Platon
Plato's Staat
Platon

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Zehntes Buch.

1. Und in der That, sprach ich, sowohl in vielen anderen Beziehungen denke ich über jenen Staat nach, daß wir ihn auf das richtigste einrichten, als auch insbesondere erwäge ich es betreffs der Dichtkunst und sage – Was denn? sprach er. – Daß man in keiner Weise alle diejenige unter derselben aufnehmen solle, welche nachahmend ist; es wird sich nemlich, wie mir scheint, jetzt noch viel deutlicher zeigen, daß man sie um keinen Preis aufnehmen soll, nachdem wir ja die Formen der Seele einzeln von einander getrennt aufgestellt haben. – Wie meinst du dieß? – Unter uns gesagt, – denn ihr werdet mich nicht den Tragödiendichtern und übrigen Künstlern der Nachahmung verrathen –, eine Makel scheint mir all das Derartige für die Denkthätigkeit jener Hörenden zu sein, welche nicht ein Heilmittel hiegegen in dem Wissen des wirklichen Seins der Dinge besitzen. – In welcher Beziehung, sagte er, betrachtest du dieses, um so zu sprechen? – Ich muß es wohl sagen, erwiederte ich, obwohl mich eine gewisse Liebe und Scheu, welche ich von Kindheit an gegen Homeros hege, daran hindert, es auszusprechen; denn er scheint der erste Lehrer und Führer all dieser herrlichen Tragiker geworden zu seinInsoferne die sog. Cyklischen Dichter, welche die Heroen-Sage einzelner Städte und Länder in epischen Gesängen ausführten, als eine Fortsetzung der homerischen Poesie bezeichnet werden können, aus den Cyklikern aber im Ganzen der Stoff aller griechischen Tragödien geschöpft ist, kann gewissermaßen in literargeschichtlicher Beziehung wohl richtig gesagt werden, daß Homer der Ausgangspunkt der Tragiker sei.; aber höher als die Wahrheit darf ein Mensch nicht geschätzt werden, und ich muß demnach sagen, was ich meine. – Ja wohl, allerdings, sagte er. – So höre denn nun, oder vielmehr antworte mir. – Frage du nur. – Könntest du mir im Ganzen sagen, was wohl Nachahmung sei? denn ich selbst sehe es nicht völlig ein, was ihr eigentliches Sein wohl sein möge. – Werde dann etwa ich, sagte er, es einsehen? – Dieß wäre ja, erwiederte ich, nichts Unbegreifliches, denn viele Dinge sehen Stumpfsichtigere eher als ScharfsichtigereDiese Wendung des Gespräches ist in doppelter Beziehung geschmacklos, denn erstens hätte der wirkliche Sokrates gewiß selbst dem unfähigsten Schüler gegenüber nie einen solchen Ausdruck gebraucht, namentlich wo seitens des Schülers alle Bereitwilligkeit und Strebsamkeit vorliegt (das entgegengesetzte Extrem übertriebener Selbstironie sahen wir oben Anm. 40), und zweitens, wenn Glaukon wirklich halb blind ist, lohnt es sich wahrlich nicht der Mühe, ihn zu einer Untersuchung beizuziehen, bei welcher der Gefragte doch einige Einsicht mitbringen muß.. – Allerdings, sagte er, ist es so; aber in deiner Anwesenheit dürfte ich nicht einmal den Muth haben können, es auszusprechen, falls sich mir wirklich Etwas zeigen würde, sondern sieh du nur selbst. – Willst du also, daß wir die Erwägung von folgendem Ausgangspunkte aus in Folge unseres gewöhnlichen Verfahrens beginnen? Wir sind nemlich doch wohl gewohnt, irgend Eine einzelne Idee betreffs des vielheitlichen Einzelnen, welches immer mit dem nemlichen Namen bezeichnet wird, aufzustellenDaß bei Plato's Ideenlehre schon die Bildung eines Wortes zur Entstehung einer Idee hinreiche, s. m. Uebers. d. gr. Phil. S. 89.; oder verstehst du dieß nicht? – Ja, ich verstehe es. – So wollen wir denn auch jetzt, welches von den vielen Dingen du irgend willst, aufstellen; so etwa, wenn dir dieses Beispiel gefällt, gibt es ja gewiß viele Stühle und Tische. – Warum auch nicht?– Aber Ideen gibt es bezüglich dieser Geräthe nur zwei, nemlich Eine ist die des Stuhles, und Eine die des Tisches, – Ja. – Nicht wahr also, wir sind auch gewohnt, zu sagen, daß der Verfertiger eines jeden dieser beiden Geräthe auf die Idee desselben hinblickt und so der Eine Stühle, der Andere aber Tische verfertigt, deren wir uns dann bedienen; und so auch bei allem Uebrigen; denn die Idee selbst ja verfertigt Keiner der Verfertiger; oder wie? – Nein, in keiner Weise. – Aber sieh zu, welchen Namen du wohl folgendem Verfertiger gebest. – Welchem? – Demjenigen, welcher Sämmtliches macht, was alle einzelnen Handarbeiter machen. – Einen gar gewandten und wundersamen Mann meinst du hiemit. – Noch nicht ja, sondern sogleich erst wirst du dieß in noch höherem Maße sagen; denn dieser nemliche Handarbeiter ist nicht bloß im Stande, sämmtliche Geräthe zu machen, sondern er macht auch alle aus der Erde hervorwachsenden Pflanzen und verfertigt alle lebenden Wesen, sowohl die übrigen, als auch sich selbst, und zudem noch Erde und Himmel und Götter, und Alles, was im Himmel und unter der Erde im Hades ist, verfertigt er. – Einen sehr wundersamen Tausendkünstler, sagte er, meinst du hiemit. – Du glaubst es etwa nicht? sprach ich; und doch sage mir, scheint es dir schlechthin überhaupt keinen derartigen Verfertiger zu geben, oder glaubst du, daß er nur in gewisser Weise zum Hervorbringer all dieser Wesen geworden sei, in gewisser Weise aber hinwiederum auch nicht? oder bemerkst du nicht, daß sogar du selbst im Stande wärest, all Jenes wenigstens in gewisser Weise zu machen? – Und welches, sagte er, soll diese gewisse Weise sein? – Nicht schwierig ist sie, sagte ich, sondern vielfach und schnell ausführbar; am schnellsten aber doch wohl würdest du, wenn du einen Spiegel nehmen und ihn nach allen Seiten umhertragen wolltest, alsbald die Sonne und was am Himmel ist, machen, alsbald aber auch die Erde, alsbald auch dich selbst und die anderweitigen lebenden Wesen und alle Geräthe und Pflanzen, welche wir so eben anführten. – Ja, sagte er, als erscheinende wohl, hingegen ja doch wohl nicht als wahrhaftig seiende. – Recht, erwiederte ich; und ganz passend für unsere Begründung gehst du hierauf ein; nemlich gerade zu den derartigen Verfertigern, glaube ich, gehört auch der Maler; oder wie anders? – Wie sollte es auch nicht so sein? – Du wirst aber eben behaupten, glaube ich, daß er nicht als ein Wahres mache, was er macht; und doch ja macht in gewisser Weise auch der Maler einen Stuhl; oder nicht? – Ja, sagte er, wenigstens einen erscheinenden Stuhl macht auch dieser. –

2. Wie aber ist es mit dem Stuhl-Verfertiger? Sagtest du nicht so eben, daß er nicht jene Idee macht, welche wir als das eigentliche Sein des Stuhles bezeichnen, sondern eben nur einen einzelnen Stuhl? – Ja, so sagte ich. – Nicht wahr also, wenn er nicht dasjenige macht, was eigentlich ist, so macht er wohl nicht das Seiende, sondern Etwas, was irgend derartig, wie das Seiende, nicht aber ein Seiendes ist; hingegen wenn Jemand behaupten würde, das Werk des Stuhl-Verfertigers sei vollständig ein Seiendes oder überhaupt das irgend eines anderen Handarbeiters, so kömmt es wohl darauf hinaus, daß er Unwahres spräche? – Allerdings Unwahres, sagte er, wie wenigstens Jenen scheinen muß, welche mit derartigen Begründungen sich beschäftigen. – Durchaus also wollen wir uns nicht wundern, wenn auch Solches im Vergleiche mit der Wahrheit irgend ein Dunkles ist. – Nein, allerdings nicht. – Willst du also, sagte ich, daß wir an eben diesen Beispielen untersuchen, wer wohl hierin der Nachahmer sei? – Ja, wenn du willst, sagte er. – Nicht wahr also, irgend drei Stühle sind dieses: Einer ist der in der natürlichen Wesenheit vorhandene, von welchem wir, wie ich glaube, wohl behaupten würden, daß ihn Gott verfertigt habe; oder wer wohl sonst? – Niemand anderer, glaube ich. – Einer aber ist jener, welchen der Handwerker verfertigt? – Ja, sagte er. – Einer aber jener, welchen der Maler macht; oder wie? – Ja, so sei es. – Also Maler, Stuhl-Verfertiger, Gott, sind die drei Vorsteher für die drei Arten von Stühlen. – Ja, drei. – Der Gott also hat, sei es, daß er nicht anders wollte, oder daß für ihn irgend eine Nothwendigkeit vorlag, selbst nicht mehr als Einen Stuhl in der natürlichen Wesenheit zu verfertigen, auf diese Weise eben nur jenen Einen allein gemacht, welcher der eigentliche Stuhl ist; zwei oder mehrere derartige aber sind von Gott weder gepflanzt worden, noch dürften sie jemals hervorsprossen. – Wie so? sagte er. – Weil, erwiederte ich, wenn er auch nur zwei gemacht hätte, doch wieder ein Einer sich zeigen würde, dessen Form hinwiederum jene beiden hätten, und dann eben jener der eigentliche Stuhl wäre, nicht aber die zwei. – Dieß ist richtig, sagte er. – Dieß also wußte der Gott, glaube ich, und da er der wirkliche Verfertiger eines wirklichen Stuhles sein wollte, nicht aber irgend eines einzelnen Stuhles und auch nicht irgend ein einzelner Stuhl-Verfertiger, so ließ er eben jenen Einen von Natur aus hervorsprossen. – Ja, so scheint es. – Willst du also, daß wir diesen als den Natur-Urheber desselben, oder als sonst einen Derartigen bezeichnen? – Ja, gerecht wenigstens ist dieß, sagte er, da er ja von Natur aus sowohl dieses Ding, als auch alles Uebrige gemacht hat. – Wie aber? den Handwerker nicht etwa als den Verfertiger des Stuhles? – Ja. – Also etwa den Maler gleichfalls als einen Verfertiger und Hervorbringer von Derartigem? – Keineswegs. – Aber als was bezüglich des Stuhles wirst du ihn denn bezeichnen? – Eben dieß, sagte er, scheint mir die passendste Benennung, daß er ein Nachahmer desjenigen sei, dessen Verfertiger jene Anderen sind. – Gut, sprach ich; denjenigen also, welchem als dritten von der natürlichen Wesenheit aus gezählt das Erzeugniß angehört, nennst du einen Nachahmer? – Ja wohl, allerdings, sagte erDaß es bei Plato an einem richtigen Verständnisse des Wesens der Poesie gebreche, sahen wir schon oben Anm. 42; daß aber in noch höherem Grade bezüglich einer philosophischen Construktion der Kunst überhaupt ein direktes Mißverständniß obwalte, erhellt aus dieser Stelle sowie aus der ganzen langgedehnten Erörterung, welche vom vorigen Cap. an bis zum Schlusse des 8. sich erstreckt. Die Grundlage der platonischen Ansicht beruht in folgender Behauptung: das wahre Wesen aller Dinge ist die einheitliche Idee, welche für die je gleichbenannten Dinge immer nur in Einem Exemplare von der Gottheit angefertigt ist; hingegen alle vielheitlichen Individuen Ein und desselben gleichartigen Dinges gehören, mögen sie sog. Naturprodukte oder Menschenwerk sein, eben weil sie vielheitlich sind, dem Bereiche des Dunklen und Undeutlichen an und sind bloße Abbilder der Idee; endlich aber gibt es auch noch Abbilder dieser Abbilder gleichsam als tertiäre Gebilde, und diese sind die Produkte der Künstler, der Maler sowie der Dichter u. s. f. Eben hierin aber nun liegt der grobe Verstoß, welchen Plato gegen das Wesen der Kunst begeht, daß er meint, die Kunstschöpfung sei wesentlich nichts Anderes, als ein Abklatsch secundärer Wesenheiten, nemlich ein Abklatsch der vielheitlich zerfahrenen einzelnen Dinge, wie sie eben als einzelne erscheinen (vielleicht wird hiemit dem Leser der Ursprung des abgeschmackten Ausdruckes »nachahmende Künste« von selbst klar, über welchen man gewöhnlich hinwegeilt, ohne sich Rechenschaft zu geben). Also, mit Einem Worte, Plato mißkennt gerade dasjenige, was die Kunst zur Kunst macht, nemlich die selbstständige und unabhängige schaffende Kraft, durch welche concrete Dinge in die Welt gesetzt werden, welche ohne die Kunst eben nicht da wären. Plato muß demnach wirklich den olympischen Zeus des Phidias und alle jene eminenten Werke wahrer genialer Schöpfergabe der Kunst, welche ihn in Athen so reich umgaben, für Nichts als für einen Abklatsch der gewöhnlichen auf der Straße herumwandelnden Athener gehalten haben; ich will nicht an die Musik, nicht an die architektonischen Ideen, nicht an all Dergleichen erinnern, denn sonst müßten wir dem Plato ein oben gebrauchtes Wort zurückgeben und von Philosophen sprechen, welche zwar in die Sonne schauen können, aber in Allem, was ächt menschlich ist, und gehöre es auch zu dem Edelsten und Erhabensten, was die Menschheit besitzt, stumpfsichtig sind. Vgl. unten, Anm. 337.. – Dieß also wird auch der Tragödiendichter sein, woferne er ein Nachahmer ist, in dritter Linie vom Königlichen und von der Wahrheit entfernt hervorgewachsen, und ebenso auch alle übrigen Nachahmer. – Ja, es kömmt darauf hinaus. – Was also den Nachahmer betrifft, so haben wir uns hiemit über ihn verständigt. Sage mir aber betreffs des Malers Folgendes: Scheint er dir eben jenes, was jedes Einzelne nach seiner natürlichen Wesenheit an und für sich ist, nachahmen zu wollen, oder die Werke jener Verfertiger? – Die Werke der Verfertiger, sagte er. – Etwa so, wie sie sind, oder so, wie sie sich zeigen? dieß nemlich sollst du mir noch entscheiden. – Wie meinst du dieß? sagte er. – Folgendermaßen: Wenn du einen Stuhl von der Seite her und wenn du ihn gerade gegenüber oder sonst in irgend einer Richtung betrachtest, unterscheidet er sich dabei selbst von sich selbst, oder ist es so, daß er sich von sich nicht unterscheidet, hingegen nur dem Scheine nach von anderer Beschaffenheit ist; und ebenso auch bei den übrigen Dingen? – Ja, so ist es, sagte er; er scheint wohl ein anderer zu sein, unterscheidet sich aber in sich nicht. – Eben dieß nun erwäge. Nach welchem von diesen beiden hin ist die Malerei bei jedem Einzelnen gerichtet? etwa darauf, das Seiende, wie es sich verhält, nachzuahmen, oder auf das Erscheinende, wie es erscheint, und ist sie eine Nachahmung einer Erscheinung, oder einer Wahrheit? – Einer bloßen Erscheinung, sagte er. – Also weit von dem Wahren entfernt ist die nachahmende Kunst, und dadurch, wie es scheint, bewerkstelligt sie Alles, daß sie nur ein Kleines an jedem, und zwar nur ein Abbild ergreift; wie z. B. der Maler, sagen wir, wird uns einen Lederarbeiter, einen Baumeister, und alle übrigen Handwerker malen, ohne betreffs der Kunst irgend Eines derselben Etwas zu verstehen; aber dennoch wird er, wenn er ein guter Maler ist, Kinder und unverständige Menschen dadurch, daß er einen Baumeister malt und von Weitem ihnen zeigt, so täuschen, daß sie glauben würden, es sei wirklich ein Baumeister. – Warum auch nicht? – Aber dieß ja, mein Freund, glaube ich, müssen wir betreffs all des Derartigen bedenken, daß, wenn jemand uns erzählt, er habe einen Menschen getroffen, welcher alle Handwerke und alles Uebrige, was Jeder als Einzelner weiß, sämmtlich genauer als jeder Sachverständige gewußt habe, man hiernach annehmen müsse, es habe irgend ein einfältiger Mensch, wie es scheint, einen Zauberer und Nachahmer getroffen, und sei von ihm so getäuscht worden, daß jener ihm als ein Allweiser erschien, weil er eben selbst nicht im Stande war, Wissen und Nichtwissen und Nachahmung prüfend zu unterscheiden. – Sehr wahr, sagte er. –

3. Nicht wahr also, sprach ich, hiernach nun müssen wir es betreffs der Tragödie und des Homeros, ihres Führers, erwägen, da wir ja von Einigen hören, daß diese es seien, welche alle Künste verstehen, und alle menschlichen Verhältnisse bezüglich der Vortrefflichkeit und der Schlechtigkeit, und auch alle göttlichen Dinge. Nothwendig nemlich muß der gute Dichter, woferne er jenes, worüber er dichtet, schön dichten will, als ein Wissender es dichten oder außerdem zum Dichten unfähig sein. Demnach also müssen wir erwägen, ob Jene etwa gleichfalls nur auf Wahrsager gestoßen und von diesen getäuscht worden seien und beim Anblicke der Werke derselben nicht bemerkten, daß diese in dritter Linie vom wirklich Seienden entfernt sind und gar leicht von Einem verfertigt werden können, welcher die Wahrheit nicht weiß, denn nur Erscheinungen, nicht aber wirklich Seiendes verfertigen Jene, oder ob dieselben Etwas sagen, was Grund hat, und ob wirklich die guten Dichter ein Wissen betreffs desjenigen haben, worüber sie der Menge gut zu sprechen scheinen. – Ja, allerdings, sagte er, muß man dieses prüfen. – Glaubst du also, es würde Jemand, falls er die Fähigkeit hätte, Beides zu verfertigen, nemlich sowohl den Gegenstand der Nachahmung, als auch das Abbild, sich selbst der Anfertigung von Nachbildern mit allem Eifer hingeben, und dieß als seine Lebensaufgabe sich stellen, gerade als wäre er hiemit schon in dem besten Zustande? – Nein, gewiß nicht. – Sondern, er würde, glaube ich, wenn er je in Wahrheit ein Wissen über jenes hätte, was er nachahmt, doch weit eher seinen Eifer auf die Dinge selbst, als auf deren Nachahmungen verwenden, und es versuchen, viele herrliche Dinge als Werke seiner selbst zu hinterlassen, und würde es vorziehen, der Gepriesene, nicht aber der Preisende zu sein. – Ich glaube es allerdings, sagte er: denn nicht in gleichem Maße besteht in beiden Fällen Ehre und Nutzen. – Betreffs der übrigen Dinge also wollen wir von Homeros oder irgend anderen Dichtern keine Rechenschaft fordern, indem wir etwa fragen, falls Einer von ihnen wirklich ein Arzneikundiger oder nur ein Nachahmer arzneikundiger Reden war, welche Menschen denn Einer von den Alten oder von den Neueren eben als Dichter gesund gemacht habe, wie AsklepiosS. m. Anm. 24 z. »Gastmahl«., oder welche Schüler der Arzneikunde er hinterlassen habe, wie jener seine Nachkommen; und auch hinwiederum betreffs der übrigen Künste wollen wir sie nicht fragen, sondern dieß bei Seite lassen; hingegen betreffs des Größten und Schönsten, worüber Homeros zu sprechen versuchte, betreffs der Kriege und Feldherrnwürde und Staatsverwaltung und Menschenbildung dürfen wir doch wohl gerechter Weise fragen, indem wir zu ihm sprechen: »Lieber Homeros, wenn du nicht als Dritter, von der Wahrheit aus gezählt, betreffs der Vortrefflichkeit nur ein Verfertiger eines Abbildes bist, wie wir eben den Nachahmer bezeichneten, sondern wenn du auch nur ein Zweiter und zu erkennen im Stande warst, welche Thätigkeit die Menschen als Einzelne und im Staate besser und schlechter mache, so sage uns, welcher unter allen Staaten durch dich eine bessere Einrichtung erhalten habe, wie ja Lakedämon durch Lykurgos und viele andere große und kleine Staaten durch viele andere Männer; welcher Staat hingegen schreibt dir das Verdienst zu, daß du ein guter Gesetzgeber gewesen seist und den Bürgern Nutzen gebracht habest? dem CharondasCharondas von Catana in Sicilien, berühmter Gesetzgeber seiner Vaterstadt und mehrerer chalkidischer Colonien an der sicilischen und italischen Küste, lebte in der Mitte des siebenten Jahrh. v. Chr. schreibt Italien und Sicilien dieses Verdienst zu, und wir dem Solon; wer aber dir?« Wird er dann wohl irgend einen Staat nennen können? – Ich glaube nicht, sagte Glaukon; es wird wenigstens auch selbst von den HomeridenDie Homeriden gelten in der Tradition bei den Alten als die durch mehrere Generationen sich erstreckenden leiblichen Nachkommen des angeblichen Homeros; insbesondere ist die Insel Chios der Ort, auf welchen fast alle Angaben bezüglich der Homeriden hinweisen. Die Annahme einer eigentlich genealogischen Fortpflanzung des Geschlechtes vom ersten angeblichen Stammvater an fällt natürlich großenteils auf Rechnung der Anschauungsweise und Manier der Tradition bei den Alten überhaupt; das geschichtliche Faktum aber, welches zu Grunde liegt, beruht darin, daß auf Chios ganz vorzüglich die Pflege homerischer Dichtungsweise in Inhalt und Vortrag sich längere Zeit erhielt, wodurch der Zusammenstellung der homerischen Gesänge entweder vorgearbeitet, oder dieselbe zum Theile wirklich bewerkstelligt wurde. keiner genannt. – Aber wird etwa ein Krieg erwähnt, welcher zur Zeit des Homeros unter seiner Leitung oder auf seinen Beirath hin gut geführt wurde? – Nein, keiner. – Aber etwa solche Werke eines weisen Mannes, wie gar viele erfinderische Gedanken bezüglich der Künste oder anderweitigen Thuns berichtet werden, wie z. B. von dem Milesier Thales und dem Skythen AnacharsisDem Thales wurden mannigfache Erfindungen in Bezug auf Geometrie und deren Anwendung zugeschrieben; Anacharsis aber, welcher gleichfalls den sog. sieben Weisen beigezählt wurde (s. m. Uebers. d. gr. Ph. S. 11), soll namentlich für Veredlung der Sitten überhaupt in Skythien höchst förderlich gewirkt haben.? – Keineswegs irgend Etwas dieser Art. – Aber wenn denn nicht in staatlichen Dingen, wird Etwa betreffs Einzelner erwähnt, daß ihnen Homeros bei Lebzeiten ein Führer der Bildung geworden sei, welche ihn dann wegen des Verkehres mit ihm liebgewonnen und den Nachkommen einen homerischen Pfad des Lebens hinterlassen hätten, sowie Pythagoras sowohl selbst ausnehmend deswegen geliebt wurde, als auch die Späteren noch jetzt in einer Lebensweise, welche sie als die pythagoreische bezeichnen, besonders unter den Uebrigen hervorzuleuchten scheinen. – Auch Derartiges hinwiederum, sagte er, wird Nichts erwähnt; denn KreophylosKreophylos wird als einer der Aeltesten unter jenen Homeriden, auch als Freund oder selbst als Schwiegersohn des Homeros bezeichnet; von seinen Nachkommen soll Lycurgus die homerischen Gedichte bekommen haben; auch wird von einer Veruntreuung berichtet, insoferne Kreophylos ein Gedicht des Homeros als sein eigenes Produkt ausgegeben habe. Was die hier gemachte Anspielung auf den Namen betrifft, so bedeutet die erste Hälfte desselben (κρέας) Fleisch, die zweite (φυλή) Stamm oder Geschlecht., der Freund des Homeros, möchte vielleicht, o Sokrates, noch lächerlicher, als sein Name schon ist, bezüglich der Bildung sich zeigen, woferne wahr ist, was über Homeros gesagt wird; man sagt nämlich, daß er, so lange er lebte, eben unter dem Einflusse Jenes sehr vernachlässigt wurde. –

4. Allerdings sagt man wenigstens so, sprach ich; aber glaubst du, o Glaukon, daß, wenn Homeros wirklich im Stande gewesen wäre, Menschen zu bilden und besser zu machen, insoferne er in dieser Beziehung nicht bloß zur Nachahmung, sondern auch zur Einsicht befähigt gewesen wäre, er sich dann nicht gar viele Freunde erworben hätte und von diesen geehrt und gelabt worden wäre, wohingegen ja Protagoras von Abdera und Prodikos von KeosS. über dieselben m. Uebers. d. gr. Ph. S. 46 f. und gar viele Andere befähigt sind, ihren Gefährten durch Einzel-Umgang so beizustehen, daß jene weder ihr eigenes Haus, noch ihren Staat einzurichten vermögen, wenn nicht sie über die ganze Bildung wachen, und sie dann wegen dieser Weisheit so sehr geehrt werden, daß ihre Genossen sie fast auf den Köpfen herumtragen; den Homeros aber, oder auch den Hesiodos hätten etwa seine Zeitgenossen, wenn er im Stande gewesen wäre, den Menschen bezüglich der Vortrefflichkeit Nutzen zu bringen, als Volksänger herumziehen lassen, und nicht in weit höherem Grade, als an Gold, sich an ihn angeklammert und ihn nicht genöthigt, bei ihnen zu Hause zu bleiben, oder falls sie ihn nicht hiezu überreden konnten, nicht selbst sich auf den Weg gemacht und dort die Erziehung veranstaltet, bis sie in genügender Weise Bildung erreicht werden? – Durchaus, o Sokrates, sagte er, scheinst du mir wahr zu sprechen. – Nicht wahr also, nun wollen wir die Behauptung aufstellen, daß von Homeros angefangen alle Dichter nur Nachahmer von Abbildern der Vortrefflichkeit und der übrigen Dinge, welche sie dichten, seien, aber die Wahrheit gar nicht berühren, sondern daß, wie wir so eben sagten, der Maler einen Lederarbeiter eben als einen Scheinbaren malen wird, wobei sowohl er selbst von der Lederverarbeitung Nichts versteht, als auch für Leute malt, welche gleichfalls Nichts davon verstehen, hingegen nur aus den Farben und Formen es betrachten. – Ja wohl, allerdings. – Auf diese Weise demnach, glaube ich, werden wir behaupten, daß auch der Dichter irgend einige Farben der einzelnen Künste vermittelst der Namen und Worte hinstreiche, ohne selbst Etwas zu verstehen, sondern er eben nur es nachahme, so daß anderen eben so Beschaffenen, welche es aus den Sprachausdrücken betrachten, es ganz gut gesagt zu sein scheint, mag von der Lederverarbeitung oder von Feldherrnwürde oder irgend etwas Anderem in Versmaß und Rhythmus und musikalischer Composition die Rede sein, und daß dann auf diese Weise Solches von Natur aus einen gewissen mächtigen Zauber-Reiz ausübe; denn was die Produkte der Dichter betrifft, wenn sie von den musischen Farben entkleidet sind und bloß an und für sich ausgesprochen werden, so glaube ich wohl, du wissest bereits, wie sie dann sich zeigen; denn du hast sie wohl schon gesehen. – Ja, gewiß. – Nicht wahr also, sagte ich, sie gleichen den Gesichtern derjenigen, welche nur jugendlich frisch, aber nicht schön sind, wie nemlich Dieselben später dann anzuschauen sind, wenn die Jugendblüthe sie verlassen hat. – Ja wohl, durchaus so, sagte er. – So komm denn und betrachte nun Folgendes: Der Verfertiger des Abbildes, nemlich der Nachahmer, sagen wir, versteht von dem wirklich Seienden Nichts, wohl aber Etwas von dem Erscheinenden; oder sagen wir nicht so? – Ja. – Wollen wir also nicht in halber Weise dieß bloß sagen und dann liegen lassen, sondern genügend es betrachten? – Sprich nur, sagte er. – Der Maler, sagen wir, wird das Lederwerk und das Gebiß eines Zügels malen? – Ja. – Verfertigen aber wird dieß ja der Lederarbeiter und der Metallarbeiter? – Ja, allerdings. – Versteht es nun der Maler, wie beschaffen jenes Lederwerk und das Gebiß sein müsse, oder versteht dieß auch nicht einmal der Verfertiger, nemlich der Metallarbeiter und der Lederarbeiter, sondern nur derjenige, welcher des Gebrauches jener Dinge kundig ist, nemlich der Reitkundige? – Dieß ist sehr wahr. – Werden wir also nun nicht sagen, daß es bei Allem sich ebenso verhalte? – Wie? – Daß bezüglich eines jeden Dinges es drei Künste gebe, eine gebrauchende, eine verfertigende und eine nachahmende? – Ja. – Nicht wahr also, Vortrefflichkeit und Schönheit und Richtigkeit eines jeden Geräthes und jeden lebenden Wesens und jeder Handlung beziehen sich auf nichts Anderes, als auf den Gebrauch, zu welchem jedes einzelne verfertigt oder von Natur entstanden ist? – Ja, so ist es. – Durchaus nothwendig also muß betreffs eines Jeden der Gebrauchende der Erfahrenste sein und dem Verfertiger es angeben, welcherlei jener als Gutes und als Schlechtes für jenen Gebrauch, den er davon macht, verfertige; wie z. B. der Flötenspieler gibt dem Flöten-Verfertiger betreffs der Flöten es an, welche tauglich seien zum Flötenspielen, und er trägt ihm auf, von welcher Beschaffenheit er sie verfertigen solle, jener aber wird das Taugliche in's Werk setzen. – Wie sollte es auch anders sein? – Nicht wahr also, der Wissende gibt es betreffs der guten und schlechten Flöten an, Jener aber glaubt ihm und verfertigt sie so? – Ja. – Also der Verfertiger Ein und des nemlichen Geräthes wird den richtigen Glauben betreffs der Schönheit und Schlechtigkeit haben, indem er mit dem Wissenden beisammen ist und genöthigt wird, es vom Wissenden zu hören; der Gebrauchende hingegen wird das Wissen haben? – Ja, allerdings. – Wird aber der Nachahmer etwa in Folge des Gebrauchens ein Wissen über dasjenige haben, was er malt, ob es schön und richtig sei oder nicht, oder wird er eine richtige Meinung darüber haben, weil er etwa nothwendig mit dem Wissenden beisammen ist und von ihm die Befehle erhält, welcherlei er malen soll? – Keines von beiden. – Weder ein Wissen also, noch eine richtige Meinung wird der Nachahmer betreffs dessen, was er nachahmt, in Bezug auf Schönheit oder Schlechtigkeit desselben haben. – Es scheint nicht. – Ein gar köstlicher Mensch also möchte wohl der vermöge der Nachahmung Nachahmende bezüglich der Weisheit bei jenem sein was er verfertigt. – Wohl nicht gar zu köstlich. – Aber dennoch ja nun wird er eben nachahmen, obwohl er bei dem Einzelnen nicht weiß, in welcher Beziehung es schlecht oder brauchbar sei; hingegen gerade das wird er, wie es scheint, nachahmen, was der Menge und den Nichtwissenden als schön erscheint. – Wie sollte er auch etwas Anderes nachahmen? – Darüber demnach haben wir uns, wie sich zeigt, nun so ziemlich verständigt, daß der Nachahmende Nichts der Rede Werthes über dasjenige weiß, was er nachahmt, sondern daß die Nachahmung irgend ein Spiel, nicht aber ein Ernst ist, und daß alle Diejenigen, welche an die hochtrabende Dichtkunst in jambischen oder in epischen Versen sich machen, im höchst möglichen Grade Nachahmer seien. – Ja wohl, allerdings. –

5. Bei Gott aber, sagte ich, steht eben dieses Nachahmen nicht in dritter Linie entfernt von der Wahrheit? Oder wie? – Ja. – Auf welchen Theil des Menschen nun übt es seine Macht aus? – Was meinst du wohl hiemit? – Folgendes: Ein und die nemliche Größe erscheint uns doch wohl vermittelst des Gesichtssinnes von Nahe und von Ferne nicht gleichgroß? – Nein, allerdings nicht. – Und Ein und das Nemliche erscheint gebogen und geradlinig, wenn wir es im Wasser und außerhalb desselben sehen, und auch wiederum hohl und erhaben erscheint Etwas wegen des die Farben betreffenden Irrthumes des Gesichtssinnes, und es ist klar, daß diese gesammte Verwirrung in unserer Seele sich einfindet; diesem Zustande unserer Natur bereitet dann die Kunst der Schattenrisse Nachstellungen und bleibt hierin hinter einer Zauberei nicht zurück, und ebenso auch die Taschenspielerkunst und viele andere derartige Veranstaltungen. – Dieß ist wahr. – Haben sich nun nicht das Messen und das Zählen und das Wägen als die köstlichsten Hilfsmittel hiegegen gezeigt, so daß in uns nicht der bloße Schein des Größeren oder Kleineren oder des Mehreren oder des Schwereren eine Herrschaft ausübe, sondern eben das Rechnende und Messende und Wägende? – Warum auch nicht? – Aber dieß ja nun wäre doch wohl ein Werk des vernünftigen Theiles in der Seele? – Ja, allerdings. – Häufig aber wird diesem, während er mißt und von irgend Dingen es ausspricht, daß sie größer oder kleiner als andere oder gleichgroß seien, zugleich betreffs der nemlichen Dinge das Gegentheil erscheinen. – Ja. – Nicht wahr also, wir behaupteten B. IV, Cap. 12., es sei unmöglich, daß Ein und der nemliche Theil über das Nemliche zugleich entgegengesetzte Meinungen habe? – Ja, und mit Recht behaupteten wir es. – Also jener Theil der Seele, welcher eine dem Messen widersprechende Meinung hat, ist nicht der nemliche, wie jener, welcher eine dem Messen entsprechende hat? – Nein, allerdings nicht. – Nun aber möchte wohl jener Theil, welcher dem Messen und Rechnen vertraut, das Beste in der Seele sein. – Wie sollte es auch anders sein? – Also dürfte wohl dasjenige, was diesem sich widersetzt, zu dem Schlechten in uns gehören. – Ja, nothwendig. – Dieß demnach ist es, worüber ich eine Verständigung erzielen wollte, als ich sagte, daß die Malerei und überhaupt die Kunst des Nachahmens weit von der Wahrheit entfernt ihr Werk vollbringt, und hinwiederum auch mit jenem in uns, was weit von der Verständigkeit entfernt ist, umgeht und mit ihm verbunden und befreundet ist zu keinem gesunden und keinem wahren Zwecke. – Ja, durchaus so, sagte er. – Also als eine schlechte mit Schlechten verkehrend erzeugt schlechte Dinge die Kunst der Nachahmung. – Ja, so scheint es. – Etwa nun bloß jene, sagte ich, welche sich auf den Gesichtssinn bezieht, oder auch die auf das Gehör bezügliche, welche wir als Dichtkunst bezeichnen? – Es scheint wenigstens, sagte er, daß auch diese. – Wir wollen demnach nicht bloß jenem Wahrscheinlichen vertrauen, welches sich uns aus der Malerei ergibt, sondern auch gerade zu jenem Theile der Denkthätigkeit uns wenden, mit welchem die nachahmende Dichtkunst in Verkehr steht, und sehen, ob derselbe schlecht oder tüchtig sei. – Dieß müssen wir wohl. – Folgendermassen denn nun wollen wir uns dieß vor Augen stellen: Handelnde Menschen, behaupten wir, ahmt diese Kunst der Nachahmung nach, welche entweder in gewaltmäßigen oder in freiwilligen Handlungen sich betätigen und in Folge hievon sich gut oder schlecht zu befinden glauben und bei all diesem entweder Schmerz oder Freude empfinden, oder etwa außer diesem auch noch anderes? – Nein, nichts Anderes. – Verhält sich nun bei all diesem der Mensch in seinem Denken einstimmig, oder wird er, sowie er bezüglich des Gesichtssinnes in Zwiespalt war und in sich selbst zugleich entgegengesetzte Meinungen betreffs des Nemlichen hatte, ebenso auch in den Handlungen in Zwiespalt sein und selbst mit sich selbst kämpfen? ich erinnere mich aber, daß es uns jetzt nicht mehr nöthig ist, uns hierüber zu verständigen, denn in den obigen Begründungen B. IV, Cap. 14. haben wir uns hinreichend über all dieses verständigt, daß unsere Seele von unzähligen derartigen Gegensätzen, welche zugleich eintreten, strotze. – Dieß ist richtig, sagte er. – Ja, allerdings richtig, sprach ich; aber was wir damals übergingen, müssen wir, wie mir scheint, jetzt nothwendig durchgehen. – Was meinst du hiemit? sagte er. – Daß ein tüchtiger Mann, sprach ich, wenn er eines derartigen Geschickes theilhaftig wird, indem er einen Sohn oder irgend etwas anderes hoch Geschätztes verliert, wohl am leichtesten unter allen Uebrigen solches ertragen wird, gaben wir auch damals schon an B. III, Cap. 1 u. 2.. – Ja, allerdings. – Jetzt aber wollen wir Folgendes erwägen, ob er überhaupt über Nichts sich betrüben wird, oder ob dieß wohl unmöglich sei, er aber bezüglich des Schmerzes irgend Maß halten werde. – In letzterer Weise, sagte er, ist es wohl eher das Wahre. – Sage mir aber Folgendes betreffs desselben: glaubst du, daß er eher mit dem Schmerze kämpfen und ihm widerstehen werde, wenn er von Seines Gleichen gesehen wird, oder wenn er in Einsamkeit allein bei sich selbst sich befindet? – Einen großen Unterschied doch wohl, sagte er, wird es machen, wenn er gesehen wird. – Hingegen ja in der Vereinsamung, glaube ich, wird er Vieles auszusprechen wagen, worüber er sich schämen würde, wenn es Jemand hörte, und Vieles auch thun, wovon er wohl nicht gerne hätte, daß man es ihn verüben sähe. – Ja, so verhält sich's, sagte er. –


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