Kinder tät' haben, der Guldeisner, rechtmäßige Kinder, er wäre festgenagelt an sein Haus und Grund.« So der Jakob.

Dann kam die Magd wieder: Jetzt könnten sie schon ins Stübel gehen.

»In Gottesnamen!« sagte der Rodel und zwinkerte mit dem einen Auge, das er hatte, »packen wir ihn an.«

Und sie gingen in das Nebenstübel, das voller Sonnenlicht war, weil das große blanke Fenster gegen Sonnenuntergang hin stand. Und wie vornehm eingerichtet! Am Fenster rosenrote Vorhänge, die an einem Eisenspänglein zum Verschieben waren. An den Wänden, über alten kunstvoll geschnitzten Schränken, Porzellankrüge und Teller, gegenüber der Tür ein Spiegel übergeneigt an der Wand hängend, so daß die Eintretenden darinnen ihre eigenen Füße wie über einen schiefen Fußboden herabsteigen sahen. Ferner an der Wand ein paar vielgabelige Hirschgeweihe, ein Schießgewehr und ein Weidmesser. Auf Bett und Stühlen war die grauenhafteste Unordnung, und der Guldeisner saß in Hemd und Unterhose an dem unbedecktem braunen Tischchen und schlürfte just seinen Morgenkaffee, wobei er das Gesicht in die Schale steckte, so daß die Eintretenden von seinem Kopfe nichts sahen als den schwarzen wirren Haarwust.

»Geht's nur her, Nachbarn!« rief er mit schnurrender Stimme noch zuhalb in das Kaffeegefäß hinein. Als er dieses endlich pfusternd auf den Tisch gestellt hatte, sah man den Altenmooser Großbauer von Angesicht zu Angesicht. Auf breiten Achseln saß kurz- und dickhalsig ein runder Kopf. Üppiges verfilztes Haar, kleines Gesicht mit stark vorstehenden Wangen- und Backenknochen, buschige Augenbrauen, große schwarze und unruhige Augen, plumpe Stumpfnase, an der sich die Nüsternflügel weit aufzogen, wenn er in Erregung kam. Das einzige, was an dem Manne wohlgepflegt war, mußte wohl der Schnurrbart sein; der war so kohlrabenschwarz, daß man ihn für gefärbt hätte halten können, war so dicht und kurzgeschnitten und mit dem Schermesser scharf abgegrenzt, daß es aussah, als hätte der Guldeisner zwischen Mund und Nase ein wulstiges Filzlein geklebt. Alles übrige war sorgfältig rasiert, was an der sonst ungefügen und verwahrlosten Gestalt das einzige Anzeichen gab, daß der Mann kein gewöhnlicher Waldbär sei. Er war in der Tat ein ungewöhnlicher.

»Geht's her, geht's her!« schnarrte er mit seiner breiten, fast schmetternden Stimme; man merkte gleich, der Mann war gewohnt, scharf in die Welt hinein zu reden, ohne die Worte viel zu mustern.

»Man kennt sich frei nicht aus«, bemerkte der Sepp in der Grub, »stehst erst auf, Nachbar, oder gehst schon schlafen.«

Er stand freilich erst auf, und ein Guldeisner kann die Tageszeiten umkehren wie er will, darüber hat er niemandem Rechenschaft abzugeben. Er überhörte also die Bemerkung. Sie sollten die Hosen, Leibeln und Pfaiden von den Stühlen werfen und sich selber draufsetzen, war sein Rat, den die drei Männer sofort auch befolgten. Hierauf griff er, ohne sich von seinem Sitze zu heben, mit einer langen Hand ins Wandkastel, nahm einen Tonplutzer hervor, schenkte daraus drei Stengelgläschen voll und rief: »Mögt's ein' Schnaps?«

»Du kannst dir's halt anschicken, da heroben«, sagte nun der Rodel einlenkend, nachdem er ein paarmal mit der Hand in die Luft gefahren war, als wollte er Fliegen fangen, »du laßt dir nichts abgehen auf deinem Berg, und recht hast. Ich tät's auch an deiner Stell', gunn' dir's. Du kannst besser leben, als wie etwan so ein Kampelherr, der im Land umfährt, um sein Geld loszukriegen, sich damit wohl Bauernhäuser kaufen kann, aber nicht das Ansehen und die Altgesessenheit vom Guldeisnerhof!«

»Hei, der Kampelherr!« schmetterte der Guldeisner lachend hervor.

Der Sepp blies von seiner Pfeife rasch nacheinander Rauch aus. »Die neueste Lug«, sagte er dann und paffte wieder, »die neueste Lug', die in Altenmoos umgeht, hast sie schon gehört, Nachbar? Wird dir Spaß machen.«

»He, Lug'? So!« schnarrte der Großbauer.

»Ja, ja! Sie sagen, der Guldeisner wollt' sein Haus verkaufen, sagen sie.«

»Sagen sie das?« lachte der Guldeisner laut.

»Es wird nicht wahr sein«, sprach nun der Jakob.

»Warum soll's nicht wahr sein?« schnauzte ihn der Großbauer an. »Morgen laß ich einspannen und fahr' nach Sandeben zum Kampelherrn. Ein Narr müßt einer sein!«

»Nachfahren?« sagte der Sepp, »nachfahren wollt' ich ihm nicht. Wenn ich Guldeisner wär', schon gar nicht. So viel ich weiß, ist der Guldeisner noch keinem Bauern und keinem Herrn nachgefahren. Wenn der Herr was will, so wird er schon selber kommen.«

»Ein Guldeisner weiß, was sich schickt«, sagte der Großbauer, erfaßte eines der Gläschen, die er für die Gäste vollgeschenkt hatte und goß dessen Inhalt in seine eigene Gurgel.

Jetzt nahm der Jakob das Wort und sprach: »Nachbar, du machst Spaß. Deinen Hof verkaufst nicht. – Wenn unsereiner Kleinbauer sein klemmiges Gütel weghaben wollt' – Gott hüt' mich vor dem Gedanken! – es wär' zu begreifen. Aber du, der in diesem Gebirg seit altersher angestammt besser und freier lebt, als wie ein Graf; du, den alle gern haben weit um, dem alles nach Wunsch und Willen geht, vor dem sich – ich möcht' sagen – jeder Baum voll Achtung neigt und jeder Stein schier selber aus dem Weg springt – du dein Gut verkaufen, auswandern! Nein, Guldeisner, das ist nicht. Das ist nicht.«

»Das ist nicht?« fragte der Großbauer und trommelte mit den Fingerknöcheln auf dem Tisch. »Es wird wohl doch schier sein. Ein Bauerngut mag noch so gut stehen, es macht Sorg' und Ärger. Was soll ich mich sorgen und rackern im Gebirg? Ich hab's nicht not. Ich zieh' mich ins Freisingtal hinaus, hab' keine Scherereien mit den Dienstboten und Nachbarsleuten, wo doch alle Augenblick einer betteln kommt, der eine um Holz, der andere um Kornsamen, der dritte um Heu oder Stroh, der vierte um Fuhrwerk, der fünfte um Handwerker, was weiß ich! Und die Plackereien mit dem Steueramt – alle Jahr anders, alle Jahr mehr ohne Ziel und End'. Und fortweg die Kümmernis: im Frühjahr um Regen, zur Mahdzeit um schön' Wetter, zum Krautsetzen wieder um Naß, nachher um Wind, daß das niedergeweikte Korn wieder aufsteht; und blüht das Korn, soll Windstille sein, ist der Schnitt, soll die Sonne scheinen, ist im Herbst das Winterkorn im Keim, soll gleich Schnee drauf fallen, ist's im Winter zum Holzschleifen, will man Schlittenbahn haben – alleweil ganz und gar abhängig vom wetterwendischen Herrgott! Ein Narr müßt' einer sein!«

In der Hitze seiner Rede trank er das zweite Gläschen aus.

»Was du da sagst, das ist freilich wahr«, gab der Jakob bei, »vom Herrgott ist der Mensch allemal abhängig.«

»Wenn ich nachher draußen in meinem Schlössel sitze und Kupons abschneide, da kümmere ich mich den Teufel um Wind und Wetter!« rief der Guldeisner.

Der Rodel neigte sich ein bißchen vor: »Darf man fragen, wieviel er dir geben will?««

»Ist kein Geheimnis«, sagte der Guldeisner kurz und bestimmt. »Wie es liegt und steht dreißigtausend Gulden kugelrund.«

Die Bauern schauten sich an.

»Guldeisner«, sagte hernach der Rodel, »jetzt hab' ich keine Schneid mehr, daß ich dir abrate. Es ist viel Geld!«

»Ein Narr müßt' einer sein!«

»Es ist verflucht viel Geld!«

Der Jakob legte seine Hand auf den Arm des Guldeisner hinüber und sagte: »Ich rate doch ab. Nachbar, bedenk's. Wenn du von deinem Hochwald einen frischen Lärchbaum versetzest hinaus ins Tal, mitsamt der Wurzel versetzest, und ihm dort die beste Erden gibst und den fettesten Dung, und Naß und Sonne wie du willst – der Lärchbaum geht zugrunde Ein Gebirgsbaum laßt sich nicht versetzen, wenn er ausgewachsen ist, schon gar nicht. Ein Gebirgsmensch auch nicht.«

»Larifari!« lachte der Guldeisner. »Vom Schlechtern aufs Bessere, das hat der Mensch noch allemal ertragen. Wenn unsere Buben Soldaten werden und gehunzt von den Obristen, da gefällt's ihnen freilich nicht draußen, das glaub' ich. Der Holzknecht Simon ist auch vierzig Jahre alt geworden zu Altenmoos; jetzt ist er Werksverwalter in der Krebsau. Der verdorrt gar nicht dorten wie ein versetzter Lärchbaum, der wird dick und fett und verlangt sich nicht mehr zurück ins Altenmoos. Ein Narr müßt' einer sein!«

»Wer sich's besser machen kann«, sagte der Rodel achselzuckend, »ein jeder tut's. Aber gefährlich ist's. Wohl überlegen, Nachbar, wohl überlegen!«

»Wenn der Guldeisnerhof eine Herrenhube sollt werden, dann möcht's traurig ausschauen zu Altenmoos«, sagte der Jakob nicht ohne Beklommenheit.

Darauf antwortete keiner etwas.

»Nachbar«, fuhr der Jakob fort und legte seine Hand auf den Tisch hin gegen den Großbauer, »Nachbar, bleib' da! Du gehörst zu uns. Deine Vorfahren sind auf diesem Fleck geboren worden und gestorben, haben ein zufriedenes Leben geführt, sind alt geworden, wie draußen selten einer wird. Mit Geld und Herrenhuld hat sich kein Guldeisner wenden lassen seit die Schirmtannen stehen da draußen vor deinem Haus. Weit und breit ist dieser Hof bekannt und geachtet als erbgesessen und ehrenfest! Das Guldeisnerblut wär' ein frischer Brunnen, draußen tät' er in Sand verrinnen. Und auch unsertwegen, Franz, verlaß' uns nicht. Viele Verwandtschaft hast in Altenmoos; Leute, die sich bei dir anlehnen müssen, ihnen bist ein Halt, dir macht's nichts, du bist stark. Dir geht's gut, bleib' bei uns. Schau, wir halten alle zusammen, und sollt' dich auch einmal was Hartes treffen – Gott verhüt' es! – so sind wir dir brave Kameraden, wie du uns bist.«

»Laß das sein, Reuthofer!« unterbrach ihn der Guldeisner in gleichgültigem Tone.

»Nein, es ist nicht möglich«, fuhr der Jakob fort, »du kannst nicht davongehen, versuch's, du kannst nicht. Du wirst sehen, wie der Mensch verwachsen ist mit seiner Erden, mit allen Kräutern und Bäumen, die darauf stehen, selbst mit dem Käfer auf dem Grashalm und mit dem Vogel auf dem Wipfel, geschweige mit dem Vieh auf der Weide. Du wirst es sehen! In den besten Jahren, wie du bist, kannst du die Arbeit nicht entbehren und die Arbeit dich nicht. Ohne Arbeit stirbt der Bauersmensch ab, glaub' es mir. Wenn du schon was ändern willst, Guldeisner, eine brave Hausfrau nimm dir. Du hast die Wahl weitum. Mit lieb' Weib und Kind wirst es erst erkennen, was dein festgrundiger Hof bedeutet. – Franz, versprich es uns! Bleib' daheim!«

Der Großbauer hatte während dieser Worte des Jakob auch das dritte Gläschen Schnaps ausgetrunken. Jetzt stauten sich seine Nasennüstern auf. »Bedank' mich!« keuchte er, »keinen Vormund brauch' ich nicht. Ob ich ledig bin oder verheiratet, das geht dich nichts an, Grabendodl, verdammter! Der Zimmermann, dort hat er das Loch gemacht.«

»Na, na, Guldeisner«, sprach der Sepp, während die drei Bauern aufstanden, »brauchst dich nicht so anzustrengen mit dem Hinauswerfen, wir gehen schon freiwillig. Gute Nacht oder guten Morgen! wie du's brauchst.«

So viel hatten sie ausgerichtet, die Bauern beim Guldeisner.

»Verdorben hab' ich's«, sagte der Jakob, als sie aus dem Hause traten, »ich hab' ihn zu scharf getroffen.«

»Getroffen oder nicht, es ist ein Stierkopf«, antwortete der Rodel.

Als sie die bezäunte Gasse zwischen Gemüsegarten und Hauswiese hinabgingen, sahen sie ein junges wohluntersetztes Weib, das beschäftigt war, die zum Bleichen über die Wiese hin aufgespannten Leinwandfächer zusammenzurollen.

»Auch eine Guldeisnerin«, murmelte der Sepp, »Ob er sie mitnehmen wird in sein Herrenschloß?«

»Ich denk'«, schmunzelte der Rodel, »die laßt er uns da. Daß doch die Gattung nicht ganz ausgeht in Altenmoos.« –

Sie schritten kopfschüttelnd talwärts. Unten, wo der Weg durch jungen Anwuchs ging, begegnete ihnen der Förster, oder Waldmeister, wie er in der Gegend genannt war. Das war ein großer, stämmiger Mann in Jägertracht und stets mit dem Gewehr auf dem Rücken. Die Gebirgstracht, die er trug, schien aber nicht auf dieser Figur gewachsen zu sein, sie stand nicht ganz zu den manchmal fremdartigen Bewegungen des Mannes. Das Gesicht? Ein schöner roter Vollbart machte alles gut, was etwa die kleinen stechenden Augen und die unförmig lange Nase verdarben. Er war ein Ausländer. Seit wenigen Jahren bei der Herrschaft Rabenberg angestellt, ging er jetzt viel in Angelegenheit des Kampelherrn um, von dem es hieß, daß er auch die Rabenbergischen Waldungen ankaufen wolle.

»Ob der Guldeisner zu Hause ist!« fragte er die Bauern mit seiner eigentümlich scharfen, dabei etwas näselnden Aussprache.

»Nein«, antwortete der Rodel, »da geht der Waldmeister umsonst hinauf.«

»Will ich lieber umkehren«, knurrte der Förster und schlug seitab einen Waldsteig ein.

»Warum hast du ihn angelogen?« fragte der Jakob seinen Nachbarn.

»Der wäre jetzt schnurgerad' hinaufgegangen und hätte ihm das Gut abgekauft«, antwortete der Rodel.

»Mit der Lug' werden wir's nicht hintertreiben«, sagte der Jakob. »Schlecht' Sach' muß man mit gut' Sach' totschlagen. Ich denk' aber, er verkauft nicht, 's ist lauter Trutz, was er sagt.«

»Und auch Trutz, was er tut. Nachbarn, der Guldeisnerhof ist hin.« So der Rodel.

Bald darauf trennten sich ihre Wege. Der Reuthofer dachte auf dem seinen noch lange: Nein, der Franz ist gescheit, er tut's nicht.


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