Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Pocci

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Verwandlung.

Heller Tag. Zimmer bei Herrn von Steinreich. (wie im ersten Aufzuge.)

Steinreich (krank und erschöpft.) Wie fühl ich mich doch verlassen! den Sekretär Schreiber hab' ich aus dem Hause gestossen; meine Marie sehe ich kaum. Sie schließt sich aus Kummer fortwährend in ihr Zimmer ein. Was hab' ich an den Schmarotzern und Tafelfreunden? – Macht denn das Geld allein wirklich nicht glücklich? Und dabei noch dieses fürchterliche Leiden am Herzen! Es ist nicht zum Aushalten! dieses Drücken ist peinigend. Meine Kräfte nehmen zusehends ab. Sollte ich etwa gar sterben müßen? Furchtbare Angst! Mein Gott! ich bin wirklich verlassen und allein! Ich will etwas in der Bibel lesen, vielleicht finde ich Trost.

(geht an den Tisch und schlägt ein Buch auf.)

(liest:) »Wer nicht lieb hat, der kennet Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.« – Evangelium Johannes. Die Liebe? – liebe ich denn nicht? lieb' ich mich nicht selbst? (blättert) »das ist mein Gebot, daß ihr euck unter einander liebet, gleichwie ich euch liebe,« (bedeckt sich das Gesicht mit den Händen, blättert und liest weiter:) »Sehet zu und hütet euch vor dem Geize!« – Weh mir – (mit der Hand an dem Herzen) weh mir! wie stichts, wie drückt's da drinnen! – wer tröstet mich? wer hilft mir? ich bin verlassen! (weint). Ich habe lange nicht geweint. Diese Thränen erleichtern mich. Ich fühle Etwas in mir, das meine Schmerzen mildert. Solch' ein Gefühl, wie jemals ich kaum empfunden! Es wird mir so weich um's Herz! (schellt an einer Glocke) Ich war wohl zu hart mit Marie`n! Sie soll kommen. (Bedienter tritt ein.) Marie möge zu mir kommen; sag' ihr, ich habe ihr Etwas Wichtiges mitzutheilen. (Bedienter ab.) Aber was soll ich ihr sagen? Ich habe ein gewisses Verlangen, das mir noch unerklärlich ist. Ist's der Tod, den ich fürchte, daß ich nach einer Hand begehre, mich am Leben festzuhalten?

(Maria tritt ein.)

Marie. Sie haben befohlen, Herr Onkel?

Steinreich. O nicht befohlen; ich habe dich ersuchen lassen, zu mir zu kommen.

Marie. Was soll ich Unglückliche bei Ihnen? Thränen werden Sie nicht erheitern in Ihrer Krankheit.

Steinreich. Komm näher, Marie!(ergreift ihre Hand)

Marie. Ihre Hand ist so warm! – Sie war immer so kalt.

Steinreich. Ich werde vielleicht nicht lange mehr leben! Mein Leiden am Herzen wird mich tödten.

Marie. Gott möge es verhüten!

Steinreich. Und du sagst dieß? Ich muß dir ja verhaßt sein, da ich den Schreiber verstoßen habe.

Marie. Er war in Ihren Diensten. Sie hatten die Macht ihn wieder aus diesen zu entlassen.

Steinreich. Die Macht – nicht auch das Recht?

Marie. Darüber mag Ihr Gewissen entscheiden.

Steinreich. Mein Gewissen sagt mir: »Du hattest Unrecht!«

Marie. Ich kann, ich will nicht urtheilen. Lassen Sie mir meinen Schmerz. (will geh'n.)

Steinreich (hält sie zurück.) Marie! Seit ich Schreiber fortgeschickt, seit du dich mir entziehst – weiß ich, was der Schmerz ist. Was nützen mich meine Geldsäcke? Sie gewähren mir keinen Trost! und du – meiner eigenen Schwester Kind – du, mein Trost – du haßest mich?

Marie. O gewiß nicht, bester Onkel. Ich habe Sie stets geliebt als meinen Onkel, meinen Wohlthäter! Ich werde nie vergessen, was ich Ihnen zu danken habe.

Steinreich. O wie wohl thut mir dieß! Es ist als ob eine harte Kruste von meinem Herzen fiele! Meine Schmerzen schwinden! Ich fühle mich gesund.

Marie. O geben Sie diesem Gefühle Raum, lieber Onkel! (kniet vor ihn und küßt weinend seine Hände) Ein liebend Kind, kniet vor Ihnen! Was ist der Mensch ohne Liebe?

Steinreich. Ja, in der That! das ist ein wahres Wort! – Komm an mein Herz! Alles soll gut werden.

(umarmt sie)

Marie. Theurer, bester Onkel!

Steinreich. Ich bedarf keines Doctors mehr! – Ich bin ja gesund. Der Druck, das Stechen am Herzen ist verschwunden! Wie froh, wie vergnügt bin ich! – – Schnell, Marie, schicke zu Schreiber, er soll augenblicklich herkommen! Er soll dein Mann werden! den Armen will ich geben! Ich habe ja kein Herzleiden mehr! – Komm mein Kind! laß uns zusammen in den Garten gehen. Die frische Luft wird mich vollends stärken. – Ja ich will lieben, ich muß lieben! Wie konnte ich bisher so verblendet sein? Dank dem Himmel, daß er mir die Augen geöffnet und mein Herz erweicht hat. Es ist als ob ein harter Stein darinnen gelegen wäre. Geschmolzen ist er nun wie ein Eisklumpen, der zerfloß. Komm mein Kind! wir wollen deine Verbindung mit Schreiber besprechen und unverzüglich soll er dich aus meiner Hand als Gatte empfangen und ihr beide sollt meinen Reichthum mit mir theilen.

Marie. O wie glücklich könnte ich werden! allein Schreiber ist entfloh'n; er hat mir einen Abschiedsbrief zurückgelassen, aus welchem nur Verzweiflung spricht.

Steinreich. Ich will Alles aufbieten, daß man ihn finde.

(beide ab.)


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