Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 1
Friedrich von Raumer

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Drittes Hauptstück.

Morgenwärts von Stuttgart und Eßlingen, bilden die Rems und die Fils zwei der fruchtbarsten und anmuthigsten Flußthäler Schwabens. Ihnen zur Seite strecken sich Fortsetzungen des Gebirges der rauhen Alp, es wechseln Hügel und Senkungen; vor allen anderen Bergen aber zeichnet sich aus der, von fast ebener Fläche schroff in Kegelgestalt emporsteigende, hohe Staufen. Nur gen Nordosten treten die schönen Rechberge brüderlich in seine Nähe; sonst ist die Aussicht über jene reichen Gegenden mit ihren Feldern, Wiesen und Waldungen fast unbeschränkt. In größerer Ferne stellt sich der Stäufele und die reizend hervorspringende Felsspitze von Staufeneck dar; drüber hinaus erkennt man deutlich den Stamm aller dieser Vorberge, die rauhe Alp, und ein Nebelstrich bezeichnet auf der anderen Seite den Schwarzwald. Mehr als sechszig Orte erblickt ein geübtes Auge auf dem großen Umkreise von diesem Gebirge bis nach Elwangen. – Nordwestlich vom Fuße des Hohenstaufen liegt ein Dorf Büren oder Beuern, welches einem gleichbenannten Geschlechte zugehörte, dessen frühere Herkunft unbekannt istBünau Gesch. Friedrichs I, 339. Senkenberg de origine famil. Staufensis in Commentt. Götting. Anno 1753, 201.  Koeler Geneal. famil. Stauf. in Wegelin. thes. II, 190.  Schöpflin. Alsat. illustr. II, 548.  Pfister Gesch. v. Schwaben II, 146.  Cleß Gesch. von Wirtenberg II, 187.  Sattlers Gesch. v. Wirtenberg I, 599, 605.  Pahls Herda II, 15.  Spiegel ad Güntherum I, 70.  Viterb. Panth. 463.  Dandolo 285.  Siehe die geneal. Tafel., bis Friedrich von Büren um die Mitte des eilften 291 Jahrhunderts aus dem beschränkten Thale hinaufzog auf den Hohenstaufen. Der Blick von dieser Zinne hinab schien zur Erwerbung und Verbreitung der Herrschaft aufzufordern und einzuladen: auch hub sich seitdem das Geschlecht der Hohenstaufen nicht nur über andere früher gleichgestellte, sondern über alle Geschlechter und Fürstenhäuser, bis es, nach blendendem Sonnenglanze und unvergleichbarer Höhe, von einem furchtbar und beispiellos tragischen Geschick ergriffen ward, und so plötzlich in die finsterste Nacht hinuntersank, daß keine Spur desselben übrig blieb, und nur die treue Anhänglichkeit des Geschichtschreibers versuchen kann eine Auferstehung hervorzubringen.

Zur Zeit des Glückes der Hohenstaufen setzte man ihren Stamm in frühe Verbindung mit dem der fränkischen KaiserBurchardi vita Frider. I, 11.  Was Geißmann daselbst (Vorrede 13) gegen die Ächtheit der Urkunde bei Hergott (Cod. dipl. II, 190) vorbringt, ist unerheblich., ja man leitete ihn wohl gar ab von Karolingern und Merovingern: eine genauere Prüfung zieht dagegen selbst ihre Verwandtschaft mit den Grafen von Calw und den Pfalzgrafen von Tübingen in Zweifel, entscheidet nicht, ob sie vor jenem Friedrich von Büren gräflichen oder nur edeln Stammes waren, und kann den wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen den Hohenstaufen und den Herren von Staufeneck und von RechbergWahrscheinlich wird dieser Zusammenhang gemacht durch die, vom Hrn. Pfarrer Pfister mir mitgetheilten Untersuchungen des Hrn. Pfarrer Rink. – Um 1130 werden mehre Nobiles de Stauffen aufgeführt.  Monum. boica VII, 342, 361, 362. nicht zu voller Gewißheit erheben. – Ohne Zweifel war Friedrich, der Gründer von Hohenstaufen, ein Sohn Friedrichs von Büren und Hildegards aus einem fränkisch-elsaßischen Geschlechte. Er hatte noch eine Schwester Adelheid und vier Brüder, von denen 292 Otto als Bischof von Straßburg und Ludwig als Pfalzgraf genannt werden; über alle aber ragte er selbst hervor, durch Klugheit, Muth und Thätigkeit, stand (wohin man auch seine Vorfahren rechnen mag) keinem der edelsten schwäbischen Grafen nach, und war in allen Nöthen Kaiser Heinrichs IV standhafter Vertheidiger. Dieser, der nur zu oft den Wankelmuth und die Eigenliebe der älteren Fürstenhäuser erfahren hatte, glaubte bei neu erhobenen mehr Treue zu finden und wußte zu schätzen, was in den damaligen Verhältnissen, ein Mann wie Friedrich von Hohenstaufen werth sey. Deshalb berief er ihn im Jahre 1079 nach Regensburg und sprachOtton. Fris. vita I, 8.: »wackerer Mann, den ich vor allen immerdar als den treuesten und tapfersten erfunden habe, du weißt wie im römischen Reiche die Frevel überhand nehmen, wie durch des Teufels Einwirkung empörerische Verbindungen für heilig gelten, während Gottes Gebot die Obrigkeit zu ehren, verachtet und mit Füßen getreten wird. So wie bisher, kämpfe auch künftig gegen dies verderblichste aller Übel, und als Beweis, wie sehr ich deine früheren Verdienste anerkenne und den künftigen vertraue, gebe ich dir meine einzige Tochter Agnes zum Weibe und das Herzogthum Schwaben zur Mitgift.«

Von diesem Tage begann die Fehde zwischen den, mit dem Kaiserhause unzertrennlich verbundenen Hohenstaufen, und den Welfen und ZäringernMüller Gesch. der Schweiz I, 315.  Pfister Gesch. von Schwaben II, 2  1.  Freiburger Chron. 8.  Auctor incert. ap. Urstis. zu 1092.  Schöpfl. hist. Zaring. Bad. I, 68.. Denn Bertold, des Gegenkönig Rudolfs Sohn, machte Ansprüche auf das Herzogthum Schwaben und fand Beistand bei dem Manne seiner Schwester, Bertold von Zäringen, und bei Herzog Welf IV von Baiern, dem alten Widersacher Heinrichs IV. Als Bertold, Rudolfs Sohn starb, gingen seine Ansprüche über auf Bertold von Zäringen, und erst nach 293 zwanzigjähriger Fehde, im Jahre 1097 ward Süddeutschland in der Art beruhigt: daß der Kaiser Welfs und Bertolds Güter in Schwaben vom herzoglichen Einflusse frei sprach, und jenen für sich und seine Erben mit dem Herzogthume Baiern, diesen mit der Reichsvogtei in Thurgau und Zürich belieh. Alles übrige Land in Schwaben und Elsaß blieb bei dem Herzogthume Friedrichs. Dieser starb 1105Begraben in Lorch. Auct. inc. ap. Urstis.  Annal. Saxo zu 1105 u. 1117. und hinterließ zwei Söhne Friedrich und Konrad, deren sich ihr Oheim, Kaiser Heinrich V, treulich annahm; seine Schwester, die Wittwe Herzog Friedrichs, vermählte er an Herzog Leopold von Österreich. Im Jahre 1115, wo die Schlacht am Welfesholze gefochten ward und die Markgräfinn Mathilde starb, war Friedrich von Hohenstaufen fünf und zwanzig, Konrad zwei und zwanzig Jahre alt; jener stand mit größter Thätigkeit bereits dem Herzogthume Schwaben vor, und diesem verlieh der Kaiser nach dem Abfalle des Bischofs Erlong, das seit 1047 mit dem Bisthume Würzburg verbunden gewesene Herzogthum FrankenFeßmaier Gesch. v. Baiern 274..

Diese gewaltige Erhebung des neuen Geschlechtes der Hohenstaufen, stellte allerdings das uralte Geschlecht der Welfen in den Hintergrund. Von den Zeiten Karls des Großen an, lassen sich deren Ahnherren geschichtlich verfolgen; die Sage steigt indeß hinauf bis in das fünfte Jahrhundert und verbindet Wulf, einen Anführer der Scyren zu Attilas Zeit, mit Georg IV, der von Brittannien aus in mehr Welttheilen herrscht, als sein erster Ahnherr in Dörfern. Mit Welf III ging im Jahre 1055 der ältere Mannsstamm aus, aber Welf IV, der Sohn seiner Schwester Kunitza und des italienischen Markgrafen Azo (den man selbst für einen Nebenzweig derselben Familie ausgiebt), ward der Stifter der jüngeren Linie dieses Hauses. Er lebte gleichzeitig mit Kaiser Heinrich IV und sein schwankender, mehr 294 auf Vortheil als auf unwandelbare Anhänglichkeit gerichteter Sinn, vermehrte den unruhigen Wechsel jener Jahre. Anfangs war er, als Schwiegersohn Ottos von Nordheim und Baiern, des Kaisers Gegner; hierauf, für die Belehnung mit Baiern, des Kaisers Freund und seines Schwiegervaters Feind; wenige Jahre nachher zum zweiten Male mit dem letzten versöhnt und Anhänger aller Gegenkönige; endlich, nach der Scheidung seines Sohnes von der Markgräfinn Mathilde, durch Kaiser Heinrichs IV Belehnung, Erbherzog in BaiernOrig. guelf. IV, 280.. Er starb 1101 auf einem Kreuzzuge in Cypern. Sein Sohn und Nachfolger, Herzog Welf V, stand seitdem in gutem Vernehmen mit dem Kaiserhause und war Fehden zweifelhaften Ausganges so abgeneigt, daß weder er, noch sein mit Erbgütern abgefundener jüngerer Bruder, Heinrich der SchwarzeMonach. Weingart. 785., sich aus weltlichen oder kirchlichen Gründen bewegen ließen, wider Heinrich V die Waffen zu ergreifen.

Mithin wagte dieser, bei seinem zweiten Zuge nach Italien, der Wahrheit nach nicht so viel als sein Vater in ähnlichen Fällen. Im März des Jahres 1116 erreichte er Venedig, eine Stadt, welche mit großer Klugheit jeden wesentlichen Einfluß der abendländischen Kaiser abzuhalten, und wiederum selbst die strengsten unter ihnen durch Anstand und einnehmende Formen zu gewinnen wußte. So empfing man auch diesmal Heinrich V mit den größten Ehren, räumte ihm den Palast des Dogen Ordelafo Falier ein und ließ ihn öffentlich Gericht halten. Laut pries er dagegen seinerseits die Lage der Stadt, die Schönheit ihrer Gebäude, die Zweckmäßigkeit der öffentlichen Einrichtungen, die Weisheit und Billigkeit der Regierung; – solch ein Staat verdiene ein Königreich zu heißen. Diese, der Wahrheit keineswegs widersprechenden Äußerungen des Kaisers, seine schon beim ersten Römerzuge bewiesene MildeEr hatte damals Venedigs Streit mit Padua geschlichtet und für eine jährliche Abgabe von 50 Pfund Pfeffer und einem Mantel, die Rechte jener Stadt erweitert. Dandolo 263-266.  Le Bret Staatsgesch. v. Venedig zu 1116.  Marin. III, 38., endlich die fürs 295 {1116} nächste Jahr versprochene Hülfe gegen die Ungern, verschaffen ihm die Freundschaft des mächtigsten und tüchtigsten Staates von Oberitalien.

Ungehindert zog er zum Po, entschied viele öffentliche Angelegenheiten und ordnete endlich die schwierigste, den Nachlaß der Markgräfinn Mathilde. Sie besaß keinen zusammenhangenden geschlossenen Strich Landes, sondern eine große Menge zerstreuter GüterCenni II, 211, 215. und in vielen Städten bald einzelne, bald so überwiegende Rechte, daß sie als völlige Herrinn derselben auftreten konnte. In solchen Verhältnissen zu ihr standen Lukka, Parma, Mantua, Ferrara, Modena, Reggio, Montferrat, Spoleto und andere Städte; ja bis Korsika und Sardinien erstreckte sich ihr Einfluß. – Zur näheren Beurtheilung der schon erwähnten Erbansprüche, dient noch folgendes:

Erstens, dem Herzoge Welf VOrig. guelf. I, 448; II, 304. waren im Ehevertrage mit Mathilden gewiß Rechte auf ihren Nachlaß zugesichert; allein in dem Augenblicke wo man diese Ehe auflösete und als nichtig behandelte, verlor sein Anspruch alles Gewicht, und dies um so mehr, weil:

Zweitens, Mathilde durch ein späteres Testament vom 17ten November 1102Miraei oper. dipl. I,, Urk. 36.  Dumont. I, 60.  Tiraboschi Modena I, 140. (an dessen Ächtheit zu zweifeln, durchaus kein genügender Grund vorhanden ist), der Kirche alle ihre eigenthümlichen Güter vermacht hatte. Hiegegen wandte

Drittens, der Kaiser ein: daß Mathilde ihn, als ihren Verwandten, auch im Allode nicht hätte so verkürzen dürfen, und daß ferner das meiste mit Unrecht als volles Eigenthum bezeichnet werde; weil eigentlich alles Land und 296 {1116} alle daran geknüpften Rechte ursprünglich vom Reiche zu Lehen gingen, und dieses Band und diese Abhängigkeit nur in Zeiten der Unordnung und Auflösung nicht berücksichtigt sey. Und auf ähnliche Weise, obgleich von entgegengesetztem Standpunkte aus, erklärten

Viertens, viele Städte und Ortschaften: der klugen Markgräfinn Mathilde habe man freiwillig manches für ihre Person zugestanden, was jetzt an die ursprünglich Berechtigten zurück falle; und die gewaltige Markgräfinn habe sich mancher Dinge angemaaßtMathilde gab Steuerbefreiungen selbst in Pisa und Lukka.  Orig. guelf. I, 654.  Maffei ann. 504, 527., welches Zwangsverhältniß mit Recht im ersten günstigen Augenblicke gelöset werden müsse.

Welfs Ansprüche beruhten auf einem, zwar sehr einfachen, aber unzureichenden Grunde, und blieben deshalb itzt ganz unberücksichtigt. Die Ansprüche der Städte ruhten auf den verschiedensten, im einzelnen schwer auszumittelnden, aber gewiß nicht überall unerheblichen Gründen; deshalb bewilligte ihnen der Kaiser manches als freie Gabe, damit sie nicht an größeres dächten, noch ihm bei seiner ungenügenden Heeresmacht durch offene Fehde gefährlich würden. Was ferner die persönliche Seite der Ansprüche Heinrichs V anbetrifft, so war er allerdings mit Mathilden verwandt; aber auf eine so entfernteSiehe die weitläufigen Untersuchungen in Bünaus Leben Friedrichs I, S. 382, und bei Mansi I, 421., itzt nicht mit völliger Gewißheit auszumittelnde Weise, daß man ihn schwerlich für ihren nächsten natürlichen Erben und auf keinen Fall für einen Notherben halten konnte, welcher zu Einsprüchen gegen letztwillige Verordnungen berechtigt gewesen wäre. Der Kirche gebührte also, jenes Testaments halber, mit vollem Rechte das Eigenthum der Markgräfinn, und mehr hat die Kirche eigentlich nie verlangt: weil aber dessen Umfang nicht fest stand und der Papst diesen Begriff gern auf den ganzen 297 {1116}Nachlaß ausgedehnt hätte, der Kaiser ihn dagegen, seiner umfassenden Lehnsansprüche wegen, fast ganz verwarf; so geriethen beide hierüber sehr natürlich in Streit, und je nachdem die weltliche oder die kirchliche Macht das Übergewicht gewann, änderte sich der Besitzstand. Indem endlich die Städte und Ortschaften mit kluger Voraussicht dem jedesmal Mächtigeren nachdrücklich entgegentraten, und von dem jedesmal Schwächeren Vorrechte und Freibriefe zu erlangen wußten, so gewannen sie allmählich mehr als der Papst und der Kaiser.

Gern würde der erste in diesem Augenblicke wider die Anordnungen des letzten im obern Italien gewirkt haben, wenn er nicht von einer anderen Seite her in mehrfache Bedrängniß gerathen wäre. Manche, obgleich an sich nicht unerhebliche kirchliche Angelegenheit, würde nämlich Paschalis wohl aus eigener Macht entschieden haben; bei der Annäherung des Kaisers wagte er aber, im Angedenken früherer Ereignisse und Vorwürfe, nicht auf seine Gefahr über neue Anträge desselben ohne umständliche Berathung zu antworten. Deshalb berief er zu diesem Zweck eine Kirchenversammlung, und eröffnete sie am sechsten März 1116Ursperg. chr. zu 1116 und die Zusammenstellungen bei Baronius.. In der ersten und zweiten Sitzung beschäftigte man sich mit dem Streite der zwiespaltig gewählten Erzbischöfe Grossulanus und Jordanus von Mailand, und verwies endlich diese Sache zur weiteren Untersuchung an die Kardinäle. In der dritten Sitzung war umständlich von dem Zwiste der Bischöfe von Pisa und Lukka über die Größe ihres Sprengels die Rede; – als plötzlich einer der gegenwärtigen Bischöfe aufstand und mit großer Lebhaftigkeit sagte: »wir bitten, daß der Papst sich erinnern möge, wie die zahlreich versammelten heiligen Väter auf weiten Reisen viele Gefahren zu Wasser und zu Lande erduldet haben, damit hier vor allem anderen von geistlichen und kirchlichen 298 {1116} Angelegenheiten, nicht, in verkehrter Ordnung, zuerst von den mehr weltlichen Dingen gehandelt werde. Über jene wichtigeren Gegenstände, über den Hauptzweck der ganzen Versammlung muß der Papst seine Gesinnungen an den Tag legen, damit wir nach unserer Rückkunft wissen, wie wir zu reden und zu predigen haben« – Hierauf antwortete Paschalis: »als der Herr mich, seinen Knecht, und das römische Volk in die Hände des Königs gegeben hatte, sah ich täglich nur Raub und Ehebruch, Mord und Brand. Dieses und ähnliches hoffte ich von der Kirche und dem Volke Gottes abzuwenden, und was ich auch that, es geschah allein um der Befreiung des Volkes und der Kirche willen. Ich handelte wie ein Mensch, der da Staub ist und Asche; ich habe gefehlt und bitte euch deshalb, daß ihr Gott anflehen möget mir zu verzeihen. Jene übele Schrift, die im Kriegslager verfaßt worden, verfluche ich für immer und ersuche euch dasselbe zu thun.« – Alle riefen hierauf: »es geschehe also, also geschehe es!« – Bruno aber, der Bischof von Signia hub an: »wir danken dem allmächtigen Gotte, daß unser Herr der Papst Paschalis jenen Vertrag, welcher Frevel und Ketzerei enthält, mit eigenem Munde verdammt; wenn er aber Frevel und Ketzerei enthält, so muß man den Urheber desselben auch Ketzer nennen.« – Rasch fiel ihm hier Johannes von Gaeta, der nachmalige Papst Gelasius II, in die Rede und sagte: »du wagst es, den Papst vor der ganzen Kirchenversammlung einen Ketzer zu nennen? Übel war jene Schrift, aber keine Ketzerei.« – »Nein,« rief itzt ein dritter, »jene Schrift ist nicht vom Übel, wenn es anders gut ist, das Volk Gottes aus Gefahren zu erretten. Es stehet in der Schrift: du sollst dein Leben wagen für deinen Bruder; also hat unser Herr der Papst recht gehandelt.« – Paschalis, durch jene ungebührlichen Reden zum Zorne aufgereizt, suchte mit Zeichen, Geberden und Worten die Stille wieder herzustellen, und als es ihm endlich gelungen war, fuhr er fort: »die römische Kirche war nie ketzerisch, sondern hier sind alle Ketzer 299 {1116} unterdrückt worden, Arianer, Eutychianer, Sabellianer und viele andere. Für diese Kirche hat der Erlöser in seinem Leiden geflehet und gesprochen: ich bitte für dich, o Petrus, daß deine Treue nie wanken möge.«

Mit dieser Erklärung des Papstes ward, indem niemand ihr zu widersprechen wagte, diese Sitzung geschlossen; aber in der nächsten verlangte der Kardinal Kuno von Präneste, ein Verehrer unbedingter Kirchenherrschaft und des Kaisers persönlicher Feind, daß man diesen in den Bann thue. Dem widersprachen nicht allein alle Freunde Heinrichs, sondern auch alle, denen vorzugsweise die Erhaltung des Friedens am Herzen lag; Paschalis endlich bestätigte zwar nochmals die Gesetze seiner Vorgänger über die Belehnungen, beharrte aber, – der bedenklichen Verhältnisse in Rom, der noch bedenklicheren Annäherung Heinrichs, und endlich am meisten seines Eides wegen –, darauf, daß er den Kaiser nicht bannen wolle, noch werde. Als Kuno von Präneste diese unerwartete Festigkeit sahe, wandte er sich von heftigen Forderungen scheinbar zur Demuth und fragte den Papst: »ob er ihn sonst als seinen Gesandten anerkenne und sein zeitheriges Verfahren billige?« In übereilter Gutmüthigkeit bejahte Paschalis diese Fragen unbedingt, und nun fuhr Kuno triumphirend fort: »ich habe den Kaiser, nachdem ich von seinen Freveln gegen den Papst und die Römer hörte, in Jerusalem, Griechenland, Ungern, Sachsen, Lothringen und Frankreich gebannt; ich bitte, daß die versammelten Väter dies eben so bekräftigen, wie der Papst bereits mein ganzes Verfahren bestätigt hat.« – Bei dieser überraschenden Wendung der Dinge entstand der lebhafteste Streit zwischen der Minderzahl von Widersprechenden und der Mehrzahl von Beistimmenden; und obgleich die letzten den Papst noch immer nicht dahin bringen konnten, daß er sich von seinem Eide selbst entbunden, oder eine Entbindung angenommen hätte, traten sie doch dem Verlangen Kunos bei und bestätigten den Bann über den Kaiser.

300 {1116} Um diese Zeit wo die Gemüther schon aufgereizt waren, starb der Präfekt von Rom, und die Bürger erwählten dessen Sohn zum Nachfolger; der Papst hingegen ernannte Peter, den Sohn eines sehr reichen Mannes, Namens LeoPetrus Diac. IV, 60.  Falco Benev.  Pagi c. 6.  Über Leo, siehe die Wahl Anaklets im Jahre 1130.. Auf die, von beiden Theilen gleichlautend geführte Klage über verletzte Formen und Rechte, erwiederte Paschalis: »der vom Volke Erhobene sey seiner Jugend wegen zu jenem Amte untüchtig;« wogegen andererseits wiederum bemerkt wurde: »des Papstes Schützling sey der Sohn eines, durch die Taufe nicht zu Ehren gebrachten jüdischen Wucherers.« Von Worten kam es zu Thaten: mehre Häuser von Freunden des Papstes wurden niedergerissen, er und die Kardinäle mit Steinwürfen verfolgt und endlich gezwungen nach Albano zu entweichen.

Sobald der Kaiser von all diesen Vorgängen Kunde bekam, ermuthigte er mit Geschenken und Versprechungen die Gegner des Papstes und zählte diesem all' die Gründe auf, welche zu bitteren Klagen über ihn berechtigten. Paschalis antworteteUrsp. chr. zu 1117 und nach einem Schreiben des Kaisers in Ried cod. diplom. I, 186.: »er habe weder Kuno von Präneste nach Sachsen geschickt um Heinrich zu bannen, noch die Verfügungen des Erzbischofs von Vienne bestätigt, noch feindselige Schreiben an die Erzbischöfe von Mainz, Köln, Salzburg u. s. w. erlassen; vielmehr halte er jeden für eidbrüchig, der Krieg wider den Kaiser erhebe. Selbst dem, auf der Kirchenversammlung von vielen gegenwärtigen Vätern über ihn ausgesprochenen Banne, sey er nicht beigetreten; aber eben so wenig könne er diesen Bann, ohne den Beschluß einer neuen Kirchenversammlung aufheben, zu welcher er alle Bischöfe, auch die deutschen, bereits eingeladen habe.«

Während Paschalis, von den Grundsätzen seiner strengeren Vorgänger und Nachfolger abweichend, den 301 {1116} Kirchenversammlungen so große Rechte einräumte, war der Kaiser bereits über BolognaDen Bolognesern vergab der Kaiser frühere Beleidigungen und bestätigte ihre Rechte. Griffo zu 1116. in den Kirchenstaat eingerückt und erklärte sich gegen drei, itzt zu Unterhandlungen an ihn abgeschickte Kardinäle: er sey bereit, ihrem Verlangen gemäß, den Belehnungen zu entsagen, sobald – die Geistlichkeit den Regalien entsage. – {1117} Nach leichter Eroberung einiger widersetzlichen Orte, erschien Heinrich vor Rom und ward (so sehr hatten sich die Gesinnungen geändert), mit großer Freude in der Stadt aufgenommenPetrus Diac. IV, 61.  Codex Vatic. No. 2039, S. 110., während Paschalis furchtsam über Monte Cassino bis Benevent entwich. Mit Hülfe des mächtigen Grafen Ptolemäus von Tuskulum, ordnete jener alles Weltliche und brachte geschickt des Papstes eigenen Bevollmächtigten, den Erzbischof Burdinus von Braga, so auf seine Seite, daß dieser ihn, ohne Rücksicht auf den Einspruch mancher römischen Geistlichen, am OsterfesteOstern den 25sten März. feierlich krönte. Beim Eintritte der Sommerhitze zog sich die Hauptmacht der Deutschen nach dem obern Italien; doch genügte die in Rom zurückgelassene Besatzung, alle Anfälle der Normannen und päpstlich Gesinnten zurückzuschlagen: und als Paschalis endlich, im Anfange des nächsten Jahres, die Fehden mit größerem Erfolge erneute, starb er den 21sten Januar 1118Pagi critica zu 1118, c. 1. prüft die Abweichungen über den Todestag. Siehe Falco Benev.  Roger Hoved. 474 u. s. w.. Schon vier Tage nach seinem Tode erhuben die Kardinäle, um ihre Wahlfreiheit ungeschmälert zu erhalten, den bisherigen Kanzler der römischen Kirche Johannes von GaetaDandolo 267.  Order. Vit. 842.  Morign. chr. 366.  Vitae pontif. 384.  Gaetani vita di Gelasio II.  Codex Vatic. No. 2039, S. 113., auf den Stuhl Petri. Gelasius II, so nannte sich der neue Papst, hatte Urban II und Paschalis II auch in den ärgsten Nöthen nicht verlassen, und durch lange Übung die größte Geschäftskenntniß und 302 {1118} eine solche Gewandtheit der Darstellung erworben, daß man rühmte: durch ihn sey der ausgeartete Stil des römischen Hofes wieder auf die vorige Höhe erhoben worden. Andererseits erinnerten Abgeneigte: er liebe das Geld zu sehr und halte seine, gleich habsüchtigen Diener, nicht in gehöriger Ordnung.

Kaum hörten Cencius FrangipaniDie Frangipani waren eins der ersten römischen Geschlechter, und werden öfter erwähnt werden. und die übrigen Anhänger des Kaisers von dieser, ohne ihr Wissen in aller Stille eingeleiteten Wahl; so eilten sie zur Kirche, schlugen die Thüren ein, verjagten die Wache, ergriffen den Papst bei den Haaren und schleppten ihn unter Stößen, Schlägen und Fußtritten zum Gefängniß. Nicht besser erging es mehren Kardinälen und Geistlichen, und einzelne die man nicht auf der Stelle verhaftete, wurden doch auf der Flucht eingeholt, von den Pferden heruntergeworfen und ausgeplündert. Ein so gewaltthätiges und ungeschlachtes Benehmen erzürnte aber selbst diejenigen, welche sonst für kirchliche Ansichten keineswegs begeistert waren; deshalb fanden die Aufforderungen Petrus Leonis, Stephans des Normannen und anderer Freunde des Papstes, so williges Gehör, daß sie Frangipani zur Freilassung der Gefangenen zwingen und Gelasius bei der feierlichen Besitznahme des Laterans schützen konnten.

Der Kaiser, welchem Eilboten von diesen Ereignissen Nachricht hinterbrachten, zürnte sehr über die einseitige Erhebung von Gelasius und beschloß, bei dieser Gelegenheit den Einfluß der Kaiser auf die Papstwahlen geltend zu machen. Dem gemäß schlug er vor: »Gelasius möge sich in seiner Gegenwart einer neuen Wahl unterwerfen und den, mit Paschalis geschlossenen Vertrag bestätigen, dann solle er an ihm einen treuen Freund und Beschützer finden.« Diesen Vorschlag fand der Papst aber weder mit seiner persönlichen Sicherheit, noch mit der Würde der Kirche 303 {1118} verträglich und antwortete, ohne jene Hauptfragen irgend zu berühren: »er wolle auf den Oktober dieses Jahres eine KirchenversammlungFalco Benevent.  Wilh. Malmesb. 168. nach Mailand oder Cremona berufen und mit Zuziehung der, von Gott zu Richtern in der Kirche bestellten Kardinäle und Bischöfe, alle Streitigkeiten zwischen der geistlichen und weltlichen Macht beseitigen.« – Nach Empfang dieser ungenügenden Erklärung brach der Kaiser in Eilmärschen gen Rom auf und besetzte ringsum die Stadt, ehe der unbesorgte Papst von der nahenden Gefahr irgend Kunde erhielt. Zunächst versteckte er sich im Hause Bulganini und bestieg dannCodex Vatic. No. 2039 nach Pandulfo Pisano. Cardella I, 75.  Ciaccon. I, 930.  Contatore 430.  Donio 127., weil kein Landweg mehr offen war, vor Anbruch des Tages einen Kahn und fuhr die Tiber hinab, mit dem Vorsatze übers Meer nach Gaeta zu entfliehen. Um die Zeit aber wo er mit seinen Begleitern Ostia erreichte, erhub sich ein so furchtbares Ungewitter, daß keiner mit Sicherheit innerhalb des Hafens ausdauern, vielweniger sich dem hohen Meere anvertrauen konnte. Alle riefen einstimmig: »man müsse landen um dem Tode zu entgehen;« – allein in demselben Augenblicke erschienen Deutsche, welche von der Flucht des Papstes benachrichtigt worden, besetzten das Ufer, schossen mit Pfeilen nach den Schiffen und drohten dieselben am andern Tage mit Pech anzuzünden. Glücklicherweise brach die Nacht ein, ehe die Deutschen Schiffe herbeischaffen konnten, oder des Sturmes wegen besteigen wollten; und von der Dunkelheit begünstigt, landete der Papst an einer unbesetzten Stelle und ward, da er Alters wegen zu gehen außer Stande war, vom Kardinal Hugo Visconti auf den Schultern bis zur Burg des heiligen Paulus von Ardea getragen. Am andern Morgen sahen die Deutschen ihren Hauptzweck vereitelt; der Papst entkam über Monte Circello und Terracina, zu Wasser nach Gaeta.

304 {1118} Sobald der Kaiser hörte, daß der Plan, Gelasius gleichwie Paschalis zu fangen, mißlungen sey, faßte er den Gedanken, kraft seines Ansehens einen neuen Papst zu ernennen; wozu auch der berühmte Rechtsgelehrte Irnerius von Bologna und mehre andere nicht allein ihre Beistimmung gaben, sondern auch Gründe für die Nothwendigkeit und Rechtmäßigkeit solchen Verfahrens beibrachten. Nicht minder gingen die Römer darauf ein, welche Gelasius noch abgeneigter wurden, als Heinrich ihnen dessen Antrag, die Kirchenversammlung in einer lombardischen Stadt zu halten, mittheilte und als eine unerträgliche Zurücksetzung Roms darstellte. – Hierauf ward unter kaiserlicher Leitung der Erzbischof Mauritius Burdinus von Braga erwählt, und auf dreimalige Befragung des VolkesLandulph. jun. 32.  Petrus Diac. VI, 64.  Anselm. Gembl.  Baluzii misc. I, 137.: »ob es diesen zum Papste wolle?« antworteten alle einstimmig: »wir wollen ihn!« Nunmehr führte Heinrich seinen Schützling, welcher sich Gregor VIII nannte, zum Lateran, ließ sich hier am Pfingstfeste krönen und eilte dann nach Oberitalien zurück, wo die ihm zugethanen Markgrafen und Grafen mit Mühe ihren Gegnern widerstanden, an deren Spitze sich der Erzbischof Jordanus von Mailand auszeichnete. Dieser bannte Heinrich V, während andere Bischöfe den Gründen der kaiserlich Gesinnten nachgaben und erklärten, daß hiezu keine hinreichende Ursache vorhanden sey.

Mittlerweile sprach auch Gelasius in Kapua den Bann über den Kaiser und den Gegenpapst, und fügte in Bezug auf den letzten noch anklagend hinzu: daß er aus seinen Händen das Pallium erhalten, und dabei dem Papste und dessen rechtmäßigen Nachfolgern Treue geschworen habe; als ein Glück dürfe man es jedoch betrachten, daß so wenig Geistliche an dem Frevel seiner Erhebung Theil genommen hätten. Hierauf antworteten die Freunde Gregors: dieser sey der einzig rechtmäßige Nachfolger von Paschalis und 305 {1118} keineswegs, wie Gelasius behaupte, manchen Untugenden ergeben, sondern gelehrt, beredt, ein guter Geistlicher und ein tüchtiger GeschäftsmannSatis bonus clericus.  Alberic. 233.  Literatus et curialis et vir eloquens.  Morign. chron. 366.  Wer zu Gelasius ging und ergriffen ward, litt Strafe an Leib und Gütern. Bouquet XV, 297..

So lange der Kaiser in Rom blieb, wagte Gelasius nicht der Stadt zu nahen; kaum aber war jener hinweggezogen, so setzten sich die Normannen in Bewegung um diesen zurückzuführen. Aller Zögerung ungeduldig und dem Rathe einiger Kühneren folgend, eilte Gelasius voraus; zog jedoch keineswegs als Oberhaupt der Christenheit in die Hauptstadt derselben ein, sondern schlich mit jenen Rathgebern einzeln und in Pilgertracht durch die Thore und versteckte sich bei seinen Freunden. Erst als diese nach einiger Zeit meinten, ein muthigeres Auftreten werde ihm schnell mehre Anhänger gewinnen, begab er sich zur Marienkirche und hielt hier feierlichen Gottesdienst. Noch war dieser indeß nicht beendet, so drangen die Frangipani und ihre Anhänger schon in die Kirche, und es kam zu einem förmlichen Gefechte, in welchem mehre päpstlich Gesinnte auf dem Platze blieben und Gelasius nur mit Mühe während der Verwirrung entfloh. Nach langem Suchen, fanden ihn endlich seine Freunde ermattet und erschöpft, auf den Feldern bei der Paulskirche. – Als es hierauf zu einer, allerdings sehr nothwendigen Berathung kam, sagte der Papst: »laßt uns dies Sodom, dies Ägypten, dies neue Babylon, diese Stadt des Blutes fliehen und, bis auf bessere Zeiten, einen anderen Wohnort aufsuchen! Wahrlich (vor Gott und der Kirche sage ich es) lieber noch wäre mir ein römischer Kaiser als so viele; denn der eine schlechte würde die schlechteren stürzen, bis endlich der Kaiser aller, auch über ihn Gerechtigkeit ergehen ließe.«

Diesen, allgemein gebilligten Ansichten des Papstes gemäß, begaben sich die Verfolgten zu SchiffeAuf genuesische Schiffe. Stella 973. und 306 {1118} erreichten über Pisa und Genua, im Spätherbste des Jahres 1118, die Insel Maguelonne bei Montpellier und litten hier nicht geringen Mangel, bis König Ludwig VI und die französische Geistlichkeit den Papst einluden, das Reich durch seine Gegenwart zu beglückenMalespini 72.  Suger vita Ludov. VI, 309.  Vitae Pontif. 397.  Pagi zu 1118, c. 13.  Corner 661.  Dodechin.. Gelasius ging hierauf nach Clugny, wollte eine Kirchenversammlung in Rheims halten, Ludwig über die geistlichen Angelegenheiten in Vezelai sprechen, den Kaiser wiederholt bannen, mit den deutschen Unzufriedenen Verbindungen anknüpfen: – aber alle diese Plane unterbrach der TodFulcher Carn. 428.  Gobelin. 58.  Robert de Monte.  Falco Benev.  Gelasius starb an der Pleuresie. Donio d'Attichy I, 122., Gelasius starb am 29sten Januar 1119. – Den gegenwärtigen Kardinälen gab er den Rath: sie sollten durch Zögerung und Uneinigkeit bei der Wahl, den Feinden der Kirche den Sieg nicht in die Hände spielen, sondern einen wohlgesinnten, festen, mächtigen Mann zum Papst erheben; ein solcher sey der Erzbischof Guido von Vienne.

Dieser hatte sich, wie wir sahen, schon bei der früheren Bannung des Kaisers durch Eifer ausgezeichnetDandolo 268.  Orderic. Vital. 456.  Miraei op. dipl. I, 171.  Morign. chr. 367.  Lünig Reichsarchiv Spic. eccl. von Mainz Urk. 23. Bouquet XII, 270., und gehörte allerdings zu einem der edelsten und mächtigsten Geschlechter. Wilhelm II, sein Vater, war nämlich Graf von Burgund oder Franchecomté; seine Schwestern hatten den Markgrafen von Montferrat, den Grafen von Flandern und den Grafen von Savoyen geheirathet; die Tochter der Gräfinn von Savoyen war itzt Königinn von Frankreich, und sogar des Kaisers Ältermutter stammte aus burgundischem Geblüte. So mächtige Verwandtschaft, eigene Tüchtigkeit und die Empfehlung von Gelasius bewirkten, daß die gegenwärtigen Kardinäle schon am ersten Februar Guido zum Papste erhoben; welcher Wahl auch die, in Rom 307 {1119} zurückgebliebenen Kardinäle klüglich beitraten. Nach einer, herkömmlich bescheidenen Weigerung, nahm Guido die neue Würde und den Namen Kalixtus II anNach einigen, wollte man Kuno von Präneste zum Papst erwählen, er wies aber den Antrag zurück. Ried cod. dipl. I, 244.  Donio d'Attichy I, 125.  Martene coll. ampl. I, 644-646.  Cleß Gesch. v. Wirtenb. II, 117., begab sich, vom Könige von Frankreich unterstützt, hierauf zuerst nach Toulouse, dann nach Rheims, um auf einer großen Kirchenversammlung, seinen Wünschen gemäß, den Streit mit dem Kaiser entscheiden zu lassen.

Seit dessen Zuge nach Italien hatten die Herzoge Friedrich von Schwaben, Konrad von Franken und der Pfalzgraf Gottfried zwar mit der höchsten Anstrengung für Ruhe, Friede und Ordnung gewirkt, aber ihren Zweck kaum im südwestlichen Deutschland erreicht, während in anderen Theilen ihre Ermahnungen ohne Wirkung blieben und ihre Macht unzulänglich erschien. Nicht bloß unter Fürsten und Bischöfen war Krieg und Zwiespalt, sondern an die, leider schon mit großer Erbitterung gefochtenen Hauptfehden, reihten sich Plünderungszüge von Edelleuten, Raub und Mord zusammengetretener Frevler, und Neigung zu Ungebundenheit und Ungehorsam im ganzen VolkeAnnal. Saxo.  Ursp. chron. zu 1116. Chron. S. Petrin. Erfurt. zu 1118.  Colon. Chron. S. Pantal. 928.  Anselm. Gembl.  Hildesh. annal.. »Überall (so wird geklagt), zeigt sich Noth, Mangel und Verheerung; die Kirchen stehen leer, die Geistlichen entfliehen, und selbst den Mönchen des so reichen Stiftes Fulda fehlt in dieser Zeit fast der tägliche Unterhalt.«

Niemand wirkte mit größerer Thätigkeit und Leidenschaft wider den Kaiser als Erzbischof Adalbert; weshalb jener dem Kapitel, der Geistlichkeit und der Bürgerschaft von Mainz schriebLitterae Princip. ap. Hahn 7.  Lünig Reichsarch.  Spic. eccl. von Mainz, Urk. 24.: »auf eure Verwendung nahm ich 308 {1119} Adalbert zu Gnaden an, er schwur Treue und stellte Geißeln. Wortbrüchig aber suchte er mir durch Schreiben und Abgesandte in allen Theilen des Reiches Widersacher zu erwecken, zog feindlich gegen Speier, erstürmte das Schloß Stromberg, verbrannte Oppenheim, weihte widerrechtlich den Bischof von Verdun, erfüllte das Land mit Raub und Mord und zerstörte alles, einem Waldeber gleich; so daß, wenn niemand redete, doch die Steine davon sprechen und klagen müßten. Gedenket eurer Geißeln, gedenket eures Schwures: daß der Erzbischof für solche Thaten aus Mainz vertrieben werden sollte, und seyd meinen Statthaltern und Vertheidigern treu.«

Diese Aufforderungen blieben aber um so vergeblicher, da auch Kuno von Präneste um diese Zeit wieder nach Deutschland kam und, ohne Rücksicht auf außenbleibende und widersprechende Bischöfe, den Kaiser und seine Neffen in Köln und Fritzlar bannte, ja die Sachen bis auf die höchste Spitze, bis zu dem Beschlusse hinauftreiben half: der Kaiser solle auf einem Reichstage in Würzburg erscheinen und sich rechtfertigen, oder die Absetzung zu gewärtigen haben. Die böswilligsten Gegner Heinrichs hofften: er werde sich nicht einfinden können, oder sich nicht einfinden wollen und dadurch ihren weiteren Maaßregeln den Schein der Gerechtigkeit geben; allein kaum hatte jener von dieser neuen Gefahr Nachricht bekommen, als er seiner Gemahlinn Mathilde die einstweilige Oberleitung der italienischen Angelegenheiten übertrug, unerwartet in Deutschland erschien und, seinem strengen Sinne gemäß, die Gegner nicht mit Güte und Milde zu gewinnen, sondern durch Krieg den verweigerten Gehorsam zu erzwingen suchte. Indeß führte dieser Weg, aller Anstrengung ungeachtet, statt zum Ziele, nur zu immer größerer Verwüstung des Vaterlandes; so daß endlich der Kaiser, von vielen Fürsten aufgefordert und bedrängt, um Johannis 1119 einen Reichstag in Tribur hielt und versprach: er wolle den hier gefaßten Beschlüssen nachleben. Diese lauteten dahin: »es soll nicht bloß der 309 {1119} vernachläßigte Gottesfriede, sondern ein allgemeiner Landfriede gehalten, und jeder in den Besitz des ihm geraubten Eigenthums gesetzt werden. Der Kaiser nimmt einstweilen alles Krongut an sich, und behält die Kroneinnahmen der alten KönigeCunctaque regum antiquorum fiscalia suam in ditionem recepit.  Annal. Saxo.  Hildesh. ann..« – Bald aber erkannte man in Hinsicht auf die erste Hälfte dieses Beschlusses, wie schwer es sey aus dem Zustande gewaltsamer Selbsthülfe, in den, einer friedlichen Rechtspflege überzugehen: und die zweite Hälfte über Kronrechte und Einnahmen (welche kaiserlichen Anmaaßungen entgegentreten sollte), lautete in ihrer geschichtlichen Beziehung so unbestimmt, daß sie jede Deutung und, bei hinzukommender Macht, jeden Mißbrauch erlaubte.

Auf dem Reichstage in Tribur erschienen auch Gesandte der beiden Päpste Kalixtus II und Gregors VIII, und obgleich sich die meisten Fürsten, – eine Kirchentrennung verabscheuend –, zu dem ersten hinwandten, so kam es doch zu keiner tieferen Erörterung der Streitpunkte, und Heinrich versprach nur: auf der nächsten Kirchenversammlung werde er erscheinen und die Einheit zwischen Kirche und Reich herstellen. Um darauf hinzuwirken, schickte Kalixtus den Bischof von Chalons und den Abt von Clugny an den Kaiser und ließ ihm vorstellenHesso in Tengnagelii monum. und in den Conciliensammlungen.: »in Frankreich wäre nie von einer Belehnung der Geistlichen durch den König die Rede, und dennoch müßten jene in Hinsicht des Krieges, der Abgaben, der Zölle u. s. w. alles leisten, was nur irgend dem Staate zukäme. So möge auch Heinrich der förmlichen Belehnung mit Ring und Stab, welche zu so vielen Streitigkeiten geführt habe, entsagen und sich mit jenen weltlichen sehr umfassenden Rechten begnügen.« – Mehr, rief der Kaiser aus, verlange ich ja nicht! – und nun entwarf man schriftliche Bedingungen, welche dem Papste 310 {1119} in Paris überreicht, von ihm genehmigt und durch zwei Kardinäle zurückgebracht wurden. Diese trafen den Kaiser zwischen Metz und Verdun, und redeten auf den 24sten Oktober 1119 eine Zusammenkunft desselben mit dem Papste in Pont a Mousson ab. Allein die, von dem letzten zur weiteren Anordnung vorausgeschickten Geistlichen, nahmen Anstoß an der zahlreichen Begleitung des Kaisers und fürchteten, er möge wohl damit umgehen Kalixtus zu überlisten und zu fangen: Heinrich dagegen hielt sich für beleidigt, als man davon sprach, er solle in bloßen Füßen vor dem Papste erscheinen. Außer diesen Zweifeln über die Form der Zusammenkunft, entstanden andere über den entworfenen Vertrag. Der Kaiser behauptete nämlich: er müsse, vor der Vollziehung desselben, über den Verlust der Belehnung verfassungsmäßig mit den Reichsständen Rücksprache halten; was dem, durch des Kaisers Feinde aufgereizten Papste, vielleicht nur als böswillige Zögerung erschien. Beide Theile mochten ferner manche, zur Seite geschobenen Nebenfragen, jetzt für so wichtig halten, daß sie darüber weder einen bedenklichen Ausdruck, noch ein bedenkliches Schweigen annehmen oder verstatten wollten. Auf jeden Fall entstand dem Papste die Überzeugung: er werde an der Spitze einer großen Kirchenversammlung mit ganz anderem Nachdrucke den Forderungen und Einwendungen des Kaisers entgegentreten können, als bei einer persönlichen Zusammenkunft. Aus all diesen Gründen unterblieb die letzte, wogegen die Kirchenversammlung am 21sten Oktober zu Rheims eröffnet, und auch von Adalbert von Mainz und sieben anderen deutschen Bischöfen besucht ward.

Des Schutzes der Könige von Frankreich und England hielt sich Kalixtus um so gewisser, da beide von ihm eine günstige Entscheidung über ihre Fehden erwarteten. Doch führte dies Bedürfniß und diese Hoffnung keinen von beiden zu ganz unbedingtem Gehorsame: vielmehr ließ Ludwig VI die Geistlichen und Ritter verhaftenSuger vita Ludov. VI, 310., welche ohne 311 {1119} seine Zustimmung Suger zum Abte von S. Denys erhoben hatten; und Heinrich I wies seine Gesandten und Bischöfe ausdrücklich an. sie möchten dem Papste zwar die gebührende Ehre erweisen, aber keine überflüßigen neuen Erfindungen in das Reich zurückbringenSuperfluas adinventiones regno meo inferre nolite.  Orderic. Vital. 858.  Simeon Dunelm. hist. reg. Concil. XIII, 1289..

Darauf war es jedoch ohne Zweifel abgesehen, als Kalixtus der Kirchenversammlung den Entwurf eines Gesetzes zur Bestätigung vorlegte, welches den Laien alle und jede Belehnung mit geistlichen Besitzungen untersagte. Keinem Aufmerksamen konnte die Vieldeutigkeit dieses Ausdruckes entgehen, welcher bald alle Verbindung mit dem Staate aufzuheben, bald den Laien das zu entziehen schien, was sie von der Kirche als Lehen inne hatten. Auch entstand von Geistlichen und Weltlichen lauter Widerspruch, bis die Fassung der Schlüsse geändert und über Belehnung, Pfründenkauf, Ehelosigkeit der Geistlichen u. s. w., nur das früher Gesetzliche nochmals bestätigt wurde. Bei dieser Gelegenheit hielt der Bischof von Barcelona, ein auffallend kleiner Mann, über die päpstliche und königliche Würde eine so zugespitzte, künstelnde Rede, daß viele ihn nicht verstanden: – desto verständlicher war aber freilich der neue, gegen den Kaiser und Gregor VIII ausgesprochene Bann. Die versammelten 427 geistlichen Väter, hörten schweigend des Papstes verfluchenden Spruch und bestätigten ihn dann mit lauter Stimme, während sie ihre brennenden Wachsfackeln niedersenkten und auslöschten.

Daß, in Folge dieses neuen Bannes, manche Geistlichen und Mönche den Kaiser vermieden, ja der Abt Erminold von Prüfeningen ihm die Thüren seines Klosters verschloß, kümmerte jenen auf keine WeiseErmionoldi vita p. 97.  Nec imperator propter hoc ira movebatur.  Petershus. chr. 368.  Er duldete nicht, daß sich die Soldaten an den Mönchen vergriffen. Acta Sanct. 7ten Januar S. 338.; er wollte 312 {1119} niemand in diesen niederen Kreisen durch Strenge zu einem leichten und erwünschten Märtyrerthum verhelfen. Als aber auch der Erzbischof Friedrich von Köln ihm untreu ward und Aufforderungen zum Abfalle bis nach Mailand ergehen ließ; als der Erzbischof Bruno von TrierKalixtus bestätigte an Bruno die erzbischöflichen Rechte über Metz, Toul und Verdun, und befreite ihn von der Gewalt aller Legaten, die nicht a latere waren. Lünig Reichsarch. Spic. eccl. von Trier, Urk. 26.  Latomus 497.  Über die Verbindungen Friedrichs von Köln mit den Lombarden, Martene coll. ampliss. I, 640. für neu ertheilte oder bestätigte Vorrechte zu dem Papste übertrat, und auf Heinrichs allgemeine Ladung so wenige Fürsten und Prälaten in Worms erschienen, daß Reichstag und Hofhaltung nichts weniger als kaiserlich aussahen: da entstand dem Kaiser natürlich der Gedanke, ob er nicht durch eine Aussöhnung mit den Sachsen, den Verhältnissen eine andere und günstigere Wendung geben könne. {1120} Unter Vermittelung des von ihm gewonnenen, so unruhigen als persönlich tüchtigen Grafen von Arensberg, kam jene erwünschte Aussöhnung auf einem Tage in Goslar mit allen sächsischen Fürsten zu StandeUrsperg. chr.  Annal. Saxo.  Corner 660.  Hildesh. annal.. Sie blieb aber, weil alle Bischöfe und Prälaten derselben aufs heftigste widersprachen, nicht bloß ohne Folgen; sondern es entstanden auch, ungeachtet aller Bemühungen der Sachsen in ihrem Lande festen Frieden zu erhalten, neue Fehden: unter anderen über die von kirchlich Gesinnten, ohne alle Rücksicht auf den Kaiser, eingeleiteten Wahlen. So brachte, um wenigstens ein Beispiel anzuführen, Herzog Lothar den, von der Bürgerschaft vertriebenen Bischof Theodorich, mit Gewalt der Waffen wieder nach Münster zurückRobert de Monte zu 1121.  Alberic. zu 1119.  Suger vita Ludov. VI, 290.  Erdmann 210.  Gobelin 58.; bei welcher Gelegenheit aber schon unterwegs mehre Kirchen niedergebrannt wurden, und endlich sogar ein Theil jener Stadt nebst der Hauptkirche in Flammen aufging.

313 {1121} In den nordwestlichen Gegenden Deutschlands konnte 1121 also der Kaiser nicht entscheidend einwirken; dagegen beschloß er Mainz, diesen festesten Sitz und Mittelpunkt der Unzufriedenen in den rheinischen Landschaften, nach vergeblicher Anwendung gelinderer Mittel, durch die Waffen zum Gehorsam zu zwingen. Der Rhein ward gesperrt, jede in der Umgegend liegende Burg allmählich besetzt, und die Reichsmacht behufs der letzten Entscheidung aufgeboten. In dieser großen Gefahr eilte Erzbischof Adalbert nach Sachsen, und bewog durch Vorstellungen der dringendsten und Bitten der beweglichsten Art, die sächsischen Fürsten gen Mainz zu ziehen. Aber nicht weniger zahlreich nahte die kaiserliche Macht vom Elsaß her, und der Ausbruch gefährlicher, unnatürlicher Fehden, erschien unvermeidlich; als die Klügeren und Besonnenen durch Ermahnungen, Bitten und Drohungen nochmals über die Leidenschaften obsiegten, alle, bei erneuten Verhandlungen, zur Mäßigung und insbesondere den Kaiser zu dem Versprechen brachten: er wolle die öffentlichen Angelegenheiten nicht bloß nach Willkür, sondern nach dem Rath und Urtheil der Fürsten behandeln. Man trennte sich in Frieden und zwölf, von jeder Partei ernannte Schiedsrichter sollten, – so lautete der beschworene Vergleich –, nach drei Monaten, auf einem allgemeinen Reichstage in Würzburg über alles Streitige entscheidend sprechen. Zu Michaelis 1121 erschien Kaiser Heinrich V hier mit außerordentlich großer Begleitung, und in nicht geringerer Zahl lagerten die Sachsen und Adalbert von Mainz am Flusse Werne, etwa eine Tagereise von den Kaiserlichen entfernt. Nachdem sich alle gegenseitig Sicherheit versprochen hatten, zogen sie näher zur Stadt, mußten aber, weil Würzburg solche Menschenzahl nicht fassen konnte, zum Theil vor den Thoren bleiben. Jetzt begannen die Verhandlungen und obgleich manche, in übertriebener Rachsucht und Kriegslust, die Sachen aufs äußerste und zu einem neuen Bruche treiben wollten; so siegten doch die friedlich Gesinnten, weil der Kaiser seinem Versprechen treu blieb und, 314 {1121} ohne persönliche Einmischung, seine Ansichten und Rechte nur durch seine Freunde vertreten ließ. Man setzte endlich fest: »dem Reiche wird alles Weltliche, den Kirchen alles Kirchliche, den Beraubten aller Raub, den Erben alle Erbschaften, kurz jedem sein Eigenthum zugesichert und zurückgegeben. Friedensbrecher, Diebe, Räuber und Unruhstifter trifft die Todesstrafe. Vertriebene Bischöfe und Geistliche erhalten ihre Sitze wieder, und für den FallAnnal. Saxo.  Hildesh. ann.  Martene coll. ampl. I, 673., daß der Kaiser von neuem seinen Haß auf einen wirft, oder ihn verfolgt, werden die Fürsten (wenn in Liebe und Ehrfurcht ausgesprochene Erinnerungen fruchtlos bleiben sollten) unwandelbar dem beschworenen Bunde gemäß verfahren. Sie wollen aber auch ohne Hinterlist und Verstellung dafür wirken, daß des Reiches Ehre in kirchlichen Dingen unverkürzt erhalten werde.«

Hiemit war von dem Kaiser, den Fürsten und Prälaten fast alles, zur Herstellung der Ordnung Nöthige und Diensame ausgesprochen, und auch die Abwesenden willigten später ein; über die Wurzel und Quelle all dieser Übel, über Bann und Belehnung mit Ring und Stab, konnte aber ohne den Papst nicht entschieden werden. An ihn wurden deshalb der Bischof Bruno von Speier und der Abt Ertolf von Fulda abgeschickt, damit er eine Kirchenversammlung berufen und auch seinerseits für einen allgemeinen Frieden wirken möge.

Zu dieser Nachgiebigkeit fand sich der Kaiser nicht bloß durch die Verhältnisse Deutschlands, sondern auch durch die Lage der Dinge in Italien bewogen. Kalixtus war nämlich, sobald er den Frieden zwischen den Königen von Frankreich und England in Gisors vermittelt hatte, {1220} nach Rom gezogenAlberic. 234.  Orderic. Vital. 870.  Sicardi chron. 591.  Anselm. Gembl.  Cassin mon. 60.  Einzug in Rom den dritten Junius 1120. Udalschalci narrat. 18. und hier, so wie auf dem ganzen Wege, mit 315 {1120} Ehrfurcht und Feierlichkeiten aufgenommen worden. Burdinus, sein Gegner, mußte nach Sutri entweichen und übte von hier manche Feindseligkeit aus, bis er von Römern und Normannen belagert, {1121} und durch den Kardinal Johann von Crema gefangen wurde. Kaum konnte ihn Kalixtus vor den äußersten Mißhandlungen der Römer retten; doch duldete, billigte oder befahl er, daß des Kaisers Papst in rohe Ziegenfelle eingehülltSuger vita Ludov. VI. 310.  Guil. Nong. chron.  Wilh. Tyr. 820.  Vitae Pontif. 420.  Concil. XII, 1331.  Am 23sten Mai 1221. Falco Benev.  Cardella I, 77.  Bouquet XII, 211., rückwärts auf ein Kameel gesetzt und durch die Stadt geführt wurde. Man schor ihn zum Mönch, sperrte ihn erst im Kloster Cava bei Salerno ein, wies ihm dann, aus unbekannten Gründen einen zweiten, einen dritten Aufenthaltsort an, und verewigte seine Erniedrigung durch ein Gemälde, welches ihn vor Kalixtus kniend darstellte. Und in der That hatte dieser nicht bloß über den einzelnen Gegner, sondern über die Ansprüche der Kaiser auf die Wahlen der Päpste obgesiegt.

Als die deutschen Gesandten gegen Ende des Jahres 1121 in Rom anlangten, fanden sie den Papst sehr bereit einige Kardinäle, unter ihnen Gregor Papareschi und Lambert von OstiaCardella I, 66., an den Kaiser zu senden, und ihm nochmals zu schreiben. »Laß den Zwist (so lautete der wesentliche Inhalt seines Briefes) unter uns Verwandten nicht zur Freude der Schlechten und der Schmeichler länger fortdauern und hüte dich, daß du nicht dieser Leute Knecht werdest, während du doch alle beherrschen solltest. Ich trachte nicht nach dem, was des Kaisers ist, du aber solltest dich auch dessen freiwillig entäußern, was dir nicht gebührt. Zu Verbündeten hast du freilich viele Soldaten und die Kirche erscheint dagegen ohnmächtig; dennoch stehen, der Wahrheit nach, die Mächtigeren auf ihrer Seite: die Apostel und Gott selbstSchreiben vom 19ten Februar 1122. Neugart cod. Alem. II, 841.

316 {1122} Nach Beseitigung neuer Streitigkeiten über eine zwistige Bischofswahl in Würzburg, wobei sich Adalbert von Mainz keineswegs uneigennützig bewiesUmständlich erzählt in Schultes Gesch. von Henneberg I, 40. Adalbert versprach dem einen Bewerber für Geld seinen Beistand., nach manchen anderen mißgedeuteten, aber unvorsätzlichen Zögerungen, kam es endlich im September 1122 zu einem großen Reichstage in Worms. Alle Theile arbeiteten hier, der verwüstenden Fehden und der langen Unordnungen müde, mit aufrichtigem Eifer an der Herstellung des Friedens, und der Kaiser ließ sich, durch schwere Erfahrungen belehrt und im Angedenken an das Schicksal seines Vaters, nachgiebiger finden als man erwartete. Es kam zu einem schriftlichen, von beiden Theilen feierlich bekräftigten Vergleiche, folgendes InhaltsChronogr. Saxo.  Annal. Saxo.  Hildesh. ann.  Alberic. 240.  Robert. de Monte.  Simen Dunelm. hist. reg. Angliae.  Halberst. chr. 133.  Leibnitz. cod. dipl. Urk 2.  Concil. XII, 1338.  Bullar. roman. I, 32.:

»Ich Heinrich, von Gottes Gnaden römischer Kaiser, überlasse aus Liebe zu Gott, zu der heiligen römischen Kirche und zu dem Herren Papste Kalixtus, auch zum Lösegeld für meine Seele, an Gott und an seine heiligen Apostel Petrus und Paulus, desgleichen an die heilige römische Kirche, alle Investitur durch Ring und Stab, gebe auch zu, daß in allen Kirchen die Weihe und Wahl frei angestellt werde. Die Besitzungen und Regalien des heiligen Petrus, welche von Anfang dieser Uneinigkeit an, bis auf den heutigen Tag zu meines Vaters und meiner Zeit weggenommen worden sind, und welche ich noch habe, will ich der römischen Kirche zurückgeben; welche ich aber nicht habe, deren Zurückgabe will ich treulich befördern. Auch die Besitzungen aller anderen Kirchen will ich, nach dem Rathe der Fürsten, Geistlichen und Laien, den Rechten gemäß zurückgeben, und wenn ich sie nicht habe, für ihre Rückgabe aufrichtig wirken. Dem 317 {1122} Papste Kalixtus, allen denen, die zu seiner Partei gehören oder gehörten, und der ganzen römischen Kirche gebe ich einen wahren Frieden, und will auch dieser Kirche getreu beistehen, wenn sie meine Hülfe fordert.«

»Ich Kalixtus, der Knecht der Knechte Gottes, an Heinrich, von Gottes Gnaden römischen Kaiser. Ich verstatte, daß die Wahlen der Bischöfe und Äbte des deutschen Reiches, in deiner Gegenwart ohne alle Simonie und Gewaltthätigkeit vollzogen werden, und daß du, wenn unter den Parteien einige Uneinigkeiten entstehen sollten, nach dem Rathe und Urtheile des Erzbischofs und der übrigen Bischöfe der Landschaft, dem verständigeren Theile Beifall und Beistand geben mögest. Der Neugewählte erhält die Regalien von dir durch den Zepter (diejenigen ausgenommen, welche offenbar der römischen Kirche gehören), und leistet von denselben, was er nach den Rechten zu leisten schuldig ist. Aus anderen Theilen des Reiches aberDas heißt wohl, aus den nicht eigentlich deutschen Ländern., soll der Geweihte die Regalien innerhalb sechs Monaten durch den Zepter empfangen. Worüber du bei mir klagen wirst, darüber will ich dir, der Pflicht meines Amtes gemäß, Beistand leisten. Ich gebe dir und allen, welche seit dem Anfange dieser Streitigkeiten zu deiner Partei gehören oder gehörten, einen wahren Frieden.« So geschehen, Worms den 23sten September 1122.

Sobald dieser Vertrag den, in unglaublich großer Zahl Versammelten, auf einem freien Felde vorgelesen und der Kaiser feierlichst in den Schooß der Kirche wieder aufgenommen war, entstand die größte und allgemeinste Freude im ganzen Reiche. Gern traten alle, in Worms nicht gegenwärtigen Fürsten und Prälaten, am 11ten November in Bamberg jener Urkunde bei, {1123} und im März des folgenden Jahres erhielt sie auf einer Kirchenversammlung im Lateran die Bekräftigung von mehr als 300 Bischöfen. Kaiserliche, 318 {1123} reich mit Geschenken versehene AbgeordneteDodechin.  Viterb. Panth. 455.  Sicardi chr. 594., gingen an den Papst, und nicht minder freundschaftlich zeigte sich dieser gegen Heinrich.

Daß nach funfzigjähriger Fehde endlich der Friede zwischen Staat und Kirche hergestellt sey, erschien vielen, ohne alle Rücksicht auf den Inhalt desselben, ein überaus und entscheidend großer Gewinn; wogegen kirchlich Gesinnte, welche seinen Inhalt näher prüften, freudig erwiesen, daß der große Streit ganz zum Vortheile der geistlichen Macht entschieden sey; und ihnen beistimmend, klagten ihre Gegner: Heinrich habe aufgegebenUrsp. chron. zu 1122., was er bei seinem Leben nie zu so großer Verminderung der Ehre des Reiches hätte aufgeben sollen. – Ob und inwieweit diese Ansichten richtig sind, dürfte aus folgender Prüfung hervorgehen.

Die Verzichtleistung auf das Belehnen mit Ring und Stab zeigte allerdings, daß die Bischöfe und Prälaten von der weltlichen Seite nicht ihr geistliches Amt, sondern nur ihre weltliche Ausstattung erhielten und im Papste, außer den Königen und Kaisern, einen besondern Oberen hätten. Weil jedoch diese Ansicht keineswegs neu war, und die Belehnung mit dem Zepter den geistlichen Lehnsträgern nicht mindere Lehnspflichten auflegte als den weltlichen: so kann man in der Entsagung jener hoch geachteten, aber in sich unwichtigen Förmlichkeit um so weniger einen bedeutenden Verlust sehen, als der Papst die größere Forderung: daß die Geistlichen wegen ihrer Güter in gar keinen Abhängigkeitsverhältnissen zum Staate bleiben sollten, ganz fallen ließ. – Was nun ferner den zweiten Hauptpunkt anbetrifft, so hatten allerdings die Könige und Kaiser geistliche Stellen oft aus eigener Macht besetzt: allein sie hatten, in den letzten Zeiten, die Freiheit der Kirchenwahlen nicht aus Rechtsgründen angegriffen und, bei allem Einflusse, doch nicht ausschließend und mit Zurücksetzung aller andern 319 {1123} Berechtigten entschieden. Jetzt ward nun freilich einerseits sehr klar ausgesprochen: daß jene Macht kein Recht sey und gebe, und daß auf die Wahlen selbst kein Einfluß ausgeübt werden solle; allein andererseits verdoppelte sich der Wahrheit nach Macht und Einfluß, sofern jede Wahl in des Kaisers oder seiner Bevollmächtigten Gegenwart geschehen mußte, und ihm eine sehr große Mitwirkung auf die Entscheidung aller streitigen Ernennungen eingeräumt wurde. Bei diesen Verhältnissen kommt zuletzt die Untersuchung über Gewinn und Verlust des Reiches und der Kirche auf die Beantwortung zweier Fragen hinaus, welche jener Friedensschluß nicht deutlich entscheidet, und über welche auch bald von neuem Streitigkeiten entstanden.

Erstens: sind die Bischöfe und Geistlichen nicht bloß den Lehnspflichten, sondern auch den Unterthanenpflichten unterworfen; oder findet, durch ihr Verhältniß zum römischen Stuhle, zwischen ihnen und den Laien hier eine, und welche Verschiedenheit Statt?

Zweitens: geht die Belehnung mit dem Zepter der Weihe vorher, oder folgt sie derselbenOtto Fris. chron. und Alberic. 242, sagen ausdrücklich, der Vertrag gehe dahin: electi non prius ordinentur, quam regalia de manu imperatoris suscipiunt; und jener fügt hinzu: hoc pro bono pacis sibi soli, et non successoribus datum dicunt Romani.? – Die päpstlich Gesinnten verlangten das letzte, die kaiserlich Gesinnten das erste. Jene meinten: nach der Wahl frage man zuvörderst, ob die kirchlichen Eigenschaften vorhanden seyen, und wenn der Papst dies finde und weihe, so sey das Anrecht auf die Belehnung außer Zweifel. Diese behaupteten dagegen: nur die Form der Belehnung sey verändert, keineswegs aber der Anspruch des Kaisers auf die Belehnung vor der Weihe und auf die Prüfung der Eigenschaften des, von ihm zu Belehnenden, aufgegeben oder vernichtet worden. Wenn nun der Papst den vorher Belehnten weihen mußte, so gerieth die Besetzung der geistlichen Stellen, der Wahrheit nach, 320 {1123} in die Hände des Kaisers; mußte der Kaiser den vorher Geweihten belehnen, so kam die Besetzung in die Hände des Papstes.

Im Ganzen und Allgemeinen machte jedoch der wormser Vertrag für die nächste Zeit den Fehden zwischen Reich und Kirche ein Ende; obgleich der Kaiser einzelne Bischöfe, welche nicht sowohl von jeher feindlich gesinnt, als wankelmüthig von ihm abgefallen waren, auf mancherlei Weise zu strafen wußte, und bei streitigen Doppelwahlen sein Recht der Entscheidung in der Art geltend machte, daß er beide für nichtig erklärte und alsdann selbst den Bischof oder Abt ernannte. Allerdings gelangten Klagen über dies Verfahren bis zu den Ohren des PapstesWürdtwein nova subsid. VII, 51. Arx Gesch. von S. Gallen I, 290.; allein dieser hielt es für gerathener, vor der Hand einzelnes schweigend zu dulden, als durch zu strenge Einreden neue Unruhen für das Ganze herbeizuführen.

Aus diesen Gründen trat das Kirchliche in den Hintergrund, und überdies fehlte es nicht an sonstigen Veranlassungen, des Kaisers Aufmerksamkeit und Thätigkeit in den nächsten Jahren auf das Weltliche zu richten. Noch immer hielten es viele Ritter nicht für schimpflich auf Raub auszugehen, und insbesondere die Güter der Geistlichen und Bauern zu brandschatzen; noch immer bedurfte man einer überlegenen Kriegsmacht, um Rechtsansprüche und Rechtssprüche durchzusetzen. In einem solchen Falle kam es z. B. in Utrecht zu blutigen Gefechten und der, wegen ungebührlicher Theilnahme gefangene BischofUrsp. chron.  Annal. Saxo.  Corner 666., ward nur gegen Zahlung einer großen Geldstrafe, auf Bitte der Kaiserinn befreit.

Eine andere Fehde erhob sich in Meißen, weil der Kaiser das Land, nach dem kinderlosen Tode Heinrichs des jüngeren, als ein eröffnetes Reichslehn, seinem jetzigen 321 {1123} Freunde, dem Grafen Wiprecht von Groitsch übergab; während es Graf Konrad von WettinAuch die Böhmen nahmen an diesen Fehden Theil, welche bis nach dem Tode des Kaisers und Wiprechts fortdauerten.  Bohem. chr. c. 59.  Cosmas 2118.  Bohem chr. Ludwig. 260., ohne Rücksicht auf strengeres Lehnserbrecht, als Seitenverwandter des letzten Besitzers in Anspruch nahm. Nicht bloß Konrad, sondern auch die, dem Kaiser gleich ungehorsame Gräfinn Gertrud von Holland, fand Unterstützung bei ihrem Bruder, dem Herzoge Lothar von Sachsen. Überhaupt war dieser so sehr der Mittelpunkt aller, gegen Heinrich V gerichteten Bewegungen, daß man ihn zur Verantwortung nach Bamberg vorlud und weil er, die Gesetze übertretend, ungehorsam ausblieb, die Reichsmacht gegen ihn aufbot. {1124} Es ist ungewiß, ob der Kaiser sich wirklich nach Sachsen wenden, oder nur schrecken und, unter jenem Vorwande, sich zu einem neuen Kriege gegen Frankreich rüsten wollte. Sein Schwiegervater, König Heinrich I von England, suchte Beistand gegen Ludwig VI, und die Art, wie dieser sich der Päpste angenommen und des Kaisers Bannung in Rheims geduldet hatte, erschien an sich schon als eine genügende Veranlassung zu offener Fehde. Allein die Deutschen zeigten große Abneigung gegen auswärtigen Kriegesdienst, und König Ludwig brachte mit Eifer und Geschicklichkeit eine so überlegene Macht zusammen, daß die Franzosen ohne das vermittelnde Vorwort einiger PrälatenRobert. de Monte.  Suger vita Ludov. VI, 313.  Velly III, 64., vielleicht, und mit doppeltem Erfolge in Deutschland eingefallen wären, weil der Kaiser sich gezwungen sah, von Metz nach Worms zurückzueilen.

Die Bürgerschaft hatte nämlich einen kaiserlichen, vor den Thoren gelegenen Palast in offener Empörung zerstört und, gegen Heinrichs ausdrücklichen Befehl, ihren Bischof zurückgeführt. Bei der sogleich unternommenen Belagerung 322 {1124} der StadtOtton. Fris. chron. VII, 16.  Gobelinus 58., lockte man die Einwohner zu einem Ausfall und übereilter Verfolgung hervor, und nahm sehr viele gefangen. Einige wurden, als Aufrührer gegen den Kaiser ihren Herrn, geblendet, andern die Nasen abgeschnitten, und überhaupt die Stadt zu völliger Unterwerfung und großen Geldzahlungen gezwungen.

Diese, und viele ähnliche Ereignisse überzeugten Heinrich V immer mehr und mehr, daß eine Verstärkung der kaiserlichen Macht so nothwendig als heilsam sey. Von zwei Hauptmitteln um zu diesem Ziele zu gelangen, hatte das eine, nämlich die Vermehrung des Landbesitzes durch Einziehung von eröffneten Reichslehen, zeither so viel Schwierigkeiten und Widersprüche gefunden, daß Heinrich auf das zweite nicht minder wichtige, damals jedoch ungewöhnliche Mittel bedacht ward. Er wollte, so drücken sich die klagenden Schriftsteller aus, das ganze Reich zinsbar machenTotum regnum vectigale facere volens.  Annal. Saxo.  Ursp. chron.  Alberic. 249.  Otton. Fris. chr. VII, 16.; und unfehlbar hätte eine allgemeine Reichssteuer des Königs Gewalt nicht bloß auf einfache Weise gemehrt, sondern auch den öffentlichen Verhältnissen im allgemeinen eine ganz andere, sehr abweichende Richtung gegeben. Allein erst Jahrhunderte später trat das Steuerwesen und die Geldwirthschaft mit vorher ungekannter Bedeutsamkeit hervor, und es bleibt mehr als zweifelhaft, ob Heinrich V jenen Vorsatz, selbst bei längerem Leben hätte durchführen können.

Dieses sein thatenreiches Leben ward aber unerwartet verkürzt, indem sich ein, anfangs unbedeutendes Geschwür plötzlich krebsartig entwickelte und ihn am 23sten Mai 1125 in Utrecht dahinraffteAnselm. Gembl.  Magdeb. chr. 325.  Neuburg. chr.  Chron. montis sereni.  Bosov. annal.  Order. Vital. 373.  Pagi crit. c. 6.  Ruchat V, 283.. Er, der letzte der fränkischen Kaiser, zählte erst vier und vierzig Jahre und hinterließ (was so 323 {1125} viele als eine Folge des väterlichen und päpstlichen Fluches betrachteten), keine Kinder. Seine Gemahlinn Mathilde und seine Neffen, die Herzoge Friedrich und Konrad, erbten, als nächste Verwandte und letztwilligen Verordnungen gemäß, alles eigenthümliche Vermögen des salischen Herrscherstammes; die Reichskleinode sollten dagegen bis zur nächsten Versammlung der Fürsten, in Trifels verwahrt bleiben. Man begrub Heinrich V in Speier neben seinem Vater, Großvater und ÄltervaterFilius hic, pater hic, avus hic, proavus jacet istic. Hic proavi conjux, hic Henrici senioris.  Chron. praesul. Spirens. 2265.  Mutterstatt 175.  Monaster chr. bei Martene.  Hildesh. annal.. Ein, ihm körperlich sehr ähnlicher Mann, gab sich später betrügerisch für ihn aus, ward aber bald entdeckt und starb als Mönch in ClugnyRobert de Monte zu 1138.  Corner 669..

Der Behauptung einiger SchriftstellerTotum regnum vectigale facere volens.  Annal. Saxo.  Ursp. chron.  Alberic. 249.  Otton. Fris. chr. VII, 16.: Heinrich habe sich, nachdem er Kaiser geworden, sehr zum Übelen gewendet, möchten wir kaum beitreten. Er war stets ein Mann von großer Kühnheit und Thätigkeit, von durchdringendem Verstande, im Unglück unverzagt, großmüthig gegen treue Freunde; allein andererseits, war er auch von jeher und ohne spätere Änderung seines Wesens, herrschsüchtig, heftig und für seine Zwecke rücksichtslos gewaltsam, ja grausam. – Die Fürsten, welche ihn als willenloses Mittel gegen seinen Vater zu gebrauchen dachten, fanden sich zu ihrer Strafe nicht minder getäuscht, als der voreilig frohlockende Papst. Die kaiserlichen Rechte mit höchster Strenge gegen Päpste, Prälaten und Fürsten geltend zu machen, war der Plan, nicht seiner letzten Lebensjahre, sondern seines ganzen Lebens; und die unangenehmsten Erfahrungen konnten ihn nicht von dem zurückbringen, was er für das Wesen und den wahren Inhalt seines Berufes hielt. Weil er aber 324 {1125} dies Ziel weit über das richtige mittlere Maaß hinaussteckte, während seine Kraft dahinter zurückblieb, so wirkten die großen Bewegungen, welche von ihm ausgingen, oder ihm zuwider waren, leider mehr zerstörend als befruchtend und erzeugend. 325

 


 


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