Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 1
Friedrich von Raumer

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Zweites Hauptstück.

{1106} Nach dem Tode seines Vaters wandte sich der junge König mit erneuter Thätigkeit, gegen dessen Anhänger. Es ward Köln, alles Widerstandes ungeachtet, erobert und in eine Strafe von 6000 Mark Silber verurtheilt, der Herzog Heinrich von Lothringen gefangen genommen und sein Land Gottfried von Löwen verliehenMiraei opera diplom. I, p. 88.  Sigeb. Gemblac.  Hildesh. ann. Leod. breve chr. Annal. Saxo.  Otto Fris. chr. VII, 13.  Alberic. 205.  S. Pantal. chr. Würdtw., der Graf von Flandern mit Heeresmacht zum Gehorsam gezwungen; es ward endlich jeder vom Kaiser vertriebene Bischof wieder in seine Rechte eingesetzt. – Kaum war das Reich auf diese strenge Weise beruhigt, so richtete der König seine Macht zunächst gegen Böhmen, Ungern und PolenDiese Züge fallen auf die Jahre 1108 u. 1109. Das Umständlichere über Böhmen hat Cosmas 2096.  Bohem. chron. 245.; weit wichtiger jedoch, als die Berührung mit diesen Ländern und Völkern, war und blieb Italien und das Verhältniß zum Papste.

Gleich nachdem Heinrich IV die Krone niedergelegt hatte, schickte der König eine Gesandtschaft mehrer Bischöfe aus allen Haupttheilen des Reiches an den PapstEichhorn episc. Curiensis 72. Die Gegner von Paschalis sagten ihm in Deutschland die ärgsten Dinge nach; er hingegen ermahnte seine Anhänger: tanquam luminaria in medio nationis pravae et perversae.  Concil. coll. XII, 989.; sie 258 {1106} wurden aber von Albert, einem kaiserlich gesinnten Edeln, im tridentinischen Thale gefangen, vom Herzoge Welf mit Mühe befreit und dadurch so eingeschreckt, daß mehre umkehrten, und nur Gebhard von Konstanz und Guido von Chur zu Paschalis kamen; welcher um dieselbe Zeit Nachricht von dem Tode des Kaisers und eine Einladung des neuen Königs erhielt, sich, behufs leichterer Anordnung aller Angelegenheiten, selbst nach Deutschland zu begeben. Hiezu war Paschalis, im Vertrauen auf seines Schützlings demüthige Gesinnungen, auch geneigt; glaubte indeß eine völlige Aussöhnung werde am besten eingeleitet, wenn er sich zuvor auf der, bereits nach Guastalla berufenen Kirchenversammlung über gewisse Hauptpunkte einerseits zwar streng, andererseits aber so milde als möglich ausspreche. Dem gemäß untersagte er schlechthin jede Belehnung der Geistlichen durch Laien; nahm hingegen alle ungebührlich geweihte und eingesetzte Bischöfe und Geistlichen zu Gnaden auf, sobald deren Lebenswandel und Kenntnisse tadellos erschienen und kein offenbarer Kauf der Pfründen Statt gefunden hatte.

Mehre behaupteten jedoch: um der letzten milden Bestimmung willen, würden die Deutschen der Belehnung keineswegs gutwillig entsagen, und insbesondere sey das heftige Gemüth des jungen Königs noch nicht geneigt, überall das Joch des Herren auf sich zu nehmen. Deshalb wandte sich Paschalis nicht nach Deutschland, sondern nach Frankreich und erhielt von König Philipp I, der ihn aufs ehrenvollste empfing, außer dem allgemeinen, althergebrachten Versprechen des Schutzes der Kirche, auch noch eine bestimmte Zusicherung kräftiger Hülfe gegen etwanige Anmaaßungen König Heinrichs. {1107} Dieser eilte, nachdem er den Papst vergeblich in Regensburg erwartet hatte, nach der Gränze von Lothringen und Frankreich, und schickte den Erzbischof von Trier, die Bischöfe von Halberstadt und Münster, den Herzog Welf den jüngeren von Baiern, mehre Grafen und seinen Kanzler Adalbert nach Chalons, um mit Paschalis neue 259 {1107} Unterhandlungen anzuknüpfen. Kanzler Adalbert, oder Albert, auf dessen geschickte Leitung der König hauptsächlich vertraute, blieb, entweder weil er gebannt war, oder weil er seiner geringeren Würde halber doch nicht an die Spitze der Gesandtschaft treten konnte, im Kloster des heiligen Memmius zurück; die übrigen dagegen zogen, nicht still und demüthig, sondern mit großer Pracht und zum Theil in völliger Waffenrüstung zum Papste. Das meiste Aufsehen unter ihnen erregte Herzog Welf, wegen seiner Größe und Dicke und wegen seiner gewaltigen Stimme. Überhaupt schien es (dies sagen wenigstens französische Berichterstatter), als wären die Gesandten mehr gekommen um zu lärmen und zu schrecken, als um zu verhandeln. Nur der Erzbischof von Trier, ein heiterer gewandter Mann und den französischen Sitten weniger fremd, fand allgemeinen Beifall und führte mit Klugheit und Beredsamkeit das Wort:

»Es sey seit unvordenklicher Zeit und schon unter Gregor dem Großen Reichsrecht gewesenDiese merkwürdige Darstellung findet sich bei Suger vita Ludov. VI, 289.. Mußte die Genehmigung des Königs vor der Wahl da seyn, so war es gleich, wenn und wie er investirte., daß man vor allen geistlichen Wahlen bei dem Könige oder Kaiser angefragt habe, ob ihm die Bewerber annehmlich wären. Nach dessen Beistimmung wäre nun, den Kirchengesetzen gemäß, der Antrag durch das Volk, die Wahl durch die Geistlichkeit frei und ohne Kauf oder Bestechung eingeleitet, der Gewählte aber dann durch Ring und Stab mit dem Weltlichen beliehen und dem Könige Huldigung und Treue geschworen worden. Nur auf diese billige Weise könne man Städte, Burgen, Markgrafschaften, Zölle oder sonstiges Reichsgut in Besitz nehmen und lassen, und wenn der Papst damit einverstanden sey, so werde Friede und Eintracht zwischen Reich und Kirche zu Gottes Ehren fortdauern.« – Der Papst ließ durch den Bischof von Piacenza antworten: »die Kirche welche durch Christi Blut befreiet und erlöset 260 {1107} ist, soll auf keine Weise einer Magd gleich, wieder dienen; Christus aber wäre vergeblich gestorben, wenn kein Geistlicher ohne Rückfrage bei dem Könige dürfte gewählt werden. Der Belehnung mit Ring und Stab entsagen, heißt Gottes Gut vom Altare nehmen, und es ist heilige Pflicht des Papstes nie zu bewilligen, daß blutige Hände der Laien dem Leibe des Herren nahen.« – Als die deutschen Gesandten diese unerwartet strenge, unbedingte Verwerfung ihres Antrages vernahmen, zeigten sie unverholen ihre Unzufriedenheit und sagten drohend, indem sie sich entfernten: »nicht hier, sondern in Rom wird dieser Streit mit dem Schwerte entschieden werden.« Vergeblich suchte der Papst die Unterhandlungen durch mehre geprüfte und erfahrene Männer auf eine gemäßigtere Weise mit dem Kanzler Albert wieder anzuknüpfen; alle eilten zum Könige zurück und erstatteten ihm Bericht. Nach dem Rathe der Fürsten ließ dieser dem Papste, welcher in Troyes eine Kirchenversammlung hielt, itzt sagen: das Recht die Bischöfe zu ernennen, sey vom päpstlichen Stuhle schon Karl dem Großen feierlich überlassen worden; mithin könne er nicht zugeben, daß über diese Frage einseitig etwas neues, und am wenigsten, daß außerhalb Deutschland etwas für Deutschland entschieden werde. Binnen Jahresfrist wolle er dagegen nach Rom kommen und auf einer allgemeinen Versammlung eine genügende Untersuchung einleiten lassen.

Der Papst bewilligte das Fristgesuch, bestätigte aber auf jener Kirchenversammlung nochmals kühn die Beschlüsse seiner Vorgänger über die Freiheit der Geistlichen, und die Verwerfung jeder Belehnung durch LaienGobelinus 58.  Corner 647.  Annal. Saxo.. Und nicht minder als wider seine Feinde, behauptete er alle Ansprüche des römischen Stuhles gegen seine Freunde. So bannte er (wenigstens auf eine Zeit lang) einige deutsche Bischöfe, welche nicht seiner Ladung gemäß auf der Kirchenversammlung erschienen waren; er strafte den Erzbischof Rothart von 261 {1107} Mainz, weil er eigenmächtig den Bischof Udo von Hildesheim wieder eingesetzt und den, von Laien belehnten Bischof Reinhart von Halberstadt geweiht hatte; er verwies es nachdrücklich dem Bischofe Gebhard von Konstanz, daß er der gewaltsamen Einsetzung des Bischofes Gottschalk von Minden beistimmte u. s. w. Überhaupt war dem Papste, als er nach Italien zurückkehrte, vieles, wenn auch nicht alles gelungen; und ob er gleich zu klagen Ursache hatte, daß sich in den Gemüthern der Deutschen nicht die erwartete Demuth vorfinde; so konnte er desto zufriedener mit den Franzosen seyn, welche ihn bewunderten und erzählten: daß er, gegen die allgemeine Sitte der Römer, in Kirchen und Klöstern weder Gold, noch Silber, noch Perlen und andere Schätze begehrt, sondern, in heiliger Genügsamkeit, nur um ein Stückchen vom Kleide des heiligen Dionysius gebeten habe.

{1108 und 1109} Neben diesen Mißverhältnissen zum Papste fanden sich auch Spuren von Abneigung der Weltlichen gegen Heinrich, welcher überall seine und des Reiches Rechte streng hervorhob und jeden strafte, der etwas dagegen heimlich versuchte oder öffentlich wagte. Gern sahen deshalb manche eine Andeutung der Zukunft darin: daß in Goslar ein BlitzstrahlHildesh. annal. den Nabel des königlichen Schildes und einen Theil seines Schwertes schmolz, obgleich Heinrich selbst unbeschädigt blieb. – Ohne Rücksicht auf den Papst und alle Abgeneigten, entsetzte er den Abt Gottfried von Fulda und bestellte Wolfhelm zu dessen Nachfolger, behielt nach Rotharts Tode das Erzbisthum Mainz zu dereinstiger Vergabung offen, und ließ den Pfalzgrafen Siegfried gefangen setzen, als Herzog Heinrich von Lothringen dessen, wider Leben und Herrschaft des Königs gerichtete Absichten verrathen hatteTolner 90..

So wurden die inneren Angelegenheiten mit Nachdruck geordnet, und die äußeren hatten sich in sofern gebessert, 262 {1108 und 1109} als PolenGünstigere Zeugnisse für die Polen und den Sieg über die Deutschen bei Hundsfeld, hat Boguphalus 35. Siehe die Prüfung der Nachrichten in Mascov. comment. II, 146 und Klose Geschichte von Breslau I, 176. und Böhmen Zinszahlung versprach, ein Thronwechsel Frankreich für den Augenblick schwächte, und die Verlobung Heinrichs mit der englischen Prinzessinn MathildeHistor. franc. fragm. ap. Duchesne IV, 95.  Bohem. chr. 56. ihn mit deren Vater, dem Könige Heinrich I, aufs engste verband.

Nunmehr schien es Zeit, auch die Streitigkeiten mit dem Papste zur Entscheidung zu bringen: deshalb ging zuvörderst eine neue feierliche Gesandtschaft nach Rom, gegen welche sich Paschalis sehr gnädig benahm und zu allem bereit erklärte, sofern der König als ein ächter Sohn der Kirche erfunden werde. – {1110} Noch vor Rückkunft der Gesandten hielt dieser einen Reichstag in Regensburg und äußerte: er wolle über die Alpen ziehen, in Rom die Krone empfangen, die großen italischen Landschaften zum brüderlichen Frieden mit dem deutschen Reiche zurückbringen, die alten Gesetze und Rechte befestigen und aufrecht halten, in jeglichem aber, was die Vertheidigung der Kirche betreffe, den Winken des Papstes gehorsamen. – Diese Erklärung, welche die Rechte des Reiches und der Kirche, den Ruhm der Deutschen und das Wohl der Einzelnen gleichmäßig zu berücksichtigen schien, wirkte, – begleitet von den bestimmten Forderungen des Königs –, so schnell und so allgemein, daß bereits im August 1110 ein ansehnliches Heer versammelt war, dessen eine Hälfte über den Brenner nach Trident, die zweite unter des Königs eigener Anführung über den kleinen BernhardMons Jovis (Ursp. chr.) ist nach Mascov. comment. 149 der kleine, nach Tschudi I, 80 der große Bernhard. nach Ivrea zog. Novara, welches den Vorrückenden unvorsichtig widerstand, ward mit Gewalt erobert; was die übrigen lombardischen Städte so in Furcht 263 {1110}setzte, daß sie, Mailand allein ausgenommen, Zins entrichteten. – In der großen ronkalischen Ebene bei Piacenza, wo die deutschen Könige in der Regel ihre Macht versammelten und Heerschau hielten, trafen jene beiden Heeresabtheilungen zusammen, und man zählte jetzt, ohne die Italiener, an 30,000 RitterEquitum electorumOtto Fris. chr. VII, 14;  Landulph. jun. 18.. Deren Zelte, in regelmäßiger Ordnung aufgestellt, bildeten ein fast unübersehbares, Abends durch reiche Erleuchtung doppelt glänzendes Lager. – Von hier aus leitete der König Unterhandlungen mit der Markgräfinn Mathilde, als der mächtigsten Fürstinn des oberen Italiens ein; und da beide Theile zu enger Freundschaft wie zu offener Feindschaft keine genügenden Gründe hatten, so kam man zu einem mittleren Auswege, wonach Mathilde den König als ihren Oberherrn erkannteAnnal. Saxo zu 1110.  Camici 42.  Mansi 304., dafür aber die Bestätigung ihrer Besitzungen und Rechte, so wie das Versprechen erhielt: daß jener nichts gegen den Stuhl des heiligen Petrus unternehmen wolle.

Ungeachtet der schon sehr vorgerückten Jahreszeit, zog der König itzt weiter über Bardi nach Pontremoli. Dieser Ort, welcher im Vertrauen auf seine feste Lage in den Höhen des Apennins widerstand, ward erstürmt; die Deutschen stiegen, jedoch nicht ohne Verlust besonders an Pferden und Lastthieren, in die Ebenen Toskanas hinab und erreichten Florenz, kurz vor dem Eintritte des Weihnachtsfestes. {1111} Nachdem man dies prachtvoll gefeiert hatte, wandte sich der Zug mit dem Anfange des Jahres 1111 nach Arezzo, dessen Bürger man, wegen mehrfacher Beleidigung der kaiserlich gesinnten GeistlichkeitAnnal. Saxo zu 1111., bestrafte und ihre, gegen die Deutschen errichteten, Befestigungen und Thürme zerstörte.

In Sutri, wohin der König über Aquapendente gelangte, trafen ihn seine vom Papste zurückkehrenden 264 {1111} Gesandten und berichteten: daß, aller höflichen Wendungen ungeachtet, der Papst im Wesentlichen auf seinen und seiner Vorgänger früheren Beschlüssen verharre, und sowohl von dem Grafen Roger von Apulien, als von den römischen Großen, das Versprechen thätigen Beistandes gegen etwanige Gewaltschritte der Deutschen erhalten habe. – König Heinrich, wohl wissend, daß oft weniger mit den Waffen, als mit Klugheit und Kenntnissen gegen den römischen Hof auszurichten sey, hatte nicht bloß Krieger, sondern auch Gelehrte und Rechtskundige in seinem Gefolge, und beschloß itzt (wahrscheinlich nicht ganz ohne ihren Rath), den bisher fruchtlos betretenen Weg zu verlassen und einen anderen, ganz verschiedenen in der Hoffnung einzuschlagen: daß Paschalis, bei seiner streng geistlichen, ja mönchischen Natur, scheinbar geistliche Gründe und Ansichten, über alle Gründe der Staatsklugheit schätzen und diese, wo nicht ganz verkennen, doch zurückstellen werde. Dem gemäß ließ der König dem Papste durch eine neue Gesandtschaft vorstellenOb der erste Gedanke zu diesem Auswege in Paschalis entstand, oder ob Heinrich ihn darauf hinleitete, mag zweifelhaft bleiben. Gewiß benutzte der letzte ihn listig; wogegen ich mich, nach genauer Betrachtung der Sachen und der Personen, nicht davon überzeugen kann, daß der Papst von Anfang an damit umgegangen sey den Kaiser zu überlisten.: »alle Geistlichen hätten ihre ursprüngliche Natur ganz verändert, und durch die Freigebigkeit früherer Kaiser und Könige eine solche Menge irdischer Besitzthümer erhalten, daß das Reich ganz verarmt und ohnmächtig erscheine, sobald man sie von Gehorsam, Aufsicht, Steuern und Kriegsdienst entbinde und befreie. Kein Weltlicher würde auf geistliche Rechte und Geschäfte Anspruch machen oder sich in dieselben mischen, wenn nicht umgekehrt die Geistlichen auch das Weltliche an sich zögen.« – Hierauf entgegnete der Papst: »die Geistlichkeit muß mit Zehnten und Gaben zufrieden seyn, jedes andere Weltliche mag der König für sich und seine Nachfolger zurücknehmen und dagegen allen 265 {1111} Eingriffen in das Geistliche entsagenDodechin zu 1110..« – Bedenklich antworteten die Gesandten: der König werde nicht wagen den Kirchen Gewalt anzuthun und zahllosen Kirchenraub zu begehen; aber der Papst bekräftigte mit einem Eide: er wolle, nach der Gerechtigkeit und vermöge seines Ansehens, den Kirchen nehmen was ihnen nicht zukomme, sobald der König der Belehnung mit Ring und Stab entsage.

Nunmehr kam ein Vertrag zu Stande des Inhalts: »es steht durch göttliche Gesetze fest und ist durch heilige Kirchengesetze bestätigt, daß Geistliche sich nicht mit weltlichen Geschäften befassen sollen. Daher sagt der Apostel PaulusEpist. an die Korinther I, 6, 4.: ihr aber, wenn ihr über zeitlichen Gütern Sachen habt, so nehmet die Verachteten in der Gemeinde und setzet sie zu Richtern. Im deutschen Reiche sind aber die Bischöfe und Geistlichen dergestalt mit weltlichen Dingen beschäftigt, daß sie selbst Gerichtsstätten besuchen und Kriegsdienste leisten, was ohne Raub, Mord und Brand kaum möglich ist. Anstatt für ihre Gemeinden Sorge zu tragen, sich nicht von ihren Kirchen zu entfernen und, wie Paulus verlangt, zu wachen, weil sie von jeder ihnen anvertrauten Seele Rechenschaft ablegen müssen; sind sie Knechte des weltlichen Gutes und aus Dienern der Kirche Diener des Hofes worden. Und um dieses vom Reiche erhaltenen Besitzes willen, hat sich die, durch apostolische Gesetze verworfene Sitte eingeschlichen: daß keine geistliche Bischofsweihe vor der weltlichen Belehnung Statt findet. Zur Abstellung dieser Mißbräuche verspricht König Heinrich der Belehnung mit Ring und Stab zu entsagen und die Kirche auf alle Weise zu schützen; der Papst wird hingegen an dessen Krönungstage öffentlich erklären: daß die Bischöfe und Geistlichen, bei Strafe des Bannes, alles weltliche Gut zurückgeben, und weder itzt noch künftig sich wieder in dessen Besitz setzen, oder danach streben sollen. Zu dem 266 {1111} weltlichen Gute, oder den Regalien, werden aber gerechnet: Städte, Herzogthümer, Markgrafschaften, Grafschaften, Münzrecht, Marktrecht, Zölle, Vogteien, Rechte der Zentmänner oder Meyer, Reichsgüter anderer Art, Thürme, Burgen und Kriegsmacht. Wegen aller dieser Gegenstände wird der Papst den König nie mehr beunruhigen, vielmehr jeden seiner eigenen Nachfolger, der es etwa unternehmen möchte, im voraus bannen; er wird die Krönung Heinrichs unweigerlich vollziehen und seine Herrschaft im Reiche befestigen helfen.«

Sowohl der Papst als der König glaubten, dieser Vertrag bringe ihnen großen VortheilHarzheim concil. III, 259.: jener nämlich war hoch erfreut, daß es ihm gelungen sey die Geistlichkeit von aller weltlichen Macht unabhängig zu machen, nur an die Kirche festzuknüpfen und sie von frevelhaften Irrwegen zu ihrer ersten, ächten, wahrhaft christlichen Bestimmung zurückzuführen. Alle Klagen über die Ausartung der Geistlichen wären nunmehr für die ganze Zukunft abgeschnitten, und die wahre Kirchenverbesserung an Haupt und Gliedern vollbracht. – Andererseits würde der König, durch buchstäbliche Vollziehung jenes Vertrages, einen unermeßlichen, zu völliger Unbeschränktheit führenden Gewinn an Ländern und Gütern gemacht haben. Weil aber die gesammte Geistlichkeit keinesweges die Ansicht des Papstes über die Vorzüge einer armen Kirche theilte, so rechnete Heinrich wohl weniger auf Einziehung aller ihrer Güter, als darauf: daß der Haß wegen dieser Versuche und Plane auf den Papst fallen müsse, und er, selbst von den Geistlichen unterstützt, zuletzt seine früheren Absichten erreichen werde.

Nachdem jene Verträge durch Bevollmächtigte beschworen, und zu größerer Sicherheit wechselseitig Geißeln gestellt waren, stand nichts dem Einzuge des Königs in Rom mehr entgegenCiaccon. I, 901.  Orsi X, 157.. Am eilften Februar erreichte er den Monte 267 {1111} malo, und am zwölften die Stadt. Schon vor den Thoren bewillkommten ihn die Juden, im Thore die Griechen, hierauf die Bürger und weltlichen Obrigkeiten, deren Recht er nicht um zu täuschen (wie Argwöhnische vermutheten), sondern als herrschender deutscher König, in deutscher Sprache bestätigte. Durch die Doppelreihe, in welche die niedere Geistlichkeit bis zur Peterskirche aufgestellt war, zogen die Deutschen in geschlossener Ordnung hindurch und besetzten, den erhaltenen Befehlen gemäß, vorsichtig die ganze Umgegend; während der Papst, die Kardinäle und alle höhere Geistliche den König an den Kirchenthüren mit Kreuzen, Rauchfässern und aller Pracht kirchlicher Gebräuche empfingen. Heinrich beugte demüthig seine Knie vor dem Statthalter Christi, leistete das gewöhnliche Versprechen die Kirche zu schützen, erhielt dann von Paschalis den Kuß des Friedens und ward endlich in die Kirche geführt, wo er sich neben jenem auf einem Prachtstuhle niedersetzte. Itzt verlangte der Papst: daß vor dem Anfange heiliger Gebräuche einige namentlich Gebannte die Kirche verlassen sollten, und daß der Kaiser der Belehnung mit Ring und Stab eidlich entsage. Dieser antwortete: zu einer förmlichen Eidesleistung sey er, als König, niemandem verpflichtet und wegen der übrigen Punkte müsse er mit seinen, keinesweges von der Lage der Dinge hinreichend unterrichteten Getreuen, Rücksprache halten. Zu diesem Zwecke begab er sich in eine benachbarte Kapelle und ließ, den Augenblick für günstige Eindrücke geschickt ergreifend, nach seiner Rückkunft laut eine Erklärung des Inhalts vorlesen: »ich Heinrich, König u. s. w. bekräftige, daß ich alles dasjenige, was dem römischen Stuhle, den Bischöfen, Äbten und Kirchen von meinen Vorfahren überlassen, oder auf irgend eine Art Gott übergeben ist, ihnen auf keine Weise zu nehmen gedenke.« Diese unerwartete Erklärung machte die gesammte Geistlichkeit aufmerksam und besorglich, der Papst mußte jenen Vertrag mittheilen und fügte seinen oben angeführten Gründen hinzu: daß die Geistlichen künftig, frei von der Willkür und 268 {1111} den Diensten des Königs oder anderer Weltlichen, unter seinem heiligen Schutze eine glückliche, sichere Heerde bilden würden. – Hierauf entstand nun aber, wie König Heinrich sehr richtig vorausgesehn hatte, ein allgemeiner heftiger Widerspruch; alle Bischöfe und Geistlichen erklärten, der König sey allein auf das wahre Wohl der Kirche bedacht, des Papstes Grundsätze und Bewilligungen wären dagegen ketzerisch, und nie würden sie es sich gefallen lassen unter seinem, angeblich beglückenden Schutze, eine arme, ohnmächtige, nackte und bloße Heerde zu bildenAus den, zum Theil unter einander abweichenden Nachrichten habe ich bestmöglichst die, das Mittel haltende Erzählung zusammengesetzt. Alberic. 213.  Chronogr. Saxo.  Dandolo 261.  Orderic. Vital. 762.  Vitae Pontif. 362.  Giannone X, 8.!

Natürlich trat mit diesem Verwerfen der Hauptbedingung des geschlossenen Vertrages, die alte Forderung des Königs, daß ihm das Recht der Belehnung verbleibe, in ihrer ganzen Kraft wieder hervor; und als sie der Papst nicht sogleich bewilligen wollte, sondern auf neue Unterhandlungen und Verträge hinwies, trat ein deutscher Ritter hervor und sagte mit großer Lebhaftigkeit: »wozu so viele Worte, wozu Unterhandlungen und Verträge? Wisse, daß der König, unser Herr, die kaiserliche Krone eben so empfangen will wie sein Vorfahr, Karl der Große.« – Dies verweigerte der Papst, heftigen Äußerungen traten noch heftigere entgegen, Gerüchte von entstehendem Zwiste verbreiteten sich schon unter der unruhigen Menge, ein rascher Entschluß schien bei der wachsenden Gefahr nothwendig. Dazu trieb vor allen Kanzler Adalbert. Wenn der Papst und die Kardinäle, – dies behauptete er mit großer Kühnheit –, sich weigern den König zu krönenAlbert. Stad.  Falco Benev.  Wilh. Malmesb. 166., so muß man sie gefangen nehmen und dazu zwingen. Bald stimmten mehre seiner Ansicht bei, und schon war der König im Begriff hienach Befehle zu ertheilen, als Erzbischof Konrad von 269 {1111} Salzburg dazwischen trat und das ganze Vorhaben in so bittern, beleidigenden Ausdrücken verwarfAventin. ann. VI, 12.  Admont. chr. 183.  Gebhardi vita 441.  Gobelin. 58.  Helmoldi chr. 39.  Otto Fris. chr. VII, 14.  Reichersberg. chron., daß ein Diener des Königs, Heinrich Kopf aus Kaufring am Lech, das Schwert zog und ohne des Königs Dazwischenkunft, den Erzbischof niedergestoßen hätte. Dieser bot aber wiederholt seinen Nacken dar und sagte ungeschreckt: »lieber will ich dies zeitliche Leben verlieren, als zu einer so großen Schandthat schweigen.« – Während der hiedurch entstehenden Zögerung erhob sich bereits in der Umgegend der Kampf zwischen den Deutschen und den Römern; und jene, welche in diesem Augenblicke noch die schwächeren waren, glaubten nur in der Person des Papstes und der Kardinäle, Geißeln für ihre Sicherheit zu erhalten. »Ich lasse dich nicht,« sagte Heinrich zu Paschalis, »du segnest mich denn;« – und weil dieser auf seiner Weigerung beharrte, so ward er, (jedoch unter Beobachtung alles dabei irgend möglichen Anstandes) mit sechszehn Kardinälen und anderen Begleitern gefangen und der Aufsicht des Patriarchen Ulrich von Aquileja übergebenUlrich war auch Abt von St. Gallen. Arx I, 288.  Aquil. Patriarch. vitae 40.  Concil. coll. XII, 1156..

Hierauf drängten die, sich in größerer Anzahl sammelnden Deutschen auch die Römer mit großem Verlust über die Brücke bei der Burg des CrescentiusDie Engelsburg. zurück, und dem Scheine nach war itzt jede Gefahr beseitigt. Allein über jenen Verlust und die allgemein kund werdende Gefangennehmung des Papstes aufs höchste erzürnt, sammelten sich, von dem entkommenen Kardinalbischof von Tuskulum angefeuert, die Römer und griffen, durch 2000 Apulier unterstützt, die Deutschen schon in der Nacht und mit solchem Nachdrucke an, daß nicht wenige umkamen und der König unangekleidet und mit bloßen Füßen sein Roß 270 {1111} besteigen und den Kampf wagen mußte. Das Roß ward unter ihm getödtet und während er ein anderes von dem mailändischen Grafen Otto dargebotenes bestieg, ward dieser gefangen und nachher mit wilder Grausamkeit in Stücken gerissen und den Hunden vorgeworfen. Der König gerieth gleichzeitig in so große Gefahr, daß er laut ausrief: »sehet ihr nicht, wie die Römer mich umringen? wollt ihr, meine Mannen, euren König nicht erretten?« Durch diesen Aufruf ermuthigt, drangen die Deutschen gewaltig vorwärts, die Römer wichen und König Heinrich erlegte, selbst überall vorkämpfend, deren fünf. – Nur noch einen Tag verweilte er in Rom zum Zeichen der, für den Augenblick gewonnenen Obergewalt, dann schien es ihm gerathener und sicherer, sein Heer nach Alba abzuführen. Aber nicht durch die engen Thore, welche zu unerwarteten Angriffen Gelegenheit darboten, zogen die Deutschen aus der Stadt, sondern vorsichtig und stolz zugleich, rissen sie dazu einen Theil der Mauern nieder, und führten manche Römer mit Stricken um den Hals zur Strafe ihrer Angriffe, oder als Geißeln mit sich hinweg.

Alles kam, – wenn sich die Folgen der bisherigen Gewaltschritte nicht zuletzt gegen den König wenden sollten –, itzt darauf an, den Papst zu einem neuen, wenigstens scheinbar freiwilligen Vertrage zu bewegenBaronius zu 1111.  Concil. coll. XII, 1170.. Dem widersprachen aber die eifrigen unter dessen Rathgebern und äußerten: er müsse sogleich, der Hülfe Gottes und der Macht kirchlicher Mittel vertrauend, den König bannen und dürfe hoffen, daß römischer und apulischer Beistand auch äußerlich bald den Verhältnissen eine andere Wendung geben werde. Dieser Ansicht beitretend, antwortete Paschalis den Unterhändlern Heinrichs: »ich bin unschuldig, daß der geschlossene Vertrag nicht zur Ausführung gekommen ist. Tödten kann mich der König, wie er mich gefangen genommen hat; aber zwingen kann er mich nicht, seinen ungerechten Wünschen 271 {1111} nachzugeben. Im Morde von Bürgern und Geistlichen ist Heinrich glücklich gewesen, aber wahrlich ich sage euch, er wird in seinem Leben keinen anderen Sieg mehr gewinnen, keinen Frieden finden und keinen Sohn zeugen, der ihm auf dem Throne folge.« – Als der König diese Antwort vernahm, zürnte er aufs heftigste, ließ die kirchlichen Besitzungen verwüsten und drohte: er werde, bei längerer Weigerung, den Papst in strengerer Haft halten und seiner geistlichen Kleider berauben, ja er werde alle Gefangene hinrichten lassen. – Hievon erhielt der Papst sogleich Nachricht, und milder Gesinnte stellten ihm vor: auf äußeren Beistand der Römer sey nie Verlaß, und Graf Rogers unerwarteter Tod vernichte jede Aussicht auf apulische Hülfe. Bei fortdauerndem Widerstande gehe aller Besitz der Kirche zu Grunde, das Leben der Gefangenen komme in ernste Gefahr, und wenn der König etwa eine neue Papstwahl veranlasse, spalte sich die ganze Christenheit zu allgemeinem Verderben. Räthlicher sey es deshalb, in diesem Augenblicke der deutschen Wildheit nachzugebenExspectamus ut ferocia gentis illius edometur.  Concil. coll. 1010. und den heilsamen Frieden unter Bedingungen zu erhalten, welche der Kirche eigentlich nichts von ihren alten Rechten entzögen, sondern höchstens Besserungen auf günstigere Zeiten hinausschöben. Wenn die Geistlichkeit weltliches Gut behalte, erscheine eine Belehnung mit demselben nicht so ganz unnatürlich, und für die Freiheit der Kirche werde sich, beim Nachgeben über jene eigentlich weltliche Frage, vielleicht noch etwas gewinnen lassen. – In diesem AugenblickeCorner 655.  Schiphover 139.  Hildesh. ann.  Mon. Weingart. 735., wo Paschalis durch Vorstellungen und Bitten bereits erweicht und durch Herzog Welfs geschickte Vermittelung fast gewonnen war, erschien König Heinrich selbst, warf sich ihm, Verzeihung flehend zu Füßen und versprach Gehorsam, 272 {1111} sofern ihm nur die angestammten Rechte gelassen würden. Hierauf kam, am einundsechszigsten Tage nach der Gefangennehmung des Papstes, die Aussöhnung und ein Vertrag zu Stande, welchen päpstlicherseits funfzehn Kardinäle und Bischöfe, weltlicherseits funfzehn Bischöfe und Fürsten beschwuren. Er lautete dahin: »der König wird den Papst und die Kardinäle freilassenBaronius zu 1111.  Alberic. 213.  Dumont VI, 61, Urk. 109, 110.  Simeon Dunelm. hist. regum Angliae, Sigeb. Gembl., ihren Personen und Gütern Sicherheit zugestehn und der Kirche, jedoch mit Vorbehalt der Rechte des Reiches, gehorsamen. Der Papst wird den König nie in den Bann thun, oder wegen des Geschehenen beunruhigen; er überläßt ihm, nach vorhergegangener freier gesetzlicher Wahl, die Belehnung mit Ring und Stab. Auf diese Belehnung erfolgt die Weihe von dem Erzbischofe oder Bischofe; Streitigkeiten bei den Wahlen vermittelt und entscheidet der König. Jeden Übertreter dieser Bestimmungen trifft der Bann.« Sobald der König diese Urkunde empfangen hatte, zog er nach Rom zurück und ward hier vom Papste, unter Beobachtung aller Feierlichkeiten, am dreizehnten April 1111 als Kaiser gekröntÜber den Krönungstag vergleiche Murat. ann. und Pagi crit. zu 1111.. Unmittelbar nach Empfang der Krone, gab aber Heinrich dem Papste jene Urkunde klüglich zurück, damit sich kein Verdacht festsetze, sie sey im Lager mit Gewalt erzwungen worden; und der überraschte, oder neuen Fehden abgeneigte Papst reichte sie ihm nicht allein zum zweiten Male dar, sondern gab ihm auch die Hälfte der gebrochenen Hostie mit den Worten: »so wie dieser heilige Leib gebrochen und getrennt ist, so sey derjenige vom Reiche Jesu Christi getrennt, der diesen Vertrag zu übertreten und zu verletzen wagt.«

Gern wäre der König, durch dies Obsiegen in Hinsicht der großen kirchlichen Angelegenheiten doppelt ermuthigt, auch in das südliche Italien hinabgezogen, wo sich, nach 273 {1111} dem Tode Graf Rogers und seines Vettern Boemund, kein bedeutender Widerstand vermuthen ließ; allein neue Mißhelligkeiten mit der Kirche erschienen dabei unvermeidlich, die Zeit des Lehnsdienstes war verflossen, und die deutschen Angelegenheiten verlangten des Kaisers persönliche Einwirkung. Deshalb begnügte er sich mit freundlichen Versicherungen der Normannen, zog nach dem obern Italien zurück und besuchte am sechsten Mai 1111 die Markgräfinn Mathilde in Bibianello. Diese kluge Frau wußte den Kaiser während seiner dreitägigen Anwesenheit so geschickt zu behandeln, daß er ihr die Statthalterschaft aller Umgegenden, unter der Benennung des ligurischen Reiches, überließ, sie schmeichelnd seine Verwandte, seine Mutter hießTiraboschi Modena I, 139, 160.  Mansi 311.  Vergl. auch Orderic. Vital. 763. und über manches beruhigte, was ihr, aus ihrem Standpunkte, an seinem zeitherigen Benehmen sehr anstößig seyn mußte.

In Deutschland erschreckte das Glück des Römerzuges und die Demüthigung des Papstes, mehre heimliche Gegner des Kaisers; auch schien es, als wolle er die Gemüther nicht bloß durch Strenge, sondern auch durch Milde gewinnen. In dem Leichenbegängnisse seines Vaters, welches er mit Erlaubniß des Papstes feierlich in Speier begingMutterstadt 172., sahen viele ein Anzeichen löblicher Reue; in der Versöhnung mit dem Pfalzgrafen Siegfried (dessen Kind er über der Taufe hielt), einen Beweis, daß er die früheren Gegner des Königs nicht mehr als Kaiser verfolgen wolle; in der Erhebung seines Kanzlers Albert auf den erzbischöflichen Stuhl von Mainz, ein Zeichen, daß er treue Dienste großmüthig belohnen werde. Nur in dem nordwestlichen Theile von Deutschland weigerten sich Herzog Lothar von Sachsen und Markgraf Rudolph, im Vertrauen auf ihre Macht und entfernte Lage, den gefangenen Grafen Friedrich von Stade auf des Kaisers Befehl frei zu lassen. Als ihnen aber 274 {1111} deshalb auf einem Fürstentage in GoslarAnnal. Saxo.  Annal. Hildesh.  Dodechin.  Suntheim 632. ihre Würden abgesprochen wurden und Heinrich siegreich bis Salzwedel vordrang, genügten sie klüglich allen Befehlen, worauf keine weitere Strafe oder Änderung ihrer früheren Verhältnisse eintrat.

In weltlichen Dingen schien also der Kaiser nicht minder überall obgesiegt zu haben, als in kirchlichen Angelegenheiten; bald sollte er jedoch erfahren, daß List und Gewalt (welche er in beiden Richtungen anzuwenden nicht verschmäht hatte), zwar oft zum Siege führen, nie aber ächten Frieden begründen und Vertrauen erwerben können.

Kaum war das deutsche Heer aus der Gegend von Rom hinweggezogen, so erhoben diejenigen Kardinäle und Prälaten, welche keinen Antheil an dem neuen Vertrage über die Belehnung genommen hatten, laute Klage und behaupteten: daß die Kirchenrechte von dem Papste und den mitgefangenen Kardinälen auf verwerfliche Weise preisgegeben und alle gefaßten Beschlüsse umzustoßen seyenBaronius §. 27.  Petrus Diac. IV, 42.  Dumont I, Urk. 114.. Vergeblich ermahnte Paschalis von Terracina aus: sie möchten nicht, der Kirchengesetze vergessend, Spaltungen erregen und ihren Ehrgeiz höher stellen als Liebe und Gehorsam; vergeblich rechtfertigten die mitbeschuldigten Kardinäle ihr Verfahren. Bruno, Abt von Montecassino antwortete: »ich liebe den Papst wie meinen Herren und Vater, aber ich kenne auch das Gebot, Christus mehr zu lieben als Vater und Mutter. Deshalb kann ich jenen Vertrag, der unter Gewalt und Verrath geschlossen und aller Frömmigkeit zuwider ist, auf keine Weise billigen. Oder, wer dürfte das loben wodurch der Glaube verletzt wird, die Kirchenfreiheit verloren geht, das Priesterthum sich auflöset und, nach dem Verschließen des einzigen und wahrhaften Einganges zur Kirche, viele Pfade für Diebe und Räuber eröffnet werden? Wir haben Kirchengesetze, wir haben Beschlüsse der heiligen 275 {1111} Väter seit den Zeiten der Apostel, welche einstimmig jeden verdammen, der durch weltliche Macht zur Kirche kommt. Auf diesem heiligen Wege soll man beharren; wer davon abweicht, wer jenen Beschlüssen widerspricht, ist kein katholischer Christ, und wer Ketzereien beschützt, ist selbst ein Ketzer.«

{1112} Außer Stande diesen Sturm zu beschwichtigen, schrieb Paschalis, dem laut geäußerten Verlangen gemäß, eine Kirchenversammlung nach Rom aus und entschuldigte in den Einladungsbriefen schon im voraus sein Verfahren, durch geschichtliche Darlegung aller dabei eingetretenen Umstände. Noch genauer trug er diese Erzählung im März 1112 den versammelten Vätern vor und bekannte: was er in der Noth, nach seiner Überzeugung zur Rettung der Kirche, gethan habe, sey an sich schlecht und tadelnswerth und er wünsche, daß mit Rath und Urtheil seiner Brüder ein Ausweg gefunden werde, damit weder die Kirche noch seine Seele Schaden leide. Einige erklärten hierauf: was ein Vater erlasse und verzeihe, dürften die Söhne nicht rächen, und des Papstes Verfahren unterliege keiner weiteren zurechtweisenden Prüfung; ja eine Kirchenversammlung, welche hiebei über ihre Rechte hinausgehen wolleSo entschuldigte auch Ivo von Chartres den Papst. Lünig cod. dipl. I, 354, No. 8 und 9.  Suger vita Ludov. VI, 290.  Annal. Saxo.  Stederburg. chon., löse alle Kirchenordnung auf und erzeuge dadurch größere Übel, als sie auf der anderen Seite je vertilgen könne. – Bei weitem die meisten tadelten hingegen so laut das Verfahren des Papstes und griffen durch mittelbare Folgerungen selbst seine Rechtgläubigkeit so sehr an, daß er, um alle Zweifel zu beseitigen, sich zu dem Unerhörten bequemte und ein förmliches Bekenntniß seines katholischen Glaubens dahin ablegte: »ich glaube an das alte und neue Testament und die vier allgemeinen Kirchenversammlungen; ich nehme die Beschlüsse der Päpste, insbesondere Gregors VII und 276 {1112} Urbans II an. Was diese lobten, lobe ich; woran sie festhielten, halte ich fest; was sie bestätigten, bestätige ich; was sie verwarfen, verwerfe ich; was sie verboten, verbiete ich; was sie verdammten, verdamme ich; was sie bannten, banne ich.« – Mit dieser Erklärung bezeigten sich die versammelten Väter zufrieden, verlangten nun aber, als eine natürliche und nothwendige Folge derselben, daß der Papst den, mit dem Kaiser geschlossenen Vertrag selbst widerrufe und diesen banne. Hiezu aber wollte sich Paschalis, eingedenk seines Eides und der darauf genommenen Hostie, schlechterdings nicht verstehen; sondern warf, als man immer härter in ihn drang, den päpstlichen Mantel und die Mitra von sichPagi zu 1111, c. 2. und erklärte: »so will ich Mönch werden und die Kirche mag dann ohne mich beschließen, was ihr gut dünkt.« – Diese unerwartete Wendung erschreckte alle und niemand wußte Rath, bis der Bischof Gerhard von Angouleme vorschlug: man solle die Belehnung den Laien absprechen, was unbeschadet des Eides angehe, aber den Kaiser nicht bannen. Da rief man: »nicht du hast dies geredet, sondern der heilige Geist aus deinem Munde!« – und dreiundzwanzig Kardinäle, zwölf Erzbischöfe und hundert und vierzehn Bischöfe unterzeichneten folgende Erklärung: »der Rechtbrief, welcher kein Rechtbrief ist, sondern vielmehr ein SchlechtbriefBaronius §. 8, pravilegium, non priviletium. heißen sollte, und dem Papste Paschalis für die Befreiung der Kirche und der Gefangenen durch König Heinrichs Gewalt entrissen ward, ist von uns allen auf der heiligen Kirchenversammlung nach kanonischer Prüfung, aus kirchlicher Vollmacht und durch Urtheil des heiligen Geistes aufgehoben, verurtheilt und verdammt worden.«

Mit diesem Beschlusse wurden Gesandte, unter ihnen Bischof Gerhard von Angouleme nach Deutschland geschickt, um den Kaiser zur Entsagung der Belehnung zu bewegen; allein es entstand hierüber im Hoflager ein so 277 {1112} ungeheurer Lärm, daß Erzbischof Friedrich von Köln die, durch ihn eingeführten Gesandten kaum vor Gewaltthaten schützen konnte und zu dem Bischofe, seinem ehemaligen Lehrer, sagte: »Meister, du hast ein gewaltiges Skandalum an unserem Hofe bereitet!« – worauf Gerhard erwiederte: »dir das Skandalum, mir das Evangelium.« – Nur der Kaiser blieb ruhig, behandelte die Gesandten mit Anstand und entließ sie mit Geschenken, nahm aber übrigens auf ihre Forderungen nicht die mindeste Rücksicht. Hiezu glaubte er um so mehr veranlaßt und berechtigt zu seyn, da der Papst ihn nicht gebannt habeConcil. coll. XII, 1163., und jene, nur von zwei überalpischen Bischöfen besuchte Kirchenversammlung, keinesweges einseitig über deutsche Angelegenheiten entscheiden dürfe. Ja, nachdem Paschalis die versammelten Väter in ihre Heimath entlassen und mit dem Kaiser einen freundlichen Schriftwechsel erneut hatte, schien alle Gefahr für diesen verschwunden. Jetzt aber ergab sich, ihm unerwartet: daß nicht bloß der Papst die einzelnen Glieder der Kirche stärken, vertreten und erretten könne; sondern auch die wohlgegründete Macht und die folgerechten Grundsätze der Prälaten, das, durch weltliche Gewalt bezwungene Oberhaupt zu befreien, in die einmal betretene große Bahn zurückzuführen und wieder auf die Spitze des erhabenen Baus hinaufzuheben im Stande wären. – In diesem Sinne handelnd, bannte der Kardinal Kuno von PränesteNeugart. cod. dipl. Alem. II, 44.  Conc. coll. XII, 995, 1183., ein geborner Graf von Urach, sobald er von Paschalis Gefangennehmung hörte, ohne weitere Anfrage den Kaiser in Jerusalem, Griechenland, Ungern und andern Ländern, wohin ihn seine Geschäfte führten. Näher rückte die Gefahr, als Erzbischof Guido von Vienne, ein Unterthan des Kaisers (mit Bezug auf päpstliche, zu standhafter Vertheidigung der Kirchenrechte auffordernde Schreiben), im September 1112 eine Kirchenversammlung berief, auf welcher Heinrich namentlich und 278 {1112} feierlich gebannt, und von Paschalis die Bestätigung dieses Schlusses aufs bestimmteste, ja unter der Drohung verlangt wurde, daß man ihm fernerhin sonst nicht gehorsamen wolle. – Dieser Beschluß mußte dem Papst fast eben so unangenehm seyn, als dem Kaiser; hingegen kehrten sich die Folgen eines anderen Ereignisses nur wider den letzten.

Kanzler Adalbert, Graf von Saarbrück, früher des Kaisers Schmeichler und Haupturheber aller gewaltsamen Maaßregeln gegen den Papst, hatte, seitdem er durch seines Herrn Gnade Erzbischof von Mainz geworden war, nichts mehr von der weltlichen, wohl aber noch manches von der geistlichen Seite zu hoffen. Deshalb ergriff erAmbitione magis, quam pro justitia.  Petershus, chron. 361., durch Ehrgeiz nicht minder, wie durch seine neue Stellung als erster Prälat des deutschen Reiches, bestimmt, plötzlich die Partei derjenigen, welche die Unbeschränktheit kirchlicher Rechte aufs heftigste vertheidigten. Wie sehr dies den Kaiser überraschte, kränkte, erzürnte, geht am besten aus seinem hierüber erlassenen SchreibenCodex Mscr. Palatinus No. 217. hervor, worin es, dem wesentlichen nach, heißt: »ein Beispiel teuflischer Untreue ist gegeben, worüber jedes redlich gesinnte Gemüth erstaunen muß. Zwar wissen wir, daß es nicht der kaiserlichen Würde gemäß ist sich zu einzelnen Klagen herabzulassen: aber was wir erlitten haben, ist zu grausam und schrecklich; eine so unerwartete, so schreiende Ungerechtigkeit zwingt uns zu reden! Adalbert unser Kanzler, den wir aus der Niedrigkeit erhöhten, aus der Dürftigkeit reich machten, dem wir den ersten Sitz der Kirche und die größte und mächtigste Stadt übergaben, dem wir gern unsern ganzen Hof unterordneten, dem kein Geheimniß unseres Reiches und unserer Brust verborgen blieb, der die Hälfte von uns, ja, bis auf den Namen uns gleich war, hat –, sobald wir dies alles zu seinem Besten gethan hatten, plötzlich sein Gemüth verwandelt! Er wollte keinen Höheren mehr über 279 {1112} sich, keinen Gleichen mehr neben sich dulden, häufte Schätze aufeinander, sammelte Mannschaft, nahm eigenmächtig Schlösser in Besitz, dehnte widerrechtlich seinen Sprengel aus und suchte, der Gebote Christi uneingedenk, das Gift der Zwietracht und des Aufruhrs zu verbreiten. Während wir in Worms schwer krank lagen, nahte er und wollte uns Kreuz und Lanze entreißen, ja unser Leben war bei seinen Anschlägen nicht sicher. Als er aber die Geistlichen in diesen Gegenden nicht gewinnen konnte, so suchte er unseren Schwestersohn Herzog Friedrich von Schwaben, durch vielfache List zu verführen; und als auch dies mißlang, wandte er sich in gleicher Absicht nach Sachsen, nach Burgund, ja bis nach der Lombardei. Ungehorsam verschmähte er mehre Vorladungen und gab endlich zur Antwort: nur in Worms wolle er sich stellen. Nachdem wir, diese trotzige Forderung bewilligend, daselbst angelangt waren, ließ er die Reichsversammlung heimlich mit Bewaffneten umringen und gab, auf unser und der Fürsten und Prälaten einstimmiges Verlangen, daß er dem Bischofe von Speier widerrechtlich Genommenes zurückgeben möge, zur Antwort: »euch und das eure würde ich ganz verschmähen, wenn ich dessen irgend entbehren könnte; itzt aber will ich, so lange ich lebe, weder etwas zurückgeben noch davon Dienste leisten.« Nach dieser stolzen ungebührlichen Antwort verließ er den Reichstag, begab sich nach Mainz zurück und blieb, trotz mehrer Ladungen, auch bei den nächsten Reichstagen aus.

So lagen die Dinge, als der Erzbischof bei einer Reise zufällig unter kaiserliche Mannschaft gerieth. Er erschrack anfangs sehr, faßte sich dann schnell und that, als habe er den Kaiser aufsuchen und ihn sprechen wollen. Weil er jedoch in dem, nun Statt findenden Gespräche aufs bestimmteste wiederholte: »er werde der kirchlichen Partei treu bleibenOtto Fris. chron. VII, 14.  Halberst. chr. 131., und keinesweges von dem in Besitz Genommenen etwas herausgeben;« so ließ ihn der Kaiser zu 280 {1112} abschreckendem Beispiel in ein hartes Gefängniß werfen. Diese Maaßregel verfehlte ihres Zweckes; denn obgleich viele Adalberts Benehmen durchaus mißbilligten, schien es ihnen doch bedenklich, ja anstößig: daß der erste Fürst und Prälat des Reiches, ohne Rücksicht auf Fürsten- und Kirchen-Recht, nach dem einseitigen Willen des Kaisers seiner Freiheit beraubt und nicht einmal diejenige Form beobachtet werde, welche sonst vermöge Gesetzes und Herkommens, selbst für den Geringsten vorgeschrieben sey.

Bei dieser Stimmung führte ein anderes Ereigniß bis zu offenem Widerstande gegen den Kaiser. Pfalzgraf SiegfriedSiehe über die Verwandtschaft Mascov. comment. 166.  Suntheim 632.  Tolner 282, 285, 290.  Anonym. Saxo 103. machte nämlich Ansprüche auf die Güter des verstorbenen Grafen Ulrich von Weimar; weil sich aber diese Ansprüche nur auf weibliche Verwandtschaft gründeten, so wurden sie vom Kaiser und den um ihn versammelten Fürsten verworfen. Dieser, dem alten Lehnrechte ganz gemäße Ausspruch fiel in eine Zeit, wo man gegen das Ausschließen der Weiber vom Lehnserbe schon heftig ankämpfte, und die Vermischung des Allodes mit dem LehneAus welchen Gründen der Kaiser sich auch das Allode zusprechen ließ (Mascow l. c.), ist unbekannt, vielleicht muß aber feuda, statt allodia gelesen werden. Siehe Bertram Gesch. v. Anhalt I. 337., jede Entscheidung erschwerte und Widersprüchen aussetzte: ja der Kaiser scheint seine Forderung, minder billig, auf das ganze Erbe gerichtet zu haben. Um deswillen wandte sich Siegfried mit Beschwerden an mehre Fürsten und fand, aus vielen Gründen, insbesondere bei den sächsischen Gehör. Theils nämlich waren sie mit ihm verwandt, theils erschienen jene allgemeinen Besorgnisse bei ihnen doppelt wichtig, weil es hieß: der Kaiser habe schon in Hinsicht auf Steuern bedenkliches geäußert und auf eine Prüfung der Rechtstitel ihrer Besitzungen hingedeutet. Manche endlich, welche ihn gegen 281 {1112} seinen Vater begünstigt hatten, fanden es unerträglich, daß Jener allein hievon den Vortheil ziehe, ihnen dagegen nichts zu Theil werde als der Vorwurf einer, nicht bloß ungerechten, sondern auch gewinnlosen Empörung. Mit dem Pfalzgrafen Siegfried verbanden sich deshalb seine Schwiegermutter Gertrud (die Erbinn der braunschweigischen Lande), sein Schwager Herzog Lothar von SachsenDumont I, 64, Urk. 114.  Orig. guelf. IV, 474.

   Karl der Dicke, Graf von Nordheim
                Gertrud
        ┌──────────┴──────────┐
     Gertrud               Richenza
Pfalzgraf Siegfried      Herzog Lothar
, Markgraf Rudolf, die Grafen Ludwig von Thüringen und Wiprecht von Groitsch, endlich der unruhige Bischof Reinhart von Halberstadt.

Sobald der Kaiser von diesen Verbindungen hörte, welche sowohl den allgemeinen Reichsgesetzen als einem in Salzwedel geschlossenen Vertrage zuwider erschienen, berief er die genannten nach Erfurt, damit sie ihr Betragen vor ihm und den übrigen Fürsten rechtfertigen möchten. Sie blieben jedoch aus und wurden deshalb geächtet; worauf der Kaiser so schnell mit Heeresmacht vordrang, daß er die starke Festung Horneburg und sogar Halberstadt erobern und dessen Mauern niederreißen konnte, ehe ihm ein erheblicher Widerstand geleistet wurde. {1113}Erst im folgenden Jahre stellten sich die Verbündeten, nach Entfernung Heinrichs, dessen Feldherrn dem Grafen Hoyer von Mansfeld entgegen, wurden aber am 21sten Februar 1113 bei WarenstadtBarnstedt bei Querfurt, sagt Spangenbergs Chronik von Sangerhausen. Über die Grafen von Groitsch siehe Pegav. chron. zu 1112, P. Albinus 563, Tolner 287. unfern Quedlinburg gänzlich geschlagen, Pfalzgraf Siegfried tödtlich verwundet und Graf Wiprecht von Groitsch gefangen genommen. Dem letzten, welchen man in Würzburg zum Tode verurtheilte, schenkte der Kaiser erst das Leben, als er ihm Groitsch und 282 {1113} andere Besitzungen durch seinen Sohn übergeben ließ; ferner bat Graf Ludwig von Thüringen um Verzeihung, und der Bischof von Halberstadt suchte den Frieden: so daß der Kaiser, obgleich Herzog Lothar von Sachsen noch unbezwungen und ohne Reue dastand, itzt doch, seiner gewohnten Thätigkeit gemäß, nach Burgund eilen und den Grafen Raimund von Bar angreifen konnteUrsperg. chron.  Alberic. 221, 224., welcher in jugendlichem Übermuthe feindlich gegen das Reich verfuhr. Er ward gefangen und auf Bitten der Fürsten erst wieder frei gelassen, nachdem er allen Ansprüchen auf die Grafschaft Verdun entsagt, dem dasigen Bischof Frieden zugesichert und dem Reiche gehuldigt hatte.

Noch im Laufe desselben Jahres hielt der Kaiser einen, zahlreich besuchten Reichstag in Worms; söhnte sich, durch Vermittelung der Reichsstände, in Goslar mit dem Grafen Ludwig von Thüringen und dem Bischof Reinhart von Halberstadt völlig aus, schreckte den zweifelhaft gesinnten Bischof Otto von Bamberg, und feierte endlich in Mainz am sechsten Januar 1114, umgeben von fast allen Großen des Reiches, aufs prachtvollste seine Hochzeit mit Mathilde, der Tochter Heinrichs I von EnglandAnselm. Gemblac.  Simeon Dunelm. geneal. Reg. 368.  Roger Hoveden 472.  Bouquet XV, 68.; einer Frau, deren männliches Gemüth nicht durch eifrige Übungen solcher Frömmigkeit geschwächt ward, wie sie die damaligen Zeiten verlangten und ehrten. Den Glanz dieses Tages auf den höchsten Gipfel zu heben, erschien unerwartet der, bis itzt ungebeugte Herzog Lothar von Sachsen, in ärmlicher Kleidung und in bloßen Füßen sich vor dem Kaiser demüthigend.

Nunmehr, so dachte dieser, ist mir mein großer Plan gelungen: dem Kaiserthum gegen weltliche und geistliche Angriffe diejenigen Rechte wiederum zu erkämpfen, welche Karl, der größte meiner Vorfahren, in ungetrübter 283 {1114} Machtvollkommenheit ausübte. Nunmehr wird Deutschland, zeither schwach durch Zersplitterung seiner Kräfte und durch Mangel an Gehorsam, in neuer Kraft aufblühen, Ordnung eintreten an die Stelle der sich Freiheit nennenden Willkür, das Wohl des Ganzen nicht mehr nachstehen dem eingebildeten Wohle untergeordneter Theile, und das Oberhaupt des Reiches nicht mehr abhängig seyn von den Launen und Leidenschaften einzelner Glieder. – Dies waren die Ansichten und Hoffnungen des Kaisers, und dennoch täuschte er sich, wie so viele welche nicht einsehen: daß die größte Sonnenhöhe des Glückes stets der Anfangspunkt des Sinkens ist. Gerade dies gehorsame Zusammentreffen so vieler Fürsten in Mainz, zeigte ihnen recht augenscheinlich in welche Abhängigkeit sie gerathen warenMulti de principibus sine laetitia interfuerunt.  Erf. chron. S. Petrin. 207., und leicht reihten sich an dies Gefühl Wechselklagen, die ein merkwürdiges Gegenstück zu des Kaisers Freuden und Hoffnungen bildeten. »Statt eines im einzelnen willkürlichen, im ganzen milde gesinnten Kaisers, haben wir einen strengen, folgerechten Tyrannen erhalten. Nach dem was Heinrich V gegen seinen Vater, gegen den Papst, gegen den Erzbischof von Mainz wagte und vollführte, ist niemand mehr seines Guts, seiner Freiheit, seines Lebens sicher. Anstatt den Angeklagten auf Reichstagen vor ihren Genossen Recht und Gehör zu verstatten, beginnt der Kaiser mit Verhaftung von Fürsten und nennt Vertheidigung alter, heilsamer Rechte, Meuterei und Empörung. Soll die Herrlichkeit des deutschen Reiches mit seinen Erzbischöfen, Bischöfen und Äbten, mit seinen Herzogen, Fürsten und Grafen, sich verwandeln in eine ärmliche Zwangsanstalt, wo ein einziger Herr geduldigen Knechten gebeut? Das sey ferne! Laßt uns vielmehr, so wie Recht, Pflicht und Ehre es verlangen, der gemeinsamen Gefahr, ehe es zu spät ist, gemeinsam entgegentreten!« – Diese Betrachtungen und Berathungen blieben dem Kaiser gewiß 284 {1114} nicht ganz verborgen, sondern gaben sehr wahrscheinlich die Veranlassung, daß er plötzlich in Mainz den Grafen Ludwig von Thüringen verhaften ließ. Dieser neue Eingriff in Fürstenrecht und Fürstenfreiheit erzürnte mehr als er schreckte, und Heinrich, welcher einen Zug gegen die widerspenstigen Friesen beschlossen hatte, gewahrte bald daß er nähere Feinde bekämpfen müsse. Der Erzbischof Friedrich von Köln, der Herzog Gottfried von Niederlothringen, die Grafen von Jülich, Zütphen, Limburg und Arensberg, endlich das, ihm von jeher abgeneigte KölnColoniense chron. 915.  S. Pantal. chron. Würdtw. erklärten sich wider ihn, und beschäftigten seine Macht den Sommer und Herbst hindurch so sehr, daß er erst um Weihnachten Goslar erreichen, die sächsischen Fürsten und Prälaten bekriegen und den Erzbischof Adelgot von Magdeburg vorladen konnte, um sich wegen des Schutzes zu rechtfertigen, welchen er seinem Neffen, dem geächteten jüngern Grafen Wiprecht von Groitsch bewilligt hatte. Adelgot erschien in der Hoffnung, man werde diese, einem so nahen Verwandten erzeigte Gunst nicht als ein schweres Vergehen betrachten; als aber bald nachher, ungewiß ob mit Recht oder Unrecht, in ihm der Argwohn entstand, Heinrich V wolle ihn gefangen setzen, so entfloh erPegav. chron. zu 1115. und ward hierauf ebenfalls geächtet und abgesetzt. – Itzt erklärten die verbündeten Fürsten, welche Walbeck besetzt und befestigt hatten: »sie würden nicht angreifen, sondern sich nur vertheidigen;« – der Kaiser hielt es indeß für unverträglich mit seiner Würde, daß er hiedurch mittelbar von einem Theile des Reiches ganz ausgeschlossen werde, und begann den Feldzug. Während ein Theil seines Heeres Orlamünde belagerte und die Feinde in ihrer linken Seite bedrängte, eroberte er Braunschweig und verwüstete ungestört die Gegend von Magdeburg und Halberstadt, bis die Grafen von Limburg, von Arensberg und andere Westphalen, den sächsischen Fürsten eine ansehnliche 285 {1115} Unterstützung zuführten. Nunmehr stellten sich beide Heere in der Gegend von Eisleben einander gegenüber, vermieden aber aus wechselseitiger Scheu vor dem Ausgange, nicht nur eine Schlacht, sondern knüpften auch von neuem auf verständige Weise Unterhandlungen an. Allein Graf Hoyer von Mansfeld, welcher schon einen Theil der Güter des ältern Grafen Wiprecht von Groitsch erhalten hatte, sah ein, daß seine größere Hoffnung Herzog von Sachsen zu werdenMagdeb. chron. 324.  Pappenheim., im Fall einer Aussöhnung völlig scheitern müsse. Deshalb sammelte er rüstige kriegslustige Mannschaft um sich her und begann, längeres Zauderns ungeduldig, aus eigener Macht ein Gefecht. Ihm trat mit nicht minderer Kühnheit der jüngere Graf Wiprecht von Groitsch entgegen, und stürzte im Zweikampfe seinen persönlichen Feind entseelt zu Boden. Hiedurch geriethen dessen Begleiter in Verwirrung, das Treffen ward allgemein und der Kaiser am eilften Februar 1115, beim sogenannten WelfesholzeHelmold 40.  Stederburg. chron.  Zusätze zum pirnaischen Mönch 279.  Würdtwein subsid. nova II, 238.  Vergleiche über den Ort: Vogt Gesch. von Quedlinburg I, 163., zwischen Hofstedt und Widerstedt gänzlich geschlagen. Auf dem Schlachtfelde errichteten die Sachsen eine Kapelle und stellten in derselben die Bildsäule eines, nach väterlicher Art mit Schild, Keule und Helm bewaffneten und geschmückten Mannes auf, welchen die Bauern in jenen Gegenden den heiligen Tyodut oder Jodut nanntenDodechin zu 1115.  Corner zu 1217.  Lindner onom. 1526.  Vergleiche v. Hagens Irmin S. 15.. Den, in der Schlacht umgekommenen Kaiserlichen, versagte Bischof Reinhart von Halberstadt ein kirchliches Begräbniß, weil sie, gleich ihrem Herren, im Banne begriffen wären.

Überhaupt hatte diese Niederlage für den Kaiser die wichtigsten Folgen: denn obgleich seine Gegner gleichzeitig durch die, von einer anderen Seite her bis Köthen 286 {1115} vordringenden Slaven beunruhigtMagdeb. chron. l. c.  Spangenbergs Chron. von Sangerhausen 318;  vergleiche jedoch Anon. Saxo 101., und nicht selten durch die Besatzung der kaiserlichen Burg Kyffhausen geschädigt wurden; so vermochten sie doch unter Herzog Lothars Oberanführung nach Quedlinburg, Wallhausen, Erfurt, ja bis Korvey und Münster vorzudringen. Und nicht minder thätig zeigte sich die geistliche Macht gegen den Kaiser. Der Papst verfuhr, so weit es irgend ohne buchstäblichen Bruch seines Eides möglich war, nach eigenem Willen oder fremdem Antriebe, überall feindlich gegen den Kaiser, und es kam in Anregung, dessen Krone auf die Byzantiner zu übertragen. Der schon erwähnte Kardinal Kuno von Präneste, bannte den Kaiser im Oktober 1114 zu Beauvais, im März 1115 zu Rheims, im April zu Köln und im Julius zu Chalons. Ein anderer Kardinal, Dietrich, eilte nach Sachsen, bannte den Kaiser zu Goslar und nahm dagegen den Erzbischof von Magdeburg, nebst mehren anderen, wieder in die Gemeinschaft der Kirche auf. Vom Erzbischofe Friedrich von Köln gingen Schreiben im Reiche umher, des Inhalts: »siehe, durch Gottes Barmherzigkeit ist uns ein großes Thor eröffnet, damit die Wahrheit, welche lange verborgen war, wiederum hervortrete und unsere Freiheit, welche erdrückt ward, wiederum das Haupt erhebe. Schon hat die römische Kirche für sich und uns ihre Stimme erhoben, Frankreich ist beigetreten und Sachsen bekennt sich für das Rechte. Wen empört es nicht, daß alles Ansehn und alle kirchliche Gewalt den Hofleuten zu Theil wird? Die jährlichen Versammlungen und Berathungen der Geistlichen, die gesammte bischöfliche Verwaltung ist in ihre Hände übergegangenMontag II, 403. und das, was geistlich untersucht werden sollte, dient nur dazu, ihnen den Geldbeutel zu füllen. Überhaupt ist nirgends vom Gewinne der Seelen die Rede, sobald nur der unersättliche Abgrund der königlichen 287 {1115} Schatzkammer an irdischem Gute gewinnt. Deshalb müssen die Bischöfe, – welche Petri Schiff in stürmischen Zeiten lenken sollen –, unermüdet wachen und das Steuerruder fest halten, damit das Schiff nicht durch ihre Lässigkeit an diesen und ähnliche Felsen der Tyrannei anstoße und in den wüthenden Wogen zu Grunde gehe.«

Zu spät sah der Kaiser ein, daß der, welcher in vielen Furcht erweckt, sich vor vielen fürchten müsse. Vergebens suchte er unter Vermittelung des Bischofs von Würzburg und des Herzogs Welf von Baiern, einen billigen Frieden mit den Sachsen abzuschließen; vergebens erklärte er laut, daß er allen Beschwerden Gehör geben und das zu Ungewöhnliche, oder zu rasch und jugendlich Unternommene abstellen wolle. Man traute diesen Versprechungen nicht, welche nur die Noth seinem strengen Gemüthe abzupressen schien, und nur wenige begaben sich zum Reichstage nach MainzAm ersten November.  Ursp. chron.  Hildesh. ann., während die größere Zahl der Fürsten und Prälaten, ihrer neuen Macht und Unabhängigkeit froh, sich um den Kardinal Dietrich in Fritzlar versammelten. – In ähnlichen bedrängten Lagen hatte Kaiser Heinrich IV oft bei dem, ihm zugethanen Volke treuen Beistand gefunden; sein gewaltthätiger Sohn hatte aber auch versäumt dieses zu gewinnen, so daß die Einwohner von Mainz, unter Anführung ihres Stadtgrafen Albert, diesen Augenblick kaiserlicher Ohnmacht benutzten, plötzlich Heinrichs Palast mit bewaffneten Schaaren umringten, und unter schrecklichem Geschrei und fürchterlichen Drohungen, die Befreiung ihres Erzbischofes Adalbert verlangtenChronogr. Saxo 234.. Zuerst wollte der Kaiser diese anmaaßlichen Forderungen zurückweisen: als ihn aber seine getreuen Diener überzeugten, das Volk werde, bei längerer Weigerung, den Palast gewiß niederbrennen und alle tödten; so gab er nach und stellte dafür Geißeln, daß Adalbert binnen drei Tagen aus dem Gefängniß entlassen werde. Diese 288 {1115} Nachgiebigkeit führte indessen die Bürger keineswegs, wie der Kaiser gehofft hatte, zu günstigeren Gesinnungen: denn als nach seiner Entfernung Adalbert in Mainz einzogEiner Urkunde Adalberts zu Folge (Gallia christ. V, preuv. p. 450) stellten die Mainzer Geißeln für seine Freilassung, die aber sehr schlecht gehalten wurden und fast vor Hunger umkamen., erweckte die Blässe seiner Gesichtsfarbe und seine, durch das harte Gefängniß erzeugte, große Magerkeit allgemeines Mitleiden. Niemand warf ihm vor, daß er früher gegen den Papst und dann gegen den Kaiser untreu gewesen, jeder lobte ihn, daß er itzt der Kirche treu sey, und alle stimmten in dem erneuten Tadel zusammen: man habe den ersten Fürsten des Reiches nicht wie einen gemeinen Verbrecher behandeln und nicht über Dinge verdammen sollen, wo, selbst nach redlicher Prüfung, die Überzeugungen vieler Tausende so verschieden blieben.

Der Kardinal Dietrich, welcher den befreiten Adalbert zum Erzbischof weihen wollte, starb unerwartet auf der Reise; allein dies Ereigniß brachte Heinrichs Gegner so wenig aus der Fassung, daß Bischof Otto von Bamberg sogleich jene Weihe übernahmDodechin.  Ursp. chr. zu 1116.  Otto Fris. chr. VII, 15.  Alberic. 227.  Cardella I, 65. und der, für den Kaiser auftretende Bischof Erlong von Würzburg, als ein Gebannter unter so vielen Vorwürfen zurückgewiesen und mit so vielen Ermahnungen bestürmt ward, bis auch er zur kirchlichen Partei übertrat. Wie erstaunte der, auf Erlongs Treue und Geschicklichkeit bauende Kaiser, als dieser sich nach seiner Rückkunft weigerte vor ihm, dem Gebannten, Messe zu lesen. Zwar gab er, in Todesfurcht vor den gewaltigen Drohungen Heinrichs, in diesem Augenblicke nach; entfloh aber bei der ersten sich darbietenden Gelegenheit, und trug nun auch seinerseits dazu bei, Abneigung und Ungehorsam gegen den Kaiser zu vermehren.

Um diese Zeit traf die Nachricht ein: die neun und sechszigjährige Markgräfinn Mathilde sey am 24sten Julius 289 1115 in der Burg Bondeno bei Reggio gestorbenDie Leiche ward erst nach S. Benedetto bei Mantua und 1635 nach Rom gebracht. Mansi 320.  Tiraboschi Moden. I, 139.  Pagi zu 1115, c. 7.  Erra memor. 150.  Orsi X, 207.  Griffo zu 1115. Bonon. hist. misc.  Malespini 75.  Mathild. vita 17.; welches Ereigniß einen Kaiser, der seine Ansprüche auf ihren großen Nachlaß durchzusetzen wußte, plötzlich zu verdoppelter Macht führen konnte; einen minder mächtigen und geschickten Kaiser dagegen, nicht bloß in die Gefahr mittelbaren Verlustes, sondern auch in unmittelbare Fehden und Feindschaften stürzen mußte. Und wie viel wahrscheinlicher als die erste Hoffnung erschien itzt für den geschlagenen, niedergebeugten, verlassenen Kaiser, die letzte Gefahr! Der Papst machte Ansprüche auf Mathildens Erbe, vermöge einer im Jahre 1102 erneuten Schenkung, Herzog Welf vermöge seiner früheren Eheverträge; endlich strebten die, von Mathilden zeither abhängigen Städte und Ortschaften dahin, völlige Unabhängigkeit zu erlangen. Dennoch beschloß der Kaiser kühn einen Zug nach Italien und Rom. Dort könne er am leichtesten den Kirchenfrieden von dem Oberhaupte der Kirche erzwingen, und am leichtesten, bei den sich widersprechenden Ansichten so vieler, sein besseres Recht geltend machen. Mittlerweile dürften sich die Gemüther in Deutschland beruhigen und die Überzeugung entstehen: ein mächtiger Kaiser sey nicht zu entbehren. Und wenn auch die leidenschaftlichen Fürsten Sachsens, wenn auch die mächtigen Welfen ihm abgeneigt blieben; dafür daß sie nicht ganz obsiegen würden, bürgte ihm der Muth, die Einsicht, die Treue des ihm verwandten Geschlechtes der HohenstaufenPetershus. chr. 361.! 290

 


 


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