Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Pocci

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1. Aufzug.

Höhle, bewohnbar eingerichtet, mit magischen Geräthschaften.

Mobet, vorne in einem Buche studierend. Prinz Herbed schläft auf einer mit einem Tigerfell bedeckten Erhöhung.

Mobed. Ich les' es in den Gestirnen: bald wird die Zeit der Prüfung vorüber sein. Die Sonne nähert sich dem Jupiter, das Sternbild des Schützen verdunkelt. Armer Prinz! von königlicher Pracht warst du als Kind umgeben; darben mußtest du als Jüngling. Statt auf sammtnen Kissen zu ruhen, hast du in dieser kalten Höhle einen harten Stein zum Ruhebett; statt der köstlichsten Kleider umhüllt dich ein Thierfell; nicht herrliche Speisen nähren dich, die Frucht des Dattelbaums und der Trank aus der Quelle müßen dir genügen, kein golden Diadem schmückt deine Stirne! - Edel bist du und stark an Geist und Leib! Wohl denn; es ist an der Zeit, daß ich dich aus deinem Traume wecke. Herbed! Herbed!

Herbed. Die Helle scheint mir ins Antlitz! Es ist wohl spät – lieber Mobed? Ich habe lang geschlummert.

Mobed. Längst ist die Nacht vergangen und die Sonne steht über den Bergen. Sei gegrüßt mein Sohn.

Herbed (aufstehend vom Lager.) Ich träumte diese Nacht so lebhaft, als säh ich die Wirklichkeit. Ein Cherub führte mich in einen goldenen Tempel, nachdem er an dessen Pforte schwarze böse Geister bekämpft und besiegt hatte. Er setzte mich auf einen diamantnen Thron und Völker huldigten mir. Da erwachte ich.

Mobed. So erwache denn vollends!

Herbed. Wie meinst du dieß, theurer Vater?

Mobed. Höre, und schenke mir deine ganze Aufmerksamkeit in dieser heillgen Stunde: Du trittst heute in dein achtzehntes Lebensjahr und ich will dir nicht länger verschweigen, was du einmal doch wissen mußt.

Herbed. Deine Worte überraschen und ergreifen mich. Rede, mein Vater. Ich will dir lauschen, als seien deine Worte die heiligen Chöre der Engel, welche im Osten den Aufgang der Sonne verkünden.

Mobed Eine lange Zeit ist es, daß ich mit dir diese Höhle bewohne und ein Kindlein kaum zwei Jahre alt warst du, als ich dich auf meinen Armen hieher trug. In einer herrlichen Königsstadt bist du geboren nicht von niederer Abkunft, denn – vernimm es – du bist eines Königs Sohn.

Herbed. Ihr Götter! Ich eines Königs Sohn?

Mobed So ist's. Dein Vater beglückte seine Völker und seine Herrschaft war reich an Segen; allein ein Unstern wollte es, daß der böse Magier Moschopulos ihn vom Throne stieß. Der gute König fiel im gerechten Kampfe, seinen Thron zu behaupten. Moschopulos bestieg ihn; ich war deines Vaters Freund und Rathgeber und floh mit dir auf diese Insel, um dich vor dem Untergange zu retten.

Herbed. Du also nicht mein Vater? und doch! du wardst nur's ja. Sieh mich hier dankend zu deinen Fü- ßen. (Er umklammert seine Kniee.)

Mobed. Erhebe dich und laß dich an mein Herz drücken. Bald – nach schweren Kämpfen vielleicht – wird die Sonne deinen königlichen Scheitel bestrahlen und dann bin ich dein Knecht!

Herbed. O niemals, niemals! und wenn ich König der Könige würde – immer werde ich dich als meinen weisen Lehrer achten. Alles danke ich dir! nicht nur mein Leben, sondern auch die Lehren der Weisheit, die du mir gabst, und in deiner Nähe bin ich glücklich und zufrieden.

Mobed. So bleibe den Lehren, dir ich dir gab, treu. Höre nie die Stimme der Verführung, in was immer für einer Gestalt sie sich dir auch nahen möge. Die Sterne haben es mir verkündigt, daß die Zeit deiner Dunkelheit bald abgelaufen sei. Um jedoch volle Gewißheit zu erlangen, ob die Hülle jetzt gänzlich fallen soll, muß ich dich auf kurze Zeit verlassen. Ich muß mich in die Königsstadt Allahbad begeben, aus der wir vertrieben wurden; finde ich dort, was mir zu deiner Erhebung als König noch nothwendig ist, so kehre ich zurück. Zunächst ist dein Planet noch von düstren Schatten umhüllt, allein mit der Götter Hülfe werden sie fallen und ich werde sie durch meine Magie bewältigen.

Herbed. Weh mir, daß du mich, wenn auch nur auf kurze Zeit, verlassen willst!

Mobed. Sei klug und standhaft Lebe wohl!

Herbed. Lebe wohl, theurer Mobed! o komme bald wieder!

Mobed. Die Götter sei'n mit dir! geleite mich noch an den Strand des Meeres, wo ein Schiff meiner harrt, von Fahrleuten bemannt, welchen du und dein Schicksal unbekannt sind. Dann kehre in diese Höhle zurück und verlaße sie und ihre nächste Umgebung nicht eher, bis ich wieder bei dir bin.

(Beide ab.)

(Moschopulos erscheint unter Flammen aus der Tiefe.)

Moschopulos. Die Gestirne lügen, weiser Magier! Noch ist der Schütze da, dessen Sternbild du verdunkelt wähnst! Fluch dir und dem Prinzen! Fluch deiner Weisheit! die Gewalt des Bösen soll auf Erden herrschen. Darum habe ich gesiegt und nimmer sollen Weisheit und Tugend triumphiren. Der Versucher naht und Herbed muß erliegen. Auf! ihr höllischen Mächte, helft mir, wie bisher. Ihr bösen Geister, die ich durch meine schwarze Magie gebannt habe, umnebelt Herbed's Sinne.

(Es donnert und häßliche Gestalten und Erscheinungen zeigen sich, die aber bald wieder verschwinden)

(Moschopulos verschwindet.)

Herbed (kömmt zurück) Er ist zu Schiff! – So hat also das himmlische Traumbild nicht gelogen. Eine wunderbare Zukunft liegt vor mir. Wie von der Spitze eines Berges schaue ich hinab und im goldnen Sonnenschimmer glänzend liegt ein reiches, üppiges Thal zu meinen Füßen – mein Eigen: Ihr Götter schützt mich! schützt den weisen Mobed!

(Moschopulos in Gestalt eines alten Anachoreten erscheint am Eingang der Höhle.)

Moschopulos. Unglücklicher Jüngling! Du betest für Deinen Feind!

Herbed. Wer ist hier?

Moschopulos. Ich bin es – ein armer alter Mann.

(Er tritt näher)

Herbed. Noch keine menschliche Seele fand den Weg in diesen öden Pallast; wie kamst Du hieher?

Moschopulos. Wenige Meilen von hier, in tiefster Einsamkeit, mein Sohn, lebe ich als Anachoret der Wüste seit mehr denn einem halben Jahrhundert. Ich habe Dich oft belauscht, wie Du als Knabe am Ufer des Meeres mit Muscheln spieltest; oft habe ich Dir vom fernen Felsen aus zugeschaut, wie Du als Jüngling mit sicherem Speerwurfe den Tiger erlegt hast. Ich liebte Dich; denn Dein Wesen gefiel mir. Dein Schicksal erregte meine Theilnahme und so wartete ich den Augenblick der Entfernung Mobed's ab, um Dir meine Liebe nicht nur aus der Ferne zu bezeigen.

Herbed. Und warum wolltest Du aber Mobed's Abwesenheit benützen, um es zu thun? Hast Du nicht gleiche Gesinnung mit ihm, da Du mir von Deiner Zuneigung sprichst?

Moschopulos. Ich? gleiche Gesinnung mit einem Verräther?

Herbed. Frevle nicht! Tritt nicht feindlich in den Zauberkreis, den Liebe und Dankbarkeit um mich gezogen haben.

Moschopulos. Du kennst Mobed nur durch ihn selbst, nicht durch fremdes Urtheil. Ein täuschend Bild hat er Dir von sich selbst gemalt. Ich kann und will es Dir beweisen.

Herbed. Vergeblicher Versuch wird es sein, eine Schrift, die mit goldenen Buchstaben in mein Herz gezeichnet ist, zu verwischen.

Moschopulos. So höre mich an – dann wirst Du glauben und anderen Sinnes werden.

Herbed. Niemals, niemals!

Moschopulos. Unter den Verräthern, die mit dem bösen Magier Moschopulos Deinen edlen Vater vom Throne verjagten, war auch Mobed. Er befreite Dich, nicht um Dich zu retten, sondern um Dich der Treue eines Dieners zu entreißen, der Dich in Sicherheit bringen wollte. Schon hatte er selbst den Dolch auf Dich armes Kind gezückt, als er in den Zügen des magischen Ringes, der an Deinem Hälslein hing und dessen er sich bemächtigen wollte, las, es erlösche seine Wunderkraft mit Deinem Tode.

Herbed. Es kann nicht also sein! Du lügst! Wozu all diese Liebe, an mir verschwendet?

Moschopulos. Sieh, hier unter dem Felsen ruht ein Kästchen, in welchem der Ring verborgen ist. Hat Mobed Dir jemals von ihm Kunde gegeben?

Herbed. Nein, niemals.

Moschopulos. Ich will Dir das Geheimniß zeigen.

(hebt einen Stein auf und nimmt aus der Versenkuug ein Kästchen, aus welchem er einen Ring zieht.)

Dieß ist der Ring der Weisheit und Macht, den eine mächtige Fee als Geschenk in Deine Wiege gelegt hatte. Mobed hätte ihn längst benützt, allein erst mit dem l8. Jahre Deines Lebens tritt seine Kraft in Wirksamkeit. So hatte es die Fee bestimmt, damit er nicht von dem unmännlichen Jünglinge etwa mißbraucht würde.

Herbed. Und Mobed?

Moschopulos. Mobed eilt jetzt nach Allahbad, um ein sicheres Gefängniß für Dich zu ermitteln, wo Du, Bethörter, eingekerkert würdest, damit eben dieß Dein Leben, an welches die Kraft des Ringes gebunden ist, erhalten werde.

Herbed. Schändlich, wenn es so ist! – Aber ich stehe zwischen zwei mächtigen Gewalten, deren jede mich an sich reißen will. Mobed's theure Gestalt die sich mir bisher in der herrlichsten Verklärung gezeigt und Du, der Du in kluger Rede mir den Spiegel der Wirklichkeit zeigen willst und Gewicht an Gewicht auf die Schale legtest, die meine Liebe zu Mobed in schwarze Vergessenheit versenken soll – Wo finde ich die Wahrheit?

Moschopulos. Wohl nur in der Übereinstimmung der Dir dargelegten Umstände. Warum hat Mobed Dir gerade heute nicht Alles geoffenbart? Warum erwähnte er nicht des Ringes, wenn er ihn Dir auch nicht zu geben veranlaßt sein mochte? Sind dieß nicht hinlängliche Beweise?

Herbed. Aber, sage, woher ist Dir Alles bekannt! Könntest nicht Du selbst ein Betrüger sein, der sich Geheimnisse erschlichen zu irgend Deinem Zwecke?

Moschopulos. So nimm den Ring hier, und prüfe die Wahrheit. Sowie er an Deinem Finger ist, bist Du der Weiseste auf Erden.

Herbed. Es sei! aber weh Dir, wenn Du mich getäuscht hast! Wehe Mobed, wenn er mich betrogen!

(Er nimmt den Ring und steckt ihn an seinen Finger)

Donnerschlag. Moschopulos sinkt vor ihm auf die Knie. Ringsum erscheinen Dämonen in Gestalt von Sclaven und Sclavinnen. Genien umtanzen Herbed, Guirlanden schwingend, führen ihn auf einen goldenen Thron, der sich aus der Erde erhoben hat, und krönen ihn mit einem strahlenden Diademe.

Chor.

Heil Dir, Herbed, Heil Dir Meister,
Dem Beherrscher mächt'ger Geister,
Der als eines Königs Sohn
Herrlich pranget auf dem Thron.

Deine Feinde sind erlegen,
Die Dich stürzten so verwegen,
Da des Rings geheime Macht
Dich erhob zur alten Pracht

Hier sind wir bereit erschienen
Dir als Sclaven nun zu dienen,
Deinem Winke, Deinem Wort;
Sei uns König, sei uns Hort!

Herbed (stolz und hochmüthig). Ja, es ist die Wahrheit! Ich sah's diese Nacht im Traume! Wer Du immer seist, frommer Einsiedler, Dir danke ich's, daß ich der Lüge nicht erlegen bin. Ja! ich bin ein König! Ich fühle es: Weisheit ist mein Erbtheil und zieret den Thron, den ich von meinem königlichen Vater geerbt, obgleich böse Mächte mir ihn so lange vorenthalten. Wehe aber dem Elenden, der mich in trügerischem Schlummer befangen hielt! Ihn zuerst treffe meine Rache als gereckte Strafe seines Frevels. Auf! auf! nach Allahbad in meine Königsstadt folgt mir zu meinem feierlichen Einzuge. (zu Moschopulos) Und Du, sei fortan mein Freund, mein Rathgeber, bleibe mir zur Seite.

(steigt vom Throne herab)

Mobed erscheint, von einem weißen Adler durch die Luft getragen.

Mobed. Halt ein, Bethörter! Verschwindet ihr Gestalten der Lüge und des Trugs!

Ein Blitz fährt herab. Der Thron versinkt, Alle verschwinden, Herbed ausgenommen.)

Herbed. Wie? Du wagst es, mich abermals von meinem Throne zu stürzen? Ist des Verbrechens noch nicht genug, was du an mir und meinem Vater begangen hast?

Mobed. Armer, getäuschter Herbed! Ich beklage dich. Der Ring, dessen Wundermacht du segnest, ist dein Fluch! Sein geheimer Zauber bringt dem, der ihn am Finger trägt, das Unheil der Verblendung und des Hochmuths, nicht das Glück der Weisheit. Aus dem Gehirne der schwarzen Schlange Kaliga sprang er, als der Befreier Krisna ihr den Kopf zertrat. Den Stolz hast du durch diesen Zauber gewonnen, der den ersten Menschen gestürzt hat, und nicht eher wirst du von deinem Wahne geheilt, bis du diesen Zauberring und mit ihm den Hochmuth freiwillig von dir wirfst.

Herbed. Immer zu! Lüge auf Lüge! – In den Staub wirf dich, Elender, vor deinem Herrn und Gebieter! oder flieh mich, ehe mein gerechter Zorn dich straft!

Mobed. Ueber mich hast du keine Gewalt, denn mein Zauberstab ist in den heiligen Gewässern der Lotosblume geweiht. Weiß und rein ist die Quelle meiner Magie! O theurer Herbed! wie liebe ich dich! Entsage der trügerischen Macht des Ringes, den ich dir seiner Gefahr wegen verborgen hielt. Komm an mein vätnliches Herz! Jetzt ist noch Rettung möglich.

Herbed. Spare deine heuchlerischen Worte und überlasse mir jetzt den Schatz der Weisheit. Wie kannst du glauben, daß ich einer Gewalt entsage, die mich zum Weisesten der Menschen gemacht hat? Sollte ich so verblendet sein?

Mobed. Ja, du bist verblendet, Unglücklicher! Du eilst in dein Verderben! – Entsage, ich beschwöre dich! wo nicht, so magst du den herben Schmerzensweg gehen, um endlich zur Erkenntniß zu gelangen, daß du ein Thor warst.

Herbed. Immerhin! deiner Lehren bedarf ich nicht, Verräther.

Mobed. So sei es, weil du es selbst willst. Möge der Tag kommen, an welchem du den Ring selber von dir wirfst! (den Zauberstab erhebend.)

Versinke denn im Hochmuthswahn,
Zu wandeln eine Schmerzensbahn,
Bis aus der Nacht, der du ergeben,
Du endlich mögest dich erheben.

Herbet. Weh! mir schwinden die Sinne!

(Er sinkt zusammen.)

Der Vorhang fällt.


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