Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Pocci

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Verwandlung.

Martins Stube.

Mit schlechtem Geräth. Ein Kamin zum Kochen. Margreth ist eben beschäftigt Kartoffeln zu schälen.

Margreth Und alleweil und alleweil Erdäpfel – einen Tag wie den andern! d. h. einen Tag Erdäpfel und den anderen Kartoffeln – das ist die ganze Abwechslung. Ich weiß gar nimmer, was eine Fleischspeis für einen Geruch hat. Jetzt ist's gerade ein Vierteljahr her, daß uns der Jäger Krumplmaier ein Eichkätzl geschenkt hat! Ach! das war aber ein delikates Essen! So zart und so weich! Und besonders das Schweifel war so gut in der weißen Buttersauce. Mein Mann hat zwar gesagt, es hätt ihm etwas im Magen gekratzt – aber geschmeckt hat's ihm doch. O du liebe Noth und Kummerniß! es ist nur gut, daß wir keine Kinder haben, da wüßt' ich mir ja gar nicht zu helfen! (Martin draußen: Juhe, Juhe!)

Oho! was hat denn der Martin, daß er heut schon so früh heim kommt und gar so lustig? Vielleicht hat er seinen Wochenlohn vorausgekriegt. 's ist aber erst Mittwoch, das war' etwas Neues. (Martin tritt eiligst ein, stolpert über die Thürschwelle und fällt hin.)

Margreth. O du Talk! wer wird denn zur Thür hereinfallen?

Martin (aufstehend). Wenn das Glück in's Haus kömmt, fallt's oft zur Thür herein. Da haben wir gleich einen Beweis.

Margreth. Du wirst ja das Glück in's Haus bringen! Das war wohl 's erstemal.

Martin (wichtig). Halts Maul und setz dich in Positur – als wenn du vor einem gnädigen Herrn stündest.

Margreth. Was fallt dir heut wieder ein? Uns Hungerleidern thut's Noth, daß wir noch Spässe machen. Was machst du heut schon so früh zu Haus? Sind die Erdäpfel noch nicht einmal gesotten.

Martin. Was Erdäpfel! jetzt geht's aus einem andern Ton. Mit dem Psalm Miserere haben wir von nun an nichts mehr zu schaffen! Sieh her! (hebt den Ring in die Höhe.)

Margreth. Ei, das Glück! hast ein goldenes Ringl gefunden?

Martin. Und was für ein Ringl! Einen Wunderring! Einen Zauberring! Einen Wunschring!

Margreth. Wenn du Geld hättest – möcht' ich glauben, du seist wo eingekehrt und wärst betrunken.

Martin. Ja! trunken vom Glück, das mir passirt ist!

Margreth. Ei was!

Martin. Ei was, ei was! – laß dir sagen – (es klopft an die Thüre.) Still, still! da kommt Jemand. Geh' einstweilen in die Holzkammer hinaus, ich komme gleich nach, um dir das wichtige Geheimniß zu sagen, welches uns zu glücklichen Menschen macht. Geh, geh! (schiebt Margreth hinaus.) So – den Besuch werd' ich gleich abfertigen; denn ich kann's nicht erwarten, meiner Margreth Alles zu sagen. Wer ist draußen? herein!

Casperl. Martin. Casperl. Bon jour, bon jour, Herr Nachbar! nix Neus, nix Neus? Ich will gerad ein Bißl in's Wirthshäusl schaun und da hab' ich im Vorbeigehn etwas zusprechen wollen bei Ihnen.

Martin. Schön Dank, schön Dank, Herr Casperl! Aber verzeihen Sie mir, ich muß schon abbitten, heut hab' ich nicht Zeit, mit Ihnen zu plaudern. Ein unerwartet Geschäft –

Casperl. Ein Geschäft – was für ein Geschäft? Ich bin gar nicht neugierig, aber wissen möcht' ich doch Alles.

Martin. Es thut mir leid, aber vor der Hand muß es noch mein Geheimniß bleiben.

Casperl. Ach! ein Geheimniß? das ist mir gerad recht. Vertrauen's mir's nur gleich an. Ich bin der Mann dazu. Wenn mir Einer was anvertraut, so ist es in den besten Händen. Ich hab noch nie was ausgeschwätzt.

Martin. Das ist wahr, Sie sind ja eine Art Plappermühl.

Casperl. Oho – was Sie da sagen?

Martin. Warten Sie nur ein wenig. Ich komm gleich wieder herein. (ab)

Casperl (allein). Ein Geheimniß? was kann das sein? Das muß ich ergründen – und weiß ich, was es ist, (singt)

So lauf ich schnell zur Thür hinaus,
Im ganzen Ort in jedes Haus,
Erzähl's dann gleich an alle Leut'
Beim Siegel der Verschwiegenheit.

Zu was hat denn der Mensch sein Maul,
Das meine ist gewiß nicht faul;
Die Zung ist ja zum Sprechen da,
Damit man weiß, wo was geschah.

Es gibt nur Einen Augenblick,
Wo ich mich schweigend zieh' zurück;
Der ist die liebe Essensstund',
Wo etwas Andres treibt mein Mund.

Halt ich den Krug in meiner Hand,
Ein Jeder mich noch schweigend fand –
Da hat der Mund etwas zu thun
Und kann vom Reden klüglich ruhn!

Aha! jetzt kommen 's wieder.

Margreth. Kasperl. Margret (voll Freuden). Ei, Herr Casperl, guten Morgen, guten Morgen!

Casperl. Sie sind ja gar lustig, Madam Margreth. So hab ich Sie lang nit gseh'n!

Margreth. Ja, ich möcht aus der Haut fahren, vor Freuden!

Casperl (bei Seite). Aber fein in eine andre Haut, die etwas hübscher ist als die Ihrige. (Laut) Nun, was gibt's denn so Erfreuliches?

Margreth. Etwas Ungeheuers! aber ich darf's Ihnen noch nicht sagen; mein Mann hat mir 's verboten.

Casperl. So – einem alten Hausfreund wird die Familienfreude vorenthalten? das ist nicht schön. (weint)

Margreth. Ja, es thut mir leid, daß ich's Ihnen nicht sagen darf. – Warten's nur ein wenig!

Casperl. Das ist abscheulich von Ihnen, abscheulich! Ich möcht mich zu todt weinen über das feindselige Mißtrauen.

Margreth (gerührt). Herr Casperl, wenn Sie mir versprechen, daß Sie nicht weiter plaudern, so will ich's Ihnen anvertrauen.

Casperl. O wie könnten Sie zweifeln an meiner Verschwiegenheit?

Margreth. So hören Sie. Wir haben ein großes Glück gemacht! Mein Mann hat ein Wunschringl gefunden und kann drei Wünsche thun, die ihm sogleich erfüllt werden. Da sehn's. (zeigt ihm den Ring.)

Casperl. Ist das möglich?

Margreth Ja wissen 's, in der Comödie ist Alles möglich!

Casperl. O glückliches Paar! Erhalten Sie mir Ihre Freundschaft, (bei Seite) damit ich auch was davon Hab.

Margreth. Seh'ns Herr Casperl! wenn man das Ringl am Finger hat und spricht einen Wunsch dabei, so hat man's gleich.

Duett.

Casperl.

Was ist doch so ein Zauberring
Ein allerliebstes, liebstes Ding,
O hatt ich solch' ein Ringelein,
Ich wünschte mir viel Bier und Wein.

Margreth.

Oho das war wohl nicht gescheut,
Und war gefehlet himmelweit;
Beim Wünschen mit dem Ringelein
Da heißt es klug und weise sein.

Casperl.

Sie haben Recht, Sie haben Recht,
Ein Sack voll Geld war auch nicht schlecht!

Margreth.

Ein Sack voll Geld war auch nicht schlecht.

Casperl.

Und dazu ein gebratner Hecht!

Beide.

O Zauberring, o Zauberring,
Was bist du für ein Wunderding.
Ring, Ring, Ring, Ring,
Ding, Ding, Ding, Ding.

Casperl. So Etwas ist mir in meinem Leben noch nicht vorgekommen, gelesen hab ich schon viele solche Zaubergschichten. Aber jetzt, liebe Frau Margreth, hab ich ein' gwaltigen Durst.

Margreth. Wie gewöhnlich, Mr. Casperl. Wenn Sie mit einem Glas Bier vorlieb nehmen, so kann ich aufwarten.

Casperl. Her damit! Ich verachte nichts dergleichen. (macht einen Schluck aus der dargebotenen Flasche) Ah – das war gut! Wissen's was, Frau Margreth? Eine Schüssel voll Bratwürstl wär halt gut dazu.

Margreth. Ja, mein Himmel, die weiß ich gar nimmer wie's aussehen. Eine Bratwurst ist schon lang nicht mehr über unsere Schwelle gekommen. Wie oft hab ich mir schon gewünscht, wenn ich nur so ein Dutzend recht guter Bratwürst da vor mir hätt – (Donnerschlag und es erscheint eine Schüssel mit Bratwürsten darauf; Casperl fällt aus Schrecken um, Margreth fällt auch um.) O weh, o weh! Ich hab den Zauberring am Finger und mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen!

Casperl. Ja das wär mir schon recht, aber das Donnern, das braucht nit dabei zu sein, das verdirbt Eim' ja den Appetit zum Essen.

Margrets. Ist denn das nicht ein Unglück, Mr. Casperl? jetzt ist schon Ein Wunsch verlaborirt; und wir haben nur mehr zwei Wünsche! Was wird mein Mann dazu sagen, wann er nach Haus kommt? Da krieg ich Prügel auch noch dazu. Was hätten wir uns schon das erste Mal Alles wünschen können! Aber da sind Sie daran schuld, Mr. Casperl, mit Ihrer ewigen Gefräßigkeit! Sie haben mich in's Unglück gebracht!

Casperl. Frau Margreth – ich bin ein Philosoph. Was gschehen ist, das ist geschehen. Jetzt sind halt die Würst da – also lustig drüber her! (fangt zu essen an.)

Margreth. Ich kann auch nichts anders thun, als anbeißen – aber mein Mann, mein Mann! (setzt sich zum Essen.)

Casperl. Schaun's, Frau Margreth. So oft ich eine Bratwurst seh, muß ich den menschlichen Verstand des Erfinders der Bratwürste bewundern, dem's eingfallen ist, diese Würst oben und unten zuzubinden; denn wären sie nur an einem End zugebandelt, so würde der schmackhafte Inhalt beim andern End hinauslaufen. Es ist sehr die Frage, ob mir das eingefall'n wär. (Man hört Tritte) Aha, jetzt kommt der Herr Martin nach Haus.

Margreth. Auweh, auweh! – Ich werf lieber gleich das Ringel in's Eck, damit ich allenfalls nit wieder eine Dummheit wünsch. (wirft den Ring weg)

Casperl. Eine gute Wurst ist nie eine Dummheit, besonders wenn man selbige umsonst haben kann.

Martin tritt ein. Die Vorigen.

Martin. So, allerliebste Margreth, jetzt hab ich mir guten Rath geholt beim Schullehrer und beim Pfarrer; die haben mir die gescheitesten Wünsche auf ein Papier geschrieben. Jetzt geht's bald anders bei uns zu. Ein herrliches Palais, Kutschen und Pferd; kein Holzhacken mehr, keine Erdäpfel mehr. Lauter Gansleberpasteteln auf'n Tisch und gebratene Fasanen. Ich laß mir gleich einen Frack machen mit ächt goldene Knöpf. Ein Portier muß vor dem Hausthore stehen. Ich laß mich zum Grafen machen – denn um's Geld kann man Alles haben. Schon mancher jüdischer Bankier ist »Herr von« geworden, weil er sich's hat kosten lassen. Und du, Margreth, bekommst eine Kammerjungfer und ich laß dir eine eigne Portchaise machen. Zu Fuß darf keins von uns mehr gehen. Herr Casperl – jetzt passen's auf; Sie werden sich wundern.

Casperl. Ja – Einmal hat's schon gekracht!

Martin. Was soll das bedeuten?

Casperl. Betrachten Sie einmal diese Schüssel voll angenehmer Bratwürst.

Martin. Warum, warum?

Casperl. Das sind keine gewöhnlichen Bratwürst! Das sind Zauberbratwürstln! die schmecken delikat.

Margreth (fällt auf die Knie). Ah, verzeih mir, lieber Mann! in meiner Unvorsichtigkeit hab ich mit dem Ring am Finger eine Schüssel voll Würsteln hergewünscht.

Martin (höchst zornig). O du unglückseliges Weibsbild! Ich hätte gute Lust, Dich zu todt zu prügeln! jetzt ist schon Ein Wunsch verpatscht! – Wo ist der Ring? Gleich her damit!

Margreth. Dort hinten liegt er.

Martin. (hebt ihn auf und steckt ihn an den Finger). Wie man aber nur so einfältig sein kann! Was hast Du schon Alles verscherzt! Und die drei Wünsche waren so prächtig ausgedacht!

Margreth Das hätt' Dir in der Schnelligkeit auch geschehen können!

Martin. Was mir? Eine solche Dummheit! das ist unmöglich.

Margreth. Jetzt ist's vorbei! Setz Dich auch her und iß lieber ein Paar von den guten Würsteln.

Martin. Was? Ich mitessen? Ich hab so einen Aerger über Dich, daß ich lieber möchte, die Bratwürste sollten Dir an Deine lange Nas' wachsen! (Donnerschlag. Alle drei fallen zu Boden, und die Würste hängen an Margrethens Nase.)

Martin. Donnerwetter! der zweite Wunsch!

Casperl (pathetisch). Ja der zweite Wunsch ist unter Donner und Blitz in Erfüllung gegangen. Ich gratulire.

Martin (prügelt sein Weib und den Casperl). Vermaledeite Wirtschaft! zum Rasendwerden ist's! Ich bring euch um! ich häng mich auf! Ich stürz mich in's Wasser!

Margreth. O weh, oh weh! Ich unglückliches Weib! Ich kann mich nicht mehr vor den Leuten sehen lassen! Was fang ich an!

Martin. Herunter mit den Würsten! Helfen's mir ziehen, Herr Casperl! (Beide ziehen an den Würsten.) Es ist umsonst! Wir bringen sie nicht weg von der Nase.

Casperl. Ja leider! Ihre Gattin ist verunstaltet auf immer!

Martin. Vielleicht geht's mit'm Abschneiden, (nimmt ein Messer und versucht) Es ist als ob das Messer verhext wär; hat immer eine prächtige Schneid gehabt; jetzt ist's als ob die Würste von Marmorstein wären! Auweh! Auweh!

Casperl. Was auf eine so zauberische Manier angewachsen ist, geht nicht auf natürlichem Weg wieder von der Nasen weg.

Martin. Ja, es ist eine Schande, Schimpf und Spott müssen wir ausstehen, wenn die Margreth ihr Lebtag diese Wurstnase behalten muß! Wenn's nur wieder herunten wären die verherten Würst!

(Donnerschlag. Alle drei fallen um und die Würste von der Nase der Margreth)

Martin. Weh mir! der dritte Wunsch!

(Der Hintergrund öffnet sich. Die Fee erscheint im Rosenschimmer und spricht:)

Erfüllt ist, was ich dir versprach –
Eh' noch verging der dritte Tag;
Und in der ersten Stunde schon
Hast du geholt dir deinen Lohn!

Ein reiches Feld stund euch zur Aernte offen,
Erfüllung war verheißen jedem Hoffen –
Verscherzt habt Ihr gebot'nes Glück –
In Armuth sinkt Ihr nun zurück!

Wie oft ist doch der Menschen Thun
Ein eitel Wünschen ohne Ruh'n!
Und der Erfolg ist Unheil und Verderben,
Fortuna's Topf zerbricht in tausend Scherben!

Mög's Allen doch ein Beispiel werden,
Die nicht zufrieden hier auf Erden
Nur leere Wünsche aneinander reih'n
Und endlich sich darüber selbst entzwei'n:

Dankbar genießt, was Gott Euch hat bescheert
Und was an Lebensgaben Er gewährt!
Was mehr Ihr wollt, ist Dunst und Schaum,
Der schnell verweht ist, wie ein Traum!


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