Fritz Reuter
Hanne Nüte un de lütte Pudel
Fritz Reuter

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19.

                      Bi Köln an'n Rhein,
Dor steit en Stein,
Dor sitt des Dags en Judenwiw,
Vull Schrumpeln is ehr oll Gesicht,
Vöräwer bögt ehr krummes Liw;
En düster Og', dat flammt un lücht
Herute ut de witten Branen.
Nah Morgen kickt sei unverwen'nt,
Bet ehr de hellen heiten Thranen
Dal fallen up de lahmen Händ'.
Dorhen müßt hei mal von ehr tein,
Ehr einzigst Kind, ehr einzigst Sähn!
Wat was ehr Isaak doch schön
För Mutterogen antausein!
Hir up dit Flag, bi desen Stein,
Hett hei mal von ehr scheiden müßt,
Hir hett s' taum letzten Mal em küßt,
Hir brök s' den gollen Ring vonanner;
Ehr Hälft hängt noch an ehren Band
Up Mutterharten. Ach, de anner,
De liggt nu längst in Mürderhand!
Hir sitt sei nu all Johr un Dag
Un klagt ehr ewig Wei un Ach,
Bi Sommerglaut un Wintersnei
Klagt s' ümmer blot dat eine Wei.
Un slickt sei Abends still taurügg,
Denn seggt sei blot: Hei kamm noch nich!
Un leggt s' sik in ehr Kammer nedder,
Denn seggt sei: Morgen gah ik wedder.
Hir wahnt sei so wid ganz allein,
Blot dat en ollen rupp'gen Sprein
In ehre Stuw herümme hüppt
Un achter Kisten un Kasten krüppt. –
Dat is uns' Matzen sin oll Vadder –
De dumme Kirl let mal sik faten,
Nu heww'n sei em in sinen Kader
Den Kekelreimen sniden laten;
Nu plappert hei denn furt un furt
De sülw'gen Würd,
De hei hett hürt;
Bald schriggt hei up: »De wille Murd!«
Bald fluster hei so krank un swack:
»Min Isaak! Min Isaak!«
Un krüs't sik up un schriggt denn wider:
»Fluch! Dreimal Fluch den willen Mürder!«
Un dat is ehr Gesellschaft all,
Un wat de Vagel raupen deit,
Dat is de ew'ge Wedderschall,
Wat ehr dörch Kopp un Harten geit. – –
Un neben ehre einsam Kamer,
Dor swenkt Jehann den groten Hamer
Mit starken Arm ut frie Bost.
De schon sik nich, wenn't Arbeit kost't.
Dat Swönnst is licht för unsern Hannern,
Un kümmt en Stück, wat Keiner kann,
Denn röppt de Meister: »Furt, ji Annern!
Lat't mal den Meckelnburger 'ran!«
Un ich blot in de Smäd allein,
Ok up de Harbarg gelt hei wat,
Dor wull kein Strid un Zank gedein,
Wo Hanner in Gesellschaft satt,
Un Kein, as hei, kunn sik so freu'n.
Blot wenn de olle Smädgesell
Ok in de Harbarg was tau Stell,
Denn wull kein Freuen em gelingen,
Denn was't vörbi mit Lust un Singen. –

    Mal hadd de wedder em verdrewen,
Hei geit herut un steit noch eben
En beten vör de Harbargsdör,
Dunn wankt 'ne olle Judenfru dorher.
So kümmerlich, so swack von Gang,
Slickt s' an de Hüserreih entlang.
Un as sei an de Harbarg kümmt,
Dunn is't as wenn s' nich wider kann,
As wenn't den Athen ehr benimmt,
Sei fat't an einen Post sik an.
Dunn ritt de Smädgesell dat Finster apen
Un kickt herut verwillert un versapen,
Un röppt ehr tau: »Hepp, hepp, hepp, hepp!«
De olle Fru, de hürt de Stimm,
Sei kickt tau Höcht, sei kickt sik üm
Un kickt den Kirl in't frech Gesicht.
Dat hett s' all sein,
Dat is dat ein,
Wat Nachtens sei tau seihen kriggt,
Wenn s' up ehr einsam Lager liggt;
Dat is dat ein, wat ehr bi Dag'
Verfolgt mit gruglich Plack un Plag';
Dat is de Satan, den s' in frömden Land
Fautfällig mal eins beden hett;
De Satan is't, von den sin Hand
Ehr Kind den Dod mal leden hatt.
As en Gespenst ut Mürder Gruft
Richt't sei sik bleik vör em in En'n,
Sei reckt tau Höcht de magern Hän'n
Un schüdd't sei bäwernd dörch de Luft,
Un wat de Sprak von Fluchen weit,
Un wat de Haß von Gift un Gall,

                  Un wat't an Elend geben deit,
Dat flucht sei all
Herinne in sin frech Gesicht.
Un as verklungen is de Stimm,
As sei tausamen sackt, dunn flüggt
Noch Fluchen üm ehr Lippen rüm.
Doch ihr s' tau Irden follen is,
Springt Hanner tau un höllt sei wiß
Un fängt sei up in sinen Armen,
Dat Hart vull Grugel un Erbarmen.
De Firburß äwer lacht un seggt:
»Hest Di en smucken Schatz utsöcht;
Un nimm in Acht un häud ok gaud,
Wat Di so warm an'n Harten rauht!«
Un dormit sleit hei 't Finster ran.
»»Ja, Du Hallunk, dat sall geschein,
Ik will sei häuden«« röppt Jehann.
»»Dit is en Elend, wat den Stein
Hir up de Strat erbarmen kann!««
Un bringt s' tau sik un richt s' tau Hög
Un täuwt, bet s' Athen wedder kreg,
Un redt ehr tau mit fründlich Red
Un stüt't sei hen nah sine Smäd
Un bringt s' in't Nahwershus herin –
Dor hett hei s' vördem ut un in
All oftmals gahn un kamen sein –
Un em entgegen hüppt de Sprein:
»Min Isaak! Min Isaak!«
Un as hei sei so krank un swack
Leggt up ehr einsam Lager nedder,
Dunn krischt hei wedder:
»Fluch! Dreimal Fluch den willen Mürder!«
Un swor un ängstlich stähnt dat Wiw,
En Schudder flüggt dörch ehren Liw;
De Vagel klagt, de Vagel schriggt,
Un düstrer ward dat Dageslicht,
Un swore, swarte Schatten recken
Sik hog un höger ut de Ecken.
Jehannen is't, as wenn dat oll Gerümpel,
Wat an de Wän'n herümmet steit,
Em neger rückt up einen Hümpel,
As wenn't em nicken un winken deit.
As wenn von Kisten un von Kasten
De Deckel un de Faugen basten,
Un dor ut oll Geschirr un Tüg
Gespenster heimlich rite kiken
Un lising dörch de Kamer sliken,
Un all de Klagen, all de Flüch',
Un wat sei von de Undaht wüßten,
Noch einmal klagen un fluchen müßten. –
Jehann höllt ut un hegt un plegt
Mit true Sorg' dat arme Wiw,
Un fröggt ehr fründlich, wenn s' sik rögt:
Wo't mit ehr steit, un wo't nu geit?
Un ob't nich beter wesen deit?
Dunn böhrt s' sik up mit halwen Liw
Un leggt em up den Kopp de Hand
Un murmelt vör sik allerhand
In frömde Sprak, de hei nich kennt,
Un as sei dormit is tau End,
Dunn röppt sei dütlich, lud un fri:
»Ja, Og üm Og un Tähn üm Tähn!
Drüm segen Gott Di, leiwe Sähn!
Gott Abrahams, de stah Di bi,
As Du mi bistünnst in min Noth.
Gerecht is uns' Herr Zebaoth!« –
Un heit em gahn. Jehann de geit.
Em is, as wenn em swindeln deit;
Hett desen Dag taum irsten Mal
Deip runnersein up Minschen-Qual,
Hett in de Höll herunner sein,
In de ein Minsch den annern stött;
Un düst're swore Schatten tein
Em üm dat junge, klore Og';
Em is, as wenn hei Deil dran hett,
As wenn't em rep un runner tog. – –
Un stiller würd hei sörredem,
Un wenn de Fierabend kam,
Denn güng hei nah de Ollsch herüm
Un sach sik nah ehr Wesen üm;
Hei redt mit ehr von ehren Gram,
Hei halt ehr Water, haut ehr Holt,
Un wo ehr Hän'n tau swack un olt,
Dor hülp hei ehr in ehren Kram.
Hei satt so männig Stun'n bi ehr,
Un wüßt doch nich, worüm hei't ded;
Dat Mitleid was dat nich allein –
De olle Fru verlangt ok kein –
Ok was't nich blote Niglichkeit –
Sei wüßt nich mihr, as wat hei weit –
Un doch tröck em dat tau ehr hen,
Dat Stun'n lang hei mit heimlich Schu
Bi ehr müßt sin. Dat was, as wenn
Em't andahn hadd de olle Fru.
Un wenn hei nich künn bi ehr sin,
Denn stünn hei oft un sünn un sünn,
Ob von dit gruglich heimlich Wesen
Hei nich mal würd den Knuppen lösen.

    So was vergahn dat tweite Johr;
Vöräwer treckt was Aderbor,
Vöräwer treckt was Nachtigal
Un Draußel un de Annern all;
Kein hett em grüßt, kein mit em redt.
Kein lustig Vagellid kann klingen,
Wenn Ein in vullen Füer smädt,
Un wenn Ein swenkt den groten Hamer;
Kein lustig Vagellid kann dringen
Herin in düst're Judenkamer.
Blot Aderbor, de hett em sein,
As hei flog äwer'n gräunen Rhein,
De schüdd't den Kopp för sik un seggt:
»Du dumme Jung', wat willst di grämen?
Wat wi un uns're Hän'n mal nemen,
Dat krig' wi ok alleine t'recht.«
Sin Nebengesellen ok, de schüdden
Den Kopp, wenn s' em verännert sein.
Hei lewt för sik, as wir hei midden
In ehr Gesellschaft ganz allein.
Sin Arbeit ded hei as vörher,
Doch was't ok man de Arbeit just;
Kein Spaßen mihr flog hen un her,
Vörbi was't mit de olle Lust.
Sin Mitgesellen laten Hannern
Tauirst in Fred, doch wohrt't nich lang',
Dunn is de Fopperi in Gang',
Sei flustern heimlich Ein taum Annern
Un warden endlich lud mit Witzen
Up Hannern un sin Nahwersch spitzen,
Wat hei de Ollsch woll frigen süll
Un wat hei s' blot bearben will.
De olle Smädgesell ward hitzen,
Wenn Hanner grad nich is taugegen.
Un up de Harbarg, in de Smäd,
Un wo hei sin mag, allentwegen
Giwwt't för em Strid un spitze Red.
Sin Meister röppt em tau sik ran:
»Segg, Meckelnburger, wat dat heit?
Du wast süs so vull Fröhlichkeit,
So lustig, as Ein wesen kann,
Ein Jeder lewt mit Di in Freden,
Un ganz verännert büst Du nu:
Ne hest Du Strid und Stank mit Jeden.
Wat hest Du mit de Judenfru?«
»»Nicks heww ik, Meister,«« seggt Jehann,
»»Un wat ik heww, gelt Keinen an. –
Sei äwer heww'n mi Gaudes dahn,
So lang' ik hir in Arbeit stahn,
So will ik apen mit Sei reden:
De olle Fru hett Gruglichs leden,
De arme Fru, de jammert mi.«« –
»Arm is sei nich, dat weit de Welt,
Ehr Kisten, Kasten sünd vull Geld;
Un kein Gesellschaft is't för Di.
Süh, des' Gesellschaft deit Di Schaden,
Nimm Di in Acht un lat Di raden,
Gah nich mihr nah de Ollsch herüm,
De Lüd, de reden Slichts von ehr;
Gah nah de Harbarg as vörher,
Wes lustig mit Din Kameraden,
Denn ward sik Allens wedder reihen;
Jitzt büst Du Uhl jo mang de Kreihen.«
Jehann geit von em in Gedanken
Un äwerdenkt sin Meisters Red,
Un as hei rin will in de Smäd,
Dunn geit de Smädgesell den Hof entlanken
Un slickt sik rute ut de Dör.
Dat kamm up't Letzt sihr öfters vör,
Dat hei Weckeinen dor besöcht,
Jehann, de acht't denn nich dorup
Un denkt nich an den Smädgesellen,
Doch as hei sinen Hamer söcht
Un will sik an sin Arbeit stellen,
Dunn is sin Hamer nich tau finnen –
Den hett hei ümmer hatt, hei hett em hinnen
En Krüz inbrennt up sinen Stel.
Verdreitlich ritt hei't Schortfell af un seggt:
»Wat arger ik mi hir noch vel?
Hirhen heww ik em gistern leggt,
Nu is hei weg. Wotau mi quälen,
Will jeder Narr en Schawernack mi spälen?«
Sin Mitgesellen warden lachen,
Un as hei geit taum Dings herut,
Röppt em de Sachs: »»Du, Johann Schnut!
Du willst wohl heute blau mal machen?
Na warte nur, mer kommen auch,
Un zeigen Dir, was Handwerksbrauch.«« –
»Dat will'n wi sein,« seggt uns' Jehann
Un kickt em äwr'e Schuller an.
Hei geit herut, dunn föllt em in,
Woans de Kirl dat meinen künn.
Ach so! 'T is jo hüt Mandag grad,
Un up de Harbarg ward 'ne Uplag' hollen,
Un up den Disch steit de Gesellenlad.
»Schön,« seggt hei, »dat mit dit infollen!
Wo? Meint de Kirl, dat ik mi frücht?
Meindag' noch bün 'k vör kein Gericht
Von uns're Bräuderschaft in Straf verfollen;
Ik will mal sein, wat't hüt geschüht.
Ja, ik gah up de Harbarg hüt.« – –


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