Platon
Plato's Staat
Platon

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9. Nicht wahr also andrerseits, sprach ich, wird derjenige, welcher nicht so ist, gerade, je verwerflicher er selbst ist, desto mehr sowohl Sämmtliches kundgeben wollen und Nichts seiner für unwürdig halten, so daß er versuchen wird, Alles mit Eifer und in Gegenwart Vieler nachzuahmen, als auch wird er nachahmen, was wir so eben erwähnten, nemlich Donnerschläge und den Lärm von Winden und Hagelwetter, von Wagen-Achsen und von Haspeln, von Trompeten und von Flöten und von Pfeifen und aller Instrumente Stimmen, und auch die Laute von Hunden und von Schafen und von Vögeln; und es wird demnach der Sprachausdruck dieses Mannes insgesammt vermittelst der Nachahmung in Stimmen und Gestalten sich bewegen, oder nur irgend einen kleinen Theil an eigentlicher Kundgebung enthalten. – Ja, nothwendig, sagte er, ist auch dieses. – Dieß demnach, sagte ich, sind die zwei Arten des Sprachausdruckes, von welchen ich sprach. – Ja, sie sind es auch, sagte er. – Nicht wahr also, die eine der beiden enthält nur geringe Veränderungen in sich, und wenn Jemand diesem seinem Sprachausdrucke eine passende Tonweise und Rhythmus verleiht, so wird er, insoferne er sich richtig ausdrückt, fast immer in der nemlichen Weise sprechen können und nur in Einer Tonweise (denn gering ja sind die Veränderungen) und ebenso auch in irgend einem hiemit verwandten Rhythmus? – Gar sehr allerdings, sagte er, verhält sich's so. – Was weiter? wird die Art des Anderen nicht das Entgegengesetzte hievon bedürfen, nemlich sämmtliche Tonweisen und sämmtliche Rhythmen, woferne auch sie ihrerseits in der ihr eigenthümlichen Weise ausgedrückt werden soll, weil sie ja alle möglichen Gestaltungen von Veränderungen in sich enthält? – Ja, gewiß verhält sich's so. – Werden also wohl sämmtliche Dichter und Erzähler entweder auf das eine dieser beiden Gepräge des Sprachausdrucks verfallen, oder auf das andere derselben, oder auf ein aus beiden gemischtes? – Ja, nothwendig, sagte er. – Was also werden wir thun? sprach ich; werden wir in unseren Staat alle diese zulassen, oder nur Eines von den ungemischten oder das gemischte? – Wenn meine Ansicht, sagte er, durchdringt, so werden wir jenes ungemischte Gepräge zulassen, welches eine Nachahmung des Tüchtigen ist. – Nun aber, o Adeimantos, ist ja auch schon das gemischte ein gar vergnügliches, bei weitem aber das vergnüglichste ist für Kinder und deren Aufseher das Entgegengesetzte von jenem, welches du meinst, und eben auch für den großen Haufen. – Ja wohl, das vergnüglichste. – Aber vielleicht ja, erwiederte ich, möchtest du sagen, daß dieses für unseren Staat nicht passe, weil es bei uns keinen zweifachen oder mehrfachen Mann gibt, sondern Jeder nur Eines vollführt. – Ja, allerdings paßt es darum nicht. – Nicht wahr also, darum werden wir ja allein in dem derartigen Staate den Lederarbeiter eben nur als Lederarbeiter und nicht zugleich als Steuermann neben seinem Ledergeschäfte treffen, und den Landbebauer nur als Landbebauer und nicht zugleich als Richter neben seinem Landbaue, und den Krieger nur als Krieger und nicht als Gelderwerber neben seiner Kriegskunst, und so auch alle Uebrigen? – Ja, in Wahrheit, sagte er. – Einen Mann demnach, welcher in Folge seiner Weisheit die Fähigkeit hat, ein Mannigfaltiger zu werden und alle Dinge nachzuahmen, würden wir, wie es scheint, wenn er zu uns in den Staat käme und sich selbst und seine Dichterwerke hören lassen wollte, wohl wie einen Gottgeweihten und Staunenswerten und Vergnügungsreichen verehren, aber ihm doch wohl sagen, daß es bei uns in unserem Staate keine derartigen Männer gibt und auch nicht erlaubt ist, daß Solche sich einfinden, und wir würden ihn daher fortschicken in einen anderen Staat, nachdem wir Salben über sein Haupt geträufelt und es mit Wolle bekränzt, wir selbst unter uns hingegen würden von dem herberen und weniger vergnügungsreichen Dichter und Fabel-Erzähler Gebrauch machen um des Nutzens willen, von jenem nemlich, welcher uns den Sprachausdruck des Tüchtigen nachahmen und auch den Inhalt seiner Rede in jenen Geprägen aussprechen würde, welche wir zu Anfang schon B. II, Cap. 18 ff., als wir versuchten, die Krieger zu bilden, als Gesetze aufstellten. – Ja wohl, gar sehr würden wir es so machen, sagte er, woferne es bei uns stünde. – Jetzt demnach, mein Freund, sprach ich, kommt es darauf hinaus, daß wir, was innerhalb der musischen Bildung die mündlichen Ansprüche und die Fabeln betrifft, nun völlig zu Ende gekommen sind; wir haben nemlich hiemit angegeben, sowohl was ausgesprochen werden solle, als auch wie. – Ja, auch mir selbst scheint es so, sagte er. –

10. Nicht wahr also, sprach ich, hiernach ist noch übrig, was die Art und Weise des Gesanges und der Lieder betrifft? – Ja, klärlich. – Würde also nicht wohl bereits ein Jeder es selbst finden, was wir betreffs der nothwendigen Beschaffenheit derselben sagen müssen, woferne wir nur im Einklang mit dem früher Gesagten bleiben wollen? – Und Glaukon lachte hiezu und sagte: Bei mir demnach, o Sokrates, kömmt es darauf hinaus, daß ich bei diesem »Jeder« nicht mitgerechnet bin; nicht genügend ja kann ich wenigstens im gegenwärtigen Augenblicke schon schließen, welche Beschaffenheit wir von jenem angeben sollen; nur vermuthen jedoch kann ich es. – Jedenfalls denn nun, sagte ich, kannst du doch wohl folgendes genügend angeben, daß das Lied aus drei Dingen besteht, nemlich aus den Worten und aus der Tonweise und aus dem Rhythmus. – Ja, sagte er; dieß wenigstens kann ich angeben. – Nicht wahr also, was an ihm die Worte sind, so unterscheidet es sich hierin doch wohl in Nichts von dem nicht gesungenen Worte bezüglich der Nothwendigkeit, in eben jenen Geprägen und in der gleichen Weise ausgedrückt zu werden, welche wir so eben im Vorigen angaben? – Dieß ist wahr, sagte er. – Und nun muß aber ja die Tonweise und der Rhythmus den Worten folgen. – Wie sollte es auch nicht so sein? – Aber von Thränen und Wehklagen haben wir wenigstens schon gesagt Oben, Cap. 2., daß wir sie bei den mündlichen Aussprüchen nicht bedürfen. – Allerdings bedürfen wir sie nicht. – Welche TonweisenWas die Theorie der Musik bei den Alten betrifft, auf welche hier Bezug genommen ist, so verweise ich wohl am besten auf Fortlage's Artikel Rhythmica in Pauly's Real-Encyclopädie der class. Alterth.-Wissensch. (Bd. IV. S. 590 ff.), insoferne unmöglich hier bloß gelegentlich dieser ganze schwierige und verwickelte Gegenstand erörtert werden kann. Nur so viel möge bezüglich der hier erwähnten Tonweisen für ein populäreres Verständniß hiemit angeführt werden, daß die antike Musik ursprünglich aus der viersaitigen Lyra (dem Tetrachorde) sich entwickelte, wobei die Intervallen der vier Saiten aus drei ganzen und einem halben Tone bestanden, daß dann durch Vereinigung zweier Tetrachorde das für alle Zukunft maßgebende Heptachord entstand, welches den Umfang einer Octave enthielt, und daß die Verschiedenheit der Tonweisen je von der Stelle abhing, welche der eine halbe Ton in der Reihenfolge der ganzen Töne in beiden Hälften der Octave einnahm; die hier genannten Tonleitern nemlich sind, nach der Tastatur unserer Klaviere in der Richtung von oben nach unten genommen, folgende:

die streng lyrische c h a g f e d c
die gemischt lyrische (mixolydisch): c ais gis fis f dis cis c
die schlaff lydische (hypolydisch): c h a g fis e d c
die jonische, d. h. die hypophrygische: c ais a g f e d c
die phrygische: c ais a g f dis d c
die dorische: c ais gis g f dis cis c
hier nicht genannt ist die hypodorische    c ais gis g f dis d c,

oder mit anderen Worten, wenn wir mit dem oberen Grundtone wechseln, ist

c h a g f e d c    lydisch,
h a g f e d c h mixolydisch,
a g f e d c h a hypodorisch,
g f e d c h a g hypophrygisch,
f e d c h a g f hypolydisch,
e d c h a g f e dorisch,
d c h a g f e d phrygisch.
also sind wehklagend? sage du es mir, denn du bist ein Musiker. – Die gemischt lydische und die streng lydische, sagte er, und einige andere derartige. – Nicht wahr also, sagte ich, diese müssen wir tilgen; denn unbrauchbar sind sie selbst auch für Weiber, welche tüchtig sein sollen, geschweige denn erst für Männer. – Ja, allerdings. – Nun aber ist ja Trunkenheit und Weichlichkeit und Trägheit für Wächter das allerunpassendste. – Wie sollte es auch nicht so sein? – Welche unter den Tonweisen also sind weichlich und für Trinkgelage geeignet? – Die Jonische, sagte er, und unter den lydischen jene, welche man als die weniger strengen bezeichnet. – Wirst du also diese, mein Freund, für kriegerische Männer irgend anwenden können? – In keiner Weise, sagte er; aber es kömmt darauf hinaus, daß dir nur die dorische und die phrygische übrig bleiben. – Ich kenne, sagte ich, die Tonweisen nicht selbst; aber laß du nur eben jene Tonweise übrig, welche die Töne und die Ausrufe eines tapferen Mannes in passender Weise nachahmt, sowohl wenn dieselbe in kriegerischem Thun und in jeder anderen gewaltmäßigen Werkthätigkeit begriffen ist, als auch wenn er sein Ziel nicht erreicht und in Wunden und Tod geht oder in irgend ein anderes Mißgeschick geräth, bei all diesem aber fest auf seinem Posten bleibt und mit Ausdauer gegen das Geschick sich wehrt; und hinwiederum auch noch eine zweite Tonart für den Fall, daß er in friedlichem und nicht gewaltmäßigem, sondern freiwilligem Thun begriffen ist, indem er entweder irgend Einen überredet und bittet, sei es einen Gott durch Gebet, oder einen Menschen durch Belehrung und Ermahnung, oder im Gegentheile einem anderen ihn bittenden oder Belehrenden oder Ueberredenden sich selbst hingibt, und in Folge hievon nach seinem Sinne handelt, und nicht übermüthig sich verhält, sondern besonnen und mit richtigem Maße bei all diesem verfährt und bei dem Erfolge sich begnügt. Diese beiden Tonweisen, eine gewaltmäßige und eine freiwillige, welche die Töne der unglücklichen und der glücklichen Männer, welche besonnen und tapfer sind, am schönsten nachahmen, diese beiden also laß mir übrig. – Aber, sagte er, du willst hiemit keine anderen übrig gelassen wissen, als eben jene zwei, welche ich so eben nannte. – Nicht also, sprach ich, werden wir einen Reichthum an Saiten oder eine Vereinigung aller Tonweisen in den Gesängen und Liedern bedürfen. – Es zeigt sich mir, sagte er, daß wir Solches nicht bedürfen. – Die Verfertiger also jener Formen, welche wir Trigonon und PektisDas Trigonon war ein Saiteninstrument von dreieckiger Form (ähnlich unseren Harfen), mit vielen Saiten verschiedener Länge bespannt; von der Pektis wissen wir, daß sie zwanzig Saiten hatte und mit beiden Händen gespielt wurde. nennen, und aller jener Instrumente, welche viele Saiten haben und zu mannigfaltigen Tonweisen passen, werden wir in unserem Staate nicht ernähren. – Es zeigt sich, daß wir dieß nicht thun werden. – Wie aber? wirst du etwa Flöten-Verfertiger oder Flötenbläser in den Staat aufnehmen wollen? oder ist dieß nicht eben das tonreichste Instrument, und sind nicht gerade jene Vereinigungen aller Tonweisen nur Nachahmungen der Flöte? – Dieß ist ja klar, sagte er. – Die Lyra demnach und die Kithara, sagte ich, bleiben dir übrig, und diese sind bezüglich des Staates brauchbar, und hinwiederum auf dem Lande für die Hirten möchte es wohl eine Art einfacher Rohrpfeifen geben. – Ja, sagte er, wie wenigstens unsere Begründung dieß ausspricht. – Nichts neues wenigstens, mein Freund, sprach ich, thun wir hiemit, indem wir dem Apollo und den Instrumenten des Apollo vor dem Marsyas und den Instrumenten desselbenS. m. Anm. 68 z. Gastmahl. den Vorzug geben. – Bei Gott, sagte er, Nichts Neues scheinen wir hiemit zu thun. – Und ja wohl, beim HundeS. m. Anm. 41 z. Phädon., sprach ich, wir haben hiemit, ohne daß wir es selbst bemerkten, den Staat wieder gereinigt, welchen wir oben B. II Cap. 13. als einen üppigen bezeichnet hatten. – Ja wohl, sagte er, indem wenigstens wir die Besonnenen waren. –

11. Wohlan denn, sagte ich, so wollen wir nun auch das Uebrige reinigen; nemlich auf die Tonweisen dürfte uns zunächst folgen, was die Rhythmen betrifft, nemlich daß wir auch bei ihnen nicht nach Buntheit und nicht nach allen möglichen Taktschritten streben dürfen, sondern darauf sehen müssen, welches die Rhythmen eines ordentlichen und tapferen Lebens seien; und haben wir dieß gesehen, so müssen wir den Versfuß und das Lied nöthigen, den derartigen Worten zu folgen, nicht aber die Worte, dem Versfuße und dem Liede zu folgen. Welches aber diese Rhythmen seien, dieß anzugeben ist wieder wie bei den Tonweisen deine Aufgabe. – Aber bei Gott, sagte er, ich kann dieß nicht sagen; denn daß es irgend drei Grundformen gibt, aus welchen alle Taktschritte geflochten werden, wie bei den Tönen jene obigen vierNemlich die lydische, die jonische, die phrygische, die dorische Tonart. es sind, aus welchen alle Tonweisen entstehen, könnte ich wohl, weil ich es beobachtet habe, anführen, aber welche hievon die Nachahmungen von bestimmten Lebensweisen und von welchen sie es seien, kann ich nicht sagen. – Aber dieß ja, sprach ich, werden wir wohl mit Beiziehung des DamonEiner der berühmtesten Musiker zur Zeit Plato's; auch in den übrigen damaligen Bildungs-Gegenständen, besonders in Rhetorik und Philosophie, scheint er mehr als die gewöhnliche Stufe erreicht zu haben; vor Allem aber wird auch sein politischer Einfluß auf Perikles, welcher in der Musik sein Schüler war, erwähnt. berathen, welches die passenden Taktschritte für einen unfreien Sinn oder für Uebermuth und für Wahnsinn oder eine andere Schlechtigkeit seien, und welche Rhythmen man für das diesem Entgegengesetzte übrig lassen müsse; ich glaube aber, nicht völlig deutlich von ihm gehört zu haben, wie er irgend Einen als den zusammengesetzten Waffenschritt und als den Dactylus und als den heroischen Schritt bezeichnete, und ihn, ich weiß nicht wie, anordnete und als einen gleichen zu oberst und zu unterst stellte, so daß er sowohl in eine kurze, als auch in eine lange Silbe auslief; und sodann bezeichnete er, wie ich glaube, Einen als Jambus und wieder einen anderen als Trochäus, und fügte Längen und Kürzen hinzuEs scheint nämlich Plato (oder vielmehr Damon) insoferne drei Grundformen der Metrik angenommen zu haben, als er erstens bei dem Takte des Marsch-Tempo's die Gleichheit der Zeitdauer der beiden Takt-Theile in's Auge faßte und zu diesem Metrum also als zeitlich gleichgeltend den Daktylus (– ^ ^) und den Spondeus (– –) und den Anapäst (^ ^ –) rechnete, deren mannigfache Kombinationen unter sich dann sämmtlich zur ersten metrischen Gattung gehören würden; die zweite Gattung dann wäre der Jambus (^ –), und die dritte der Trochäus (– ^); auch bei jeder dieser beiden würden mehrere Einzel-Füße vereinigt, bei allen drei Gattungen aber noch durch Hinzufügung einzelner langer oder kurzer Silben die größte metrische Mannigfaltigkeit ermöglicht.; und von all diesem tadelte und lobte er, glaube ich, bei einigen die Bildung des Versfußes nicht weniger als die Rhythmen selbst, oder auch beides zusammen; ich kann dieß nemlich nicht so sagen. Aber dieß, wie gesagt, möge auf den Damon hinausgeschoben bleiben, denn es vollständig zu gliedern erfordert keine kleine Begründung; oder glaubst du es zu können? – Bei Gott, ich gewiß nicht. – Aber Folgendes ja kannst du wohl gliedern, daß die Wohlanständigkeit und die Unanständigkeit dem Rhythmischen und dem Unrhythmischen folgt? – Warum auch nicht? – Nun aber folgen ja das Rhythmische und das Unrhythmische wieder dem Sprachausdrucke, nemlich ersteres dem Schönen und letzteres dem Entgegengesetzten, weil sie jenen ähnlich sind, und ebenso auch das Harmonische und das Unharmonische, woferne ja, wie wir so eben vorhin sagten, Rhythmus und Tonweise den Worten folgen, nicht aber die Worte diesen. – Nun aber sollen hiemit, sagte er, auch wirklich diese den Worten folgen. – Wie aber? sagte ich; folgt nicht die Art und Weise des Sprachausdruckes und das Wort selbst dem Charakter der Seele? – Wie sollte es nicht so sein? – Dem Sprachausdrucke aber eben folgt das Uebrige? – Ja. – Die Wohlredenheit also und die richtige Harmonie und die Wohlanständigkeit und der richtige Rhythmus folgen der Gutmütigkeit, nicht aber in jener Bedeutung dieses Wortes, in welcher wir es mit milderndem Ausdrucke statt Einfältigkeit gebrauchen, sondern in der Bedeutung einer Gesinnung welche in Wahrheit bezüglich des Gemüthes gut und richtig beschaffen ist. – Ja, völlig so, sagte er. – Müssen also nicht etwa in allen Dingen die jungen Leute eben nach jenen Eigenschaften streben, woferne sie ihre Pflicht thun sollen? – Ja, sie müssen darnach streben. – Voll von jenen aber ist ja doch wohl die Zeichnungskunst und jede derartige Werkthätigkeit, voll auch die Weberkunst und die Buntfärberei und die Baukunst und hinwiederum jede Herstellung der übrigen Geräthe, ferner aber auch die Natur der Leiber und selbst anderweitig die der Pflanzen; denn in all diesem gibt es eine Wohlanständigkeit und eine Unanständigkeit, und die Unanständigkeit und schlechter Rhythmus und schlechte Harmonie sind Geschwisterte der schlechten Rede und des schlechten Gemüthes, die gegenteiligen Eigenschaften aber sind Geschwisterte und Nachahmungen des Gegenteiligen, nemlich des besonnenen und guten Gemüthes. – Ja, völlig so, sagte er. –

12. Müssen wir also nur die Dichter allein beaufsichtigen und dabei nöthigen, entweder das Bild des guten Charakters ihren Gedichten einzupflanzen oder bei uns sich der Dichtung zu enthalten, oder müssen wir auch die übrigen Werkmeister beaufsichtigen und sie hindern, daß sie jenes Bösartige und Zügellose und Sklavische und Unanständige etwa in Bildern von Thieren oder in Gebäuden oder in irgend einem anderen Werke ihrer Kunst einpflanzen, oder aber darf, wer nicht befähigt ist, bei uns zur Werkthätigkeit gar nicht zugelassen werden, damit nicht unsere Wächter in Bildern der Schlechtigkeit erzogen, gleichsam wie bei schlechtem Grasfutter jeden Tag Vieles allmälig von Vielem abpflückend und verzehrend, zulegt unbemerkt irgend Ein großes Uebel in ihrer eigenen Seele aufpflanzen; sondern müssen wir vielmehr jene Werkmeister aufsuchen, welche in guter Begabung die Fähigkeit haben, die Natur des Schönen und Anständigen aufzuspüren, damit die jungen Leute, gleichsam wie in einer gesunden Gegend wohnend, von Jeglichem Nutzen erfahren, woher nur an sie von schönen Thaten, sei es zum Anblicke oder sei es zum Gehöre, gleichsam eine Luftströmung herandringt, welche von trefflichen Gegenden her Gesundheit bringt, und sogleich von Kindheit an unvermerkt zur Aehnlichkeit mit den guten mündlichen Aussprüchen und zur Liebe zu denselben und zum Einklange mit ihnen führt? – Ja, bei weitem wohl am schönsten, sagte er, würden sie auf diese Weise erzogen. – Ist also wohl, o Glaukon, sprach ich, um dieser Dinge willen die Erziehung in musischer Bildung die bedeutendste, weil zumeist in das Innere der Seele der Rhythmus und die Tonweise eindringen und am stärksten sie ergreifen, wenn sie Wohlanständigkeit mit sich bringen, und sie selbst zu einer wohlanständigen machen, woferne Jemand richtig erzogen ist, woferne aber nicht, das Gegentheil bewirken; und weil hinwiederum auch dasjenige, was hinter dem Ziele zurückbleibt und nicht trefflich gearbeitet oder nicht trefflich von Natur aus entstanden ist, wohl Jener am schärfsten herausfühlt, welcher dort, wie es sein soll, erzogen wurde, und ein Solcher denn auch in richtigem Mißbehagen über jenes das Schöne loben und, sich daran erfreuend und in seine Seele es aufnehmend, durch dasselbe erzogen und so selbst ein Guter und Trefflicher werden würde, das Schimpfliche aber in richtiger Weise tadeln und noch in seiner Jugend hassen würde, noch ehe er fähig ist, einen Vernunftgrund zu erfassen; wenn aber dann der Vernunftgrund kömmt, würde wohl der auf diese Weise Erzogene zumeist ihn lieben, weil er ihn vermöge einer Aehnlichkeit erkennt. – Mir wenigstes scheint, sagte er, um des Derartigen willen die Erziehung in der musischen Bildung zu beruhen. – Ebenso also, sprach ich, sowie wir ja auch betreffs des Lesens erst dann eine genügende Stufe einnehmen, wenn die Buchstaben des Alphabetes in ihrer geringen Anzahl in Sämmtlichem, was da vorkömmt, uns nicht entgehen, und wir sie weder im Kleinen, noch im Großen für werthlos halten, als dürfe man sie nicht wahrnehmen, sondern wir den Vorsatz haben, sie überall zu erkennen und zu unterscheiden, weil wir ja nicht eher tüchtige Leser sein werden, als wenn wir eben auf dieser Stufe stehen, – Dieß ist wahr. –, und nicht wahr also, auch die Abbilder von Buchstaben, falls welche sich im Wasser oder in Spiegeln zeigen sollten, werden wir nicht eher erkennen, als wenn wir jene selbst schon erkannt haben, sondern es gehört dieß eben zu der nemlichen Kunst und Betriebsamkeit, – Ja, völlig so. –, werden wir also wohl, was ich eben sagen wollte, bei Gott, in der nemlichen Weise, weder wir selbst, noch die Wärter, welche wir als die von uns zu erziehenden bezeichnen, auch nicht eher musisch gebildet sein, als wenn wir die Ideen der Besonnenheit und der Tapferkeit und der Freiheit und der Großartigkeit und alles dessen, was hiemit verschwistert ist, und hinwiederum auch ihre Gegenteile überall, wo sie vorkommen, erkennen und als ein in jenem, wo sie sind, Befindliches herausfühlen, sowohl sie selbst, als auch ihre Abbilder, und weder im Kleinen, noch im Großen sie für werthlos halten, sondern glauben, es gehöre dieß eben zu der nämlichen Kunst und Betriebsamkeit? – Ja, durchaus nothwendig ist es so, sagte er. – Nicht wahr also, sprach ich, wenn bei einem Menschen ein Zusammentreffen stattfindet zwischen einem schönen Charakter, welcher in seiner Seele ist, und zwischen Dingen, welche in seiner äußeren Form mit jenem übereinstimmen und in Einklang sind, weil sie an dem nemlichen Gepräge Theil haben, so würde dieß wohl der schönste Anblick für Jeden sein, der Solches schauen könnte? – Ja bei weitem. – Und nun ist aber ja das Schönste auch das Liebenswürdigste. – Wie sollte es anders sein? – Diejenigen Menschen demnach, welche so sehr als möglich Derartige sind, würde wohl der musisch Gebildete liebenHiemit schließt sich an die Erörterung der musischen Bildung durchaus nach platonischen Grundsätzen die Erwähnung des Eros an, welcher ja eben nur durch dieses geistige Motiv geadelt und von der bloß sinnlich leiblichen Liebe unterschieden werden soll; die nähere Darlegung betreffs des platonischen Eros kennt der Leser nun schon aus dem »Phädrus«, s. dort bes. Cap. 22–38.; wenn hingegen Jener nicht in Einklang ist, würde er ihn wohl nicht lieben. – Allerdings, sagte er, dann nicht, wenn Jener bezüglich seiner Seele einen Mangel enthält; wenn hingegen bezüglich des Körpers, so würde er einen solchen wohl ertragen, um Jenen dennoch lieben zu wollen. – Ich verstehe wohl, sagte ich, daß du sicher Lieblingsknaben der letzteren Art hast oder einmal gehabt hast, und ich gebe dir dann zu, was du eben sprachst; aber sage mir Folgendes: Haben Besonnenheit und übermäßiges Vergnügen irgend eine Gemeinschaft mit einander? – Wie sollten sie auch, sagte er, da ja letzteres nicht weniger als die Betrübniß Besinnungslosigkeit erzeugt? – Aber hat es mit der übrigen Vortrefflichkeit eine Gemeinschaft? – In keiner Weise. – Wie aber? wohl mit dem Uebermuthe und der Ziellosigkeit? – Ja, zumeist von Allem. – Kannst du aber ein größeres und heftigeres Vergnügen nennen, als dasjenige, welches den Liebesgenuß betrifft? – Nein, ich kann nicht, sagte er, und auch keines, welches dem Wahnsinne mehr verwandt wäre. – Die richtige Liebe aber enthält es ihrer Natur nach in sich, einen Ordentlichen und Schönen in besonnener Weise und mit musischer Bildung zu lieben? – Ja wohl, gar sehr, sagte er. – Also Nichts mit dem Wahnsinne oder der Zügellosigkeit Verwandtes darf mit der richtigen Liebe in Verbindung gebracht werden? – Nein, es darf nicht. – Nicht also darf mit ihr das Vergnügen in Verbindung gebracht werden, und an demselben dürfen der Liebhaber und der Lieblingsknabe, soferne sie in richtiger Weise lieben und geliebt werden, keinen Theil haben? – Nein, bei Gott, o Sokrates, sagte er, nicht darf Solches mit ihr in Verbindung gebracht werden. – Demnach wirst du, wie es scheint, in dem von uns gegründeten Staate als gesetzliche Bestimmung aufstellen, daß zwar ein Liebhaber Lieblingsknaben lieben und mit ihnen beisammen sein und sie berühren dürfe, wie man einen Sohn berührtS. m. Anm. 53 z. Phädrus., nemlich all dieß nur um des Schönen willen, woferne er ihn hiezu überredet, daß er aber im Uebrigen in solcher Weise mit demjenigen, um dessen Liebe er sich bemüht, einen Umgang pflege, daß er niemals in weiterer Absicht, als in solcher, mit ihm beisammen ist, und ihn außerdem der Tadel eines Mangels an musischer Bildung und einer Unkenntniß des Schönen treffe. – Ja, eben in dieser Weise, sagte er. – Hiemit also nun, sprach ich, scheint wohl auch dir die Begründung betreffs der musischen Bildung ihr Ende erreicht zu haben? und sie endete wenigstens dahin, wohin sie enden soll; es soll aber das Musische auch wirklich in die Liebe zum Schönen enden. – Ich bejahe dieß mit dir, sagte er. –

13. Nach der musischen Bildung denn nun müssen die Jünglinge in der gymnischen erzogen werdenVgl. d. Anf. d. 17. Cap. d. II. B.. – Was soll auch im Wege stehen? – Es soll aber nun auch in dieser Beziehung die Erziehung eine genaue sein von Jugend an das ganze Leben hindurch. Es verhält sich aber hiemit wohl, wie ich glaube, folgendermaßen; erwäge aber auch du es. Mir nemlich scheint es nicht so zu sein, daß, wenn ein Körper tüchtig ist, dieser durch seine Vortrefflichkeit die Seele zu einer guten mache, sondern im Gegentheile eine gute Seele durch ihre Vortrefflichkeit den Körper als einen so gut als möglichen zur Folge habe; wie aber scheint es dir? – Auch mir, sagte er, scheint es ebenso. – Nicht wahr also, wenn wir die Gesinnung hinreichend pflegen und ihr dann, was den Körper betrifft, zur genauen Fürsorge anvertrauen würden, wir aber hiezu nur bezüglich des allgemeinen Gepräges die Anleitung geben würden, so möchten wir wohl richtig verfahren? – Ja wohl, allerdings. – Daß nun jene sich der Trunkenheit enthalten müssen, haben wir schon angegeben Oben Cap. 3 f. u. 10.; denn für jeden Anderen, nur nicht für einen Wächter, geht es noch eher an, daß er betrunken nicht wisse, wo in aller Welt er sei. – Lächerlich ja wäre es, sagte er, wenn der Wächter selbst eines Wächters bedürfte. – Wie aber denn nun verhält es sich betreffs der Speise? denn Kämpfer ja sind diese Männer, und zwar bezüglich des größten Kampfes; oder etwa nicht? – Ja. – Würde also wohl das Verhalten eben dieser, welche stets für das Kämpfen sich übenD. h. derjenigen, welche gleichsam Profession daraus machen, bei den üblichen Kampfspielen in gymnischer Thätigkeit aufzutreten und um die Preise sich zu bewerben; Solche aber waren gewissermaßen einer sehr sorgfältigen und berechneten Zwangsdiät unterworfen, um eben ihren Körper zur athletischen Uebung stets befähigt zu erhalten., jenen passend sein? – Ja, vielleicht. – Aber, sagte ich, das Verhalten dieser ist gewissermaßen zum Schlafe geneigt und bezüglich der Gesundheit unzuverlässig; oder siehst du nicht, daß diese ihr Leben verschlafen und, wenn sie nur ein klein wenig von der vorgeschriebenen Lebensweise abweichen, in lange und heftige Krankheiten verfallen, sie, die ja Kämpfer sind? – Ja, ich sehe es. – Eine feinere Uebung demnach bedürfen die kriegerischen Kämpfer, welche ja wie Hunde schlaflos sein und so scharf als möglich sehen und hören müssen, und, während sie bei den Feldzügen vielen Veränderungen in Getränken und anderweits in Speisen und auch in Sonnenhitze und Winterstürmen ausgesetzt sind, bezüglich der Gesundheit nicht empfindlich sein dürfen. – Ja, so zeigt sich's mir. – Möchte also wohl die beste gymnische Bildung irgend verschwistert sein mit jener einsamen musischen, welche wir kurz vorher durchgingen? – Wie meinst du dieß? – Einfach doch wohl und gediegen ist die gymnische Bildung, und zwar zumeist die kriegerische. – In wieferne denn? – Auch aus Homeros ja, sagte ich, möchte man Solches wohl kennen lernen; denn du weißt, daß er im Felde bei den Mahlzeiten der Heroen diese nicht mit Fischen bewirthet, obwohl dieselben sich doch am Meere im Hellesponte befinden, und auch nicht mit gesottenem Fleische, sondern nur mit gebratenem, welches ja auch für Krieger am leichtesten herbeizuschaffen ist; denn überall, so zu sagen, ist es doch leichter, von dem Feuer allein Gebrauch zu machen, als erst noch Kochgeschirre mit herum zu schleppen. – Ja wohl, gar sehr. – Aber auch der Gewürze hat, wie ich glaube, Homeros niemals Erwähnung gethan; oder wissen dieß wohl vielleicht auch jene anderen Kämpfer, daß ein Körper, welcher sich gut verhalten soll, von all Derartigem sich enthalten muß? – Ja, völlig richtig, sagte er, wissen sie es, und enthalten sich hievon. – Eine Syrakusische Mahlzeit aber, o Freund, und sicilische Mannigfaltigkeit der ZuspeisenEs ist bekannt, daß die sicilischen Tafelgenüsse sprüchwörtlich geworden waren. lobst du, wie es scheint, hiemit nicht, woferne dir jenes richtig zu sein scheint. – Ich glaube nicht. – Du tadelst also auch, daß ein Korinthisches FreudenmädchenKorinth, sowie überhaupt die Staaten des äolischen Stammes, ragten vor den übrigen an üppiger Sinneslust ihrer Bewohner hervor; vgl. m. Anm. 33 z. Gastmahl. die Geliebte jener Männer sei, welche körperlich sich gut verhalten wollen? – Ja, durchaus. – Nicht wahr also, auch von dem attischen Gebäcke dasjenige, was Leckerei zu sein scheint? – Ja, nothwendig. – Nemlich, glaube ich, wenn wir die gesammte derartige Speise- und Lebens-Weise mit jener Lieder-Komposition und jenem Gesange vergleichen würden, bei welchen eine Vereinigung aller Tonweisen und aller Rhythmen besteht, so möchten wir wohl einen richtigen Vergleich ziehen. – Warum auch nicht? – Nicht wahr also, dort erzeugte die Buntheit Ziellosigkeit, hier aber dann Krankheit, die Einfachheit hingegen erzeugt bezüglich der Musik in den Seelen Besonnenheit, bezüglich der Gymnastik aber in den Körpern Gesundheit? – Ja, völlig wahr, sagte er. – Sobald aber Zügellosigkeit und Krankheiten in einem Staate in vollem Gange sind, thun sich da nicht eine Menge Gerichtshöfe und ärztliche Anstalten auf, und machen sich da nicht Prozeßkunde und Arzneikunde breit, wann nemlich auch viele freie Männer in hohem Grade auf jenes ihr Streben gerichtet haben? – Warum sollte es auch nicht so sein? –

14. Könntest du aber von schlechter und schimpflicher Erziehung in einem Staate irgend ein größeres Kennzeichen erfassen, als wenn das Bedürfniß nach hervorragenden Aerzten und Richtern nicht bloß bezüglich der Geringen und der Handarbeiter, sondern auch bezüglich derjenigen besteht, welche Anspruch darauf machen, in den Formen des freien Mannes erzogen zu sein; oder scheint es dir nicht schimpflich und ein großes Zeichen eines Mangels an Erziehung zu sein, wenn man gezwungen ist, ein von anderen Leuten, wie von Gebietern und Richtern, erst herbeigebrachtes Gerechtes, und zwar aus Mangel an eigenem, anwenden zu müssen? – Ja wohl, von Allem, sagte er, ist dieß das Schändlichste. – Scheint dir aber etwa, sprach ich, noch schimpflicher als dieß es zu sein, wenn Jemand nicht bloß den größeren Theil seines Lebens in Gerichtshöfen als Beklagter oder als Kläger zubringt, sondern auch aus Unkenntniß des Schönen eben damit sich zu brüsten sich entschlossen hat, daß er gewandt sei im Unrechtthun und tüchtig genug, um sich in allen Windungen zu winden und bei allen Hinterthürchen entschlüpfend sich wohlberechnet durchzuwinden, so daß er nie Buße zu bezahlen hat, und noch dazu all dieß um unbedeutender und nichtswürdiger Dinge willen, er, der nicht weiß, um wie viel schöner und besser es sei, sein Leben so einzurichten, daß man eines schlaftrunkenen RichtersAristophanes schilderte bekanntlich in seinen »Wespen« jene mit dem Treiben der attischen Demagogen zusammenhängende Proceßwuth der Athener, und es wird dortselbst V. 986 ff. in der komischsten Situation dargestellt, wie der auf Richteramt erpichte Philokleon durch eigene Unachtsamkeit wider Willen ein freisprechendes Urtheil fällt. nicht bedarf? – Gewiß, sagte er, ist dieß noch schimpflicher als jenes. – Wenn man aber, sprach ich, die Arzneikunst nicht etwa wegen eingetretener Verwundungen oder irgend im Jahreswechsel beruhender Krankheiten bedarf, sondern in Folge des Müssigganges und einer Lebensweise, wie wir sie so eben durchgingen, man wegen eingetretener Strömungen und Winde gleichwie bei angeschwollenen Sümpfen die fein gebildeten AsklepiadenS. m. Anm. 24 z. Gastmahl. nöthigt, solchen Krankheiten neue Namen, wie z. B. Blähungen und Schnupfen, zu geben, scheint dieß nicht schimpflich? – Ja wohl, gar sehr, sagte er, da dieß ja auch wirklich neue und ungereimte Namen von Krankheiten sind. – Namen, sagte ich, wie sie es, glaube ich, zur Zeit des Asklepios noch nicht gab; ich schließe dieß aber daraus, daß die Söhne desselben vor Troja bezüglich des verwundeten Eurypylus jenen Trank von Pramnischem Weine, auf welchen viel Mehl gestreut und Käse geschabt war, was doch wohl Entzündung zu erregen scheint, weder gegen die Magd, welche ihm denselben reichte, tadelten, noch auch dem Patroklos, welcher jenen hiedurch heilen wollte, es zum Vorwurfe machtenDie Söhne des Asklepios sind Machaon und Podalirius. In jener homerischen Stelle aber (Ilias XI, V. 639 ff.), in welcher jener Trank beschrieben wird, erhält ihn nicht Eurypylos, sondern Machaon selbst, welchem er von Hekamedes gereicht wird; die Heilung des verwundeten Eurypylos ist ebend. V. 823 ff. erzählt.. – Und wirklich, sagte er, ist jener Trank ja auch ganz ungereimt für einen Menschen in solchem Zustande. – Nein, er ist es nicht, sprach ich, wenn du bedenkst, daß jener jetzigen förmlichen Erziehungskunst der Krankheiten seitens der Aerzte selbst in früheren Zeiten die Asklepiaden sich nicht bedienten, ehe nemlich, wie man sagt, HerodikosS. m. Anm. 9 z. Phädrus u. ebend. Anm. 46. kam; Herodikos aber war ein Ringmeister, und als er kränklich wurde, mischte er die gymnische Kunst und die ärztliche, und quälte zuerst und zumeist sich selbst, dann aber später auch viele Andere. – In wieferne denn? sagte er. – Insoferne er, sagte ich, sich selbst das Sterben lang machte; indem er nemlich seiner Krankheit, welche tödtlich war, auf jedem Schritte folgte, war er einerseits, glaube ich, nicht im Stande, sich selbst zu heilen, und andrerseits curirte er, da er nichts Anderes zu thun hatte, sein ganzes Leben hindurch an sich herum und lebte so sich selbst quälend, so oft er irgend die gewohnte Diät überschritt, und gelangte, da er in Folge seiner Weisheit nur schwer sterben konnte, zu einem hohen Greisenalter. – Also eine schöne Ehrengabe, sagte er, trug dieser von seiner Kunst davon. – Ja, eine solche, sprach ich, wie man sie von demjenigen erwarten mußte, welcher nicht wußte, daß Asklepios nicht etwa aus Unkenntniß oder Unerfahrenheit in dieser Gattung der Arzneikunst seinen Nachkommen keine Anleitung in derselben gab, sondern wohl wissend, daß bei Allen, welche guter Gesetze sich erfreuen, in dem Staate einem jeden Einzelnen irgend eine Werkthätigkeit aufgetragen ist, welche er nothwendig verüben muß, und daß keiner Zeit hat, sein Leben hindurch an sich herumzucuriren und daniederzuliegen, ein Umstand, welchen wir lächerlicher Weise bloß bei den Handwerkern bemerken, bei den Reichen aber und bei denjenigen, welche als Glückliche gelten, nicht bemerke. – Wie so denn? sagte er. –


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