Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 1
Friedrich von Raumer

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Viertes Hauptstück.

{1125} Die Parteiung, welche sich nur zu oft zwischen dem nördlichen und südlichen Deutschland, zwischen den Sachsen auf einer, und den Franken und Schwaben auf der anderen Seite gezeigt hatte, mußte nach dem Ausgange der männlichen Linie des fränkischen Kaiserhauses von neuem hervortreten, und es entstanden die wichtigen Fragen: welcher Volksstamm wird obsiegen, welche Familie, welche Ansicht, die kirchliche oder die kaiserliche?

Offenbar neigte sich das Übergewicht weltlicher Macht auf die Seite der Hohenstaufen Friedrich und Konrad: denn sie besaßen schon große Allodial- und Lehn-Güter, und sehr viel von dem Erbe Heinrichs V kam itzt in ihre Hände. Ferner war Markgraf Leopold von Österreich der zweite Gemahl ihrer Mutter; und Heinrich der Schwarze, welcher im Jahre 1120 seinem Bruder WelfOrig. guelf. II, 312. im Herzogthume Baiern folgte, war der Schwiegervater Herzog Friedrichs. Zu so viel eigener Macht und so großen Verbündeten, kam bei diesem persönliche Tüchtigkeit und Tapferkeit in solchem Maaße, daß man sprichwörtlich sagte: »Herzog Friedrich hat immer an seines Pferdes Schweif eine Burg.« In dem Verhältniß aber als sich die Wahrscheinlichkeit erhöhte, daß die Hohenstaufen den salischen Franken auf dem deutschen Königsthrone folgen würden, mehrte sich auch der Eifer, die Thätigkeit und die List ihrer Feinde. Der einzige Mann, 326 {1125} welchen diese ihnen unter den weltlichen Fürsten entgegenstellen konnten, war Herzog Lothar von Sachsen, ein Sohn des, in der Schlacht an der Unstrut getödteten Grafen Gerhard von SupplinburgOrig. guelf. III, praef. 12. und der Gräfinn Hedwig von Formbach. In früher Jugend zeigte er sich am Hofe Kaiser Heinrichs IV so weichlichMolliter se gerebat.  Corner 669., daß ihm seine Mutter ein schön geschmücktes, aber nur mit einer hölzernen Klinge versehenes Schwert, als zurechtweisendes Sinnbild übersandte. Von diesem Augenblick änderte Lothar seine Lebensweise und erheirathete, zu seinen ansehnlichen Erbgütern mit Richenza (der Tochter Heinrichs des fetten, einer Enkelinn Ottos von Nordheim), die braunschweigischen Lande und andere große Besitzungen in Westphalen und an der Weser. Von Heinrich V erhielt er für die, ihm gegen seinen Vater Heinrich IV geleistete Unterstützung, im Jahre 1107, nach Magnus Tode, das Herzogthum Sachsen; ward aber demungeachtet nachher dessen größter Widersacher.

Auch itzt stand Lothar so an der Spitze aller weltlichen, wie Erzbischof Adalbert von Mainz an der Spitze aller geistlichen Gegner der Hohenstaufen. Das Gefühl alter Schuld und erlittener Schmach, Erinnerung an die Vergangenheit und Furcht vor der Zukunft, wirkten gleichmäßig bei dem Erzbischofe zu Vermehrung des Hasses gegen die Freunde und Erben Heinrichs V. Schon in seinen Einladungsschreiben zur Königswahl war seine Gesinnung und sein Zweck deutlich genug ausgesprochen. »Wir ermahnen euch (heißt es darin), vorzüglich der Unterdrückung eingedenk zu seyn, unter welcher alle bis itzt geseufzet haben, und die göttliche Vorsehung anzurufen, bei Erhebung einer anderen Person so für die Kirche und das Reich zu sorgen, daß diese von dem bisherigen Joche frei werden und ihre Rechte behaupten, wir aber, mit dem uns unterworfenen Volke, der zeitlichen Ruhe genießen können.«

327 {1125} An diese, mehr kirchlich ausgedrückten Fingerzeige schlossen sich ohne Zweifel noch andere Betrachtungen und Überredungen an. Das, von den Saliern beseitigte Recht einer freien Königswahl, müsse itzt gegen die hohenstaufischen Emporkömmlinge geltend gemacht, und der Schein des Erbrechtes (das diese gern selbst auf Weiber ausdehnen möchten) vertilgt werdenGesta Ludov. VI, 390.. Vor der Macht Friedrichs und Konrads und vor ihren Verbündeten brauche man sich nicht zu scheuen: denn Verbündete ließen sich abwendig machen, List der Gewalt entgegensetzen, und endlich werde sich das, was man gegen Heinrich V in aller Fülle seiner Macht behauptet habe, um so leichter wider die Nebenzweige durchsetzen lassen, da Konrad noch nicht von einer Pilgerung nach Jerusalem zurückgekehrt sey. Auch hatte Erzbischof Adalbert die Kaiserinn MathildeDaß Herzog Friedrich sich hätte täuschen lassen, ist minder wahrscheinlich. Albert.  Stad. zu 1126. durch täuschende Versprechungen dahin gebracht, ihm die Reichskleinode auszuhändigen; wodurch er in den Stand gesetzt wurde, selbst bei ungünstiger Wendung der Sache, einen, damals für sehr erheblich gehaltenen Mangel der Form herbeizuführen.

Am 24sten August 1125 versammelten sich bei Mainz, der ergangenen Ladung gemäß, Herzoge, Fürsten, Grafen und Edele, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte und Geistliche; ja die Zahl aller Anwesenden betrug, unter Hinzurechnung der großen Menge von mitgebrachten Streitern, an sechszig tausendOrderic. Vital. 883.  Incerti auct. narratio de Loth. electione  in Reub. script. I, 401.  Anselm. Gemblac.. Auf dem linken Ufer des Rheines lagerte Herzog Friedrich der Hohenstaufe mit dem Bischofe von Basel und den Schwaben; auf dem rechten Herzog Heinrich von Baiern, Markgraf Leopold von Österreich, und insbesondere Herzog Lothar mit den Sachsen. Auch zwei päpstliche Gesandte und Suger, Abt von S. Denys, hatten sich 328 {1125} eingefunden: jene gewiß einverstanden mit Adalbert über die Ausschließung der Hohenstaufen, dieser wahrscheinlich um im Namen seines Königes zu demselben Zwecke hinzuwirken.

Die Hauptfrage aber: wer zur Wahl des deutschen Königes berechtigt sey, stand weder urkundlich noch herkömmlich fest. Einerseits konnten die niederen Lehnsmannen behaupten: ihre Verpflichtung dem Könige, über den Befehl jedes Afterlehnsherren hinaus, treu zu seyn, stelle sie in so unmittelbare Verbindung mit jenem, daß man auch ihnen unmittelbare Wahlrechte zugestehn müsse; andererseits lag es in der unaustilgbaren und achtungswerthen Natur der Dinge, daß der Mächtigere, der Herzog und Erzbischof hiebei mehr Rechte erhalte und ausübe als der bloße Ritter und Pfarrer; endlich konnten, im vorliegenden Falle, so viele tausend Gleichberechtigte unmöglich mit Weisheit und Ordnung abstimmen. Hiezu kam des Erzbischofs Adalbert nicht ungegründete Besorgniß: bei einer solchen Ausdehnung des Stimm- und Wahl-Rechtes, werde sich die, im Vergleich mit den Sachsen bedeutende Mehrzahl der Franken, Baiern und Schwaben für die Hohenstaufen erklären und entweder auf der Stelle zur Nachgiebigkeit zwingen, oder, bei fortdauerndem Widerspruch, in gefährliche Fehden verwickeln. Deshalb machte Adalbert den, mit großem Beifall aufgenommenen Vorschlag: daß man aus jedem der vier Hauptvölker, der Sachsen, Franken, Baiern und Schwaben zehn, überhaupt also vierzig Männer erkiesen und ihnen das Wahlrecht übertragen solle. Diese bezeichneten zuvörderst drei Männer, wegen ihrer Macht und inneren Trefflichkeit, als würdig des Thrones: Lothar den Herzog von Sachsen, Leopold den Markgrafen von Österreich und Friedrich den Herzog von Schwaben. Von den beiden ersten, welche allein gegenwärtig waren, lehnte der Markgraf die Krone, wahrscheinlich aus innerer Überzeugung ab; Herzog Lothars Flehen ihn damit zu verschonen, war hingegen nur ein Kunstmittel um das Ziel desto sicherer zu erreichen. Nach dem Rücktritte dieser beiden und des, vielleicht auch noch 329 {1125} vorgeschlagenen Grafen Karl von FlandernAlberic. 250.  Acta Sanct. 2ten März, S. 180 über Karl von Flandern., hielt sich Herzog Friedrich des Thrones für gewiß. Bis itzt war er aus Argwohn vor Adalberts Nachstellungen, oder weil er, der zu Wählende, weder anmaaßlich für sich, noch überbescheiden für einen anderen stimmen wollte, nicht nach Mainz gekommen, und hatte sich alles Antheils an den Wahlverhandlungen enthalten; nunmehr aber ritt er kühn ohne Begleitung in die Stadt, mischte sich unter die Fürsten und erwartete ruhig den Ausgang.

In dieser bedenklichen Lage wandte sich Erzbischof Adalbert zur List und fragte den Herzog Lothar und den Markgrafen Leopold: ob sie bereit wären sich ohne Widerrede demjenigen zu unterwerfen, welcher aus den vorgeschlagenen zum Könige erwählt würde? – und beide versprachen es ohne Zögerung. Als hierauf die gleiche Frage an Friedrich erging, merkte er sehr gut, welche Falle ihm der Erzbischof lege und wie er bei der Gesinnung mancher, besonders geistlicher Fürsten, leicht in die Lage kommen könne, durch ein voreilig gegebenes Versprechen sich und seinen zahlreichen Freunden die Hände zu binden. Deshalb antwortete er: ohne Rath und Zustimmung der, im Lager zurückgelassenen Mannen, könne und wolle er keine entscheidende Erklärung von sich geben. – Kaum hatte Friedrich hierauf die Versammlung und die Stadt verlassen, so stellten seine Gegner dies Benehmen in das nachtheiligste Licht und schalten ihn ehrsüchtig und hochmüthig.

Am folgenden Tage eröffnete Adalbert, in Abwesenheit der Herzöge von Schwaben und Baiern, die Versammlung mit der, an Lothar und Leopold gerichteten Frage: ob sie nach Ablehnung der Krone bereit wären, jedem anderweit Gewählten zu gehorsamen? – und beide bejahten diese Frage, scheinbar mit gleicher Aufrichtigkeit. Hierauf erörterte der Erzbischof nochmals, welche Eigenschaften, zur Ehre 330 {1125} Gottes und zum Wohle der Kirche, ein deutscher König haben müsse, und man setzte sich nieder, als solle nun eine unbefangene Berathung über die neue Wahl beginnen. In diesem Augenblicke brachen aber (schwerlich ohne höhere Weisung und Billigung) viele Laien in den Saal ein, riefen: »Lothar muß König seyn!« und trugen ihn unter fortdauerndem Geschrei auf ihren Schultern davon. Viele Fürsten und Prälaten, insbesondere die baierischen Bischöfe, erklärten sich aufs strengste gegen ein so gewaltsames und verwerfliches Benehmen; allein sie wurden von ihren Sitzen vertrieben und waren im Begriffe die Versammlung ganz zu verlassen, als der Erzbischof von Mainz, größere Spaltungen fürchtend, die Thüren verschließen ließ und sie dadurch zum Bleiben zwang. Indem diese nun hinaus und noch mehre hineindringen wollten, nahm Geschrei und Verwirrung so überhand, daß selbst Lothar, des Erfolges ungewiß, über angethane Gewalt zu klagen anfing. Endlich gelang es den Besonnenern, Stille und Ordnung in der Versammlung herzustellen und jeden auf seinen Sitz zurückzubringen. Da trat (was den ganzen Zusammenhang der Sache sehr aufhellt) der eine Kardinalgesandte hervor und tadelte heftig jene, der Gewalt widersprechenden Bischöfe: »ihnen käme es zu, die minder Unterrichteten nicht zu verführen, sondern zur Einsicht zu verhelfen; sie allein hinderten Friede und Eintracht, auf ihr Haupt fiele alle Schuld für Frevel, Mord und Brand, welche aus dem hervorbrechenden Zwiste entstehen würden.« – Sobald indessen der Erzbischof von Salzburg und der Bischof von Regensburg zu Worte kommen konnten, antworteten sie so wahr als nachdrücklich: »die Würde der Versammlung sey aufs höchste verletzt, Schande gebracht über das ganze Reich wie über alle einzelnen, das Recht der Wählenden durch die strafbare Anmaaßung Unberechtigter auf eine, nicht zu duldende Weise gekränkt, und alles Geschehene um so mehr als nichtig zu betrachten: da Herzog Lothar ja selbst behaupte, er leide Gewalt, und man in der Abwesenheit Herzog Friedrichs, 331 des Führers eines Hauptvolkes, auf keine Weise irgend etwas über die Königswahl festsetzen dürfe.«

So sahen diejenigen, welche die Schuld der List, Übereilung und Gesetzwidrigkeit auf sich geladen hatten, ihre Plane durch den standhaften Widerspruch jener Männer, für den Augenblick allerdings scheitern; aber sie verzweifelten deshalb nicht, sondern hofften den Herzog von Baiern, selbst gegen seinen Schwiegersohn Friedrich von Hohenstaufen zu gewinnen. Mit großem Nachdrucke stellten sie jenem vor: Friedrich sey anmaaßender und gefährlicher als Lothar, und da dieser keine Söhne habe, müsse nach seinem Tode ein anderes Geschlecht auf den Königsthron erhoben werden. Wenn Heinrichs gleichbenannter Sohn Lothars Erbtochter Gertrud heirathe, so werde er dadurch bei weitem der mächtigste Fürst von Deutschland, und einem Herzoge von Baiern und Sachsen könne dereinst niemand mit Erfolge die Krone streitig machenHöchst wahrscheinlich haben Betrachtungen und Aussichten dieser Art, schon damals entschieden. Orig. guelf. II, 331.. Diese Gründe und Aussichten, der Wunsch Kriege zu vermeiden, die größere Nachgiebigkeit Lothars gegen alle Forderungen der Prälaten und Fürsten verursachten, daß ihm auch Herzog Heinrich seine Stimme gab; – und hiemit war am 30sten August 1125 die Königswahl entschiedenDodechin zu 1125.. Herzog Friedrich mußte in diesem Augenblicke gehorsamen, obgleich ein großmüthigstolzes Entsagen einträglicher Lehen, die ihm der neue König anbot, zeigte, daß sein Gemüth nicht beruhigt sey und er die Sache überhaupt aus einem höheren Standpunkte betrachte, als dem des äußerlichen Gewinnes.

Allerdings hatten die Fürsten und Prälaten nun einen König, weit mehr nach ihrem Sinne, als Friedrich würde gewesen seyn: aber ein königlicher König war Lothar gewiß nicht, wie aus den Bedingungen hervorgeht, welchen er sich unterwarf um, auf Kosten des Reiches und seiner 332 {1125} Nachfolger, über die ihm verhaßte Familie der Hohenstaufen obzusiegen. Zuvörderst ward eine Stärkung der, schon zu sehr geschwächten königlichen Macht fast unmöglich, als der neue König bewilligte, daß eingezogene Lehen (und leicht ließ sich dies auch auf eröffnete ausdehnen), nicht in den Besitz des Königs kommen, sondern dem Reiche anheimfallen, das hieß, von neuem ausgeliehen werden sollten. – Der Kirche gegenüber, gab ferner Lothar alle, durch den Vertrag von Worms buchstäblich erhaltene, oder mittelbar zu erwerbende Vortheile preis, indem er sich geduldig den Forderungen seiner Beschützer, der päpstlichen Gesandten und Erzbischof Adalberts unterwarfIncert. auct. de elect. Lothar. 405.  Nur das könnte zweifelhaft bleiben, ob darüber feierliche Urkunden aufgenommen wurden.. Bischöfe und Geistliche, – so lauten die neuen Bestimmungen –, schwören nur den Lehnseid, nicht den Huldigungseid, und leisten nur Gehorsam unbeschadet und mit Vorbehalt ihrer kirchlichen Verhältnisse. Wahlen darf der König nicht allein niemals erzwingen, sondern auch deren Freiheit fernerhin durch seine, oder seiner Bevollmächtigten Gegenwart nicht mehr beschränken. Der Erwählte wird geweiht, und erhält erst nach der Weihe die Belehnung mit dem Zepter.

Während LotharLothars Krönung in Achen am 13ten September.  Robert. de Monte.  Bosov. ann.  Annal. Saxo.  Northof 383.  Alberic. 250. für seine Erhebung so, nach mehren Richtungen hin, des Reiches Macht und Rechte schmälerte, forderte er um zugleich seine Feinde zu schwächen und sich zu entschädigen, von den hohenstaufischen Brüdern viele Besitzungen, als ehemaliges Reichsgut zurück. Diese hingegen behaupteten: Lehn und Eigenthum, Reichsgut und Fürstengut sey oft gar nicht mehr zu sondern; und am wenigsten dürfe man, ohne schreiende Ungerechtigkeit annehmen, daß, während alle Fürsten die freie Vererbung der meisten ihrer Besitzungen verlangt und durchgesetzt hätten, allein die fränkischen Kaiser als eigenthums- und habelos, ihren Neffen 333 {1125} gar nichts hinterlassen sollten! – Gewiß haben diese Herzöge, ihrer Macht vertrauend und voll alten Hasses, dem Könige Grund zu einzelnen Klagen gegeben; aber es wird auch von allen Seiten bezeugt, daß Lothar die Verwandten des fränkischen Kaiserhauses übermäßig streng verfolgte und dadurch in offene Widersetzlichkeit hineindrängteNimis acriter persequebatur.  Sicard. 595.  Dum se viderent opprimi, in quantum poterant, reniti conabantur.  Alberic. 252.  Otton. Fris. chr. VII, 14-17.. So ward Herzog Friedrich, mit Verletzung aller RechtsformenHildeshem. ann.  Annal. Saxo zu 1126.  Wenigstens findet sich keine Spur gebührender Vorladung und Rechtfertigung., schon zu Weihnachten 1125 in Straßburg wegen angeblicher Neuerungen verurtheilt, und aus einer späteren Tagsatzung in Goslar beschlossen, daß man nach Pfingsten des Jahres 1126 einen Reichszug gegen ihn unternehmen wolle.

Wenn es nun dem Könige an löblicher Mäßigung, oder an überlegener Klugheit fehlte um eine Aussöhnung herbeizuführen, oder wenn seine Gegner billigen Anerbietungen wirklich kein Gehör gaben, so hätte er sich mit aller Macht gegen sie wenden sollen. Statt dessen verwickelte er sich, sehr zur Unzeit, in eine Fehde mit den Böhmen. Herzog WladislavSuppl. ad Cosmae chron. ap. Mencken III, 1800.  Alber. 251.  Chronogr. Saxo.  Dodechin.  Robert. de Monte.  Gozecense chr. 234.  Marignola 202.  Bosov. annal.  Otton. Fris. vita I, 20.  Wladislavs Söhne waren noch minderjährig, und Otto machte Ansprüche als Sohn des älteren Bruders. Pulkava 156.  Doch weichen die genealogischen Nachrichten unter einander sehr ab. hatte, aus Haß gegen seinen Bruder Sobieslav, einem entfernteren Verwandten, dem Markgrafen Otto von Mähren die Nachfolge zugesichert; versöhnte sich aber auf dem Todtenbette mit jenem und bestätigte sein näheres Anrecht. Über dies Fehlschlagen so lange genährter Hoffnungen zürnte Otto sehr, war jedoch außer Stande seinen Gegner mit eigenen Mitteln zu verdrängen, und begab sich deshalb zu König Lothar, ihm und den 334 {1126} versammelten sächsischen Fürsten vorstellend: »des Herzogthumes, das ihm dem Erbrechte, dem Willen der Fürsten und den geleisteten Eiden gemäß zukomme, habe sich Sobieslav auf Diebespfaden bemächtigt; Lothar möge, wie es sein königlicher Beruf mit sich bringe, denen Gerechtigkeit verschaffen, welche seinen Befehlen unterthan wären.« – Lothar antwortete: »von unseren Vorfahren haben wir stets gehört, das Herzogthum Böhmen sey von jeher der Gewalt des römischen Kaisers unterworfen und nie erlaubt gewesen, daß man aus eigener Macht einen Herzog jenes Landes erwähle, oder ein solcher sich ohne unsere Zustimmung aufwerfe. Wer diesem gesetzlichen Herkommen zuwider handelte, beleidigte nicht allein dich, sondern beschimpfte auch unsere Majestät, und wir sind keineswegs gesonnen dies ruhig zu ertragen.« – So erhielt Otto von dem Könige und den Fürsten das Versprechen: kein anderer solle Böhmen beherrschen. Man vertraute seinen Worten über die Menge seiner Anhänger, und über die Leichtigkeit einer Unternehmung wider Sobieslav.

Allein dieser nahm weder Rücksicht auf die Vorladungen, noch auf die Drohungen König Lothars, sondern rüstete sich mit aller Macht und sprach: »ich hoffe, daß durch Gottes Barmherzigkeit und die Verdienste der heiligen Märtyrer, unser Land nicht Fremden wird zu Theil werden.« Bei Chlumetz, im königsgrätzer Kreise, versammelte Sobieslav seine Mannschaft und erhielt, während er am Tische saß, die unerwartete Nachricht: daß ein deutsches, von Lothar geführtes Heer, nicht weit mehr entfernt sey. Sogleich traf er die nöthigen Vertheidigungsanstalten, ließ aber, damit der Weg der Güte nicht unversucht bliebe, dem Könige durch Abgeordnete sagen: »nach alter Sitte steht den böhmischen Großen die Wahl ihres Herzoges zu, dem deutschen Könige aber nur die Bestätigung des Gewählten. Warum ersinnest du Neues und Ungebührliches, welches abzuwenden wir das Äußerste zu wagen bereit und entschlossen sind? Des allmächtigen Gottes wahrhafte Entscheidung im Kampfe, wird der Mitwelt und Nachwelt ein Merkzeichen bleiben, 335 {1126} auf wessen Seite sich die Gerechtigkeit befand.« Diese Vorstellungen schienen aber dem Könige und den Großen um so weniger einer ernsten Berücksichtigung werth, da Otto wiederholt versicherte. »es bedürfe keiner Waffen, jeder Böhme werde zu ihnen übergehn, man könne wie zur Reiherbeitze ins Land ziehen.« – Ohne alle Vorsicht rückte hierauf das deutsche Heer, welches nur etwa 3000 Mann zählte, zwischen zwei hohen Bergrücken vorwärts, wo der enge Raum gegenseitige Unterstützung hinderte; und außerdem hatten viele, des sehr tiefen Schnees halber, ihre unbequemen schweren Waffen unvorsichtig zurückgelassen. An der engsten Schlucht des Weges überfiel Sobieslav mit seinem, an Zahl überlegenen, in drei Abtheilungen getheilten Heere plötzlich die DeutschenAnselm. Gembl.  Waldec. chr. 808.  Chron. Waldsassense 64.  Northof 383.: entweder, was das Wahrscheinlichere ist, durch eigene Klugheit auf diesen Plan hingeleitet; oder, wie andere wollen, durch verrätherische Mittheilungen einiger Großen im Heere Lothars dazu angewiesen. Der Sieg der Böhmen war vollkommenSieg den 18ten Februar.  Erfurt. chr.  S. Petrin.; den 19ten, Albert. Stad., an 500 Deutsche fanden ihren Tod, viele wurden gefangen, und nur die Hüter des Gepäckes und die nächste Umgebung des Königs, retteten sich mit ihm auf einen Hügel, welcher jedoch ebenfalls sogleich eingeschlossen ward.

In dieser bedrängten Lage ersuchte Lothar den Herzog, er möge zu ihm kommen; was allerdings den Wunsch einer schnellen und milden Aussöhnung bestimmt genug andeutete. Die siegesfrohen und zornigen Böhmen riefen dagegen: man solle die Fürsten für den ungerechten Angriff tödten, und den Gefangenen Heu zu fressen geben, da sie alles andere im Lande grausam zerstört hättenHofmann chr. Bohemiae c. 47.. – Sobieslav antwortete ihnen: »solche Härte muß die Deutschen zu 336 {1126} schwerer Rache befeuern; auch ist es kein Wunder, daß ein Fürst Schaden thut nach seiner Macht und Geburt. Jeden Schaden kann ein Land überwinden, keine Mutter kann aber einen Fürsten zum zweiten Male gebähren.« – Die Böhmen unterwarfen sich der Weisung ihres Herzogs, welcher itzt mit wenigen Begleitern unbesorgt zu Lothar ging und sprach: »nicht aus Verwegenheit haben wir dich beleidigt, oder die deinen getödtet; sondern wir wollten nur unsern Nacken einem neuen Joche entziehen und unseren Vätern in der Freiheit gleich bleiben. Gottes Urtheil hat entschieden: Otto, der Urheber des Streites, ist im Gefechte umgekommen und wir verweigern nichts, was unsere Vorfahren mit ihrer Person und ihrem Gute, der Majestät der deutschen Herrscher darbrachten. Was stände also itzt einer vollkommenen Aussöhnung entgegen?« – Lothar erwiederte: »nur Ottos flehentliche Bitte hat uns vermocht gegen dich zu ziehen; itzt mögest du mit Gottes Beistande Herzog seyn und immerdar unser und des Reiches Freund bleiben.« – Mit diesen Worten überreichte der König die herzogliche Fahne an Sobieslav, und umarmte und küßte ihn; wogegen dieser die Gefangenen entließ, allen übrigen freien Abzug bewilligte und seitdem getreulich Mannschaft zu den Feldzügen Lothars stellte.

Nachdem dieser die östliche Gränze des Reiches hiemit beruhigt, und im nördlichen Deutschland an dem, zum Erzbischofe von Magdeburg erhobenen Stifter des Prämonstratenserordens, NorbertChronogr. Saxo.  Annal. Saxo.  Magdeb. chron. 326.  Corner 662.  Robert. de Monte zu 1127.  Alberic. 237, 251.  Torquati series 380.  Dandolo 268.  Siehe den Abschnitt von den Prämonstratensern in den Alterthümern., einen Freund gewonnen hatte, der in diesen Gegenden sein Ansehn erhalten half; wandte er sich wieder zum südlichen Deutschland, wo die Verhältnisse bedenklicher erschienen und sein Ansehn erst mußte begründet werden. Den, ihm feindlichen Hohenstaufen gegenüber, 337 {1126} die Häuser der Zäringer und Welfen zu gewinnen und zu verstärken, war die richtig aufgefaßte Absicht Lothars, für deren zweckmäßige Durchführung sich itzt günstige Gelegenheiten darboten.

Graf Wilhelm III von Burgund ward im Jahre 1126 ermordet, und die Erbschaft des Kinderlosen wäre wohl unbedenklich auf den Sohn seines Oheims, als nächsten Verwandten übergegangen, wenn dieser, Namens Raynald, nicht anmaaßlich die Vorladung König Lothars verachtet und behauptet hätte: mit dem Aussterben des fränkischen Kaiserstammes sey jede Abhängigkeit Burgunds vom deutschen Reiche völlig aufgelöset. Um deswillen ward ihm, auf einem 1127 in Speier gehaltenen Reichstage, die ganze Erbschaft abgesprochen, und des letzten Grafen Wilhelm Mutterbruder, Konrad von ZäringenDodechin.  Über die Verwandtschaft siehe Bünaus Gesch. Friedrichs I, 373; Müllers Gesch. der Schweiz I, 341; Schöpflin hist. Zaring. Bad. I, 106, 110.  l'Art de vérifier les Dates II, 384, 497., damit beliehen. Der hieraus folgende Krieg endete in der Art, daß Raynald nur die jenseit des Jura gelegene Freigrafschaft Burgund behauptete; Konrad aber, mit Lothars Hülfe, in den Besitz aller diesseitigen Landschaften kam. – So waren die Zäringer gestärkt und gewonnen; ähnliches geschah in Hinsicht der Welfen.

Herzog Heinrich der Schwarze starb gegen Ende des Jahres 1126, und hinterließ Baiern nebst den sächsischen Erbgütern seinem Sohne Heinrich; dessen, nicht selten in Anmaaßung übergehende Tüchtigkeit ihm den Beinamen des Stolzen zuzog. Gleich auf der ersten Versammlung baierischer Großen zeigte der neue Herzog so viel Verstand als Nachdruck, indem er ihre Streitigkeiten entschied, den, zeither oft gebrochenen Landfrieden nochmals beschwören ließ, die Burgen der Übertreter angriff und zerstörte und den, ihm feindlich gesinnten Bischof Friedrich von Regensburg, zur Unterwerfung zwang. Einen solchen Mann fester an sich zu 338 {1127} knüpfen, willigte König Lothar nicht bloß in die, bisher verschobene Vollziehung der Ehe mit seiner noch sehr jungen Tochter GertrudAnnal. Saxo.  Chronogr. Saxo.  Monach. Weingart. 786.  Darüber daß Lothar nur eine Tochter hatte, siehe Wenks hess. Geschichte III, 83.  Über die Verleihung des Herzogthums Sachsen. Orig. guelf. II, 337, 346; III, praef. 16; IV, 312;  Böttiger Heinrich der Löwe 40., sondern belieh Heinrich den Stolzen auch mit dem Herzogthume Sachsen. Das Gefährliche der Vereinigung zweier Herzogthümer wurde damals, um anderer Zwecke willen, nicht hervorgehoben; auch entäußerte sich Lothar gewiß nicht aller herzoglichen Rechte, sondern übte sie bis an seinen Tod, unter jenem Namen, oder doch oft als König eingreifend und entscheidend.

Jene Heirath und Belehnung, wozu sich bei der fortdauernden Söhnelosigkeit Lothars die Aussicht auf die Thronfolge gesellte, wirkten dahin daß Herzog Heinrich seinen Schwiegervater, bei den lebhafter erneuten Fehden gegen die Hohenstaufen, nachdrücklich unterstützte. Auf zweien Seiten waren diese von Zäringern und Baiern eingeschlossen, und von vorn wurden sie durch den König angegriffen, welchem Herzog Sobieslav von Böhmen mehre tausend Reiter zu Hülfe geführt hatteAnselm. Gemblac.  Pegav. chron. contin.  Alberic. 256.  Chron. Bohemiae in Ludw. reliq. XI, 2650, 263.  Tschudi I, 61.; demungeachtet verzagten sie nicht, und es fand sich andererseits auch manches, was ihren Muth aufrecht erhalten konnte. Zuvörderst, kehrte Herzog Konrad, nach einer langen Abwesenheit, aus Palästina zurück und trat als eifrigster Gehülfe seines Bruders Friedrich auf; ferner, waren einige lotharingische Fürsten nebst dem Erzbischofe von Köln dem Könige abgeneigt geworden, und die Bürger von Achen hatten dessen Begleiter offenbar feindlich behandelt; endlich und vor allem, widerstand das mächtige Nürnberg der Belagerung Lothars schon in den dritten Monat. Ja sobald die Mannen des Herzogs von 339 {1127} Böhmen nach Ablauf ihrer Dienstzeit davongezogen waren, eilten die Hohenstaufen so schnell zum Entsatze herbei, daß der König, aus Furcht zwischen ihnen und den tapferen Bürgern eingeschlossen zu werden, schnell über Bamberg nach Würzburg zurückging und selbst in dieser Stadt noch beunruhigt wurdeBosov. ann.  Hildesh. ann.  Otton. Fris. vita I, 14-17.. Fast gleichzeitig besetzte Herzog Friedrich das, dem fränkischen Kaiserhause sehr ergebene Speier, vertrieb den ihm abgeneigten Bischof und drängte hierauf den Herzog von Baiern, obgleich dieser sein Heer verstärkt hatte, immer weiter und weiter zurück. Deshalb versuchte Heinrich seinen Zweck auf anderem Wege zu erreichen, und ließ dem Herzoge freundlich anbieten: er wolle ihn mit dem Könige aussöhnen. Sogleich ging Friedrich auf diesen Vorschlag ein und kam, einer beigefügten Einladung folgend, nach der Abtei Zwifalten um hier das Weitere mit Herzog Heinrich zu verabreden. In der Nacht überfielen ihn aber dessen Diener, so daß er kaum Zeit hatte aus seinem Schlafzimmer zu entkommen, durch die Kirche hindurch zu eilen und sich auf dem Thurme zu verstecken. Überall ward er, jedoch vergeblich gesucht. Unter der Zeit war das unbestimmte Gerücht von einer einbrechenden Gefahr bis zu Friedrichs Mannen gedrungen; sie nahten vorsichtig und in solcher Zahl, daß Herzog Heinrich mit den seinen ihrem gerechten Zorne gewiß erlegen wäre. Aber Friedrich, welcher dies vom Thurme aus erspähte, rief sich kund gebend hinab: »Herzog, du hast den, welcher sich dir im Frieden nahte, treulos behandelt. Weder das Recht, noch das Andenken an unsere Verwandtschaft, hat dich von der Unthat zurückgehalten; ich will jedoch Böses nicht mit Bösem vergelten, flieh also, ehe die meinen dich umringen.« Herzog Heinrich entkam: aber die, wahrscheinlich von seinen Gegnern gehegte Hoffnung ihn durch diese Großmuth zu gewinnen, schlug nicht allein fehl; sondern es scheint auch dadurch, daß sich der Welfe beschämt, der Hohenstaufe 340 {1127} getäuscht sah, die wechselseitige Abneigung im ersten Augenblicke noch gestiegen zu seyn.

Überhaupt wurden die zeitherigen Spaltungen auf die höchste Spitze getrieben, als Herzog Konrad, mit Beistimmung seines Bruders Friedrich und einiger Fürsten, kühn den Königstitel annahmChronogr. Saxo.  Chron. montis sereni.; wovon Lothar am Weihnachtsfeste 1127 zu seinem großen Erstaunen in Würzburg Nachricht erhielt. Entschlossen verwarf er jedoch, in Übereinstimmung mit den um ihn versammelten Fürsten, wiederholt die Behauptung: daß man Reichsgut nach gemeinem Erbrechte in Besitz nehmen, oder gar aus diesem Grunde Anspruch auf die Krone machen könne. Er ächtete ferner den neuen Gegenkönig und bewirkte, daß die Erzbischöfe von Mainz, Salzburg und Magdeburg, nebst ihren Sprengelbischöfen ihn mit dem Kirchenbanne belegten. Beide Maaßregeln waren jedoch in diesem Augenblicke um so weniger von einer entscheidenden Wirkung, da Konrad weit mehr durch seine Verbindungen in Italien, als durch seine deutsche Macht obzusiegen hoffte.

Seit dem Tode der Markgräfinn Mathilde und der letzten Anwesenheit Kaiser Heinrichs V, waren die Städte des obern Italiens ungestört auf dem Wege einer ganz eigenthümlichen Entwickelung fortgeschritten, und insbesondere hatte sich MailandBovelli II, 131. nach Besiegung Comos so gehoben, daß keine einzige Stadt der Lombardei ihr an Macht und Kühnheit gleich stand. Sie zürnte, daß der neue, nicht einmal tadellos erwählte deutsche König, ohne Rückfrage und Beistimmung sich für den Herren Italiens ausgebe, und nahm Konrad mit Freuden auf, welcher, indem er seine Größe auf die Macht mailändischer Bürger gründen wollte, nothwendig auch deren staatsrechtliche Bedeutung anerkennen und ihre Rechte erweitern mußte. Hiezu kam, daß der Erzbischof Anselm von Mailand über den Umfang seiner 341 {1128} erzbischöflichen Rechte und Pflichten mit dem römischen Hofe in Mißhelligkeiten gerathen war, und sich sehr gern bereit finden ließ, nach Weise der Päpste, einen deutschen Fürsten auf den Thron Italiens zu erheben. Unter solchen Verhältnissen ward Herzog Konrad vom Erzbischofe Anselm zuerst am 29sten Junius 1128 in MonzaGottfr. Viterb. 458.  Otton. Fris. chr. VII, 17.  Alberic. 257.  Landulph. jun. c. 39. und dann in Mailand feierlichst zum Könige gekrönt und, so weit der Einfluß dieser Stadt reichte, als solcher anerkannt. Auch in Tuscien, welchem Lande Konrad zur Zeit Kaiser Heinrichs V einige Jahre als Statthalter vorstandDaß Konrad von 1119–1124 höchst wahrscheinlich Statthalter in Tuscien gewesen, darüber siehe Camici zu 1116, 13–22.  Lamius deliciae IV, 178; Mecatti I, 40., erklärten sich die meisten für den italienischen König, und schon war dieser im Begriffe nach Rom zu ziehen, als ein doppeltes Hinderniß seinen Aussichten und Hoffnungen in den Weg trat. Erstens, vergaßen die italienischen Städte, itzt wie immer, des Gemeinsamen um des Örtlichen willen und Pavia, Novara, Brescia, Cremona, Piacenza u. s. w., wirkten gegen Konrad minder aus Anhänglichkeit an Lothar, oder aus Achtung für die Rechtsansprüche der Deutschen, als aus Neid über Mailands Größe und aus Zorn über dessen, allerdings nicht selten hervortretende Willkür. Zweitens, und dies war nicht minder wichtig, sprach der Papst den Bann über Konrad und dessen Anhänger, insbesondere über den ungehorsamen Erzbischof Anselm.

Am 12ten December 1124 war nämlich Papst Kalixtus II gestorbenCorner 668.  Alberic. 248.  Order. Vital. 882.  Suger vita Ludov. VI, 312.  Chron. Cavense 923.  Dandolo 273.  Anselm. Gembl.  Dodechin.  Über den Todestag siehe Murat. annal. und Pagi c. 7. und an seine Stelle Honorius II erwählt worden, welcher sich früher als Kardinalbischof Lambert beim Abschlusse der wormser Verträge ausgezeichnet 342 {1128} und im allgemeinen den Ruf eines unterrichteten, würdigen und strengen Mannes erworben hatte. Von dem Augenblicke an wo dessen Gesandter, Johann von Crema, auf einer Kirchenversammlung in Pavia jenen Bann wiederholte, nahm selbst der Eifer der Mailänder so sehr ab, daß der getäuschte König mit geringer Begleitung, erst nach Parma sich wenden und dann, beim Mangel genügender HülfsquellenPoggiali IV, 101.  Giulini 275., um das Ende des Jahres 1129 ganz nach Deutschland zurückkehren mußte. Auch hier hatten sich während Konrads Abwesenheit die Umstände zum Nachtheile der Hohenstaufen verändert. Ungeachtet mancher Schwierigkeiten und Fehden war es dem Könige Lothar gelungen, in Würzburg einen ihm geneigten Bischof, in Niederlothringen einen ihm befreundeten Herzog einzusetzen und sich mit dem Grafen Gerhard von GeldernBosov. annal., dem Bischofe Bruno von Straßburg und dem Erzbischofe Friedrich von Köln auszusöhnen. Hiedurch befestigte sich sein Ansehn, wenigstens in einigen Theilen des Reiches dergestalt, daß er Speier umlagern und zu dem eidlichen Versprechen gebührenden Benehmens zwingen konnte. Weil aber die Bürger diesem Versprechen keineswegs im Sinne Lothars nachlebten, und eine halbe Unterwerfung ihm überhaupt nicht genügte, so schloß er im Julius 1129 die Stadt zum zweiten Male ein und hoffte auf deren baldige Übergabe. Daß diese Hoffnung nicht in Erfüllung gingAnnal. Saxo.  Ursperg. chron.  Alberic. 263.  Chr. montis ser.  Monach. Weing. 786.  Hildesh. ann., davon war die Ursache Agnes, Herzog Friedrichs Gemahlinn, eine geborne Gräfinn von Saarbrück. Sie begeisterte die Bürger für ihre und ihres Hauses Sache, sie nahm Theil an allen Gefahren und Anstrengungen, sie ertrug gleich dem Geringsten, Hunger und Blöße. Erst als es ganz an Lebensmitteln fehlte und Herzog Heinrich von Baiern den, zum Entsatz herbeieilenden Herzog 343 {1130} Friedrich zurückdrängte, erst im Januar 1130 ergab sich Speier dem Könige gegen Bestätigung aller Rechte und Freiheiten. Auch Agnes ward von Lothar frei gelassen, ja beschenkt; entweder weil Bestrafung des heldenmüthigen Weibes unwürdig erschien, oder weil Milde eine Aussöhnung mit den Hohenstaufen vorbereiten sollte, oder aus Gefälligkeit gegen den Erzbischof von Mainz, den Oheim der Herzoginn.

Bald nach Speier fiel auch das wichtige Nürnberg, und leicht möchte schon jetzt die große Fehde zwischen Lothar und den Hohenstaufen zu Ende gebracht worden seyn, wenn nicht eine zwistige Papstwahl die Aufmerksamkeit und Thätigkeit des deutschen, zum römischen Kaiser bestimmten Königs unerwartet in Anspruch genommen hätte. Honorius II erkrankte nämlich im Februar 1130, und es zeigte sich, daß der Kardinal Petrus Leo Rechnung darauf machte sein Nachfolger zu werden. Leos Großvater, ein geborner JudeMoriniac. chr. 376.  Cuaccon. I, 922.  Cardella I, 79., wurde vom Papste Leo IX getauft und nach ihm benannt; sein Vater, ein so reicher als gewandter und erfahrner Mann, vertheidigte die Päpste aus allen Kräften bei ihrem Streite mit den Kaisern, und erlangte deshalb großes Ansehn am römischen Hofe. Unter mehren Kindern desselben zeichnete sich Petrus, von welchem hier die Rede ist, sehr aus, er studirte in Paris, lebte dann als Mönch in Clugny, ward von Paschalis nach Rom berufen und von Kalixtus zum Kardinal ernannt. Seitdem leitete er mehre Kirchenversammlungen in Frankreich mit Verstand und Geschicklichkeit, und vermehrte die, ohnehin schon große Zahl seiner Verwandten, Freunde und Anhänger, noch durch kluge Benutzung eines sehr großen Vermögens. Hieraus folgerten seine Feinde, er werde sich weltlicher Mittel bedienen und sogar Gewalt nicht verschmähen, um seine Absichten durchzusetzen, und hielten sich für veranlaßt, ja für verpflichtet, auf alle Weise die Erhebung eines anderen zu befördern. Deshalb 344 {1130} versammelten sie sich am 16ten FebruarFalco Benev.  Suger vita Ludov. VI, 318.  Gregor. Papiens.  Orderic. Vital. 456.  Alberic. 264.  Bosov. ann.  Chronogr. Saxo.  Annal. Saxo.  Bullar. magn. 33., dem Todestage von Honorius II, und erwählten den Kardinal Gregorius Papareschi, einen gebornen Römer, als Innocenz II zum Papst; wogegen die Freunde Leos in der Kirche des heiligen Markus zusammentraten und ihn, unter dem Namen Anaklet, zum Oberhirten der Christenheit ernannten. Die Gründe und Gegengründe, welche beide Parteien zur Rechtfertigung ihres Verfahrens anführten, waren im wesentlichen folgende.

Anaklets Freunde sprachen: »die Wahl von Innocenz erfolgte, ehe der Tod seines Vorgängers bekannt, ehe die nöthige Überlegung angestellt, und das Begräbniß vorschriftsmäßig gehalten warIm Baronius finden sich die meisten Beweisstellen richtig ausgezogen.. Sie erfolgte heimlich, an ungebührlichem Orte, ohne Berufung aller zur Wahl Berechtigten, von wenigen und obenein jüngeren Kardinälen. Anaklet ist dagegen an der herkömmlichen Stelle, in der Kirche des heiligen Markus, von der entschiedenen Mehrheit der KardinäleNirgends berufen sich Innocenz und seine Anhänger auf die Mehrheit der Stimmen. Vergl. Sismondi II, 28., unter dem Vorsitze ihres Priors des Bischofs von Präneste einstimmig gewähltBaronius §. 9.  Wilh. Malmesb. 176., und von allen Edeln und dem Volke anerkannt worden.« – Hierauf entgegneten die Anhänger von Innocenz: »man durfte die Wahl eines neuen Papstes weder aufschieben noch an der gewöhnlichen Stelle vornehmen, weil alsdann weltliche Gewalt und Einmischung nicht ausgeblieben wäre. Innocenz ist, wenn auch nicht von der Mehrzahl, doch von dem klügeren und besseren Theile der Kardinäle ernannt, und früher ernannt als Anaklet, was ihm einen unläugbaren Vorzug giebt. Wenn die Gegner indeß mit der ergriffenen Maaßregel nicht 345 {1130} zufrieden waren, so mußten sie dieselbe durch Gründe entkräften, nicht aber einseitig zur zweiten Wahl schreiten und dadurch eine verderbliche Kirchenspaltung herbeiführen. Ferner kömmt keineswegs allein die Form der Wahl, sondern auch die Person des Gewählten in BetrachtBernhardi epist. 126.  Innocenz schrieb einen Commentar des Hohen Liedes.  Biblioth. pontif. 116.; und da ist Innocenz in jeder Beziehung lobenswerth, während sich bekanntlich Petrus Leo weltlichen Lüsten und Schwelgereien aller Art hingiebt. Schont er doch selbst der Kirchen nicht, sondern raubt deren Gut um es für seine schlechten Zwecke zu vergeuden.« – Hierauf antworteten nochmals die Freunde Anaklets: »das Verletzen der Wahlformen bleibe trotz dieser Darstellung unläugbar, und die Behauptung daß jene minder zahlreichen Kardinäle, die besseren und klügeren gewesen, erscheine anmaaßlich, unerwiesen und unerweisbar. Eben so unwahr sey, wie sich bei genauerer Untersuchung vollkommen darthun lasse, die Anschuldigung über den Wandel Anaklets und dessen angeblichen Kirchenraub.«

Was den letzten Punkt betrifft, so benutzte Anaklet höchst wahrscheinlich Kirchengut zu seinen Zwecken; andererseits ließ er es aber auch nicht an geistlichen Stiftungen und Geschenken fehlenBaronius §. 50.  Murat. antiq. Ital. IV, 976.  Iperius 629.  Vitae Pontif. 426.. Er lebte keineswegs mönchisch, sondern liebte die Freuden der Tafel und hielt vielleicht das Gelübde der Keuschheit nicht allzustreng; aber es war gewiß Verleumdung, wenn der Bischof von Mantua ihm nachsagteNeugart cod. Alemann. II, Urk. 349.: vor seinem hündischen Treiben wären Weiber, Jungfrauen und Nonnen, ja die eigenen Blutsverwandtinnen und Schwestern nicht sicher.

Wörtliche Vorwürfe, obgleich aufs höchste gesteigert, entschieden aber nicht; es entschied nicht, daß Anaklet, im Bunde mit Roger von Sicilien, seinen Gegner zwang Rom 346 {1130} zu verlassen und über Pisa nach Frankreich zu fliehen; vielmehr kam es auf den Ausspruch der gesammten christlichen Welt an, und beide Päpste eilten ihre Wahl vor den Königen und den Völkern zu rechtfertigen. Für einen von beiden mußte man sich, bei der damaligen Ansicht von der Kirche und ihrem Oberhaupte, nothwendig entscheiden; weil aber der unruhige Sinn der Römer die Papstwahlen oft beschränkte und störte, ließ König Ludwig VI auf einer Versammlung in Etampes, nicht sowohl die Form und Gesetzlichkeit der Wahl, als die Würdigkeit der Person untersuchen und entschied sich (zum Theil durch die ernstliche Vorsprache Bernhards von Clairvaux bestimmt) für InnocenzSicardi chr. 596.  Roger Hoved. 480.  Auch Spanien war für Innocenz.  Epist. S. Bernh. 125.  Concil. XII, 1461.. Seinem Beispiele folgte König Heinrich von England; und als endlich die Nachricht einging, daß Anaklet, ob er sich gleich für Lothar und gegen den Hohenstaufen Konrad erklärt hatteBaronius §. 20., auf dem Reichstage zu Würzburg, den Anträgen des Erzbischofs von Ravenna gemäß sey gebannt worden, so schien Innocenz vollkommen obgesiegt zu haben.

Um jedoch über manche kirchliche Angelegenheiten, seine Herstellung in Rom und die Ertheilung der Kaiserwürde schneller und zweckmäßiger verhandeln zu können, begab sich Innocenz im März des Jahres 1131 nach LüttichAnselm. Gemblac.  Chr. mont. sereni.  Miraei op. diplom. I, 95, 279.  Martene coll. ampliss. IV, 1083.  Bouquet XIII, 610., wo König Lothar, viele Fürsten, zwei und dreißig Erzbischöfe und Bischöfe, drei und funfzig Äbte und viele andere angesehene Personen seiner harrten. Mit der größten Ehrfurcht nahmen ihn alle auf, und Lothar hielt und führte ihm den weißen Zelter. Am folgenden Tage ward in der Kirche des heiligen Lambertus ein feierliches Hochamt gehalten, und der König mit seiner Gemahlinn Richenza von Innocenz gekrönt; wobei man den Bann über die Feinde 347 {1131} des Papstes und des Königes nochmals aussprach. Diese große Einigkeit ward aber durch neue Berührung der Frage über die geistlichen Belehnungen nicht wenig gestört. Lothar nämlich stellte, erst gemäßigt, dann dringender und heftiger vorAlberic. 269.  Otton. Fris. chr. VII, 18.  Alanus 1385.  Epist. S. Bernh. 150.  Ernaldi vita Bernh. I, 1206.  Dachery spicil. III, 485.: wie viel das Reich durch Entsagung derselben und insbesondere dadurch verloren habe, daß die Weihe der Belehnung vorangehen solle. Er wollte itzt dasjenige wieder gewinnen, was er früher selbst, aus äußeren Rücksichten freiwillig aufgegeben hatte, was ohne seine stete Widersetzlichkeit gegen Heinrich V, diesem nie wäre entrissen worden! Innocenz ließ sich jedoch durch die Furcht vor Anaklet und durch die Hoffnung auf Lothars kriegerischen Beistand keineswegs verleiten, die Früchte so schwerer Kämpfe leichtsinnig wegzugeben, und er fand Fürsprecher an manchen Bischöfen, welchen die neue freiere Wahlform gefiel; vor allen aber wußte Bernhard von Clairvaux (schon damals in allen großen Angelegenheiten thätig) den König durch lebhafte und mit geistlichen Gründen unterstützte Vorstellungen, einstweilen zu beruhigen. Selbst diejenigen, welche es loben, daß Lothar offene Fehde gegen die Kirche vermied, können nicht läugnen daß er, bei der übereilten Verwerfung Anaklets, weder seinen Rechten, noch seinen Pflichten vollkommen genügte, und daß es auf jeden Fall unklug war, zuerst durch die Anerkennung von Innocenz alle Zwangs- oder Nöthigungs-Mittel preiszugeben, und nachher von ihm die Entsagung eingeräumter Vortheile erpressen zu wollen!

Im nächsten Jahre (dahin ging die zwischen dem Papste und dem König itzt getroffene Abrede) sollte der Römerzug angetreten werden; worauf jener einstweilen nach Frankreich zurückkehrte, dieser aber seine ganze Thätigkeit darauf verwandte, daß alle etwa vorhandenen Unbilden und Fehden in Deutschland beseitigt würden und ihm kein gefährlicher 348 {1131} Feind im Rücken bliebe. Er dämpfte (um einzelnes, was in diese Zeiten fällt, zu erwähnen) einen AufstandDodechin.  Monach. Weing. 787.  Lünig spic. eccles. von Trier, Urk. 27.  Pegav. chron. cont.  Auctor incert. apud Urstis zu 1130.  Chronogr. Saxo., welcher in Magdeburg gegen den Erzbischof Norbert ausgebrochen war; strafte Bürger von Halle, wegen Ermordung mehrer Edeln, an Leib und Gut; ächtete Hermann von Winzenburg, weil er einen königlichen Rath, Burkard von Luckau hinterlistig erschlagen hatteMarienth. chron. 256.  Gozecense chron. 234.  Sunthem. 632., und erhob mehre von seinen und seiner Frauen Verwandten zu höheren Würden: so Ludwig zum Landgrafen von Thüringen, Konrad von Wettin zum Markgrafen von Meißen, Konrad von Plötzkau zum Grafen der Nordmark. Im südlichen Deutschland vermittelte er eine Fehde zwischen dem Herzoge von Baiern und dem Bischofe von Regensburg, bewirkte die Absetzung des gewaltthätigen, unheilig lebenden Bischofs Bruno von Straßburg, ertheilte dem neugewählten Erzbischofe von Köln die Belehnung, versagte sie dagegen an Albero von TrierGesta Trevir. Marten. 198., weil die Geistlichen und Edeln über dessen Erhebung uneinig wären. Ohne auf diesen Umstand Rücksicht zu nehmen, weihte aber Innocenz den Erwählten vor der königlichen Entscheidung und Belehnung; worüber Lothar anfangs sehr zürnte, jedoch nachgab, sobald Albero erklärte: er sey vom Papste dazu gezwungen worden, und habe den König nicht beleidigen wollen.

{1132} Auf diese und ähnliche Weise brachte Lothar für den Augenblick allerdings manches zur Ruhe; allein viele der wichtigsten Fragen und Klagen blieben noch immer (mit Vorsatz, oder aus Mangel an Kraft) unberücksichtigtNihil de statu regni ordinare voluit, immo omnium rerum querelas in respectu distulit. Nihil dignum regali serenitate egit.  Anselm. Gembl.  Miraei. op. dipl. I, p. 95., und insbesondere dauerte der große Streit mit den 349 {1132} hohenstaufischen Brüdern unentschieden fort. Deshalb schrieb der König dem Herzoge Heinrich von BaiernUrkunden in Pfisters Gesch. von Schwaben II, 182.: »auf ihn, als seinen Schwiegersohn, setze er das meiste Vertrauen und übertrage ihm, während des Römerzuges, die Verwaltung des Reiches. Vor allem möge er den Herzog Friedrich bekämpfen, demüthigen und sich dadurch den Weg zum Throne bahnen.« – Herzog Heinrich antwortete: »jeden Befehl des Königs werde er mit Ehrfurcht und Bereitwilligkeit erfüllen, aber gegen den Herzog von Schwaben Krieg zu führen, der ihn, wie er überzeugt worden, immer gleich einem Bruder geliebt habe, dünke ihm gar zu schwer. Deshalb bitte er, der König möge nochmals den Weg gütlicher Aussöhnung einschlagen und nur dann, wenn dieser Versuch mißlinge, ihm jene harte Arbeit übertragen.« – Der Friede kam nicht zu Stande, und in Folge dieser Spaltungen konnte Lothar für seinen Römerzug nur 1500 Ritter um sich versammelnBosov. anual.  Dagegen spricht Falco Benev. von 2000 milites.  Vergl. Bohem. chr. c. 61.. Und selbst diese wenigen wußte er nicht in Ordnung zu halten: denn schon in AugsburgAnnal. Saxo.  Dodechin.  Hildesh. annal.  Die Bürger von Augsburg waren meist hohenstaufisch gesinnt. Stetten Gesch. von Augsburg I, 56. erhob sich zwischen ihnen und den Bürgern eine so ungebührliche und gewaltige Fehde, daß ein ansehnlicher Theil der Stadt dabei verbrannte.

Jenseit der Alpen hegte man jedoch große Besorgniß vor der deutschen Macht, weshalb, laut einigen NachrichtenSiehe darüber Murat. annal., König Konrad erst jetzt von seinen Anhängern verlassen und zur Rückkehr nach Deutschland gezwungen ward. Sobald aber jene nur geringe Schaar, im Herbste des Jahres 1132 durch das tridentinische Thal in der Lombardei anlangteAlberic. 270.  Otton. Fris. chr. VII, 18.  Cereta.  Ans. Gembl., verschwand alle Furcht: man verachtete und 350 {1132} verspottete die Deutschen, welche kaum im Stande waren kleine Orte mit Gewalt einzunehmen, auf größere aber, welche sich, wie Mailand und Verona ohne Hehl feindlich zeigten, selbst keinen Angriff wagten. Weil indeß Papst Innocenz bei dem Könige in den ronkalischen Ebenen anlangte, Pisa und Genua versöhnt und gewonnen wurdenÜber Genuas Beistand, Cassari 259.  1132, November, belagerte Lothar Crema vergebens.  Murat. script. I, 2, 236., und die Lombarden so wenig als die Normannen im südlichen Italien unter sich einig waren: gelang es den Verbündeten, ohne erheblichen Widerstand bis Rom vorzudringen, wo Innocenz am 30sten März 1133 den Lateran und Lothar den Aventin besetzte, während Anaklet noch immer die Peterskirche, die Burg des Crescentius und einen großen Theil der Stadt inne hatteWir geben das Resultat der Vergleichungen von Falco Benev.  Order. Vital. 897.  Lünig spic. eccl. XV, Urk. 65.  Concil. XII, 1475.. Gesandte des letzten erschienen vor Lothar und sprachen: »es ist ungerecht, rechtliches Gehör zu verweigern und mit der Verurtheilung zu beginnen. Laßt durch eine unparteiische Kirchenversammlung untersuchen, welcher von beiden Päpsten gesetzlich erwählt sey. Anaklet ist seiner besseren Sache so gewiß, daß er sich gern einer solchen Entscheidung unterwirft und Geißeln stellen und Burgen zum Pfande seines unweigerlichen Gehorsams einräumen will.« – Einen Augenblick lang wollte Lothar das thun, was Recht, Klugheit und sein Beruf zu verlangen schien; als aber Innocenz und seine Kardinäle behaupteten: »Petrus Leo sey schon durch die Gesammtheit der Kirche verdammt, und es schicke sich nicht darüber noch eine Privatantwort zu ertheilenNon debere fieri privatum responsum. Dachery spic. III, 485.  Auch Bernhard von Clairvaux (epist. 126) meinte, ein Concilium führe nur zu Zögerungen und tieferen Spaltungen.;« – ließ sich Lothar diese Verwandlung des Königs und Kaisers in einen bloßen Privatmann gefallen, antwortete der erhaltenen Weisung 351 {1133} gemäß und warf zuletzt Anaklet vor, er habe die gemachten Erbietungen und Versprechen nicht gehalten. Wenn dieser aber von vorn herein verurtheilt wurde und höchstens (wie einige behaupten) ein Zusatz in der Antwort dahin lautete: billige Männer möchten berathen, wie die noch fortdauernde äußere Verwickelung am leichtesten zu lösen sey; so kann sich niemand wundern, wenn Anaklet nicht Geißeln stellen, Burgen einräumen, mit einem Worte, nächst den Ansprüchen, nicht auch die Macht in die Hände seiner Gegner legen wollte, welche nichts ähnliches darboten. Überdies reichten deren weltliche und geistliche Mittel so wenig hin, ihn aus Rom, oder auch nur aus dem Besitze der Peterskirche zu verdrängen, daß Innocenz den König am vierten Junius 1133Barionius §. 3. in der konstantinischen Kirche zum Kaiser krönen mußte. Um dieselbe Zeit kam (wie es scheint, nur durch Lothars Nachgiebigkeit in anderen Dingen) ein Vertrag über das Allode der Markgräfinn Mathilde zu Stande, worauf nach Heinrichs V Tode, Honorius II einigen, jedoch nicht ununterbrochenen Einfluß ausgeübt hatte. Der Papst überließ itzt dasselbe, gegen einen jährlichen Zins von hundert MarkDumont I, Urk. 123.  Orig. guelf. II, 514.  Concil. XII, 1409.  Würdtwein nova subsid. I, 38.  Cenni II, 200.  Murat. antiq. Est. I, 192.  Camici zu 1125, p. 25., zunächst dem Kaiser und hierauf dem Herzoge Heinrich von Baiern zu Lehn; jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung, daß nach ihrem beiderseitigen Ableben, das Ganze, als ein Eigenthum der römischen Kirche, an dieselbe zurückfalle.

Bald nach der Kaiserkrönung und diesem Vertrage, verließ Lothar, durch Geldmangel, Hitze des Sommers und Widerstand der Römer bedrängt, das mittlere Italien; und nicht lange darauf sah sich auch Innocenz genöthigt, vor Anaklet nach Pisa zu entweichenSigonius hist. Ital. Pisana monum. 974.  Für Anaklet war auch, bis ihn Bernhard bekehrte, der Herzog Wilhelm von Aquitanien.  Acta Sanct. 10ten Februar, S. 453.. Mithin waren die 352 {1133} Zwecke des italienischen Zuges kaum zur Hälfte erreicht, und auch in Deutschland, wo Lothar gegen den Herbst 1133 wieder anlangteHildesh. ann.  Bosov. ann.  Chronogr. Saxo.  Robert. de Monte. (nachdem er sich durch die, von Aufrührern besetzten Pässe bei Brescia durchgeschlagen hatte), fand er noch vieles zu thun übrig.

In den Fehden zwischen den Hohenstaufen und dem Herzoge von Baiern war Schwaben arg verwüstetIbid. und Chron. Mont. sereni.  Anselm. Gembl. etc. Wir übergehen das Einzelne. und, nach wechselndem Glücke, das wichtige Ulm von dem letzten erobert worden. {1134} Beide Theile sahen endlich ein, was ihr wahres Beste erfordere: die hohenstaufischen Brüder, daß sie ihren Ansprüchen auf die Krone entsagen und sich dem Kaiser unterwerfen müßten; dieser, daß es räthlicher sey, so tüchtige Männer durch eine ehrenvolle Behandlung zu gewinnen, als ihren völligen Untergang zu bezwecken. Sobald als Friedrich von Schwaben seine früheren Friedensgesuche wiederholteDaß Friedrich schon früher gern Frieden geschlossen hätte, ergiebt Lothars eigenes Schreiben in Pfisters Gesch. v. Schwaben II, 182., fand er Vermittler an den Erzbischöfen von Köln und Mainz, an den Bischöfen von Regensburg und Speier, endlich an der Kaiserinn Richenza selbst, einer mannhaften Frau, deren Einfluß auf die Handhabung öffentlicher Angelegenheiten sich in Urkunden und Freibriefen überall offenbartZ. B. Baronius zu 1130, §. 22.  Tiraboschi Modena IV, Urk. 356, 357.  Petrus Diacon. IV, 107.. Als nun auch Bernhard von Clairvaux und Papst Innocenz (letzter mit Hinsicht auf einen zweiten erfolgreicheren Zug nach Italien) zum Frieden riethen, verstummten alle leidenschaftlich Kriegslustigen. Im März des Jahres 1135 gelobte Herzog Friedrich auf einem Reichstage in Bamberg, dem Kaiser mit gebeugtem 353 {1135} Knie Gehorsam und Unterwerfung, und ward dafür von der Acht gelöset und in seinen frühern Besitzungen bestätigt. Um Michaelis desselben Jahres war auch die schwierigere Unterhandlung mit Konrad beendet: in Mühlhausen entsagte er der Krone und den, aus der salischen Erbschaft in Anspruch genommenen Landschaften und Rechten. Dagegen empfingen beide Brüder dies alles als Lehen zurückOb genau alles in Anspruch Genommene (Pfister II, 187), ist zweifelhaft. Doch sagt die Histor. Landgrav. Thuring. Eccard: Omnia quae illius antea fuerunt, restituit, eumque donis regiis honoravit, et ad propria cum gloria redire permisit. Vergl. Mellic. chron.  Austriac. chron. Pappenh. 1135.  Bohem. chr. c. 62.  Gaufredi vita S. Bernh. IV, 1252.  Codex Vindob. phil. No. 401 fol. 36, 37., und Konrad ward überdies vom Kaiser geehrt, beschenkt, zum Reichsfahnenträger ernannt und ihm der Vorrang vor allen übrigen Herzögen bewilligt.

Hiemit war endlich nach einem halben Jahrhundert innerer Fehden, Einigkeit und Frieden in Deutschland zum Vortheil aller Theile hergestellt, und es ließ sich erwarten, daß im Fall einer ruhigeren und dennoch rascheren Entwickelung der Kräfte im Innern, bald auch die Neigung entstehen werde, auf die benachbarten Länder und Staaten mehr und nachdrücklicher als zeither einzuwirken. Deshalb muß das, bis jetzt vorsätzlich zur Seite Gestellte nachgeholt und kürzlich von den Dänen, Slaven und Normannen gesprochen werden, mit welchen die Deutschen in den nächsten Zeiten sehr oft in freundliche oder feindliche Berührung kommen. 354

 


 


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