Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 1
Friedrich von Raumer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechstes Hauptstück.

{1135} Nach seiner Aussöhnung mit den Hohenstaufen hielt König Lothar einen Reichstag in MagdeburgAnderer Reichstage nicht zu gedenken., auf welchem die Fürsten den Landfrieden für zehn Jahre beschwuren und sich anheischig machten, daß sie alle von ihnen abhängige Personen zu einer ähnlichen Eidesleistung anhalten wollten. Die hieraus entstehende Ordnung und Einigkeit erhöhte sogleich das äußere Ansehn des deutschen Reiches. Aus Furcht vor Herzog Heinrich von Sachsen und Markgraf Albrecht von Salzwedel, wagten die Slaven keine Einfälle in die benachbarten Landschaften; König Magnus hatte sein zweifelhaftes Anrecht auf den dänischen Thron durch eine kaiserliche Belehnung über alle Zweifel zu erheben geglaubt; Herzog Boleslav von Polen zahlte den, seit mehren Jahren rückständigen Zins, huldigte wegen Pommern und Rügen und trug dem Kaiser das Schwert vorChronogr. Saxo.  Annal. Saxo.  Hildesh. ann.  Chron. montis sereni.  Otton. Fris. Chron. VII, 19.  Auctar. Gemblac.; ungerische Gesandte überbrachten Geschenke für Lothar und die Fürsten. Mehr aber noch als ungerische Gaben und polnische Pelze, bewunderte man die Kunstwerke aus edeln Metallen, die Purpurgewebe, die unbekannten Gewürze, das duftende RäucherwerkAnnal. Bosov.  Erfurt. Chron. S. Petrin.  Histor. Landgrav. Thur. Eccard. 374., welche der byzantinische Kaiser Johann der 380 {1135} Komnene überreichen ließ, als er einstimmig mit seinen Verbündeten, den Venetianern, zum Kriege gegen ihren gemeinsamen Feind Roger aufforderte. Diese Forderung stimmte so ganz mit den Bitten des Papstes, Bernhards von Clairvaux, Roberts von Kapua und mit Lothars eigenen Absichten überein, daß er den Bischof Anselm von Havelberg nach Konstantinopel sandte; welcher das Nöthige nicht bloß in Hinsicht der weltlichen Angelegenheiten geschickt einzuleiten wußte, sondern auch durch scharfsinnige Gespräche über die dunkelsten Theile der Kirchenlehre, die Achtung der spitzfindigen Griechen gewann.

So war also Deutschland ganz von befreundeten oder ungefährlichen Nachbarn umgeben (denn auch Ludwig VI von Frankreich konnte, wegen seiner Kränklichkeit und seiner Fehden mit einigen Großen, an keinen auswärtigen Krieg denken), und mit ganz anderer Macht als das erste Mal, hoffte Lothar jetzt in Italien für seine und des, von ihm beschützten Papstes Rechte, aufzutreten. Im August des Jahres 1136 versammelten sich bei WürzburgMiraei opera diplom. I, 687, Urk. 76.  Gattula III, 253. die Erzbischöfe Adalbert von Trier, Bruno von Köln und Konrad von Magdeburg, die Bischöfe von Merseburg, Halberstadt, Lüttich, Utrecht, Toul und Konstanz, die Herzöge Heinrich von Baiern und Sachsen, Konrad von Franken und Friedrich von Schwaben, der Markgraf von Meißen, anderer Fürsten, Grafen, Äbte u. s. w. nicht zu gedenken. Sie zogenWir übergehen das Einzelne, minder Denkwürdige des ganzen Zuges. fast ungehindert über Trident bis zu den ronkalischen Ebenen am Po. Hier saß der Kaiser zu Recht über größere und kleinere Angelegenheiten, wobei der Erzbischof von Trier oft das Geschäft eines Dolmetschers übernehmen mußteLandulph. jun. 44.: ein Beweis, daß Lothar kein Italienisch und wahrscheinlich auch kein Latein verstand.

381 {1136} Klagen der Lehnsherren, daß ihre Vasallen die Lehngüter oft willkürlich veräußertenFeudor II, 52., wurden durch ein bestimmtes Verbot dieses eigenmächtigen Verfahrens beseitigt; Klagen der jetzt, wie immer, unter sich uneinigen Städte, ließen sich dagegen dem Rechte nach schwerer entscheiden, und die Aussprüche fast nie ohne Gewalt zur Vollziehung bringen. So erstritt MailandLandulph. jun. 42.  Antichità Longob. milanesi IV, Diss. 32.  Baronius zu 1134, §. 5. Venedig suchte und erhielt die Bestätigung seiner Rechte. Sanuto vite 491.  Nach der Aussöhnung mit den Hohenstaufen hatte Lothar sehr freundlich an Cremona geschrieben, jetzt nahmen die Dinge eine andere Wendung. Cod. Vindob. Phil. No. 401, fol. 38. (welches durch die Vermittelung Bernhards von Clairvaux schon früher mit Innocenz und Lothar ausgesöhnt worden), zwar die Achtung von Cremona; weil aber dessen Belagerung itzt zu viel Zeit gekostet hätte, begnügte man sich mit dem Verwüsten der Feldmark. Turin nahm den Kaiser, obwohl ungern, Parma nahm ihn mit großen Ehren auf; Pavia mußte sich, zur Strafe seiner Widersetzlichkeit, mit ansehnlichen Summen von härteren Strafen loskaufen; Piacenza ward erstürmt und Bologna (welches die geringe Macht Lothars bei dessen erster Anwesenheit verachtet, und sich wiederum feindlich gezeigt hatte), erhielt den Frieden nur durch die Fürsprache Herzog Heinrichs von Baiern. Aus diesen kurzen Andeutungen ergiebt sich genügend, daß dieser Römerzug, wie die meisten, einem Sturme glich, der die Luft reinigt und manches Böse vertilgt, aber auch nicht weniger zerstört und jeden zwingt, sich vor seiner Macht zu beugen.

Mit dem Anfange des Jahres 1137 theilte der Kaiser in der Gegend von Bologna sein Heer, und während er selbst über Ravenna, Sinigaglia, Ankona und Fermo bis zur Gränze des apulischen Reiches vordrang; zog Herzog Heinrich über den Apennin nach TuscienMon. Weingar. 788 behauptet, Heinrich habe Tuscien von Lothar zu Lehn erhalten. Gewiß kam er nicht zu ruhigem Besitz. – Fioravanti 177., schlug den 382 {1137} Grafen Guido (welcher den kaiserlichen Statthalter Engelbert verdrängt hatte), eroberte Florenz, schatzte das widerspenstige Lukka und vereinigte sich bei Grosseto mit dem, von Pisa, – seinem gewöhnlichen AufenthaltsorteDandolo 277.  Robert. de Monte zu 1138. Im May 1134 hatte Innocenz in Pisa eine Kirchenversammlung gehalten. –, herbeieilenden Papste Innocenz. Ein Streit, ob die, den Städten Viterbo und Sutri wegen ihrer Anhänglichkeit an den Gegenpapst Anaklet, auferlegte Steuer dem Herzoge Heinrich nach Kriegsrecht, oder dem Papste Innocenz als Landesherren gebühre, ward zwar mit Lebhaftigkeit geführt, dann aber klüglich beigelegt; weil ja die Hauptsache noch zu thun übrig und Anaklet in Rom noch so mächtig war, daß man diese Stadt zur Seite liegen ließ und rasch nach der apulischen Gränze zog.

Als König Roger von der Gefahr Nachricht erhielt, welche größer und schneller als er geglaubt hatte, auf ihn eindrang, bot er ansehnliche Summen für die Erhaltung des Friedens; aber ohne diesen Antrag zu berücksichtigen, drang Lothar über Pescara, Herzog Heinrich über Ceperano in das apulische Reich einAlberic. 277.  Auctar. Gemblac.  Falco Benev.  Giulini 353.  Chron. mont. sereni.  Lünig Reichsarch. Spic. eccl. von Stablo Urk. 13. – Das apulische, oder sicilische Reich ist die gewöhnliche Benennung in jener Zeit.. Jenem ergaben sich, theils gutwillig, theils gezwungen, alle Städte der Seeküste bis Bari; dieser nahm S. Germano, setzte den Herzog Robert wieder in Kapua ein, begründete die Herrschaft von Innocenz in Benevent und vereinigte sich, über Troja ziehend, am 25sten May 1137 vor Bari mit dem Kaiser. Roger hatte gehofft die wichtigsten Orte mit seiner Macht decken zu können; weil sich aber viele Einwohner des Landes den Feinden anschlossen, so reichte Widerstand an einzelnen Stellen und in einer bestimmten Richtung nicht aus; und 383 {1137} eben deshalb wollte er dem Kaiser seinen zweiten Sohn als Geißel stellen, sofern er den ersten mit Apulien belehne. Allein im Gefühl der Übermacht ward auch dieser Vorschlag zurückgewiesen, Roger aus einer Bergstellung nach der andern vertrieben, ja zur Flucht nach Sicilien gezwungen und allmählich Bari, Neapel, Amalfi und Salerno erobert. Nur noch eine geringe Anstrengung schien nöthig, um ganz Italien wieder mit dem römisch-deutschen Reiche zu vereinigen, alles versprach mehr als je den glücklichsten Erfolg; und doch entwickelte sich schon in demselben Augenblicke manches, was von dem fast erreichten Ziele wiederum entfernte.

Die Grausamkeit, mit welcher man gefangene Soldaten, insbesondere Saracenen getödtet und sogar BürgerDas Schloß von Bari ward verbrannt. S. Pantal. Chron. Würdtwein., welche sich vertheidigten, verstümmelt hatte, erschreckte allerdings im Anfange; allmählich aber erzeugte dies Verfahren doppelten Haß bei den Abgeneigten, es verwandelte die Ansicht und Stimmung, selbst der günstig gesinnten Einwohner. Und in dieser Lage, wo eine starke Kriegsmacht zur Erhaltung des Gehorsams und der Ordnung unentbehrlich war, drangen die Deutschen mit solcher Heftigkeit auf die Rückkehr, daß sie einen Aufstand gegen den Papst, die Kardinäle und den Erzbischof von Trier begannen, weil diesen die Verlängerung des Krieges zur Last gelegt wurde. Zwar stillte Lothar durch Strenge diese Unruhen; aber die Gesinnungen blieben unverändert, und selbst Herzog Heinrich vereinte sich (wie einige behaupten, durch Rogers Geschenke bewogenCinnamus 40.), mit denen, welche einem längeren Aufenthalt in diesen Gegenden widersprachen. Zu diesen Übelständen und Hindernissen kam endlich, auf ganz natürliche Weise, auch noch Streit zwischen dem Papste und dem Kaiser; indem jener die geistlichen, dieser die weltlichen Ansprüche in den Vordergrund stellte. Lothar z. B. ließ unter seinem Vorsitze 384 {1137} eine zwistige Abtswahl in Montecassino prüfen und schrieb fast die Bedingungen vor, unter welchen das, lange für Anaklet stimmende Kloster zu Gnaden aufzunehmen sey; er behauptete, Salerno gehöre dem Reiche, nicht der Kirche, – ja die Belehnung über ganz Apulien stehe, trotz allen Eingriffen der Päpste, ursprünglich und allein dem Kaiser zu. Nach langem Zögern verglich man sich dahin: der Kaiser und der Papst ertheilen dem Grafen Rainulf gemeinschaftlich die Belehnung über Apulien, behalten sich aber vor ihre Anrechte künftig vollständiger nachzuweisen; Robert wird in Kapua wieder eingesetzt; Benevent verbleibt dem päpstlichen Stuhle und ist frei von der Verpflichtung, den benachbarten Baronen oder den Normannen Zins oder Abgaben irgend einer Art zu entrichten. Die Barone beschwuren diese letzte EntscheidungAlberic. 279.  Otton. Fris. chr. VII, 19..

So schienen denn, weil mit Rogers Sturz auch Anaklet seiner einzigen Stütze beraubt, und Innocenz von Lothar selbst nach Rom zurückgeführt wardOb Lothar die Stadt betrat, oder von Tivoli aus vorbeizog, ist zweifelhaft. Chron. Sicardi 596.  Chron Cavense 924.  Camillo Peregr. series abbat. cassin. 223., alle Zwecke des großen Unternehmens glücklich erreicht; und es ließ sich voraussehen, daß der Kaiser, nach so ruhmvollem italienischen Zuge, in Deutschland mit größerem Nachdrucke werde auftreten können als manche seiner Vorgänger. Solcher Hoffnung voll, erreichte er über Bologna und Verona die Stadt Trident, feierte hier das Fest des heiligen Martin, erkrankte aber dann auf den tyroler Gebirgen, welche Italien von Deutschland trennen, und starbUrsp. chr. 291.  Monach. Weing. 789.  Chronogr. Saxo.  Annal. Saxo.  Dodechin.  Hildesh. ann.  Chron. mont. sereni.  Bosov. annal.  Dandolo 278.  Magdeb. chron. 329.  Wirzburg. chron. 460.  Otton. Fris. chron. VII, 20.  Order. Vital. 374.  Pagi zu 1138, c. 6-7. Über die Eröffnung seines Grabmahls im Jahre 1620 siehe Rehtmeyer Chronik I, 300 und Harenberg 310. am dritten December 1137 385 {1138} in einer niedrigen Hütte zu Breitenwang oberhalb Hohenschwangau. Graf Wittekind von WaldeckWaldec. chron. 809. brachte seinen Leichnam nach Deutschland, und im Kloster Lutter hielt ihm seine Gemahlinn Richenza ein feierliches Begräbniß. – Abgeneigte äußertenLerbeke 524.  Alberic. 281.: der Tod des, schon zwei und sechzigjährigen Mannes sey um so weniger ein großer Verlust, da seine frühere Thätigkeit gegen Heinrich V und seine spätere Nachgiebigkeit gegen den Papst, in weltlicher und kirchlicher Hinsicht gleich unvortheilhaft gewirkt und bewiesen habe, daß er weder die Pflichten eines Unterthans, noch eines Kaisers zu üben verstanden. – Günstig Gesinnte sprachen dagegen: er war stets tapfer und thätig, unterdrückte, sobald es in seiner Macht stand, viele innere Fehden, minderte den Druck des Volkes und erweckte die, nur zu schnell wieder verschwindende Aussicht, daß ein kraftvolles Kaiserthum möglich sey, ohne Streit mit der römischen Kirche.

Das aber war jetzo die Hauptfrage: wer dem söhnelosen Kaiser auf dem Throne folgen solle? Niemand schien, niemand glaubte dazu mehr Recht zu haben, als Herzog Heinrich von Sachsen und Baiern. »Seine Macht (dies wurde behauptet), welche sich von der Ostsee bis zum adriatischen Meere, ja bis tief in Italien hinein erstrecke, sey bei weitem größer als die irgend eines anderen Fürsten; daher werde Heinrich, als ein wahrer Kaiser, im Inneren Ordnung und Gehorsam erhalten und über äußere Feinde obsiegen können. Wer aber jenes Machtverhältniß nicht für entscheidend halte, der möge sich erinnern, daß der Herzog die Reichskleinode besitze, daß er als Schwiegersohn Lothars Erbansprüche auf die Herrschaft machen könne, und sich endlich überall (zuletzt auf dem italienischen Heereszuge) durch Muth und Geschicklichkeit vor allen ausgezeichnet und um das Vaterland die größten Verdienste erworben habe.« Je mehr Gewicht nun Heinrich selbst auf diese Ansichten 386 {1138} und Gründe legte, je weniger er im Gefühle seiner Macht der Fürsten und Prälaten zu bedürfen glaubte, je bestimmter er diesen zu erkennen gab, daß kein Thronbewerber die Vergleichung mit ihm aushalteMultis modis animosus et elevatus; omnes despiciens, nulli pro regno supplicare dignaretur.  Alberic. 283, 285.  Harzheim concil. III, 340., je deutlicher er voraussetzte, daß man ihn wählen müsse: desto besorglicher und ihm abgeneigter wurden viele Reichsstände. Diese sprachen: »man soll den Herzog keineswegs um seiner großen Macht willen erwählen, sondern vielmehr ausschließen: denn da sein Hochmuth, seine Verachtung aller übrigen schon jetzt jedes billige Maaß übersteigt, so wird er, nach der Erhebung zum Könige und Kaiser, das freie Deutschland in ein Land von Sklaven verwandeln. Besser ist es, für die Erhaltung der alten Rechte nöthigenfalls kämpfen, als sie aus Scheu vor einem möglichen Kampfe von vorn herein preisgeben. Der zufällige Besitz der Reichskleinode giebt keine Ansprüche, und aus der Verwandtschaft Heinrichs mit Lothar sollten am wenigsten seine Freunde Erbrechte herleiten. Sofern sie nämlich Deutschland als ein Erbreich betrachten, das selbst durch weibliche Linien könne übertragen werden, räumen sie das unzweifelhafte Anrecht der Hohenstaufen auf die Königswürde ein, welches nur durch widerrechtliches Eindringen Lothars unterbrochen wurde, jetzt aber wieder herzustellen ist. Welche Ansicht man aber auch hierüber hege, leugnen kann niemand: daß der, wegen seiner angeblichen Tüchtigkeit gepriesene Herzog von Sachsen und Baiern, an seinen nächsten Verwandten, den hohenstaufischen Brüdern, aus Gewinnsucht zum Verräther ward, und immer nur an die Erhöhung seiner Macht, nicht aber an das Recht und das wahre Wohl des Vaterlandes gedacht hat.«

So gestalteten sich die Ansichten der Parteien in Deutschland, und jede hoffte, der Papst werde mit seiner gewichtigen Stimme auf ihre Seite treten. Heinrichs Freunde 387 {1138} nämlich meinten: »die Erinnerung an das, gegen die Kirche immerdar feindliche Benehmen der fränkischen Kaiser und die, schon kund gewordene, gleiche Sinnesart ihrer Verwandten, der Hohenstaufen, müsse den Papst von jeder Gemeinschaft mit ihnen zurückschrecken; während Lothar und so viele Welfen sich die größten Verdienste um die Kirche erworben und insbesondere für Innocenz mit einem fast übertriebenen Eifer gewirkt hätten.« Aber der Papst behielt weniger die Vergangenheit und seine persönlichen Verhältnisse, als die Zukunft und das Wohl der Kirche im Auge: »ein deutscher König, welcher von der Ostsee bis Tuscien herrsche, die mathildischen Güter besitze, Ansprüche auf Neapel mache und im Kirchenstaat erhobene Abgaben schon als Herzog für sich verlangt habe, könne unmöglich ein uneigennütziger, nachgiebiger Schutzherr des römischen Stuhles werden; mithin sey es weit gerathener, statt des stolzen, anmaaßlichen Heinrich, den, gegen Prälaten und Fürsten so herablassenden, gegen den Papst so demüthigen Herzog KonradSo hatten sich Heinrich und Konrad auf und seit dem italienischen Zuge immer gezeigt. auf den Thron zu setzen, und dadurch ein Gleichgewicht der Macht in Deutschland wiederum herzustellen.« – Diesen Ansichten gemäß, gab Innocenz seinem Gesandten, dem Kardinal Dietwin Auftrag und Vollmacht, und mit ihm vereinigten sich (der Stuhl von Mainz war erledigt) sogleich die Erzbischöfe von Köln und Trier1136 hatte Innocenz den Erzbischof von Trier zum Legaten über fast ganz Deutschland ernannt. Lünig spicil. eccl. von Trier, Urk. 29. nebst einigen anderen Bischöfen. Ungeachtet dieses günstigen Anfangs erschien es aber noch immer unmöglich den Herzog Heinrich durch Gewalt zu schrecken, oder durch List zu täuschen, oder in Güte abzuweisen: nur eine geschickte Verbindung aller dieser Mittel (davon überzeugte man sich) könne zum Ziele führen.

Die Kaiserinn Richenza, Lothars Wittwe, welche schon früher so vielen Theil an den Geschäften nahm, schrieb (des 388 {1138} Beistands ihres Schwiegersohnes gewiß) aus eigener Macht einen Reichstag auf den zweiten Februar 1138 nach Quedlinburg aus; fand aber unerwartet an dem Markgrafen Albrecht einen so heftigen Gegner, daß er ihr nicht allein den Einzug in Quedlinburg versperrte, sondern auch mehre ihrer Besitzungen mit Feuer und Schwert verwüstete. – Albrecht der Bär und Heinrich der Stolze waren beide Enkel des letzten billungischen Herzogs Magnus von Sachsen; jener indeß von der älteren Tochter Eilika, dieser von der jüngeren WulfhildeAnnal. Saxo zu 1106 und Anonym. de Guelf. stellen Wulfhilde voran, Helmold I, 35 die Eilike.. Albrechts Vater, Graf Otto von Askanien, hoffte seinem Schwiegervater im Herzogthume Sachsen zu folgen, aber Heinrich V gab es an Lothar von Supplinburg. Ein zweites Mal sah sich Albrecht getäuscht, als Lothar nach seiner Erhebung auf den Thron, das Herzogthum nicht ihm, sondern Heinrich dem Stolzen verlieh. Mit Gewalt war gegen diese Mächtigen so wenig etwas auszurichten, daß es Albrecht noch für einen großen Gewinn halten mußte, als ihm der Kaiser, nach dem Tode Konrads von Plötzke, im Jahre 1132 die sächsische Nordmark mit dem Hauptorte Salzwedel überließ. Jetzt aber, nach dem Tode Lothars und dem schon bemerklichen Wiederauftreten der Hohenstaufen, hielt es Markgraf Albrecht für gerathen, ohne Verzug seine alten Ansprüche auf Sachsen, mit Gründen und mit den Waffen in der Hand, geltend zu machen.

Allerdings war dies den Hohenstaufen und ihren Freunden sehr willkommen; sie mußten aber demungeachtet voraussehn, bei einer ruhigen, gesetzlichen, allgemeinen Wahl werde sich die Mehrzahl der Fürsten für Heinrich erklären. Anstatt daher den, auf Pfingsten nach Mainz berufenen Reichstag abzuwarten, versammelten sich die Herzöge Konrad und Friedrich, die Erzbischöfe von Trier und Köln, der Bischof von Worms, der päpstliche Gesandte Dietwin und wenige andere in Koblenz und wählten am 22sten Februar 389 1138 Konrad zum KönigAlberic. 281.  Nach Tolner 292 war Pfalzgraf Wilhelm auch bei der Wahl.. Am sechsten März krönte ihn (da Mainz, wie gesagt, erledigt und der Erzbischof von Köln noch ohne Pallium war) der päpstliche Gesandte in Achen.

Sobald die sächsischen und baierischen Fürsten, welche in Koblenz und Achen nicht gegenwärtig, ja nicht einmal dahin geladen waren, von diesen Ereignissen Nachricht bekamen, erhuben sie laute Klage, nannten die Wahl einseitig, erschlichen, gesetzwidrig und wollten Gewalt mit Gewalt vertreiben. Allein die Anhänger der Hohenstaufen hielten die diesmalige Verletzung der Formen, wo nicht für gerechtfertigt, doch für entschuldigt, durch die listige und gewaltthätige Art, wie ihre Gegner bei der Wahl Lothars vorgeschritten waren. Auch minderte sich das, anfangs große Vertrauen Heinrichs auf seine Macht. Denn nach jenem ersten, kühnen Schritte der Wahl, faßten viele den Muth ihre heimliche Überzeugung auszusprechenOtton. Fris. chron. VII, 22.; des Kardinals laute Erklärung, daß der Papst, das römische Volk, ja ganz Italien für Konrad stehe, bestimmte manchen zweifelhaft Gesinnten; der neu erwählte Erzbischof von Mainz endlich, Adalbert Graf von SaarbrückChronogr. Saxo.  Miraei op. dipl. I, 387, Urk. 59; p. 526, Urk. 40., war ein Schwager Herzog FriedrichsCommuni omnium consensu, data a rege praeceptione. Dodechin zu 1138. und ein eifriger Anhänger der Hohenstaufen. Am neunten April finden wir, außer den oben Genannten, in Köln schon um Konrad versammelt: die Bischöfe von Utrecht, Lüttich, Cambrai, Metz, Würzburg, Münster, Osnabrück, Halberstadt, den Herzog Walram von Niederlothringen, den Pfalzgrafen Wilhelm, die Grafen von Namur, Kleve, Zütphen und Rinek. Zwar erhuben Markgraf Konrad von Meißen, Pfalzgraf Friedrich, Graf Rudolf von Stade und andere, auf Antrieb Richenzens, Krieg 390 {1138} gegen Albrecht den BärenAnnal. Saxo.; sie wurden aber bei Mimirberg geschlagen und ehe Heinrich der Stolze (welcher eine so rasche und entscheidende Wendung der Dinge durchaus nicht erwartet hatte), sich rüsten, ja nur entschließen konnte, erschien Konrad mit großer Pracht und von den meisten Fürsten und Bischöfen begleitet, zu Pfingsten in Bamberg. Auch die sächsischen Großen und selbst Richenza unterwarfen sich hier dem Könige, und am Schlusse des Reichstages fehlte nur noch Herzog Heinrich.

Durch vielfache täuschende Versprechungen und Anerbietungen KonradsOtton. Fris. chr. VII, 23., ließ sich dieser um so eher zur Herausgabe der Reichskleinode bewegen, da die Krone ohnedies für ihn verloren war; und er glaubte, nach einer solchen Verzichtung auf neue Rechte und Würden, müßten unbedenklich alle früheren unverkürzt bleiben. Damit er jedoch nöthigenfalls das seine vertheidigen könne, erschien er in Augsburg (wo über alles Streitige ein letzter Vergleich abgeschlossen werden sollte) mit so zahlreicher Kriegsmannschaft, daß der König hierin, wenn nicht einen FriedensbruchStetten Geschichte von Augsburg I, 57., doch eine anmaaßliche Drohung sah und in seinen feindseligen Planen eher bestärkt, als davon abgeschreckt wurde. Er erklärte nämlich itzt rund heraus: »für die Ruhe und Ordnung im Reiche sey Heinrich des Stolzen Macht viel zu groß und gefährlich. Kein Fürst dürfe, nach altem Gesetze und Herkommen, zwei Herzogthümer zugleich besitzenWeingart. moon. 789.  Ursp. chron. 292.  Dandolo 279.  Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Heinrich erst nach Lothars Tode ganz zum Besitze des Herzogthumes Sachsen kam, und insofern wäre es als ein neues Ereigniß zu betrachten. Orig. guelf. II, 346.  Mascov. comment. III, 325.; und überdies habe Albrecht der Bär auf das Herzogthum Sachsen, wo nicht größere, doch gleiche Ansprüche; nach 391 {1138} Lehnrecht aber, welches hier entscheide, stehe dem Reichsoberhaupte die Vergabung zu.« Hierauf entgegnete Heinrich: »er sey durch Kaiser Lothars Entscheidung in rechtlichem Besitze, und die gleichzeitige Übernahme zweier Herzogthümer weder unerhört, noch der Ruhe des Reiches gefährlich.«

Mehrtägige Unterhandlungen führten nicht zum Ziele, sondern nur zu größerer Erbitterung; so daß der König in Augsburg fürchtete, Herzog Heinrich, der mit großer Macht am Lech stand, werde ihn überfallen und gefangen nehmen. Deshalb stellte sich jener, als wenn er Abends wie gewöhnlich zu Bette gehe, eilte aber in der Nacht mit wenigen Begleitern nach Würzburg, sprach hier die Acht über Heinrich den Stolzen aus und übertrug, auf einem zweiten Reichstage in Goslar zu Weihnachten 1138, das Herzogthum Sachsen an Albrecht den Bären. Mit großer Thätigkeit eroberte dieser Lüneburg, Bremen, Bardewik und das ganze westliche Sachsen, vertrieb den Grafen Adolf aus Nordalbingien, besetzte Siegberg und übergab diese Gegenden zur Aufsicht an Heinrich von Badevid, den Stammvater der Grafen von RatzeburgHelmold I, 54.  Heinrich von Bardewik.  Lerbeke 500..

Gleichzeitig hatte der Krieg auch in Süddeutschland begonnen; aber Heinrichs Verbündeter, Konrad von Zäringen (obgleich ein so tapferer als reicher FürstSchöpflin. Histor. Zaring. Badens. I, 114.) ward von Herzog Friedrich dem Hohenstaufen dergestalt geschlagen, daß er binnen kurzer Zeit Freiburg, Zäringen, den Breisgau, Zürich, ja fast alle Besitzungen in Burgund verlor und sich unterwerfen mußte. Noch nachtheiliger für Heinrich ward es, daß ihm der König (um den beharrlichen Ungehorsam zu strafen, oder die Acht im allgemeinsten Sinne zu vollziehen) jetzt auch das Herzogthum Baiern absprachEntweder nahm man an, daß aus der Ächtung der Verlust beider Herzogthümer folge, oder Konrad schritt aus eigener Macht und nach Kriegesrecht vor. Von rechtlichen Verhandlungen auf einem besonderen Reichstage, finden sich keine Spuren, sofern man nicht glaubt, daß Otto Fris. VII, 23 Baiern meint, wenn er erzählt, daß Heinrichen in Regensburg ducatus abjudicatur. Siehe Böttiger Heinrich der Löwe, 49., und 392 {1138} seinem eigenen Halbbruder, dem Markgrafen Leopold von Österreich, verlieh; welcher auch sogleich Regensburg, dann die Gegend bis zum Lech, endlich fast das ganze Land unterwarf und durch seine Tüchtigkeit die Geneigten, wie die Abgeneigten, in Ordnung zu halten wußte. {1139} Binnen kurzer Frist war Herzog Heinrichs des Stolzen furchtbar große Macht so gänzlich gebrochen worden, daß er, nur von vier getreuen Mannen begleitet, nach Sachsen entfliehen mußteAuctar. Gemblac.  Chron. mont. sereni.!

Dies sey, so rühmten Heinrichs Gegner, die glückliche Folge von dem, endlich zurückgekehrten Ansehn des Königs und der Gesetze; es sey, so klagten seine Freunde, bloß die Folge unrechtmäßigen Hasses und verwerflicher Habsucht. Keine dieser Ansichten möchte sich in ihrem ganzen Umfange rechtfertigen, jede indeß mit Gründen unterstützen lassen. Einerseits nämlich konnte man anführen: »der Reichsverband und das Gesammtwohl müssen leiden, sobald die Macht einzelner Fürsten über die Königsmacht willkürlich hinausreicht; und wenn auch einige Male zwei Herzogthümer in einer Hand vereinigt waren, so widersprach dies doch ganz der Grundansicht von Stamm- und Volks-Herzögen, führte zu den oben angedeuteten Folgen und ward von jedem einsichtsvollen Könige als ein zu vertilgender Mißbrauch betrachtet und behandelt. Bei der Übertragung Sachsens an den Herzog von Baiern berücksichtigte Lothar nur seinen Ehrgeiz und seine augenblicklichen Zwecke, nicht das dauernde Wohl des Reiches, nicht die Ansprüche Albrechts des Bären; er und Heinrich der Stolze verfuhren wider die Hohenstaufen ganz nach den Grundsätzen und mit den Mitteln, welche diese, bei veränderten Umständen, nunmehr gegen den 393 {1139} letzten geltend machten.« – Hierauf ließ sich erwiedern: »es ist nicht rühmlich und, des daraus entstehenden Hasses wegen, nicht einmal klug, nach früher getadelten Grundsätzen selbst zu verfahren; und wenn die Einwirkung der Könige durch übermächtige Fürsten auf nachtheilige Weise leidet, so wird sie noch mehr untergraben, wenn die Könige selbst Handlungen und Beschlüsse ihrer Vorgänger, ohne genügenden Grund vernichten wollen. Lothar hatte das Recht, das Herzogthum Sachsen nach seinem Gutdünken zu verleihen; Albrecht dagegen hatte keine oder doch keine überwiegenden Erbansprüche, und wurde nachmals (denn eine genaue Theilung von einem Herzogthume, widerspricht allen Grundsätzen) durch die Nordmark genügend entschädigt. Zugegeben aber, daß Heinrichs Macht, oder sein Benehmen beschränkende Maaßregeln nöthig machte; so hätte man doch den ersten Fürsten des Reiches nicht ohne gehörige Ladung und Verantwortung, mit Verletzung aller Formen und ohne Befragung der meisten FürstenWie viel vorsichtiger und rechtlicher verfuhr Friedrich I gegen den schuldigeren Heinrich den Löwen!, ächten und eines Herzogthumes verlustig erklären sollen. Am wenigsten endlich läßt sich rechtfertigen, daß der König Baiern nicht etwa bloß angreift um Gehorsam gegen seinen ersten Spruch zu erzwingen; sondern uneingedenk der obigen, von ihm selbst ausgesprochenen Grundsätze, Heinrich den Welfen auch dieses zweiten Herzogthumes willkürlich beraubt. Nicht den Herzog sollte man also wegen eines nur möglichen Mißbrauchs seiner gesetzmäßig erworbenen Macht, verfolgen; sondern dem König entgegentreten, welcher durch zweideutige Mittel die Krone gewann und auf verwerfliche Weise seine Rechte erhöht und geltend macht.«

Die Folgen dieser Ansichten und Betrachtungen, und die Furcht vor einem zu großen Übergewichte königlichen Einflusses, zeigten sich sogleich darin, daß auf einem Reichstage in Goslar (um Weihnachten 1138) einige Fürsten 394 {1139} ausblieben, andere übel gelaunt waren, und weder hier, noch sechs Wochen später in QuedlinburgAnnal. Saxo., erhebliche Beschlüsse zu Stande kamen. Die eingeschreckten Freunde Heinrichs des Stolzen faßten wieder Muth, viele folgten ihm in Pilgerkleidern nach Sachsen; und mit Hülfe dieser so tüchtigen als treuen Mannen, verjagte er Albrecht den Bären aus seinen Eroberungen, brach viele seiner Schlösser und zwang ihn, bei dem Könige selbst Hülfe zu suchen. – Diese, von einem scheinbar vernichteten Gegner, so unerwartet hereinbrechende große Gefahr, einigte von neuem alle Anhänger Konrads. In Begleitung der Erzbischöfe von Mainz und TrierMaxcov. comment. II, 124.  Bohem. chron. Ludw. 268., der Bischöfe von Speier, Worms, Würzburg und Zeiz, der Äbte von Fulda und Hirschfeld, der Herzöge Sobieslav von Böhmen, Leopold von Österreich und Albrecht von Sachsen, des Landgrafen von Thüringen u. a., zog er mit Heeresmacht bis Harsfeld an der Fulda; während Herzog Heinrich, der Erzbischof von Magdeburg und andere sächsische Fürsten bei Kreuzburg an der Werra lagerten. Mehre angesehene Männer im Heere des Königs, selbst Erzbischof Adalbert von MainzAdalbert zeigte sich schon jetzt zweideutig. – Bosov. ann. Hist. de Landgr. Thur. Eccard. 375., drangen auf Krieg und Schlacht; dennoch brachte Albero von Trier Freunde wie Feinde, endlich zum Abschluß eines Waffenstillstandes bis Pfingsten des nächsten Jahres. Nicht bloß ächte Gründe, hergenommen von der Verwerflichkeit inneren Krieges, der Ungewißheit des Ausganges u. s. w., hatte der kluge Erzbischof hiebei für seine Ansicht aufgestellt; sondern (wohl wissend, daß äußere Kunstmittel oft kräftiger wirken) auch mehre Fuder Wein mitgebrachtGesta Archiep. Trevir. in Martene coll. IV, 200., deren großmüthige Vertheilung unter viele, besonders unter die sächsischen Fürsten, nicht weniger die Gemüther bewegte, als seine geistliche Beredsamkeit. Ob 395 {1139} nun gleich diese neue VerfahrungsartPlus mansuetudine ipsius, quam armis inclinantur. Alber. 285. und des Königes anderweite Milde die Sachsen nachgiebiger machte; so blieb doch Herzog Heinrich im Besitze fast des ganzen Landes, und hoffte vor dem nächsten Reichstage in Worms (wo man seine Ansprüche entscheiden wollte) auch Baiern wieder zu gewinnen. Da erkrankte er unerwartet in Quedlinburg, starbChron. mont. sereni.  Monach. Weingart.  Otton. Fris. chr. VII, 27.  Einige sprechen ohne allen Beweis von Gift; richtiger sagt vielleicht das Auctar. Gemblac., er sey gestorben: irremediabili morbo tristitiae., sieben und dreißig Jahre alt, am 20sten Oktober 1139, und ward im Kloster Lutter neben seinem Schwiegervater Lothar begraben.

Sobald Albrecht der Bär hievon Nachricht erhielt, schrieb er einen Landtag nach Bremen aus, und meinte: er könne das Herzogthum Sachsen nunmehr, ohne Widerstand und ohne Rücksicht auf einen anderweit zu erwartenden Rechtsspruch, leicht in Besitz nehmen. Verwandtschaft und Belehnung begründe nämlich genügend seine Ansprüche und Heinrichs des Stolzen einziger, erst zehnjähriger Sohn Heinrich (nachmals der Löwe zubenanntHeinrich der Löwe war geboren 1129 nach dem Chron. Lubec. ap. Fellerum.) könne ihm auf keinen Fall widerstehen. Zweierlei aber hatte Albrecht nicht gehörig in Anschlag gebracht: erstens, daß die Treue ächter Lehnsmänner mit der Hülfsbedürftigkeit ihrer Lehnsherren wächst; und zweitens, daß Gertrud, die Mutter des Knaben Heinrich und seine Großmutter RichenzaNoch Beweise vom Einflusse Richenzas: Monum. boica VII, 94, 96.  Miraei op. I, Urk. 48, 49.  Murat. antiq. It. V, 243; VI, 233.  Otton. Fris. chr. VI, 34. Frauen waren von männlichem Muthe und männlicher Thätigkeit. Anstatt also in Bremen die gehoffte Aufnahme zu finden, {1140} ward Albrecht von Feinden so umringt, daß er nur mit Mühe den größten Gefahren entging, die Zerstörung selbst seines 396 {1140} Stammhauses Anhalt nicht hindern konnte und zum zweiten Male bei dem Könige Hülfe suchen mußte.

Nicht geringere Unruhen fanden in Baiern statt: denn Welf VI, welcher schon beim Leben seines Bruders, Heinrichs des Stolzen, das Herzogthum gegen Leopold von Österreich zu behaupten gesucht hatte, nahm es itzt aus Erbrecht in Anspruch, und verband sich mit Geisa von Ungern und Roger von Sicilien, welche beide jedes deutschen Königes Übermacht fürchteten. Auch mehre baierische Edelen blieben dem alten Herrscherstamme getreu; so daß z. B. Leopold die Burg eines Grafen von Phalei belagern mußte, aber von Welf überfallen und am 13ten August 1140 in die Flucht geschlagen wurdeMonach. Weingart. 793.  Gotfr. Viterb. 512.  Meichelb. hist. Frising. I, 1, 325.. Dringende Geschäfte hielten den König (so gern er auch seinem Halbbruder ohne Verzug zu Hülfe gekommen wäre) in anderen Theilen des ReichesZ. B. in Niederlothringen. Auctar. Gemblac. fest. Erst am 21sten December 1140 traf sein und Welfs Heer in der Gegend von Weinsberg auf einander, und in dieser heftigen Schlacht hörte man zum ersten Male den Parteiruf: »hie Welf, hie WaiblingenWaiblingen auf dem Hartfelde am Kocher, und Waiblingen im Remsthale in der Gegend von Stuttgart und Kanstadt, haben die nächsten Ansprüche, daß dieser Parteiruf nach ihnen entstanden sey. Crusius schwäb. Chron. I, 564.  Gerbert histor. nigrae silv. I, 352.!« – der unter mannigfachen Bedeutungen und Beziehungen, auf Jahrhunderte hinaus zum Vereinigungspunkte diente um bisweilen das Große, öfter das Frevelhafte zu vollbringen. Damals bezeichnete Welf den Herzog, Waiblingen eine Burg der Hohenstaufen an der Rems.

Welf ward in jener Schlacht besiegt, und das umlagerte Weinsberg konnte nicht länger widerstehen. Da baten die Weiber, daß man ihnen so viel von ihren Gütern mitzunehmen verstatte, als sie auf den Schultern zu tragen vermöchten, und Konrad bewilligte ihr Gesuch aus 397 {1140} königlicher Milde. Erstaunt sah man sie itzt aus dem Thore hervorgehen, das Kostbarste tragend: – ihre Männer. Anfangs zürnte Herzog Friedrich über diese List, aber Konrad sprach: ein königliches Wort soll man nicht drehen noch deutelnColon. Chron. S. Pantal. 931.  Alberic. 287.  Dodechin.  Adlzreiter 547.  Crusius schwäb. Chronik I, 569.; – und beide Brüder ließen ihnen freiwillig nun auch die zurückgelassenen Kleider und Kostbarkeiten ausliefern. So erlangten die Weiber von Weinsberg Ruhm bei der Mitwelt und bei der Nachwelt, und ganz unerheblich ist, was man späterSiehe Böttiger 65, Note 70. aus übertriebener Zweifelsucht gegen die Wahrheit dieser preiswürdigen That, drehend und deutelnd, gesagt hat.

Mit der Eroberung von Weinsberg nahmen die Fehden in Baiern und Schwaben um so weniger ein Ende, als der König nach anderen Gegenden ziehen mußte, und Herzog Leopold am 18ten Oktober 1141 kinderlos zu Altaich verschied. {1141} Zwar ernannte Konrad den Bruder des Verstorbenen, Heinrich (mit dem Beinamen Jasomirgott), zu dessen NachfolgerOtton. Fris. chron. VII, 25.  Chron. Mellicense.  Adlzreiter 548.  Rauch Gesch. von Österreich I, 352.; beide aber überzeugten sich, daß eine gütliche Aussöhnung mit ihren Feinden räthlicher sey, als eine Fortsetzung des so langen, unentscheidenden Krieges. Überdies beförderten mehre Umstände diese Absichten: an die Stelle des kriegerisch und doch zweideutig gesinnten Erzbischofes Adalbert von Mainz, trat der friedlichere Markulf; die stolze und kühne Richenza lebte nicht mehrAdalbert starb den 17ten Julius 1141, Markulf den 9ten Julius 1142 und Heinrich folgte.  Dodechin.  Richenza starb in demselben Jahre.  Chronogr. Saxo.  Bosov. ann.  Chron. mont. sereni., und Gertrud, obgleich sie die Vormundschaft für ihren Sohn kräftig führte, hegte doch auch mildere und weibliche Gesinnungen. Ihr bot Heinrich von Österreich seine Hand und sie, obgleich anfangs wohl überrascht, willigte ein, weil der erst sechs und zwanzigjährigen 398 {1141} Frau eine so ehrenvolle zweite Ehe willkommen war, weil sich Baiern immer eher auf diese Weise, als mit den Waffen erwerben ließ, und endlich Konrad ihrem Sohne für diesen Fall das Herzogthum Sachsen zusprach. Auf Welfs erneuten Widerspruch ward keine Rücksicht genommen, und Albrecht der Bär (welcher sich ohnehin in Sachsen nicht behaupten konnte) leicht damit beruhigt, daß man seine, bald nachher erweiterte Markgrafschaft Brandenburg, für ein vom herzoglichen Einflusse unabhängiges Land erklärteEs steht nicht fest, wie weit diese Unabhängigkeit galt.. Zu Pfingsten 1142 ertheilte der König in Frankfurt die Belehnungen der Verabredung gemäß, und feierte auf seine Kosten vierzehn Tage lang mit größter Pracht die Hochzeit Heinrichs und GertrudensColon. chr. S. Pantal. 932.  Erfurt. chron. S. Petrin., wodurch der Friede hergestellt und die, nicht ohne wechselseitige Schuld erneute Fehde der größten Häuser Deutschlands, zur allgemeinen Freude beendigt zu seyn schien.

Auch war allerdings hiemit, für den Augenblick, das Ärgste auf eine sehr geschickte Weise beseitigt; indeß blieb noch immer viel zu thun übrig, wenn man in allen Theilen von Deutschland Ordnung und Ruhe gründen und befestigen wollte. Häufig versammelte der König die Großen auf Reichstagen um hier zu bestätigen, da zu ändern, dort zu entscheidenJudicio et consilio optimatum confirmavit, quae confirmanda erant, et quae corrigenda, correxit Conradus.  Alberic. 299.; überall aber um den Gesetzen nunmehr diejenige Achtung und Wirksamkeit zu verschaffen, welche bisher in der Regel nur die Waffen gehabt hatten. Demungeachtet fehlte noch oft der gebührende Gehorsam, und man könnte fragen: ob kühne Übertretung eines Rechtsspruches nicht noch weiter von der bürgerlichen Ordnung hinwegführe, als wenn man sich von Anfang an nur auf Gewalt bezieht und gründet. So befolgten z. B. die Schweizer einen Spruch in Rücksicht auf Einsiedeln nichtSiehe das Einzelne bei: Mascov. comment. III, 161.; Welf setzte den 399 {1142 bis 1144} Krieg gegen Herzog Heinrich, der Graf von Namur setzte, aller Weisungen ungeachtet, den Krieg gegen Trier bis zu seinem Tode fort; der Einfluß auf das arelatische Reich ging allmählich fast ganz verloren u. s. w. Die Bischöfe und Geistlichen priesen zwar den König, daß er sie nachdrücklich gegen die Willkür der Laien schütze; aber um dieser Dankbarkeit willen entsagten sie keineswegs den festen Grundsätzen ihres Standes, oder auch nur ihren Vorurtheilen. {1145} So verweigerten sie dem König in Magdeburg jede feierliche Aufnahme, weil ein gebannter Graf in seinem Gefolge seyChron. mont. sereni.  Chronogr. Saxo.  Alberic. 304.  Auctar. Gemblac., und theilten wahrscheinlich die Stimmung der Bürger, welche zürnten, als er einem polnischen Fürsten Reliquien zukommen ließ.

Durch Umstände solcher Art verhindert, konnte der König Gelegenheiten und Aufforderungen, die deutsche Macht auch im Auslande geltend zu machen, gar nicht, oder nur halb benutzen. In Dänemark bestieg nach der Ermordung Erichs II durch den Jüten Plog, Erich III im Jahre 1137 den Thron; aber sein Beiname das Lamm drückt, neben einigem Lobe, auch schon die Unfähigkeit aus, der anmaaßlichen Mitbewerber und der zahlreichen EmpörungenUngern übergehen wir, um der Kürze willen, das Einzelne. Meister zu werden.

In Böhmen hatte sich zwar Ladislav IISchon im Jahre 1141. Alberic. 290.  Auctar. Gemblac.  Bohem. chron. 63.  Vincent. Prag. zu 1142. (Herzog Leopolds von Österreich Schwiegersohn), mit des Königes Hülfe, gegen Konrad von Mähren behauptet; wie wenig aber jenes Land dauernd mit dem deutschen Reiche befreundet, oder von ihm abhängig war, zeigt ein, wenige Jahre vorher vom Herzoge gegebenes und von den Ständen gebilligtes GesetzLünig Reichsarchiv, von kaiserl. Erblanden Urk. 132, S. 231 vom Jahre 1135. Es frägt sich, ob diese Urkunde ganz ächt ist?: »kein Ausländer, insbesondere kein 400 {1145} Deutscher, soll, bei Verlust der Nase, ein öffentliches Amt erhalten; der Herzog beschwört die Rechte und Freiheiten des Landes, und im Falle der Eidbrüchigkeit, sind Ritterschaft und Städte zum Widerstande berechtigt; beim Abgange der Erben des Herzogs, tritt eine freie Wahl unter Leitung des Burgermeisters von Prag ein, und diese Stadt entscheidet bei streitigen Fällen.«

Nicht größer war der Einfluß auf Polen. Boleslav III theilte sein Reich im Jahre 1138 unter seine SöhneJoannis chron. Polon. 6.  Boguphal. 43., und veranlaßte auf Jahrhunderte hinaus die unglückseligsten Verwirrungen durch die hinzugefügte wunderliche Bestimmung: der älteste unter allen Gliedern der ganzen Familie, sollte jedesmal Krakau im voraus erhalten und die Aufsicht und Führung aller jüngeren übernehmen. Schon jetzt nannte Uladislav, der älteste Bruder, jene Theilung widerrechtlich und verderblich, ward aber bei dem Versuche das Ganze zu gewinnen im Jahre 1142 besiegt und suchte Hülfe in Deutschland: weil seine Gemahlinn Agnes oder AdelheidDie Frage, wer Uladislavs Gemahlinn gewesen sey, entwickeln Mascov. comment. III, 177.  Hanthaler fasti I, 250.  Menzel III, 37.  Siehe noch Thebesius III. 10, u. VI, 16.  Wibaldi epist. 56, 64, 223.  Chron. Bohemiae in Ludwig. reliq. XI, 270., des Königs Halbschwester, und eine Anerkenntniß der Oberhoheit des Reiches selbst dann nicht gleichgültig zu behandeln sey, wenn sie von einem Unterdrückten herrühre. Diesen Vorstellungen Gehör gebend, brachte man auch im Jahre 1146 ein Heer zusammen und eroberte einiges Land in Schlesien, fand aber in Polen die Straßen so schlecht oder so besetzt, und überall durch geschickte Vorkehrungen der Feinde solchen Mangel an Lebensmitteln, daß der Hauptzweck, des Uladislav Wiedereinsetzung, unerreicht blieb und man froh war, als die polnischen Fürsten, unter Vermittelung der Markgrafen Konrad und Albrecht, Geld 401 {1146} versprachen und, den Worten nach, die Oberhoheit des deutschen Reiches anerkanntenChronogr. Saxo.  Chron. mont. sereni.  Trotz alter abweichenden Nachrichten geht hervor, daß der Erfolg des Zuges gering war..

Eben so wenig entscheidende Hülfe fand in Deutschland ein ungerischer Flüchtling, BorisNur Dodechin setzt zu 1147 einen Zug Konrads gegen die Ungern, deren Herzog geschlagen, das Land verwüstet und die Treue (fidelitas) eidlich bestätigt sey. Vergl. Otton. Frising. vita I, 31.  Chron. VII, 14.  Pappenheim.  Alberic. 309., welcher seine Ansprüche gegen Geisa II, den Sohn König Kolomans, nicht durchsetzen konnte. Wichtiger als diese nordischen, slavischen und magyarischen Verhältnisse, waren allerdings die südlichen: und wenn Konrads Macht für irgend eine auswärtige Unternehmung hinreichte, so lag ihm ob vor allem den Römerzug anzutreten, wozu ihn die Aussicht auf die Kaiserkrone, alte, fast als Pflicht zu betrachtende Sitte, Robert von Kapua, Kaiser Emanuel, der Papst und der ganze Zustand Italiens gleichmäßig und dringend aufforderten.

{1137} Noch hatte Kaiser Lothar auf seinem Rückzuge nicht die Alpen erreicht, als König Roger schon wiederum mit Heeresmacht bei Salerno landete, und binnen kurzer Frist den größten Theil Apuliens eroberte, oder durch Versprechungen und Freibriefe gewann; welche selbst den Einwohnern von Benevent gewichtiger und wirksamer zu seyn schienen, als die des entfernten Kaisers und des, von vielen hier noch verworfenen Papstes Innocenz. Mit solcher Thätigkeit versammelte aber Herzog Rainulf von Apulien alle Gegner des Königs um sich, und griff ihn am 30sten Oktober 1137 bei Raniano mit solchem Nachdruck an, daß er hart geschlagen wurdeChron. fossae novae 869.  Moriniac. chr. 383.  Ernaldi vita S. Bernh. 7.  Alanus 22.. Aus diesem Grunde, und weil man für neue Rüstungen Zeit gebrauchte, ließ sich Roger itzt klüglich auf Unterhandlungen ein, welche Bernhard von Clairvaux früher ohne Erfolg für die Herstellung des 402 {1137} weltlichen und des kirchlichen Friedens anzuknüpfen versucht hatte. Vier Tage lang hörte der König die Abgeordneten des einen, vier Tage die des andern Papstes mit höchster Aufmerksamkeit und scheinbar gewissenhaftem Eifer, erklärte aber zuletzt (obgleich ihm Bernhard mit Ernst zeigte, wie anmaaßlich es sey, sich dem Urtheile der ganzen Christenheit allein gegenüber zu stellen). er wolle keineswegs anmaaßlich entscheidenNach Inveges Annalen 212 hätte Roger nach Albiriens Tode eine Schwester Anaklets geheirathet. Ich finde keinen anderweiten Beweis dieser Nachricht., sondern verlange, daß ihm ein Bevollmächtigter jedes Papstes nach Sicilien folge und daselbst die Untersuchung nochmals, in Gegenwart aller der Erzbischöfe und Bischöfe begonnen werde, welche ihn durch ihre Ansicht und durch ihren Ausspruch, für Anaklet gewonnen hätten. Man bewilligte diese Forderung, und schon war die Reise angetreten, als Anaklet am 25sten Januar 1138 starbFalco Benev.  Orderic. Vital. 915.  Cassin monach.  Chronogr. Saxo.  Vitae Pontif. 436.  Pagi zu 1138, c. 1. Zwar erhuben dessen Anhänger, mit Rogers Beistimmung, den Kardinal Gregor als Viktor IV auf den päpstlichen Stuhl; allein Bernhards von Clairvaux ernstliche EinredenPetrus Diacon. IV, 130. und Begünstigungen anderer Art, vermochten Viktor seiner neuen Würde zu entsagen.

Hiemit war der Kirchenfriede, nicht aber der weltliche, hergestellt, und des Papstes, {1139} auf einer Kirchenversammlung im Lateran über den König Roger ausgesprochener Bann, blieb um so mehr ganz unwirksam, da Herzog Rainulf von Apulien am 30sten April 1139 starb, und Robert von Kapua bereits von neuem alle seine Besitzungen verloren hatte. Deshalb sammelte der Papst selbst eine Kriegsmacht und begann, weil Roger sich auf keine Weise zur Herstellung des Fürsten von Kapua verstehen wollte, die Belagerung des Schlosses Galuzzo. Bald aber wurde der, aller 403 {1139} Kriegsführung Unkundige hier ringsum eingeschlossen und, nach mißlungenem Versuche zu entfliehen, nebst den ihn begleitenden Kardinälen, von Roger dem jüngeren gefangen genommen. Ob nun gleich der König, seinen Vorfahren an Klugheit nicht nachstehend, für die ehrenvollste Aufnahme aller sorgte und sich dem Papste zu Füßen warfOrderic. Vital. 898.  Viterb. Pantheon 460.  Alberic. 284.  Robert. de Monte.  Ursp. chron.; so wollte dieser doch anfangs, aus Zorn und im Angedenken seiner Würde, von keiner Aussöhnung hören. Bald aber gab er den Vorstellungen der Kardinäle und anderer verständigen Männer nach, welche, seitdem kein Gegenpapst mehr vorhanden und in Deutschland so manches verändert sey, in der Freundschaft zwischen den Normannen und den Päpsten eine Wechselbürgschaft ihrer Rechte und ihrer Sicherheit sahen. – Schon vier Tage nach jenem Unfalle vereinigte man sich über folgende Bedingungen: alle Gefangenen erhalten ihre Freiheit wieder, Benevent wird dem Papste zurückgegeben und ihm ein jährlicher Zins bezahlt; wogegen er Roger und seine Erben mit Apulien, Kalabrien und mit Kapua belehnt, und ihn als König anerkenntGiannone XI, 4.  Dumont corps diplom. I, 75, Urk. 125.  Baronius zu d. Jahre.  Concil. XII, 1414..

Nach dieser Versöhnung mit seinem gefährlichsten Feinde, besiegte Roger leicht die weniger mächtigen Städte und Barone, welche itzt hauptsächlich nur aus Furcht vor seiner Strenge und GrausamkeitAlife z. B. geplündert und verbrannt. Trutta 369. noch widerstanden. Auch entgingen nur wenige einer solchen Behandlung, oder ließen sich, um ihr auszuweichen, selbst zu Unwürdigem gebrauchen. Als z. B. Roger den Abgeordneten von Troja erklärte: »er könne die Stadt nicht betreten, wo man seinen Widersacher Rainulf immerdar geehrt und prachtvoll begraben habe;« – so sahen die erschreckten Bewohner darin einen strengen Befehl, gruben Rainulfs Leichnam aus, 404 {1139} schleppten ihn durch die Straßen und warfen ihn in eine GrubeFalco Benev.  Romualdi II chron.  Pagi zu 1139, c. 14-18.. Roger der jüngere, des Königs Sohn, erkannte jedoch das Unwürdige einer solchen Behandlung und sorgte dafür, daß dem verstorbenen Feinde ein neues gebührendes Begräbniß zu Theil wurde. – Am längsten widerstand Bari, und ergab sich erst, als die Lebensmittel ausgingen, und der König allen Einwohnern Sicherheit versprach. Bald darauf kam ein Soldat zu ihm und klagte: Jaquinus, der Befehlshaber in Bari, habe ihm ohne genügenden Grund ein Auge ausreißen lassen. Rechtsgelehrte, welche aus Troja, Trani und Bari berufen wurden, erklärten, nach einer angeblich genauen Untersuchung: Jaquinus und seine Räthe wären dem König, ohne Rücksicht auf den Sicherungsvertrag anheim gefallen. Zehn von diesen wurden hierauf gehenkt, zehn geblendet und verstümmelt, manche andere gefangen gesetzt und ihre Güter eingezogen. Die Schrecken einer solchen Rechtspflege hielten auch die Abgeneigten in Unterwürfigkeit, der König leitete unabhängig das Ganze von Sicilien aus, ernannte seine Söhne zu Statthaltern in Apulien und Kapua, und von dem deutschen Kaiser oder dessen Rechten war durchaus nicht mehr die Rede.

Dasselbe gilt für Tuscien: und ob man gleich in lombardischen Urkunden des Königs Rechte feierlich vorbehielt und von aller Beeinträchtigung ausnahm, so war doch des Streites daselbst kein Ende, wobei die Markgrafen und königlichen Abgeordneten eine, nach den Umständen wechselnde, aber nie entscheidende Rolle spieltenOtton. Fris. chron. VII, 29.  Alberic. 297.  Griffo.  Bonon. Histor. misc.  Johann Hagustald. zu 1138.. {1142 bis 1144} Venedig kämpfte gegen Ravenna, Bologna gegen Modena, Florenz und Pisa gegen Lukka und Siena, Markgraf Ulrich von Tuscien stand den Florentinern, Graf Guido Guerra ihren Feinden bei u. s. w. Und leider wurden diese Fehden nicht bloß von all den gewöhnlichen, sondern auch von denjenigen Übeln 405 {1142 bis 1144} begleitet, die sich bei Kriegen zwischen Bürgern und Stammgenossen, doppelt grausam und zerstörend einzufinden pflegen. Welch unseliges Geschick des schönen Italiens, daß es fast nie seinen Oberen gehorsamen wollte, nie sich ohne Parteiung für eine freie allgemeine Gesetzgebung einigen konnte! Rom versuchte es um diese Zeit, aber es mißlang, nicht ohne eigene Schuld.

Nach dem Tode Anaklets und der Entsagung Viktors, gewann Papst Innocenz die Oberhand in der Stadt; aber viele mißdeuteten ihm die nothgedrungene Aussöhnung mit Roger von Sicilien, und noch mehre waren unzufrieden, daß er das Recht der Entscheidung wichtiger Dinge (welches während der Kirchenspaltung, fast nur den Bürgern und der bürgerlichen Obrigkeit zugestanden hatte) itzt wieder für sich verlangte. Man kannte die Fehler der Geistlichen und die Mängel der Kirche nur zu genau; und die Erinnerung an ehemalige Einrichtungen Roms (deren Alter das größere Recht, deren einst ungeheurer Erfolg ihre größere Trefflichkeit zu beweisen schien), wurde in diesen verwirrten Tagen ungemein lebhaft und riß die Gemüther zur Bewunderung und Sehnsucht hin. Niemand beförderte oder begründete diese Ansicht und Stimmung mehr, als Arnold von BresciaVon ihm wird im vierten Buche ausführlicher die Rede seyn., ein Schüler Abälards; und es bedurfte nur einer geringen und gern ergriffenen äußeren Veranlassung, um die innere Gährung gewaltsam hervorbrechen zu lassen. Schon oft und auch jetzt hatten die Römer unglücklich gegen Tivoli gefochtenOtton. Fris. chron. VII, 27., wodurch sich ihr Haß zu einer unnatürlichen und verwerflichen Höhe steigerte. Daher genügte es ihnen nicht, als Innocenz, mit Hülfe kirchlicher Mittel, die Bewohner dahin brachte, {1143} daß sie Geißeln stellten und Gehorsam versprachen: »die Mauern von Tivoli sollen niedergerissen, alle Einwohner müssen verjagt 406 {1143} werden,« so riefen die zornigen Römer. Weil Innocenz dieser, wo nicht unausführbaren, doch ungerechten Forderung mit würdiger Beharrlichkeit widersprach, so eilten die Bürger zum Kapitol, verwarfen die weltlichen Rechte des Papstes, ernannten Senatoren und meinten: mit dieser alten Benennung und einer veränderten Abgränzung der Gewalten sey ein ächter Freistaat gegründet, und aus der neuen Unabhängigkeit werde die alte Größe mit doppelter Kraft hervorsprießen. Innocenz suchte seinen Einfluß durch Unterhandlungen wieder zu gewinnen, die aber, abgesehn von inneren Gründen, schon um deswillen nicht zu Stande kamen, weil er schon am 24sten September 1143 starb. Cölestin IIVorher Kardinal Guido von Castelli aus Tuscien. Vitae Pontif. 437.  Cassin. monach.  Chronogr. Saxo.  Dandolo 281.  Robert. de Monte.  Nortm. chron. zu 1142.  Pagi zu 1143, c. 3.  Bulaeus II, 730., welcher itzt durch Wahl der Geistlichkeit und mit Beistimmung vieler Bürger, auf den päpstlichen Stuhl erhoben ward, schien, als ein Schüler Abälards, mit einigem Erfolg an der Aussöhnung zu arbeiten, als der Tod auch ihn am 9ten März 1144 dahinraffte. Sein Nachfolger Lucius II (früher Gerardus d'Oro genannt, aus der angesehenen bolognesischen Familie der CaccianemiciGriffo zu 1145.  Otton. Fris. chr. VII, 31.  Nortm. chr. 981.  Alberic. 302.  Concil. XII, 1562.  Thomassin. Pars III, lib. 1. c. 30, §. 14. hatte auf seinen Gesandtschaften und als Kanzler der römischen Kirche, den Ruhm eines milden und herablassenden Mannes erworben; aber gerade diese Eigenschaften erhöhten, nach seiner Erhebung auf den päpstlichen Stuhl, den Muth und die Anmaaßung der Römer. Sie erwählten, damit es ihrer neuen Verfassung nicht an einem Mittelpunkte fehle, Jordanus, wahrscheinlich den Bruder Papst Anaklets, zum Patricius, und verlangten einstimmig: daß der Papst diesem 407 {1144} alle Hoheitsrechte und Staatseinnahmen innerhalb und außerhalb der Stadt überlasse, und sich nebst den Geistlichen, nach Art der ersten Kirche, mit Zehnten und freien Gaben begnüge. Erschreckt und von allen Seiten, selbst von König Roger bedrängt, suchte Lucius Hülfe für sich und die Kirche bei Konrad III; aber dieser war damals nicht geneigt einen Zug nach Italien zu unternehmen. Deshalb (denn so verlange es seine Pflicht) beschloß der Papst selbst das Äußerste zu wagen. {1145} Mit bewaffneter Macht ging er zum Kapitol und wollte den versammelten Rath auflösen; allein das Volk rottete sich zusammen, vertrieb ihn und die seinen und verwundete ihn mit Steinwürfen so sehr, daß er bald nachher, am 25sten Februar 1145 den Geist aufgab. Schon zwei Tage nach seinem Tode wählte man Eugen III zum Papste.

Dieser gehörte zu der pisanischen Familie Paganelli di Monte magnoEugen war erst Vicedominus der Kirche von Pisa, dann Abt von S. Zenone daselbst. Memor. d'illustri Pisani II, 1.  Chron. Cavense 925.  Viterb. Panth. 461.  Chron. ex libr. Panthal. 28.  Bullar. magn. I, 34.  Pisana monum. 975.  Alberic. 323., bekleidete anfangs kirchliche Würden in seiner Vaterstadt, lebte dann als Mönch in Clairvaux, und ward endlich von Innocenz II zum Abte des Klosters vom heiligen Anastasius bei RomKloster tre fontane. ernannt. In keinem dieser Verhältnisse hatte sich Eugen durch Geist oder Thätigkeit ausgezeichnetCassin. mon.  Auctar. Gembl.  Dandolo 281.  Moriniac. chr. Guil. Nang. zu 1140 u. 1145. Bernh. epist. 237, 238.; weshalb sogar Bernhard von Clairvaux (der frühere Vorgesetzte des neuen Papstes) den Kardinälen sein Erstaunen, ja seine Mißbilligung dieser Wahl nicht verhehlte. Wenn es aber heißt, daß sich mit der Erhebung auf den Stuhl Petri der Geist und die Gnade bei Eugen eingefunden habePrius simplex, mirabilem gratiam et eloquentiam a Deo accepit. Robert. de Monte.; so ging dies wohl großentheils aus 408 {1145} dem Gehorsam hervor, mit welchem er von jetzt an die Weisungen Bernhards von Clairvaux befolgte.

Nur die Römer ließen, seiner Schreiben ungeachtet, nicht ab von ihrem Beginnen; ja sobald der Papst und die Kardinäle sich aus gegründeter Besorgniß nach dem Kloster Farfa begeben hatten, überschritten sie (ungewiß, ob unter unmittelbarer, oder mittelbarer Theilnahme Arnolds von Brescia) alles billige Maaß: sie vertrieben den päpstlichen Statthalter, plünderten die Häuser der Kardinäle und vieler Geistlichen, befestigten die Peterskirche, zwangen die Pilger mit Schlägen zu schweren Abgaben und tödteten selbst einige, welche diese ungerechte Steuer verweigerten, im Vorhofe des Tempels. Aber gerade das Übermaaß dieser Frevel ermuthigte die päpstlich Gesinnten, und erzeugte in vielen Theilnehmern Reue und Besonnenheit: Jordanus wurde gebannt, die Tiburtiner erklärten sich für Eugen, und es kam ein Vergleich zu Stande, wonach das Patriciat abgeschafft, der Papst in seine alten Rechte wieder eingesetzt, und der Senat von ihm abhängig wurde. Weil man aber die Häupter unter den Gegnern mehr überrascht, als vernichtet oder gewonnen hatte; so wußten sie an den Haß der Römer gegen Tivoli neue Unruhen anzuknüpfen und den Papst so zu ängstigen, {1146} daß er erst nach Lukka und dann nach Frankreich entwichNach Bussi 94 ging Eugen über Viterbo und Siena. Anagni unterstützte ihn vergeblich gegen die Römer. Alessandr. de Mag. 20..

Nichts, glaubte man in Rom, sey von seiner Macht und seiner Rückkehr zu befürchten, sobald man den neuen römischen Freistaat mit dem Kaiserthum in eine angemessene Verbindung bringe. Deshalb schrieben die Römer an König KonradOtton. Fris. vita I, 27.Baronius, Pagi, Fleury, Vitale I, 35 und Memor. d'illustri Pisani II, 43, setzen den Brief auf 1144; Muratori führt ihn an zu 1146; Mansi und Martene zu 1150. Mit voller Gewißheit steht nichts fest, nur ward er nicht 1144, vor der Aussöhnung des Papstes mit Roger geschrieben. 1146 ging der Bischof Hermann von Konstanz, als Gesandter König Konrads zur Herstellung des Friedens nach Italien, aber ohne großen Erfolg. Savioli. Vergl. Mascov. comment. III, 358.: »mit aller Treue hätten sie für seine Rechte, 409 {1146} mit aller Kraft für die Herstellung und Erhöhung des römischen Kaiserthumes gewirkt. Boshaften Einflüsterungen über ihr Verfahren und ihre Zwecke, möge er kein Gehör geben, sondern bedenken: wie viel Übeles die Päpste und Geistlichen ihm und seinen Vorfahren bereits angethan hätten. Diese ärgsten Feinde aller Kaiser (die auch jetzt höchst nachtheilige Verbindungen mit Roger von Sicilien gegen Konrad eingegangen wären) habe man aus Rom vertrieben; welche Stadt, als Haupt der Welt, sich ihm zum Sitze darbiete und wo er, nach Beseitigung aller kirchlichen Hindernisse, freier und besser herrschen könne als irgend einer seiner Vorfahren.« – Durch diese und ähnliche Einladungen und Schmeichelreden ließ sich aber König Konrad zu keiner übereilten Begeisterung fortreißen. Er kannte die Schwäche seiner Mittel und wußte, wie wenig Verlaß auf die Römer überhaupt, und insbesondere bei einem Beginnen sey, welches, ohne alle innere Heiligung, bloß mit heidnischen Formen Götzendienst trieb und dieselben weder durch die Idee des Kaisers, noch durch die Idee der Kirche verklären wollte. Und doch war das letzte, alsdann übrig bleibende Ziel, die Gründung einer weltbeherrschenden Stadtrepublik ohne Papst und Kaiser, damals so sehr außer aller Zeit und ein so thörichter oder so ganz unbedeutender Traum, daß fast niemand außerhalb Rom Theilnahme dafür bezeigte, oder zu bezeigen Grund hatte.

Überdies nahm ein ganz anderes Ereigniß diese Theilnahme in Anspruch, und die Augen aller Christen richteten sich wieder nach dem Morgenlande: denn Edessa war in die Hände der Ungläubigen gefallen, und nur schnelle Hülfe, 410 {1146} nur ein neuer Kreuzzug konnte die anderen christlichen Staaten und das heilige Land erretten. – Der Geschichte dieses zweiten Kreuzzuges muß die Erzählung der morgenländischen Begebenheiten, seit dem Tode Gottfrieds von Bouillon, vorangehen.

 


 


 << zurück weiter >>