Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 1
Friedrich von Raumer

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Erste Beilage.

 

Die Anfänge der normannischen Herrschaft in Italien.

Die Normannen, oder die Männer aus dem Norden Europas, welche seit dem neunten JahrhunderteGaufred. Malaterra I, 1.  Guill. Appul. 253. die Küsten von England, Deutschland und Frankreich überzogen, wurden von dieser Seite so furchtbar und gefährlich als die Ungern vom Morgen her. Frankreich schaffte sich Ruhe, indem Karl der Einfältige, im Jahre 912, Rollo mit der Normandie belehnteGuill Gemetic. II, 17-20.  Die Gränzen sind bei Gaufred. I, 2 genau angegeben.; und dessen Abkömmling im fünften Gliede, Wilhelm, eroberte im Jahre 1066 England. Ein drittes Reich gründeten die französischen Normannen im mittäglichen Italien; beginnend von den geringsten Anfängen, kämpfend gegen die Macht vieler Fürsten und den Widerspruch zweier Kaiser besiegend, des römischen und des byzantinischen. Dem ersten Anblicke nach ein Wunder, aber bei näherer Betrachtung erklärlich, ja nothwendig: denn die tapfern und stolzen Normannen scheuten, wenn die Umstände es zu verlangen schienen, weder Hitze noch Kälte, weder Arbeit noch Mangel. Krieg und Jagd waren ihre fast ausschließlichen Beschäftigungen, schöne Waffen und Pferde ihre größte Freude; doch schätzten sie auch zierliche 565 Kleider und die Genüsse einer wohlbesetzten Tafel. Fremde rühmten ihre Gastfreundschaft. Den väterlichen Boden verließen sie gern sobald sich ihnen anderswo mehr Gewinn zeigte; und die Leichtsinnigen und Raubsüchtigen wurden, wenn die Verhältnisse es irgend erlaubten, sogleich ehrbegierig und herrschsüchtig. Geschickt hielten alle zwischen Geiz und Verschwendung die Mitte: doch sparte keiner von ihren Anführern die größten Aufopferungen um die ungezähmte Jugend für kühne Thaten zu gewinnenGünther Ligur. I, 669.  Order. Vit. 722, 646.  Leo Ostiens. II, 77.  Wilh. Malmesb. 102.. Denn wer das Meiste bot, dem hing man an; obwohl die Empfindlichen und zum Wechsel Geneigten, oft schon um geringer Beleidigungen und kleiner Unglücksfälle willen, von ihren erwählten Führern wiederum abfielen. Ungemein hatte sie das Geschick ausgebildet zu schmeicheln und durch Beredsamkeit diejenigen Zwecke zu erreichen, welchen man sich durch Gewalt der Waffen nicht nähern konnte; wo indeß auch diese Künste ungenügend blieben, scheuten sie weder List, noch Bestechung, noch Lügen, noch Wortbruch.

In Apulien, dem fruchtbaren, blühenden, an allem Überfluß habenden Lande, waren die vielen kleinen Fürsten damals unter sich uneinig, die Herrschaft des griechischen Kaisers fern und ungeordnet, die des römischen ein leerer AnspruchGaufred. Malat. II, 44.  Günther I, 689 sagt:
      Sed vulgus stolidum, pravum, rude, futile, vanum,
      Moribus incultum, fragili male corpore firmum,
      Otia longe sequi solitum fugiensque laboris,
      Mente manuque pigrum, nec pace nec utile bello.
, die Geistlichkeit unruhig und in Hoffnung eigenes Gewinnes zu Empörungen geneigt; das Volk endlich (ein Gemisch von Römern, Griechen, Saracenen, Gothen und Longobarden) war, wie ein Geschichtschreiber sagt, an Leib und Geist schwach, faul, aller Arbeit und Anstrengung längst ungewohnt, ungesittet aus Rohheit oder 566 Verzärtelung, frevelhaft, eitel, albern, weder im Frieden noch im Kriege tauglich.

Wenn nun auch in diesen Schilderungen dort einiges zu hell, hier einiges zu dunkel gehalten seyn mag, so beweisen doch die Ereignisse ihre Wahrheit im Ganzen. Flüchtlinge und Pilger kamen zuerst aus der Normandie nach ApulienOrderic. Vital. 472.  Umständlicheres bei Leo Ostiensis II, 37.. Bald nachher, im Jahre 1016, landeten aus Palästina zurückkehrende Ritter und Reisige bei Salerno, unterstützten die Christen gegen die Saracenen, und erzählten in der Normandie so viel von der dankbaren Aufnahme und dem schönen reichen Lande, daß viele rüstige Kämpfer gedachten dorthin zu ziehen; vor allen die Söhne Tankreds von Altaville. Dieser, von altem hochangesehenen Geschlechte, hatte mit zweien edlen Frauen, Moriella und Fresenda, mehre Töchter und zwölf Söhne gezeugt; und mit gleicher Liebe erzog Fresenda ihre sieben eigenen Söhne und ihre fünf Stiefsöhne. Den erwachsenen, in jeder ritterlichen Übung trefflich ausgebildeten Jünglingen, konnte aber der häusliche Kreis um so weniger genügen, da bei einer künftigen Theilung des väterlichen Vermögens auf jeden nur wenig gefallen wäre und Tankred, selber gesonnen es einem ganz zu überlassen, den andern riethOrder. Vital. 483.  Gaufr. Malat. I, 6.  Wir müssen, der Kürze wegen, die zum Theil noch ältern, aber vereinzelten und schwer mit Gaufredus in Übereinstimmung zu bringenden Nachrichten des Guill. Appul. übergehn. Sie betreffen meist kleine Fehden, vor Ankunft der Brüder Altaville.  Das Chron. Amalph. läßt die ersten Normannen 999 im Dienste der Griechen nach Apulien kommen. Siehe Becks Weltgeschichte III, 84. und Meo appar. 338. in fremden Ländern Ruhm und Eigenthum zu erwerben.

Deshalb segelten zuerst drei von den Brüdern, Wilhelm, Drogo und Humfried, nach Apulien und nahmen Dienste bei dem Fürsten Pandolf von Kapua, welcher den Fürsten Guaimar IV von Salerno bekriegte. Als aber der letzte ihnen größere Ehre und bessern Lohn versprach, 567 so gingen sie zu ihm über und bedrängten alle seine Feinde, bis er, heimlich von Longobarden angereizt, den vielleicht nicht ganz ungegründeten Argwohn faßte, ihr Muth und ihr Geschick könne ihm selbst gefährlich werden. Deshalb überließ er sie gern seinem Bundesgenossen, dem Kaiser Michael dem Paphlagonier, zu einer Unternehmung gegen die Saracenen in Sicilien. Mehre hundert von den Brüdern Altaville angeführte Normannen, halfen dem griechischen Feldherrn Maniaces Messina erobern und drangen bis SyrakusäNäheres hat Leo Ostiens. II, 67.. Arkadius, der Fürst dieser Stadt, eilte ihnen mit Mannschaft entgegen, aber Wilhelm Altaville tödtete ihn, erhielt dafür den Beinamen Eisenarm und schlug nun kühner geworden, mit den seinen ein sicilisches Heer, ehe die Griechen ankamen. Der Billigkeit und früherer Versprechungen uneingedenk, behielten diese aber alle Beute für sich und besetzten die Befehlshaberstellen nur aus ihrer Mitte; worüber die Normannen nicht allein vergeblich Klage erhuben, sondern auch erfahren mußten, daß man ihren Abgeordneten Arduin körperlich mißhandelte, weil er ein erbeutetes Pferd nicht herausgeben wollte. Anfangs gedachten die Normannen eine solche Behandlung sogleich mit dem Schwerte zu rächen; dann schien es ihnen gerathener vorher List zu gebrauchen. Sie eilten ins griechische Lager und stellten sich gehorsam, wofür man sie öffentlich lobte und insgeheim verlachte: aber durch noch geheimere Künste und durch Bestechung einiger Griechen verschafften sie sich einen Paß zur Rückkehr nach Italien, und Maniaces hörte erstaunt am anderen Morgen, daß alle verschwunden wärenGiannone IX, 7.  Histor. Sic. 149.  Gaufr. Malat. I, 8.  Nortm. chr. zu 1041–45.. Hiemit nahm allerdings für ihn in Sicilien die gehegte Besorgniß ein Ende; allein in Italien zeigte sich bald eine größere Gefahr: denn die Normannen gedachten ernsthaft daran sich einen festen Besitz zu erwerben; und dies 568 gelang so schnell und wider alle Erwartung, daß ihnen selbst Melfi von den Einwohnern in der ersten Bestürzung übergeben wurde. Diese Stadt sollte, nachdem sie schnell befestigt worden, der gemeinschaftliche Zufluchts- und Versammlungs-Ort für alle Normannen bleiben; während man die andern Eroberungen zu gleichen Rechten vertheilte. An der Spitze der hieraus entspringenden Adelsherrschaft, stand ums Jahr 1042 Wilhelm Eisenarm als erster Graf von Apulien.

Die Griechen wollten natürlich diese neue Herrschaft vor weiterer Befestigung auflösen, sammelten ein Heer und ließen die Normannen durch einen Abgesandten fragen: ob sie freiwillig das Land verlassen, oder am andern Morgen den vernichtenden Kampf wagen wollten. Statt aller Antwort durchhieb ein Normanne den Hals des Pferdes, auf welchem der Abgesandte saß, so daß dieser vor Schrecken in Ohnmacht fiel; und als er endlich wieder zu sich kam, hob man ihn auf ein anderes Pferd und gab ihm die trockene Weisung: er möge zurückkehren. In dem nächsten und mehren anderen Treffen siegten die Normannen; man weiß nicht, ob mehr begünstigt durch die Feigheit der Soldaten, die Ungeschicklichkeit der Führer, oder die innere Verwirrung des gesammten griechischen Kaiserthums. Später jedoch stellte man den Ankömmlingen ein neues stärkeres Heer entgegen, und schon bemerkte Wilhelm Eisenarm (der am viertägigen Fieber daniederlag und von einem Berge zusah), daß seine Normannen wichen, als er sich aufraffte, hinzusprengte, den feindlichen Feldherrn tödtete und einen vollen Sieg errang. Lange Zeit behielten hierauf die Normannen nicht bloß die Oberhand im freien Felde, sondern sie verfertigten auch schon Belagerungszeug, mit welchem sie die Städte und Burgen angriffen.

Im Jahre 1046 starb zwar Wilhelm Eisenarm an einer Krankheit; aber Drogo übernahm sogleich die oberste Anführung, und die übrigen Söhne Tankreds waren unterdessen bis auf zwei, und nicht ohne zahlreiche Begleitung, 569 nach Apulien gezogen. Itzt wollten die Griechen durch große Geschenke und Versprechungen die Normannen bewegen, daß sie nach Griechenland übersetzen und gegen andere Feinde des Reiches Dienste leisten möchten; aber der Antrag kam zu spät, und bei so günstigen Aussichten eine eigene freie Herrschaft zu gründen, konnte die Gefahr neuer Abhängigkeit nicht durch Geldlohn verdeckt werden. Überdies bewilligte ihnen der römische Kaiser Heinrich III ums Jahr 1047 mehr, als sie vom griechischen Kaiser erwarten konnten: nämlich die Belehnung mit den Grafschaften Aversa, Apulien und einem Theile von Benevent.

Die apulischen Longobarden, angetrieben von eigenem Haß und aufgereizt von den Griechen, wähnten nunmehr, daß die, im Felde so gewaltigen Normannen, leichter und vollständiger durch eine Verschwörung vertilgt werden könnten. Graf Drogo wurde, als er in die Kirche von Montello tratNortm. chron.. zu 1051.  Hist. Sicula 752.  Guill. App. II, 259., im Jahre 1051 meuchelmörderisch mit einer Lanze von hinten niedergestochen, viele andere wurden erschlagen; der Plan alle Normannen an diesem bestimmten Tage umzubringen mißlang indeß, weil Humfried, der dritte Bruder, schnell seine Genossen versammelte, Montello eroberte und einen gewissen Risus, welcher hauptsächlich jenen Verrath angezettelt hatte, verstümmeln und dann noch lebend begraben ließ. Die Bewohner fürchteten allgemeinere Rache, die Griechen gänzlichen Verlust ihrer Herrschaft im untern Italien. Deshalb erregten diese im Papste Leo IX Furcht vor den neuen ungebildeten Nachbarn; jene dagegen wirkten auf seinen Ehrgeiz, indem sie ihm vorstellten: das Land gehöre eigentlich schon längst der römischen Kirche und es sey Pflicht des Papstes, es von den, durch mancherlei Kämpfe schon entkräfteten und an Zahl verringerten Normannen, zu befreien. Für diese Ansichten gewonnen, verlangte Leo: die neuen unberechtigten Ankömmlinge 570 {1053 bis 1056} sollten ganz Italien räumen; er wies alle vermittelnden Friedensvorschläge um so mehr zurück, da der von ihm abhängige Fürst von BeneventGiannone IX, 3.  Nicol. Arrag. vita Leonis IX, 277.  Wiberti vita ejusd. 297.  Kaiser Heinrich II hatte dem Papste seine Rechte auf Benevent abgetreten.  Borgia Benev. II, 10., der kaiserlich byzantinische Statthalter und diejenigen Deutschen mit ihm verbündet waren, welche Heinrich III als eine Besatzung Italiens bei Vercelli zurückgelassen hatte. Ungeachtet dieser großen Gefahr verzagten die Normannen nicht, sondern beschlossen unter ihren Führern Humfried, Robert und dem Grafen Richard von Aversa, aufs äußerste für ihr Leben und ihre Freiheit zu kämpfen. Sie warfen am achtzehnten Junius 1053, in der Schlacht bei Fertorium leicht die LongobardenLupus Protospl. zu 1053.  Nortm. chr. Guill. App. 261.  Hist. Sicul. 753.  Gaufr. Malat. zu 1052.  Sismondi I, 290., und nach tapferem Widerstande auch die nicht zahlreichen Deutschen; der Papst wurde in Civitate, einer Stadt der Provinz Kapitanata, eingeschlossen, dann von den Bewohnern, welche die Rache seiner Feinde fürchteten, wiederum vertrieben und von den Normannen gefangen. Diese aber, weit entfernt Gewalt zu gebrauchen, nahmen Leo, – es sey nun aus frommer Scheu, oder aus kluger List, oder aus beiden Gründen –, so ehrenvoll auf, und legten zu gleicher Zeit ihre Macht und ihre Verehrung für die Kirche so geschickt dar, daß jener, mit Beistimmung der ihn begleitenden hohen Geistlichkeit, gern das ihm dargebotene Mittel ergriff seine Befreiung zu erhalten und in den Normannen vielleicht eine neue Stütze päpstlicher Macht zu gründen. Er belehnte sie nämlich, als Vertheidiger der römischen Kirche, mit allem bereits Eroberten und mit allem dem, was sie im untern Italien und in Sicilien noch erobern würden. Als der Grieche Argirus hiedurch alle seine Plane vereitelt sah, kehrte er nach Konstantinopel zurück, ward aber übel aufgenommen und starb in der 571 Verbannung. Seine Nachfolger waren indeß nicht glücklicher gegen die Normannen, welche sich unter Humfrieds Führung schon mehr an bürgerliche Ordnung gewöhnten und nach und nach manche Städte, wenn auch nicht eroberten, doch sich zinsbar machten. Selbst Humfrieds im Jahre 1057 erfolgter TodMeo appar. 348.. konnte diese Fortschritte nicht unterbrechen; denn nunmehr trat sein Bruder Robert GuiskardGuiscard, propter sensus agiles animique vigorem.  Günth. Ligur. I, 656. – Von wis, wissen, astutus.  Leibnitz ad Guill. App. Dufresne zu Anna p. 24.  Anna Comn. I, 23; VI, 132, φειδωλοτατος, φιλοφροσωτατος, ἐμπωρικωτατος, φιλοκτεανωτατος, φιλοδοξοτατος., aus beschränkten Verhältnissen auf einen größern Schauplatz.

Robert hatte rothe Wangen, funkelnde Augen, blondes Haupthaar, einen starken Bart, eine gewaltige Stimme und war überhaupt in jeder Beziehung schön und wohlgebildet. Muth, Scharfsinn, Thätigkeit, List, fanden sich bei ihm im höchsten Grade. Begierig nach Geld und Besitz, war er doch zur rechten Zeit auch freigebig, und Belohnungen wie Strafen halfen ihm zur Erreichung seiner, mit unwandelbarer Beharrlichkeit verfolgten Zwecke. Nichts war ihm so verhaßt, als von anderen abhängig zu seyn; nichts so erfreulich, als andere zu lenken. Von wie geringen Anfängen aber und durch welche Mittel seine Macht entstand und sich erhöhte, ist von den Geschichtschreibern mit Vorliebe umständlich erzählt worden, und auch wir dürfen dies einzelne nicht ganz übergehen.

Er baute sich ein Schloß und nannte es nach dem heiligen MarkusGaufr. Malat. I, 16-19, und Guill. App. loc. cit. Bromton 1218.. Weil aber alle beweglichen Güter der umliegenden Gegend in feindliche Burgen eingebracht und daselbst verwahrt wurden, so brach Mangel in diesem Schlosse aus und der Hausmeister berichtete klagend: es fehle nicht bloß an Lebensmitteln, sondern auch an Gelde um sie 572 einzukaufen. Da befragte Robert mehre Eingeborne des Landes, welche ihm wegen vielfacher Wohlthaten dienten und anhingen: ob in der Nähe kein Ort sey, wo man Beute gewinnen könne? Jene erwiederten: über die Berge führe ein steiler gefährlicher Fußpfad in fruchtbare, reiche Thäler; aber ohne große Gefahr könne man die Bewohner nicht angreifen. »Wer Hungers gestorben ist,« antwortete Robert, »hat dadurch noch nie Ruhm erlangt; man muß alles wagen um solch einem Schicksale zu entgehen. In der nächsten Nacht wo die Kalabresen von der Feier eines Festes noch träge und trunken sind, macht euch auf den Weg; ich werde mit den Soldaten nachfolgen.« Statt dessen mischte er sich verkleidet in ihre Reihen, damit weder die Feinde, noch diese Kampfgenossen (welche immer die Landsleute der Befehdeten blieben), von seiner Gegenwart etwas wissen möchten. Schnell wurde die Beute zusammengebracht, aber die Nachsetzenden griffen so kühn an, daß Robert den Sieg nur gewinnen konnte, indem er sich zu erkennen gab und ausrief: er theile jede Gefahr mit den seinen! In der Burg hielt man die Nahenden anfangs für Feinde; mithin war die Freude doppelt groß, als man den vermißten Robert unter ihnen erblickte. – Vergeblich warnten ihn seine Freunde vor ähnlichen gefahrvollen Unternehmungen. So führte er ein anderes Mal, durch ähnliche Noth oder Begierde nach Beute angetrieben, einen feierlichen Leichenzug zu einem festen Kloster. Aber wie erschraken die Mönche, als der Todte plötzlich lebendig ward und die Leidtragenden, verborgene Schwerter ziehend, von ihnen große Geldsummen erpreßten.

Peter von Turra war vor allen Bürgern der Stadt Bisniano ausgezeichnet durch Reichthum, Verstand und Tugend. Viele Nachbarn vertrauten bei Streitigkeiten seinem schiedsrichterlichen Urtheile, und so auch einige Male Robert Guiskard. Doch dachte dieser mehr darauf, wie er sich seines Reichthums, oder auch der Stadt Bisniano bemächtigen möge, als wie er Nutzen aus seiner Klugheit ziehen 573 könne. Eines Tages nun da sie sich, wie schon öfter, auf dem Felde zwischen der Stadt und der Burg Roberts trafen um manches abzureden, schlug dieser vor: daß die beiderseitigen Begleiter zum Verhüten etwaniger Streitigkeiten in der Entfernung zurückbleiben möchten; kaum war dies jedoch angeordnet, als Robert, ohne Rücksicht auf Peters Stärke und Muth, ihn ergriff und davontrug. Zwar nahten sogleich von beiden Seiten die Gefährten; aber die Bisnianer wagten keinen Kampf mit den Normannen und der Ergriffene konnte sich, aller Bemühungen ungeachtet, nicht von Robert losmachen. Erst nach der Bezahlung sehr großer Geldsummen ward er entlassen; die Hoffnung des Normannen zugleich auch Bisniano zu gewinnen, schlug indessen fehl, da sich die Bürger der Übergabe beharrlich widersetzten.

Um diese Zeit kam auch der jüngste Sohn Tankreds, RogerSimone de Leontino 257., aus der Normandie in Apulien an. Er war sehr groß und schön, tapfer und beredt, so klug als Robert, aber freundlicher und herablassender. Nachdem jener in Kalabrien manche Städte zum Bündniß und zur Steuerzahlung genöthigt hatte, zogen beide Brüder gegen Reggio: Robert leitete die Belagerung, Roger war mit Herbeischaffung von Lebensmitteln beschäftigt. Allein der hereinbrechende Winter und der tapfere Widerstand der Bewohner, vereitelten das Unternehmen. Nachtheiliger noch ward es für die Normannen, daß jetzt zwischen beiden Brüdern Streit entstand: der eine wollte keinen Gleichen neben sich, der andere keinen Höhern über sich dulden, und deshalb schlug Robert, der sonst gegen jedermann freigebig war, seinem Bruder Geld und Gut ab, damit er nicht die Soldaten zu reichlich belohne und ihm gefährlich werde. Erzürnt über diese unbillige Behandlung wandte sich Roger hierauf an einen andern seiner Brüder, der ihm eine Burg schenkte, von welcher aus er die Besitzungen Roberts so 574 oft anfiel, daß dieser nicht in Kalabrien wirken konnte, sondern auf die Erhaltung des schon Erworbenen denken mußte. Alle diese Fehden waren jedoch mehr Raub- als Kriegs-Züge, und Roger gerieth dabei mehre Male in so bedrängte Umstände, daß er mit einem höchst verschmitzten Diener Blettiva nicht bloß wegelagerte und Kaufleute plünderteGaufr. Malat. I, 26.  Hist. Sic. 754., sondern auch nahe bei Melfi in der Nacht Pferde stahl. Zu solchen landverwüstenden Verhältnissen gesellte sich im Jahre 1058 eine drückende Hungersnoth, und aus dieser folgten ansteckende Krankheiten. Die Hoffnung der Kalabresen, sich mit Hülfe des Papstes und der Griechen, durch einen Aufstand wenigstens von dem ersten Unheile, von den Normannen zu befreien, schlug fehl, indem jene Brüder sich aussöhnten und Nikolaus II im Jahre 1059 Robert auf eine Weise belehnte, welche der frühern ähnlich und um so unerwarteter erschien, da er jenen nicht lange vorher, seiner Ansprüche auf Troja wegenGiannone Buch X. Auch ein Lehnszins ward versprochen. Ille vero pro se et fratre fidelitatem juravit, et Vasallos se ac suos haeredes confitetur ratione praedictae terrae.  Dandalo 246.  Johann. de Columpna zu 1060:
      Robertum donat Nicolaus honore ducati.
      Hic comitum solus concesso jure ducatus
      Est Papae factus jurandio jure fidelis;
      Unde sibi Calaber concessus et Appulus omnis
      Est locus et Latio patriae dominatio gentis.

Guill. App. II, 262.  Nicol. Arrag. Vita Nicol. II, 301.  Auf Benevent erstreckte sich die Belehnung nicht.  Borgia Benev. II, 57.
, mit dem Kirchenbanne belegt hatte. Der Papst gewann aber hiedurch nicht weniger als die Normannen, weil diese, ihrem Versprechen nach, sogleich einen Zug gegen die widerspenstigen Barone des Kirchenstaates unternahmen.

Um dieselbe Zeit trennte sich Robert, Verwandtschafts wegen, von seiner ersten Gemahlinn Alberada, und heirathete Sigelgayta, die Tochter des Fürsten Gaimar von 575 Salerno. Hiedurch nach einer, sonst gefährlichen Seite gesichert, widerstand er nunmehr allen Feinden in Kalabrien mit großem Erfolge, während Roger seine Einfälle in Sicilien aus bloßen Raubzügen in einen Eroberungskrieg verwandelte; wobei ihn der Umstand begünstigte, daß die Einwohner an keine oströmische Hülfe gegen die, von ihnen gehaßten arabischen Emire mehr glaubten und diese, sehr thöricht, ihre Macht durch innere Befehdungen schwächtenal Kadi Sheaboddini hist. Siciliae bei Gregorio 62, und I, XXXIII.. Mit der Einnahme von Messina durch nächtlichen Überfall, faßte Roger festen Fuß in Sicilien; wo übrigens die Saracenen normannischen Übermuth so sehr fürchteten, daß ein Jüngling seine schöne Schwester tödtete um sie den Gefahren der Gefangenschaft zu entreißen. Eine Hülfsflotte, welche der Zeiride Moez schon früher aus Afrika nach Sicilien schickteCaruso memor. II, 1, 14-31.  Novairi historia Sicula 25, in Gregorio., ging bei der Insel Pantelaria größtentheils durch Sturm zu Grunde, und Angriffe der Hamaditen hinderten ihn bald auf eine neue Rüstung zu denken. Erst sein Sohn Tamim ließ neue Schaaren übersetzen, deren Befehlshaber jedoch unter sich und mit den Einwohnern der Städte in Zwist geriethen, wodurch der Erfolg sehr beschränkt wurde.

Derselbe Grund hemmte auf der andern Seite auch die Fortschritte der Normannen. Robert nämlich und Roger entzweiten sich nochmals, ja es kam zwischen ihnen zu einer offenen Schlacht in welcher Honald, einer von ihren Brüdern, das Leben verlor, ohne daß sich die gebührende Milde und Besonnenheit an dies Unglück angereiht hätte. Vielmehr zürnte Robert von neuem, als sich im Jahre 1062 Girace freiwillig an Rogers Mannen übergab, und ging, weil Gewaltanwendung unräthlich erschien, nach Melite, um mit Hülfe seines alten Freundes, des 576 angesehenen Basilius, wenigstens einen Theil der Bürger für sich zu gewinnen. Allein Roberts Anwesenheit ward von der Frau des Basilius den Bürgern verrathen, welche darüber in solche Wuth geriethen, daß sie die Angeberinn nicht, ihrer Erwartung gemäß, belohnten, sondern als vermuthliche Mitschuldige grausam ums Leben brachtenGaufr. Malat. II, 26.  Hist. Sicula 758.  Simone de Leontino 277-280.  Von der Frau des Basilius: e ful misa un palu a li posteriori. und Robert, welcher sich nebst Basilius in eine Kirche geflüchtet hatte, mit dem gleichen Schicksale bedrohten. Jener benutzte indeß die sich kund gebende günstigere Stimmung einzelner und bewies in einer geschickten Rede, daß seine Ermordung Rache nach sich ziehen, eine edle Behandlung dagegen große Vortheile bringen müsse. Unterdeß hatte Roger Nachricht von diesen Vorfällen erhalten und bat: man möge ihm seinen Bruder ausliefern, denn zwischen ihnen bestehe die heftigste Feindschaft, und der Wunsch sich zu rächen habe jede frühere Anhänglichkeit unterdrückt. Die Bürger wußten nicht, ob Roger aufrichtig spräche, und ließen daher Robert schwören: daß, wenn ihm sein Bruder kein Leids thue, beide auch der Stadt (welche sich ihrem gemeinsamen Schutze anvertraue) kein Leid zufügen wollten. Sobald Robert bei seinem Bruder ankam, umarmte ihn dieser; sie weinten vor Freuden, vergaßen alles Zwistes und blieben seitdem einig bis zum Tode.

Aber auch die Griechen und Saracenen vereinigten sich wider ihre gemeinsamen Feinde, und schlossen durch geschickte Maaßregeln Roger nebst seinem Weibe und seinen Genossen in der Burg Trayna so eng ein, daß hier der größte Mangel an Kleidung und Lebensmitteln entstand, und die Gräfinn sich sogar ins Bett legte um den Hunger besser ertragen zu können! In solcher Lage mußte man, selbst gegen die Übermacht, alles wagen. Bei einem AusfalleSimone de Leontino 284 zu 1063. 577 {1063} war indeß der Graf von den Feinden bereits umringt, ja in ihrer Gewalt; als er sein Schwert mit der größten Schnelligkeit und Kraft ununterbrochen um sich schwang, einige tödtete, mehre verwundete, alle aber so erschreckte, daß sie ihm die Rückkehr zu den seinen nicht weiter verwehrten. Durch einen zweiten nächtlichen Überfall gewannen die Belagerten Lebensmittel und Roger den freien Weg nach Kalabrien; aus welchem Lande er schnell mit neuer Mannschaft zurückkehrte und die ungleich größere Zahl der Saracenen im Jahre 1063 bei Keramium schlug. Vier erbeutete Kameele erhielt Papst Alexander II, als Zeichen der, über Ungläubige erfochtenen Vortheile; und ertheilte hierauf dem Grafen die Belehnung mit allem, was er noch von jenen in Sicilien erobern möchte. {1064} In dem nächsten Jahre durchzogen beide Brüder fast ungestört die ganze Insel, und nur die befestigten Städte hielten sich ruhig, oder schlugen alle Angriffe zurück.

Bei dieser Ungeübtheit der Normannen in Belagerungen war es nicht unnatürlich, daß die Einwohner des sehr reichen und überaus festen Bari, Roberts spotteten, als er die Einschließung ihrer Stadt begann. Aber ohne Ausfälle, förmliche Kämpfe oder andere Kunstmittel, erzeugte die bloße Ausdauer der Normannen bei der Unternehmung, eine Hungersnoth; weshalb die Bürger dringend flehten, daß Kaiser Diogenes ihnen Hülfe zum Entsatze bewillige. Eines Abends nun hörten die Belagerer gewaltiges Freudengeschrei in Bari, erblickten viele in der Luft geschwungene brennende Fackeln, wußten aber diese Erscheinung nicht zu deuten. Bald darauf bemerkten sie, wie über dem Meere, am Rande des Gesichtskreises, bewegliche Sterne hin- und herschwebten, und nun ward alles offenbar. Es nahte die griechische Flotte und hatte durch die, an den Masten befestigten Leuchten, den Bürgern Zeichen gegeben, welche diese, um die Richtung nach Bari anzudeuten, durch Fackeln erwiederten. Dennoch wurden sie in ihren Hoffnungen getäuscht: denn mit gewohnter Thätigkeit eilte Robert der griechischen Flotte 578 {1071} entgegen, schlug sie gänzlich und zwang nun die Stadt am 15ten April 1071 zur Übergabe. Er ehrte den tapferen Widerstand dreier JahreMeo appar. a. h. a. und behandelte die Bürger so milde, daß sie bald der griechischen Herrschaft vergaßen. Dyrrhachium sandte ihm Geschenke um verwüstende Anfälle abzuhalten, und alle etwa noch feindlichen Städte waren so eingeschreckt, daß Robert nach Sicilien gehen konnteGuill. App. III, 264.  Historia Sicula 764.  Amalph. chr. zu 1070. um seinen Bruder bei der Belagerung der Hauptstadt Palermo zu unterstützen. Ob nun gleich hier die Schiffe der Feinde besiegt, gefährliche Ausfälle zurückgeschlagen und einst durch voreilige Schließung der Thore viele Saracenen ausgesperrt und getödtet wurden, so beharrten dennoch die Belagerten bei der hartnäckigsten Vertheidigung. Deshalb unternahmen die Normannen einen Sturm, und während falscher Angriffe auf einer Seite, gewann der Herzog auf der anderen ein Thor und einen großen Theil der äußeren Stadt. In dieser Lage schlossen die Bewohner, um sich, die Fürsten und die Stadt zu retten, am 10ten Junius 1072 einen VertragGaufr. Malat. II, 45 hat das Jahr 1071.  Lupus Protosplata.  Chron. Nortm.  Caruso memor. II, 1, 14-31., wonach niemandem Leid angethan und christlicher Gottesdienst wieder hergestellt wurde, ohne jedoch die Religionsübungen der Saracenen zu beschränken, oder sie von allen öffentlichen Ämtern auszuschließen. Robert erkannte seinen Bruder als Fürsten von Sicilien an und behielt sich nur geringe Besitzungen vor; alle Versuche der Saracenen, das Land in den nächsten Jahren wieder zu gewinnen, blieben ohne ErfolgErst theilten die Brüder das Land, bald nachher aber kam es ganz an Roger. Simone de Leontino 274, 293..

Ein so großes, so unerwartetes Glück mochte aber den, ohnehin strengen und gewaltigen Sinn Roberts, über das 579 {1072 bis 1077} billige Maaß hinaustreiben; und die Edlen, welche sich ihm ursprünglich gleich hielten und eine Art von kriegerischem Freistaat bildeten, beschwerten sichGuill. App. III, 267., wohl nicht mit Unrecht, über harte und habsüchtige Behandlung. Deshalb verbanden sich gegen ihn sein Neffe Abagelard, welcher das Erbtheil seines Vaters Humfried zurückverlangte, sein Schwager Gisulf von Salerno, Graf Peter von Trani und mehre andere. Allein Robert schlug, mit Hülfe Richards von Kapua, Gisulf in die Flucht und zwang Abagelard ihm St. Severino gegen das Versprechen zu übergeben, daß er dessen gefangenen Bruder Hermann aus der Gefangenschaft entlassen werde, sobald man bei der Burg Garganum angekommen sey. Kaum war jedoch der Herzog im Besitze der Stadt als er erklärte: er gedenke binnen sieben Jahren nicht nach Garganum zu kommen; und wenn ihm nicht der hintergangene Abagelard, von der Burg der heiligen Agatha aus, viel Unruhen erregt hätte, möchte Hermann nie aus der Haft entlassen seyn. Beide Brüder entflohen hierauf nach Konstantinopel um ihre Freiheit und ihr Leben zu retten; ihre Güter dagegen nahm Robert in Besitz.

Mit der Einnahme von SalernoLeo Ostiens. III, 45. und der Vertreibung Gisulfs, endete die letzte longobardische Herrschaft im untern Italien; und der Bund welchen Amalfi mit Robert unter Bestätigung seiner alten Rechte schloß, mußte, bei der Übermacht der Normannen, den Freistaat nothwendig in Abhängigkeit versetzen. Doch genügte dieser Gewinn Robert noch nicht; sondern er griff mit Richard von Kapua auch die ankonische Mark an, weil Gregor VII Gisulfen in Schutz genommen hatte. Beide verfielen darüber in den Bann, und erst später söhnten sich Richards Sohn Jordanus und Robert mit dem Papste aus; welcher hierauf diesem nicht nur im Jahre 1080 den älteren Besitz bestätigte, sondern ihm auch, nach dem Tode LandolfsSalerno eingenommen 1077 nach Amalph. chr.; 1076 nach Cassin. mon.; 1074 nach dem Chr. Nortm.  Siehe Gibbon X, 153 und Murat. ann. 1077 starb der letzte, vom Papste abhängige Fürst Landolf VI von Benevent. Giann. X, 4. – Auf das Jahr 1079 (Meo appar. 281, Norm. chr.) fällt Abagelards Flucht nach Konstantinopel; 1080 im Junius die Aussöhnung mit Gregor VII. Siehe jedoch Pagi critica zu 1074 §. 3 und zu 1077 §. 19, auf welches Jahr er die zweite Aussöhnung setzt. 1074 ward Robert Herr in Amalfi. Amalph. chronicon., des letzten 580 Fürsten von Benevent, einen großen Theil der dazu gehörigen Landschaften überließ. Nur die Stadt verblieb dem römischen StuhleRobert Guiskard und Wilhelm I nahmen Benevent nie ein. Borgia istor. I, 135, 143; II, 843, und in der Verleihungsurkunde bei Baronius zu 1180 §. 37, 38 ist von Benevent und dem Beneventanischen gar nicht die Rede.. Hiefür sollte Robert die Kirche gegen Kaiser Heinrich IV beschützen, welcher um diese Zeit vom Papste gebannt, jedoch nach dem Tode des Gegenkönigs Rudolf wiederum furchtbar wurde. Nicht minder suchte auch Heinrich Hülfe bei Robert, und während ihm nun dieser entfernte Hoffnung machte, dem Papste aber bestimmte Zusicherungen ertheilte, rüstete er mit der größten Anstrengung gegen einen Dritten, den Kaiser in Konstantinopel.

Das griechische Reich erhielt sich noch immer, obgleich mehr durch äußerlich günstige Verhältnisse als durch innere Kraft. Zum Beweise dessen genügt es anzuführen: daß seit Irenens Nachfolger Nicephorus I bis Nicephorus Botoniates, oder von 802 bis 1078 nach Christus, in 260 Jahren zwei Kaiserinnen und vierundzwanzig Kaiser regiertenBecks Weltgeschichte III, 214.  Orderic. Vital. 640.  Anna Comn. I, 7-150., von denen einer entsagte, drei ermordet, drei vergiftet, vier geblendet und sechs abgesetzt wurden. Indeß erstreckte sich der, freilich oft unsichere Besitz, noch von Belgrad bis Nicäa in Kleinasien, mithin auf alle die großen und schönen Länder im Süden der Donau. Nach 581 {1057 bis 1081} Verdrängung des unfähigen Michael Stratiotikus, bestieg im Jahre 1057 Isaak I, aus dem Hause der Komnenen, den Thron, und ihm folgte, – da er keine Kinder hatte und sein Bruder Johann den Purpur ablehnte –, sein würdiger Freund Konstantinus Dukas. Dessen Wittwe heirathete den griechischen Feldherrn Romanus Diogenes, welcher erst von den Seldschuken gefangen, dann im Jahre 1071 von den erzürnten Griechen geblendet und abgesetzt wurde. Sein unwürdiger Stiefsohn und Nachfolger Michael that nichts für die Verbesserung der traurigen Lage des Reiches; deshalb empörten sich gegen ihn, Nicephorus Botoniates im Osten und Nicephorus Bryennius im Westen. Jener schreckte Michael so, daß dieser ihm die Krone im Jahre 1078 überließ; und die weit gefährlicheren Nebenbuhler des neuen Kaisers, Nicephorus Bryennius und Basilacius, bezwang der Neffe Isaaks I, Alexius der Komnene. Hiedurch erhöhte sich dessen Ruhm, während Botoniates an Achtung verlor, weil er nicht zum Siege mitwirkte und nur die grausame Bestrafung überwundener Gegner anbefahl. Eine Zeit lang wußten jedoch die Komnenen durch Geschick und Nachgiebigkeit den Argwohn und die Eifersucht des Kaisers zu beschwichtigen; dann wurden sie durch Hofränke alles Einflusses beraubt und geriethen in persönliche Gefahr. Es blieb ihnen nur die Wahl zu siegen oder zu sterben: und da sie der Liebe des Volkes und der Soldaten vertrauten, und von ihrem Oheime Isaak ein größeres Recht auf den Thron zu haben meinten, als Botoniates; so empörten sie sich und gewannen mehre der vornehmsten und einflußreichsten Männer. Botoniates that nichts seiner Stellung würdiges, sondern ging, des Alters und der Kinderlosigkeit eingedenk, in ein Kloster. Doch hatte dieser zu spät gefaßte Entschluß die Bestürmung Konstantinopels am ersten April 1081 nicht hindern können; wobei so viele Frevel und Verwüstungen statt fanden, daß Alexius, aus innerer Zerknirschung oder um das Volk zu begütigen, öffentlich Kirchenbuße that, vierzig Tage lang mit einem Sacke bekleidet 582 {1081} umherging und, das Haupt nur mit einem Steine gestützt, auf bloßer Erde schlief. Hierauf gedachte er seiner Freunde und Anhänger und schuf neue Titel, Ehrenstellen und Abzeichen, um mit leichten Mitteln belohnen zu können; er wandte sich mit großem Verstande und außerordentlicher Thätigkeit zur Erneuung des Reiches. Niemand war so herablassend, einnehmend, zum Überreden geschickt, so kriegskundig und tapfer; aber bei aller Tapferkeit, blieb er doch listigen Auswegen und künstlichen Hülfsmitteln übermäßig geneigt. Wir dürfen indeß bei Beurtheilung dieses Mannes keineswegs die auf ihn einwirkenden, ihn bestimmenden Umstände vergessen und daß da wo die Kraft ungenügend erscheint, jene Nebenrichtung nicht unnatürlich hervortritt. Drei übermächtige Feinde bedrängten damals zu gleicher Zeit das Reich: Petschenegen, Türken und Normannen. Wenige seiner Vorgänger und Nachfolger, würden in so großen Gefahren nicht ganz unterlegen seyn.

Robert Guiskard, welcher seine Herrschaft schon lange auch nach dieser Seite auszubreiten wünschte, begann die Fehde mit den Griechen unter dem Vorwande: daß seiner Tochter Helena Bräutigam Konstantin, der Sohn des Kaisers MichaelGaufr. Malat. III, 13.  Anna Comn. I, 26-29.  Guill. app. IV, 271., auf Befehl des Nicephorus Botoniates entmannt worden sey. Bei dieser Unternehmung vertraute übrigens Robert nicht bloß der Gewalt, sondern wie so oft auch der List. Ein griechischer Mönch, Namens Rektor, begab sich zu ihm (entweder aus eigenem Antriebe, oder auf dessen Ladung), wurde mit großen Ehrenbezeugungen als Kaiser Michael empfangen und wußte seine Rolle mit so vielem Geschicke zu spielen, daß der größte Theil des Volkes dem Vorgeben glaubte und aus dem allgemeinen Mitleide der Wunsch entstand ihm zu helfen. Williger wurden itzt die Rüstungen der Flotte bei Hydrunt fortgesetzt, das Heer bei Brundusium gesammelt und nur die 583 {1081} Rückkunft des Grafen Raul abgewartet, welcher in Konstantinopel von Nicephorus Botoniates die Wiedereinsetzung Michaels und Genugthuung für die, der Helena mittelbar angethane Schmach verlangt hatte. Dieser berichtete aber nach seiner Rückkehr: er habe den abgesetzten Kaiser Michael zu Konstantinopel in Mönchskleidern gesehen, also sey der mit Robert herumziehende Grieche, ein BetrügerAnna Comn. I, 33.  Giann. X, 5.  Guill. Appul. 271.  Hist. Sicula 768.; es habe seit seiner Abreise Alexius I den Kaiser Nicephorus gestürzt, Helena befreit und Konstantinus zu den höchsten Ehren erhoben: also sey kein hinreichender Grund zum Kriege mehr vorhanden. Über diesen Bericht, der seinen Wünschen ganz widersprach, zürnte Robert so heftig daß Graf Raul aus Furcht entfloh; doch wurde seine Aussage theils nicht bekannt, theils stellte man den allgemeinen Grundsatz auf: daß die Griechen zu bekriegen wären, weil sie der römischen Kirche nicht gehorchten. Mit einer starken See- und Land-Macht trat Robert den Zug anGaufr. Malat. u. Guill. App. haben 15 Schiffe und 1300 milites (Ritter?), Order. Vit. 10,000 Soldaten, Anna Comn. 150 Schiffe und 30,000 Soldaten; 15,000 hat Nortm. chronicon., eroberte Koryphus die festeste Stadt auf Korcyra und landete dann in der Gegend von GlabinitzaAcroceraunium. Im Mai 1081 war Robert noch in Salerno. Murat. antiq. V, 785.. Sigelgayta seine Gemahlinn und sein älterer Sohn Boemund, begleiteten ihn; während der jüngere Roger Bursa und der Graf von Loritelli, den einheimischen Angelegenheiten vorstanden.

Kaiser Alexius befand sich itzt in einer übelen Lage: er hatte zwar das Reich gewonnen, aber es fehlte ihm an einem tüchtigen Heere und an Gelde, es bedrängten ihn gleichzeitig mehre Feinde, und vielen Statthaltern durfte der neue Emporkömmling kaum vertrauen. So hatte Georg Monomachates, der in Illyrien befehligte, unter dem löblichen Vorwande daß er dem Nicephorus Treue schuldig sey, 584 {1081} des Alexius Partei nicht ergriffen, aber eben sowenig etwas Tüchtiges zur Erhaltung des ersten gethan; ja um seine Person nach allen Seiten zu sichern, schickte er auch Geschenke an Michael und Bodinus die Beherrscher Dalmatiens, und machte Robert Hoffnung ihm Dyrrhachium zu verrathen. Einem so vielzüngigen Manne durfte Alexius nicht an der bedrohtesten Stelle seines Reiches den Oberbefehl lassen. Deshalb sandte er Georg Paläologos ab um jenen, beim Mangel anderer Mittel, wo möglich in Güte zu verdrängen; ein Auftrag der die größten Schwierigkeiten gehabt haben würde, wenn Monomachates mit Nachdruck widerstanden und nicht, von seinem Gewissen geängstet, die Flucht ergriffen hätte. Alle niederen Befehlshaber schlossen sich hierauf an die neue Regierung an, und versprachen die größte Aufmerksamkeit und Thätigkeit. Da sie aber, ungeachtet aller Anstrengungen, eine Kriegsmacht zum Entsatz von Dyrrhachium keineswegs schnell herbeischaffen konnten, so suchte man dem Herzoge anderwärts Feinde zu erwecken und durch Unterhandlungen Zeit zu gewinnen. Alexius erließ Schreiben mit großen Versprechungen an unzufriedene italienische Große, an Herbius den Erzbischof von Kapua, an den Papst u. s. w. Einige antworteten ablehnend, andere verlangten noch größere Vortheile; und wenn nun auch die Erwartung der Griechen hier nicht überall fehlschlug, so trat doch die Hülfe keineswegs schnell genug ein. Am meisten hoffte Alexius zuletzt von Heinrich IV, dessen Gesinnungen gegen Robert bekannt waren. Gesandte gingen zwischen beiden Kaisern hin und wieder, Kästchen mit schön gefaßten Reliquien, kristallene Becher und ähnliche Kostbarkeiten wurden nach Deutschland geschickt, ansehnliche Summen140,000 νομισματα, Anna Comn. III, 78. unter Vermittelung des nachherigen Bischofs Burkard von Münster wirklich ausgezahlt und noch größere zu einem Heereszuge nach Italien versprochen. Aber auch von dieser Seite nahte erst später 585 {1081} die Hülfe und nur die Venetianer, welche normannische Herrschaft auf griechischen Küsten für nachtheilig hielten, rüsteten mit Nachdruck und Schnelligkeit eine Flotte aus.

Inzwischen hatte Boemund sich im Junius 1081 Aulons bemächtigt, und obgleich ein Sturm manches normannische Schiff beschädigte und ein großer Theil der Lebensmittel verdarb oder verloren ging, so half doch die eintretende Ärnte bald allem Mangel ab, und Robert rückte gegen Dyrrhachium vor. Georg Paläologos ließ ihn über den Grund und die Absicht seiner Unternehmung befragen, und erhielt zur AntwortAnna Comn. IV, 83.: der Herzog führe Michael den Kaiser zum Throne, und werde alle ihm erzeigten Unbilden rächen. Paläologos aber erwiederte: sobald er Michael den Kaiser zeige, sollten die Thore geöffnet und ihm die Stadt übergeben werden. Im kaiserlichen Schmucke, feierlich begleitet, unter dem Schalle aller Trompeten nahte itzt der angebliche Michael den Mauern; wurde aber mit allgemeinem Spott und Gelächter empfangen, denn man erkannte in ihm einen der geringeren Mundschenken des Kaisers. Robert ließ sich durch den übelen Ausgang dieses Versuches nicht abschrecken, sondern vertraute seiner Macht; und viele Bewohner der umliegenden Gegenden blieben noch immer zweifelhaft, von welcher Seite der Betrug eigentlich gespielt werdeÜber den Tod des falschen Michael siehe Dandolo 248..

Doch scheiterten alle Anstrengungen des Herzogs an der, von Georg Paläologos trefflich geführten Vertheidigung Dyrrhachiums, und zwei, gegen die vereinigte griechisch-venetianische Flotte verlorne Seeschlachten, Hunger und ausbrechende Krankheiten, erzeugten in den Griechen die gegründete Hoffnung eines baldigen Unterganges der Normannen. Zum Beweise seiner Ausdauer und daß er allein im Siege Rettung sehen wolle, ließ dagegen Robert seine Schiffe und das Geräth verbrennen; welche Kühnheit jedoch wohl 586 {1081} hart bestraft worden wäre, wenn Alexius, nach dem Rathe erfahrner Männer, alle Zufuhr von dem Meere her abgeschnitten, und nach der Landseite jedem Einbruche durch feste Stellungen und besonnene Vertheidigung gewehrt hätte. Statt dessen gab er den heftigen Wünschen der Jüngeren und seines, bunt zusammengesetzten Heeres nach, und wagte eine Schlacht. Griechen, Waräger, vor den Normannen entwichene Engländer, von Robert vertriebene Italiener, früher verfolgte Paulicianer, ja auch Türken fochten gegen Robert GuiskardWilh. Malmesb. 107.  Orderic. Vital. IV, 508; VII, 641.  Gibbon X, 164.  Dandolo 248.  Lupus Protosplata zu 1082.. Aber nur die Waräger und Alexius selbst gewannen Ruhm, in der am 18ten Oktober 1081 gefochtenen Schlacht. Jene warfen den einen Flügel der Normannen, drangen aber dann zu weit vor, so daß Sigelgayta mit männlichem Muthe die Schaaren wieder einigen, jene umringen und fast vertilgen konnte. Daran reihte sich allgemeine Verwirrung, des Kaisers Befehle das normannische Heer auch im Rücken anzugreifen, wurden nicht ausgeführt, an seiner Seite fielen mehre der ersten Griechen und er selbst entkam verwundet den nachsetzenden Normannen fast nur durch ein Wunder. Groß war die Zahl der getödteten und gefangenen Griechen, groß die Beute. Dyrrhachium, obgleich aller Hoffnung des Entsatzes beraubt, hielt noch einen Sturm aus, und erst als Robert den Einwohnern Sicherheit des Besitzes versprochen hatte, entschlossen sie sich am 16ten JanuarDiesen Tag hat Tommaso di Catania, bei Pellicia I, a. h. a. Nach Anna wollten die Venetianer und Melfienser, welche in Dyrrhachium wohnten, die Noth der Belagerung nicht länger ertragen, doch schweigt sie vom Verrathe. Gaufred. III, 28 spricht vom Verrathe, und die Hist. Sicula 771 stimmt fast damit überein. In Venedig setzte man den Dogen ab, als sey er Miturheber des Unglücks. 1082 zur Übergabe. Doch sollen dabei die Vorstellungen eines Venetianers oder Melfiensers von solcher Wirksamkeit und solchem Nachdrucke 587 {1082} gewesen seyn, daß einige Schriftsteller seiner als eines Verräthers erwähnen.

Alexius sammelte die Überreste seines Heeres bei Thessalonich, warb in allen Landschaften und suchte auf jede Weise den, durch die unverständige Verschwendung seines Vorgängers erschöpften Schatz wieder zu füllen, damit den Soldaten die Löhnung ausgezahlt werden könne. Selbst des Kaisers Mutter, Frau und Verwandte sandten ihren Schmuck, ihr Gold und Silber nach der Münze; selbst die Kirchen und Geistlichen mußten einen Theil ihrer Güter zur Rettung des Ganzen hergeben, obgleich nicht ohne heftigen Widerspruch mehrer Einzelnen. Aber ehe diese Mittel im Felde wirksam werden konnten, hatten die Normannen Kastorea nach einer förmlichen Belagerung eingenommenAnna läßt, nicht unwahrscheinlich, Kastorea erst nach Roberts Abreise einnehmen., und schwerlich würden die Griechen im Stande gewesen seyn ihren Zug gen Thessalonich zu hemmen, wenn nicht ein doppelter Grund Robert nach Italien zurückgerufen hätte: nämlich die Empörung mehrer Städte und Edelen seines Reiches, und die dringende Bitte Gregors VII, welchen Heinrich IV in der Engelsburg belagerte. Sogleich übergab der Herzog den Oberbefehl an Boemund und setzte, jedoch nur mit geringer Begleitung, nach Italien überPagi setzt die Rückkehr Roberts auf 1082.. Der Schrecken seines Namens ging vor ihm her, und von allen Gegnern widerstand ihm nur Jordanus von Kapua, der, selbst tapfer und geschickt, auch tapfere und geübte Soldaten anführte und Kaiser Heinrich IV gehuldigt hatte. Doch konnte dies Roberts Zug nach Rom um so weniger ganz vereiteln, da ihm sein Bruder Roger aus Sicilien zu Hülfe kamAnna Comn. V, Malespini 67.Guill. app. 274 giebt Roberts Heer (wahrscheinlich übertrieben) auf 6000 Reiter und 30,000 Fußgänger an.  Gaufr. Malat. III, 37.  Roms Einnahme fällt auf den Mai 1084 nach Nortm. chron. Wenn aber Robert schon 1082 zurückkehrte, was that er denn bis 1084? Nach Cola Aniello Pacca bei Pellicia I scheint Roger erst 1082, und dann auch 1084 in Rom gewesen zu seyn. Simone de Leontino setzt (301) die Einnahme auf 1083.. Heinrich IV, von Alexius 588 {1084} Niederlage und der Annäherung des Herzogs unterrichtet, zog mit dem größten Theile seines Heeres nach dem obern Italien; Robert aber lagerte drei Tage am tuskulanischen Wege, wahrscheinlich um die Gesinnungen der Römer zu erforschen. In der Nacht vom dritten zum vierten Tage überstieg ein Theil seines Heeres die Mauern nahe beim Thore des heiligen Laurentius; und ehe die Bürger Vertheidigungsanstalten treffen konnten, ja ehe sie den Einbruch bemerkten, hatten die Normannen den Papst befreit und jubelnd zum lateranischen Palaste geführt. Beschämt und erzürnt über diesen Ausgang, erhuben die Römer drei Tage nachher unerwartet neue Fehde und die Normannen geriethen in große Gefahr, bis eine durch sie angestiftete FeuersbrunstDonatus de Roma veteri et nova IV, 8, p. 489.  Orderic. Vital. 643.  Man baute sich ums Marsfeld und gegen die Tiber zu wieder an.  Renazzi 16.  Columpna mare 352-354.  Vendettini 95.  Leo Ostiens. III, 53. sich vom cölischen Berge und dem Lateran, bis zum Kapitol furchtbar verbreitete, und ängstliche Sorge um den Verlust aller Güter, die Einheit und Ausdauer der angreifenden Römer störte. Nunmehr mißbrauchten die Normannen ihre Überlegenheit auf eine so arge Weise zum Plündern, Morden und jeglichem Frevel, daß Gregor VII, ob er gleich in diesem Augenblicke die Übel zu mindern strebte, als mittelbarer Urheber von neuem äußerst verhaßt ward und deshalb Robert zuerst nach Benevent, dann nach Salerno folgte. Welche Festigkeit aber der Papst selbst in diesen schweren Zeiten gegen seinen Erretter bewies, als dieser Ansprüche machte welche den Rechten der Kirche zu nahe traten, ist bereits an anderer StelleSeite 33. mit verdientem Lobe erzählt worden.

589 {1083} Während der Abwesenheit seines Vaters, hatte Boemund Joannina eingenommenAnna Comn. V, 107 und Murat. ann. setzen dies auf den Mai 1083; aber die Hist. Sicula 773, Roger Hoved. 710 und Suger vita Ludov. VI, 288 behaupten: Boemund habe Alexius an dem Tage geschlagen, wo Robert die Römer besiegte. Wilken Histor. Comn. endlich hat den Mai 1082., dann aber vorsichtig sein Lager befestigt und das Heer, welches sich durch griechische Überläufer täglich verstärkte, fleißig geübt. Auch Alexius, der mit seiner Macht herbeizog, wollte kein entscheidendes Treffen wagen, sondern die Soldaten durch kleine Scharmützel zu größeren Kämpfen vorbereiten; bald aber ward er kühner und verließ sich auf geheime Anschläge, welche zu seinem Unglück an Boemund verrathen wurden. Zweimal griff er an, und zweimal ward er, hauptsächlich durch die Überlegenheit der normannischen Reiterei aus dem Felde geschlagen; Boemund eroberte Pelagonia, Trikala und belagerte Larissa. Dahin eilte Alexius, dessen Thätigkeit mit der Gefahr wuchs. Aber obgleich Boemund hier in einer dritten Schlacht nicht so entscheidend siegte, als in den beiden ersten, weil der Kaiser durch einen gelegten Hinterhalt in dessen Lager einbrach; so hätten sich doch wahrscheinlich die Folgen gegen Alexius gewandt, wenn es ihm nicht gelungen wäre, manche, ohnehin mit der Länge und den Beschwerden des Krieges unzufriedene Grafen in Boemunds Heere, durch Unterhandlungen, Versprechen und Geschenke zu gewinnen. Sie verlangten, daß ihr Verhältniß günstiger gestellt und ihnen Sold ausgezahlt werdeNach Anna Comn. V, 115; VI, 123-127.: denn die Zeit des unentgeldlich zu leistenden Lehndienstes mochte längst verflossen, oder eine so bestimmte Abhängigkeit von Robert Guiskard, nicht einmal anerkannt seyn. Manche endlich wünschten wohl lieber einen Kaiser zum Lehnsherren, als einen Mann der vor kurzem noch durchaus ihres Gleichen, und nur durch ihren Beistand so hoch gestiegen war. Diese 590 {1084} Stimmung, Mangel an Lebensmitteln im normannischen Heere und der Umstand, daß der, ohnedies verwundete Boemund zu seinem Vater eilen mußte, machte es möglich, daß Alexius wiederum vorrücken und Kastorea erobern konnte.

Desto eifriger bereitete Robert einen zweiten Zug, nahm Buthrotum ein und hoffte Korfu, das von ihm abgefallen war, zu bezwingen. Die venetianisch-griechische Flotte besiegte zwar, nachdem sie das Übersetzen von Italien nicht hindern gekonnt, zweimal die NormannenIm November 1084 nach Romuald. Saler.  Im Januar 1085 nach Anonym. Barens., ward aber dann in ihrer stolzen Sicherheit von Robert überfallen und gänzlich geschlagen. {1085} Korfu kam ohne Mühe in seine Gewalt und täglich wuchsen seine Hoffnungen, als böse Krankheiten das Heer ergriffenJohannes Columpna 354 b., denen auch Robert im zweiundsechzigsten Jahre seines Alters, am 17ten Julius 1085 erlagÜber die Zeit von Roberts Tode weichen die Schriftsteller sehr ab: er starb am 9ten September 1084 nach Gaufred. Malaterra III, 42; am 18ten, 19ten, 20sten oder 21sten Julius 1085 nach Lupus Protospl., Nortm. chr., Hist. Sicula 773.  Apud Casiopam insulam.  Dandolo 252.  Alberic. 130.  Pagi zu 1085, c. 9 entscheidet sich für den 17ten Julius. Er liegt begraben in Venosa. Swinburne I, 510, 517. Stollberg III, 163.. Sein Tod erregte die größte Bestürzung, keiner dachte mehr ans Erobern, jeder nur an die eigene Rettung; ja anstatt auf den größeren Schiffen nach Italien sicher hinüber zu segeln, verbrannte man diese in kleinmüthiger übereilter Verzweifelung, und entschlüpfte furchtsam den Gefahren auf den kleineren. Dyrrhachium wurde den Griechen jetzo verrathen, und so sah Alexius sein Reich, mehr durch das Unglück und Ungeschick der Feinde, als durch eigene Kraft befreit; Roberts Macht hingegen, welche genügt hatte, gleichzeitig zwei Kaiser zu besiegen, zerfiel durch den Unfrieden seiner Söhne. Roger Bursa wollte, mit Hülfe seiner Mutter Sigelgayta, den älteren 591 {1085 bis 1095} Bruder Boemund ganz von der Erbschaft ausschließen, weil er 1085 nicht ebenbürtig seyGaufr. Malaterra IV, 4.  Order. Vital. zu 1088. Boemund war der Sohn Alberadens, die Robert adhuc privatus, eine uxor privata geheirathet hatte. Bouquet XII, 412.; und da jener Nachgeborne die Gunst seines Oheims Roger durch Abtretungen in Kalabrien gewann, so mußte Boemund sich mit Oria, Tarent, Hydrunt und Bari begnügen. Papst Urban bestätigte die neuen Theilungen. Das Übergewicht normannischer Macht wandte sich seitdem von der älteren Linie Robert Guiskards, zu der jüngeren Rogers von Sicilien; welcher allmählich Taurominium, Agrigent, Butera, Noto, ja auch Syrakusä eroberteNach Simone Leontino 309 ward Syrakusä 1085, nach Lupus Protospl. 1088 erobert., Malta zinsbar machte und eine große Zahl befreiter Christensklaven unter vielen Begünstigungen ansiedelte. Um die Zeit des ersten Kreuzzuges war ganz Sicilien in seinen Händen. In kirchlichen Sachen ließen die Päpste den Normannen große Freiheiten, weil sie ihrer Hülfe bedurften. Das fast vergessene römische Recht kam nur unter dem gemeinen Volke, und mehr als ein alter Gebrauch, denn als Gesetz, zur AnwendungGiannone X, 11.; wogegen das longobardische Recht größeren Einfluß behielt, und das Lehnswesen allmählich auch in den neu eroberten Landschaften Eingang fand. Die Mönche von Monte Cassino waren überall thätig und nach damaliger Weise gelehrt; die Schule der Ärzte in Salerno gründete ihren Ruhm, und die normannischen Fürsten forderten nachdrücklich und nicht ohne Erfolg zur Geschichtschreibung aufSo waren Guillelmus Appulus, Gaufredus Malaterra, Alexander Telesinus dazu aufgefordert.. 592

 


 


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