Platon
Plato's Staat
Platon

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17. Aber es scheint mir, o Sokrates, daß, wenn man dir gestattet, Derartiges zu sprechen, du niemals mehr dich an jenes erinnern wirst, was du im Obigen einmalOben Cap. 7. Dort nemlich war die Frage über die Ausführbarkeit vorläufig verschoben worden, um zuerst die Nützlichkeit zu erörtern. Durch die ersten Worte des obigen 14. Cap. aber darf man sich bezüglich des Zusammenhanges nicht täuschen lassen; denn die Frage über die Möglichkeit wird eben dort nur, gleichsam um sie im Gedächtnisse des Lesers wieder aufzufrischen, mit ein paar Sätzen berührt; aber unmittelbar darauf ja verfällt dort Sokrates wieder in die Beschreibung der Art und Weise der Kriegführung. Daher ist nun auch verständlich, warum an hiesiger Stelle Glaukon den Sokrates mit den Worten unterbreche, daß, wenn er mit dergleichen Beschreibungen stets fortfahre, er nie zu jener anderen Frage über die Ausführbarkeit zurückkommen werde; nemlich Glaukon hatte allerdings schon dort (Cap. 14) erwartet, daß nun die Erörterung dieses Punktes beginnen werde, hatte aber bis jetzt vergeblich gewartet. Vgl. auch den Schluß des 14. Cap. d. VI. Buches. bei Seite geschoben hast. um all das Bisherige zu sprechen, nemlich an das, daß dieser Staat überhaupt die Möglichkeit in sich habe, wirklich einmal zu entstehen, und in welcher Weise er wohl diese Möglichkeit habe. Denn daß ja, falls er wirklich entstünde, alles Gute für diesen Staat, insoferne er entstünde, erwachsen wurde, sage auch ich nebst demjenigen, was du übergangen hast, nemlich, daß sie wohl auch gegen die Feinde am trefflichsten kämpfen würden, weil sie einander darum am wenigsten im Stiche lassen möchten, da sie einander kennen und sich gegenseitig als Brüdern und Vätern und Söhnen einander mit diesen Namen zurufen würden; und auch wenn die Weiber mit im Felde stünden, sei es innerhalb der nemlichen Schlachtreihe, oder sei es, daß sie im Hintertreffen aufgestellt wären, um nemlich den Feinden Furcht einzuflößen und nöthigen Falls auch um Hülfe zu leisten, so weiß ich sehr wohl, daß sie dann auch in dieser Beziehung unbekämpfbar sein dürften; und auch die ihnen zu Hause erwachsenden Güter, welche du übergangen hast, so viele deren nur sein mögen, sehe ich gleichfalls; aber eben da ich dir gerne zugestehe, daß all dieses und auch noch unzähliges Andere stattfände, wenn dieser Staat einmal wirklich entstünde, so sprich nun über dieses nichts Weiteres mehr, sondern eben davon nun wollen wir jetzt uns selbst überzeugen, daß es möglich sei und inwieferne es möglich sei, alles Uebrige aber wollen wir bei Seite lassen. – Urplötzlich ja, sprach ich, nimmst du da einen Anlauf gegen meine Begründung und willst mir keine Nachsicht schenken, daß ich ja mitten im Feldzuge begriffen bin. Vielleicht nemlich weißst du nicht, daß, nachdem ich gerade zur Noth jenen zwei brandenden Wogen entronnen bin, du jetzt das Größte und Schwierigste von der Verflechtung dreier Wogen herbeiführst, denn wenn du jenes siehst und hörst, so wirst du mir gar wohl Verzeihung angedeihen lassen, daß ich aus guten Gründen Anstand nahm und Furcht davor hatte, einen so auffallenden Ausspruch zu thun und die Erwägung desselben zu versuchen. – Je mehr du, sagte er, Derartiges sprichst, um desto weniger wird es dir von uns erlassen werden, anzugeben, inwieferne dieser Staat die Möglichkeit in sich habe, wirklich zu entstehen. Aber sprich nur und zögere nicht. –

Nicht wahr also, sprach ich, zuerst müssen wir uns daran erinnern, daß wir nur bei unserem Nachsuchen, welcherlei denn die Gerechtigkeit und die Ungerechtigkeit sei, eben bis auf diesen Punkt hier gelangten? – Ja, dieß müssen wir wohl, sagte er; aber was soll dieß? – Nichts weiteres; aber wenn wir gefunden haben, welcherlei die Gerechtigkeit sei, werden wir dann die Zumuthung aussprechen, daß auch der gerechte Mann durchaus nicht in irgend Etwas sich von jener unterscheide, sondern in allen Beziehungen ein Derartiger sei, wie eben auch die Gerechtigkeit selbst ist, oder werden wir es schon zufrieden sein, wenn er ihr nur so nahe als möglich kömmt und von Allem am meisten an ihr Theil hat? – Ja, so ist es, sagte er; wir werden es wohl zufrieden sein. – Also um eines Musterbildes willen, sprach ich, suchten wir sowohl, welcherlei die Gerechtigkeit selbst sei, als auch, inwieferne der vollkommen gerechte Mann entstehen könne, und welcherlei er sei, und ebenso auch bezüglich der Ungerechtigkeit und des ungerechtesten Mannes, um nemlich im Hinblicke auf jene und auf die Beschaffenheit, in welcher sie betreffs des Glücksstandes und seines Gegentheils sich uns zeigen würden, bezüglich unserer selbst zu dem Zugeständnisse genöthigt zu sein, daß, wer jenem am ähnlichsten sei, auch am meisten ein ähnliches Loos wie jenes haben werde, nicht aber suchten wir jenes in der Absicht, um zu beweisen, daß Solches die Möglichkeit in sich habe, wirklich zu entstehen. – Ja, hierin, sagte er, sprichst du wahr. – Glaubst du also wohl, es sei Einer weniger ein guter Maler, wenn er ein Musterbild, wie wohl der schönste Mensch gestaltet sein möge, gemalt und Sämmtliches zu seiner Zeichnung in genügender Weise beigebracht hat, dann aber doch nicht die Möglichkeit beweisen kann, daß ein solcher Mensch wirklich entstehe? – Gewiß nicht, bei Gott, sagte er. – Wie also nun? behaupten nicht auch wir, daß wir in unserer Begründung ein Musterbild eines guten Staates entworfen haben? – Ja, allerdings. – Glaubst du also, daß wir dann deswegen es weniger gut begründet haben, weil wir nicht beweisen können, daß es möglich sei, einen Staat so zu gründen, wie wir angaben? – Wahrlich nicht, sagte er. – Das Wahre hierüber, sprach ich, ist hiemit dieß. Woferne aber nun ich um deinetwillen ja auch dazu bereitwillig sein soll, nachzuweisen, inwieferne und in welcher Beziehung es doch noch im höchsten Grade irgend möglich sei, so mußst du zum Behufe des derartigen Nachweises mir abermals das Nemliche zugestehen. – Was denn wohl? – Ist es wohl möglich, daß Etwas gerade so vollzogen werde, wie es ausgesprochen wird, oder liegt es in der Natur der Sache, daß der Vollzug immer in geringerem Grade die Wahrheit treffe, als der Wortlaut, auch wenn es nicht so zu sein scheint? Gestehst du es mir aber in dieser Weise zu oder nicht? – Ich gestehe es zu, sagte er. – Jenen Zwang demnach lege mir nicht auf, daß ich von Allem gerade so, wie wir es in der Begründung durchgingen, auch darlege, daß es völlig ebenso in der Verwirklichung eintrete; sondern falls wir im Stande sind, zu finden, in welcher Weise Jemand bei Gründung eines Staates dem Gesagten wohl am nächsten käme, dann möchten wir behaupten, wir hätten die Möglichkeit aufgefunden, daß wirklich entstehe, was du wünschest. Oder wirst du es nicht zufrieden sein, wenn du dieß erreichst? Ich wenigstens wäre es wohl zufrieden. – Ja, auch ich, sagte er. –

18. Hiernach aber müssen wir, wie es scheint, versuchen, zu erforschen und nachzuweisen, was denn wohl gegenwärtig in den Staaten schlecht stehe, dem zufolge sie nicht in dieser unserer Weise verwaltet werden, und durch welche möglichst geringe Veränderung der Staat eben zu dieser Art und Weise der Verfassung gelangen könnte, indem wo möglich nur Eines oder, wenn dieß nicht genügt, nur zwei Dinge, oder wenn dieß nicht genügt, jedenfalls nur die der Zahl nach wenigsten und der Geltung nach geringsten Dinge geändert würden. – Ja, durchaus so, sagte er. – Und allerdings, wenn nur Eines geändert würde, sagte ich, glauben wir den erforderlichen Umschwung nachweisen zu können; freilich wäre jenes nicht ein Geringes, noch auch ein Leichtes, aber ein Ausführbares. – Welches ist dieß? sagte er. – Nun komme ich, erwiederte ich, eben auf jenes, was wir vorher mit der größten brandenden Woge verglichen haben; aber gesagt muß es nun werden, selbst wenn es auch eben wie eine Woge des Lachens mich vollständig mit Gelächter und Hohn überspülen sollte. Erwäge aber, was ich im Begriffe bin zu sprechen. – Sprich, sagte er. – Woferne nicht, sprach ich, entweder die Weisheitsliebenden in den Staaten als Könige herrschen, oder die jetzt sogenannten Könige und Herrscher in ächter und genügender Weise wirklich die Weisheit lieben, und woferne nicht so beides, nemlich staatliche Macht und Weisheitsliebe, in Eines zusammenfallen, und woferne nicht jene große Menge von Begabungen, welche gegenwärtig von einander getrennt je bloß den Einen dieser beiden Wege wandeln, nothwendig ausgeschlossen wird, gibt es, mein lieber Glaukon, kein Aufhören der Uebel für die Staaten und, glaube ich, auch nicht für das Menschengeschlecht, und es wird auch wohl nicht eher diese Staatsverfassung, welche wir jetzt in unserer Begründung durchgingen, je zur Möglichkeit des Entstehens gelangen oder das Licht der Sonne erblicken; sondern eben dieß war, was mich schon längst veranlaßte, Anstand zu nehmen, es auszusprechen, weil ich sah, daß dabei gar Vieles Auffallende gesagt werden würde; denn schwierig ist es, einzusehen, daß keine andere Staatsverfassung irgend beglückend wirken könne, sei es im Einzeln- oder im öffentlichen Leben. – Und er erwiederte: Du hast, o Sokrates, ein derartiges Wort und einen solchen Ausspruch hiemit hereingeschleudert, daß du auf dieß hin erwarten darfst, es möchten gar viele und nicht zu verachtende Leute jetzt augenblicklich, indem sie gleichsam ihre Gewänder von sich werfen und nackt jede nächste beste Waffe ergreifen, auf dich in gespannter Hast losrennen, um dir erstaunlich Arges anzuthun; und wenn du diese nicht vermittelst deiner Begründung von dir abwehrst und ihnen nicht entgehst, so wirst du wirklich mit Hohn überschüttet werden und so es büßen. – Nicht wahr also, erwiederte ich, daran ist Niemand schuld als du? – Ja, sagte er, und ich that gut daran; aber darum werde ich dich auch nicht im Stiche lassen, sondern dir beistehen, womit ich nur kann; ich kann dieß aber durch hingebendes Wohlwollen und durch Aufmunterungen, und vielleicht ja könnte ich dir auch geschickter, als mancher andere, in Antworten Rede stehen; aber jedenfalls versuche es, da du einen derartigen beistehenden Genossen hast, den Ungläubigen zu beweisen, daß es sich so verhalte, wie du sagst. – Versuchen, sprach ich, muß ich es wohl, nachdem auch du eine so bedeutende Bundesgenossenschaft mir anbietest. Nothwendig also scheint es mir, woferne wir den von dir erwähnten Leuten entgehen sollen, daß wir gegen jene vorerst feststellen, welche Männer denn wir unter jenen Weisheitsliebenden verstehen, welche unserer kühnen Behauptung zufolge die Herrschenden sein sollen, um nemlich, wenn dieß klar geworden, dann die Abwehr durch den Nachweis bewerkstelligen zu können, daß den Einen von Natur aus es gebührt, sowohl der Weisheitsliebe zu pflegen, als auch die Führer im Staate zu sein, den Anderen hingegen, sowohl jene nicht zu pflegen, als auch den Führern bloß nachzufolgen. – Ja, es möchte Zeit sein, sagte er, dieß festzustellen. – So komm denn und folge mir in dieser Richtung, woferne wir es irgendwie genügend erklären können. – Wohlan also, sagte er. –

19. Werde ich also, sagte ich, dich erst daran erinnern müssen, oder erinnerst du dich selbst daran, daß von demjenigen, welchen wir als einen Etwas Liebenden bezeichnen, sich bei richtiger Anwendung dieser Bezeichnung zeigen müsse, daß er nicht bloß das Eine von jenem Gegenstande liebt und ein Anderes nicht, sondern daß er eben den ganzen mit Liebe erfasse? – Wohl erst daran erinnern, sagte er, mußst du mich, wie es scheint; denn ich verstehe es nicht völlig. – Für einen Anderen, o Glaukon, erwiederte ich, möchte sich wohl eher ziemen zu sprechen, wie du da sprichst; aber für einen dem Eros huldigenden Mann ziemt sich's nicht, aus dem Gedächtnisse zu verlieren, daß alle jene, welche in der Blüthe der Jahre stehen, den Knabenliebhaber und den dem Eros Huldigenden in irgend einer Weise zupfen und zerren, indem sie es zu verhindern glauben, daß jener sich um sie bekümmere und ihnen Liebe erweise. Oder macht ihr es nicht auch so gegen die schönen Knaben? Der Eine wird, weil er stumpfnasig ist, von euch ein Graziöser genannt und darum gepriesen, an den Anderen bezeichne ihr die Habichtsnase als etwas Königliches, von jenem aber, der zwischen beiden in Mitte steht, sagt ihr, er habe gerade das rechte Maß, von den Dunkelfarbigen hinwiederum sagt ihr, ihr Anblick habe etwas Männliches, von den Hellfarbigen, sie seien Göttersöhne; was aber die Honigfarbigen oder eben diese Bezeichnung selbst betrifft, glaubst du, sie sei die Erfindung irgend eines Anderen, als eben eines Liebhabers, welcher einen schmeichelhaften Ausdruck wählte und das Gelbliche, wenn es in der Blüthezeit der Jahre eintritt, sehr gerne sich gefallen ließ; und mit Einem Worte alle Vorwände bringt ihr vor und alle Sprechweisen laßt ihr ertönen, um nur keinen von jenen, welche in der Blüthe der Jahre stehen, zurückzustoßen. – Wenn du dieß Alles, sagte er, von mir willst gelten lassen, daß die dem Eros Huldigenden es so machen, so gestehe ich es dir um des bloßen Redens willen zu. – Wie aber? siehst du von den Trunkliebenden nicht gleichfalls, daß sie das Nemliche thun, indem sie jedweden Wein unter jedem Vorwande lieben? – Ja wohl, gar sehr. – Und nun ja auch bei den Ehrliebenden erblickst du, wie ich glaube, daß, wenn sie es nicht zum Feldherrn bringen, sie wenigstens über eine kleine Heeresabtheilung herrschen wollen, und wenn sie nicht von Mehreren und Bedeutenderen geehrt werden, sie es schon zufrieden sind, von Wenigeren und Geringeren geehrt zu werden, da sie ja überhaupt Begierde nach Ehre haben. – Ja wohl, in hohem Grade. – Dieß also sage, ob es so sei oder nicht: werden wir von jenen, welche wir als irgend Begehrliche bezeichnen, behaupten, daß sie immer die ganze Gattung begehren, oder bloß das Eine, ein Anderes aber nicht? – Die ganze Gattung, sagte er. – Nicht wahr also, auch von dem Weisheitsliebenden werden wir sagen, daß er nicht bloß die eine Weisheit begehre, eine andere aber nicht, sondern eben die ganze? – Ja, dieß ist wahr. – Von demjenigen also, welcher mit Widerwillen an die Lerngegenstände geht, werden wir, zumal wenn er jung ist und noch keinen Begriff davon hat, was brauchbar sei und was nicht, gewiß nicht sagen, daß er lernbegierig oder weisheitsliebend sei, sowie wir auch von jenem, welcher einen Widerwillen gegen Speisen hat, nicht sagen, daß er hungere, oder daß er Speisen begehre, oder daß er eßlustig sei, sondern eben daß er appetitlos sei. – Ja, und mit Recht werden wir dieß sagen. – Hingegen von demjenigen, welcher gleich bereit ist, von jedem Lerngegenstande kosten zu wollen, und willig an das Lernen geht und hierin unersättlich ist, werden wir mit Recht sagen, daß er weisheitsliebend sei; oder wie denn anders? – Und Glaukon sprach: Da werden dir also auch gar viele ungereimte Menschen zu den Derartigen gehören, nemlich sowohl alle Schaulustigen scheinen mir darum, weil sie eine Freude daran haben, wenn sie Etwas kennen lernen, derartig zu sein, als auch die Hörlustigen scheinen mir doch gar zu ungereimte Menschen zu sein, als daß man sie unter die Weisheitsliebenden rechnen könnte, Leute, welche bei begründenden Reden und einer derartigen Unterhaltung gewiß nie freiwillig sich einfinden würden, aber wohl, gerade als hätten sie ihre Ohren vermiethet, um allen Chorgesängen zuzuhören, bei den dionysischen Festen herumlaufen und weder bei den in der Stadt, noch bei jenen auf dem Lande abgehaltenen fehlen. Sollen wir nun all diese und auch andere, welche dergleichen Dinge oder sonstige Kunststückchen lernen wollen, als Weisheitsliebende bezeichnen? – Keineswegs, sagte ich; aber als solche, welche den Weisheitsliebenden ähnlich sind. –

20. Welche aber, sagte er, verstehst du unter den wahrhaft Derartigen? – Jene, sprach ich, welche schaulustig bezüglich der Wahrheit sind. – Auch dieß, sagte er, ist richtig; aber wie meinst du dieß? – Keineswegs, erwiederte ich, könnte ich dieß in leichter Weise einem Anderen angeben, von dir aber glaube ich, daß du mir Folgendes zugestehen werdest. – Was denn wohl? – Daß, nachdem das Schöne dem Schimpflichen entgegengesetzt ist, dieß eben zwei Dinge seien. – Ja, warum auch nicht? – Nicht wahr also, nachdem sie zwei sind, ist auch jedes von beiden ein Eines für sich? – Ja, auch dieß. – Und also auch betreffs des Gerechten und des Ungerechten und des Guten und des Bösen gilt der nemliche Ausspruch, daß jedes einzelne derselben ein Eines für sich sei, sie aber wohl vermöge ihrer Gemeinschaftlichkeit mit den Handlungen und mit den Körpern und wechselseitig mit sich selbst dann allerwärts erscheinen und so ein jedes sich als ein Vielheitliches zeige. – Ja, du hast Recht, sagte er. – In dieser Beziehung demnach, sprach ich, unterscheide ich, nemlich einerseits jene von dir so eben erwähnten Schaulustigen und Kunstliebenden und in den äußeren Handlungen sich Bewegenden, andererseits aber hinwiederum jene, von welchen hier die Rede ist, nemlich welche man allein mit Recht als Weisheitsliebende bezeichnen könnte. – Wie meinst du dieß? sagte er. – Jene Hörlustigen und Schaulustigen, sprach ich, lieben doch wohl die schönen Töne und Farben und Gestalten und Alles, was aus dergleichen angefertigt wird, hingegen die Natur des Schönen an und für sich zu sehen und zu lieben, ist ihre Denkthätigkeit unfähig. – Ja, es verhält sich allerdings so, sagte er. – Möchten aber eben jene, welche fähig sind, an das Schöne an und für sich hinzutreten und es in seinem eignen Sein zu schauen, wohl selten zu finden sein? – Ja wohl, gar sehr. – Scheint dir aber nur derjenige, welcher zwar an schöne Dinge glaubt, aber an die Schönheit an und für sich weder glaubt, noch auch, falls ihn Jemand zur Einsicht in dieselbe führen würde, ihm zu folgen fähig ist, ein wachendes oder ein träumendes Leben zu führen? Erwäge aber Folgendes: besteht etwa das Traumwachen nicht darin, daß man, sei es im Schlafe, oder sei es wachend, ein Ding, welches einem anderen ähnlich ist, nicht für ähnlich, sondern eben für das Nemliche wie jenes halt, welchem es gleicht? – Ja, ich wenigstens, sagte er, würde von einem Solchen behaupten, daß er in einem Traumwachen seiPlato spricht von drei brandenden Wogen, welchen er zu entgehen habe, indem er hierunter auch den Sturm von Einwänden und Gegenreden versteht, welchen er wegen dreier auffallenden Behauptungen zu erwarten und zu bekämpfen hat; nemlich die erste dieser so heftig angefeindeten Behauptungen betraf die Gleichstellung der Männer und der Frauen bezüglich der gymnischen und musischen Bildung (oben Cap. 3–6; vgl. die ersten Worte des 7. Cap.), die zweite Behauptung betraf die Ehe- und Kinder-Gemeinschaft für die Wächter (Cap. 7–16); die dritte aber steht nunmehr zur Erörterung bevor; sie scheint von allen die auffälligste und lautet »die Philosophen sollen die Herrscher des Staates sein«, und die ausführliche Darlegung dieses Grundsatzes bildet den Inhalt von allem Folgenden bis zum Schlusse des VII. Buches.. – Wie aber? wer im Gegensatze hievon sowohl irgend Etwas für das Schöne an und für sich hält, als auch fähig ist, es selbst und die desselben theilhaftigen Dinge zu erblicken, und dabei weder die theilhaftigen Dinge für es selbst noch es selbst für die theilhaftigen Dinge hält, scheint dir dieser hinwiederum ein wachendes oder ein träumendes Leben zu führen? – In hohem Grade ja, sagte er, ein wachendes. – Nicht wahr also, die Denkthätigkeit dieses Letzteren möchten wir wohl, da er es ja einsieht, mit Recht als Einsicht bezeichnen, hingegen als Meinung jene des Ersteren, weil er ja nur Etwas meint? – Ja wohl, allerdings. – Wie nun? wenn dieser, von welchem wir sagen, daß er wohl eine Meinung, nicht aber eine Einsicht habe, uns grollt und die Wahrheit unserer Behauptung bestreitet, werden wir Mittel haben, ihn zu beschwichtigen und ganz gelassen heimlich zu überzeugen, daß er eigentlich doch nicht recht bei Trost sei? – Wir sollen dieß ja wenigstens, sagte er. – So komm denn und erwäge, was wir zu ihm sagen werden; oder willst du, daß wir folgendermaßen ihn ausfragen sollen, indem wir vorher sagen, daß, falls er wirklich Etwas wisse, wir es ihm nicht mißgönnen, sondern recht gerne es sehen würden, daß er Etwas wisse, und dann also ihn fragen: »aber sage uns Folgendes: sieht der Einsichtige Etwas ein oder Nichts?« Antworte also du an seiner Statt. – So will ich denn antworten, sagte er, daß der Einsichtige Etwas einsieht. – Sieht er ein Seiendes oder ein Nichtseiendes ein? – Ein Seiendes; denn wie könnte ja ein Nichtseiendes irgend eingesehen werden? – Genügend steht uns also dieß fest, auch wenn wir es in mehreren Beziehungen erwägen, daß das schlechthin Seiende auch schlechthin eingesehen werden kann, ein durchaus Nichtseiendes aber schlechthin nicht eingesehen werden kann? – Ja, völlig genügend. – Weiter; woferne aber Etwas sich so verhält, daß es sowohl ist, als auch nicht ist, möchte Solches dann nicht in Mitte liegen zwischen dem in reiner Weise Seienden und zwischen dem durchaus Nichtseienden? – Ja, in Mitte. – Nicht wahr also, auf Seite des Seienden stand uns die Einsicht, und nothwendig auf Seite des Nichtseienden die Einsichtslosigkeit; auf Seite des Mittleren aber müssen wir nun wohl etwas Mittleres zwischen der Unkenntniß und dem Wissen suchen, woferne es etwas Derartiges gibt? – Ja, allerdings. – Sagen wir also etwa, daß die Meinung Etwas sei? – Wie sollten wir auch nicht? – Sagen wir, daß sie eine andere Fähigkeit sei, als das Wissen, oder die nemliche? – Eine andere. – Also auf Seite eines Verschiedenen steht die Meinung und auf Seite eines Verschiedenen das Wissen, jedes von beiden eben nach seiner eigenen Fähigkeit? – Ja, so ist es. – Nicht wahr also, das Wissen ist von Natur aus auf Seite des Seienden dazu bestimmt, einzusehen, daß das Seiende ist? Vielmehr aber scheint es mir nöthig, vorher in folgender Weise es zu erörtern. – In welcher? –

21. Wollen wir sagen, daß die Fähigkeiten überhaupt irgend eine Gattung des Seienden seien, vermöge deren sowohl wir zu Allem fähig sind, wozu wir es sind, als auch jedes andere Ding, welches zu Etwas fähig ist, ich meine z. B. daß das Sehen und das Hören zu den Fähigkeiten gehören, woferne du verstehst, was ich überhaupt unter diesem Artbegriffe meine. – Ich verstehe es aber ja, sagte er. – Höre aber, was sich mir in diesem Betreffe zeigt: an einer Fähigkeit nemlich erblicke ich weder eine Farbe noch eine Gestalt noch irgend etwas Derartiges, wie an vielen anderen Dingen, worauf hinblickend ich es bezüglich einiger Dinge bei mir feststellen kann, daß die einen dieß und die anderen jenes seien; hingegen bei einer Fähigkeit blicke ich nur auf jenes, zu dessen Behuf sie da ist und was sie bewirkt, und in dieser Beziehung gebe ich jeder einzelnen Fähigkeit einen Namen, und jene, welche zum Behufs des Nemlichen besteht und das Nemliche bewirkt, nenne ich die nemliche, diejenige aber, welche zum Behufe eines Anderen da ist und Anderes bewirkt, nenne ich eine anderweitige. Wie aber hältst du es hierin? – Eben so, sagte er. – Noch einmal demnach, mein Bester, sprach ich, wende dich hieher zu mir. Behauptest du, daß das Wissen irgend eine Fähigkeit sei, oder in welche Gattung stellst du es? – Eben in diese, sagte er, da es ja unter allen Fähigkeiten die stärkste ist. – Wie aber? werden wir die Meinung unter die Fähigkeiten, oder unter irgend einen anderen Artbegriff unterbringen? – Keinenfalls unter einen anderen, sagte er; denn jenes, vermittelst dessen wir fähig sind, Etwas zu meinen, ist eben nichts Anderes als die Meinung. – Nun aber hast du ja kurz vorher zugestanden, daß Wissen und Meinung nicht das Nemliche seien. – Wie sollte ja auch, sagte er, jemals ein Verständiger das Unfehlbare als das Nemliche wie das nicht Unfehlbare bezeichnen? – Recht, sagte ich; und es ist hiemit klar, daß unserseits die Verschiedenheit zwischen Wissen und Meinung zugestanden ist? – Ja, die Verschiedenheit. – Also zum Behufe eines Verschiedenen ist jedes von diesen beiden als ein zu Verschiedenem Befähigtes von Natur aus bestimmt. – Ja, nothwendig. – Das Wissen nemlich doch wohl zum Behufe des Seienden, um einzusehen, wie das Seiende sich verhalte? – Ja. – Die Meinung aber, sagen wir. um eben zu meinen. – Ja. – Wird sie also etwa das Nemliche einsehen, was das Wissen einsieht? und ist dasjenige, was eingesehen werden kann, und jenes, was gemeint werden kann, das Nemliche? oder ist dieß unmöglich? – Ja, unmöglich, sagte er, in Folge des schon Zugestandenen, woferne nemlich zum Behufe von Verschiedenem verschiedene Fähigkeiten von Natur aus bestimmt sind, Fähigkeiten aber eben jene beiden, nemlich die Meinung und das Wissen, sind, jede aber, wie wir sagten, eine verschiedene; in Folge dessen demnach geht es nicht an, daß, was eingesehen werden kann, und was gemeint werden kann, das Nemliche sei. – Nicht wahr also, wenn das Seiende eingesehen werden kann, so möchte wohl etwas Anderes als das Seiende jenes sein, was gemeint werden kann? – Ja, etwas Anderes. – Wird also die Meinung etwa das Nichtseiende meinen, oder ist es unmöglich, das Nichtseiende ja auch nur zu meinen? Bedenke aber nur Folgendes: Richtet denn nicht der Meinende seine Meinung auf irgend Etwas? oder ist es hinwiederum möglich, bloß zu meinen und dabei Nichts zu meinen? – Dieß ist unmöglich. – Aber irgend Eines ja meint der Meinende? – Ja. – Nun aber würde es ja, wenn es ein Nichtseiendes wäre, nicht ein Eines, sondern am richtigsten ein Nichts genannt. – Ja allerdings. – Dem Nichtseienden aber haben wir ja nothwendig die Unkenntniß zugewiesen, und dem Seienden die Einsicht. – Ja, mir Recht, sagte er. – Also nicht ein Seiendes und auch nicht ein Nichtseiendes meint die Meinung. – Nein, allerdings nicht. – Also weder Unkenntniß noch Einsicht möchte die Meinung sein. – So scheint es. – Schreitet sie also etwa außerhalb dieser hinauf, nemlich entweder außerhalb der Einsicht vermöge einer Deutlichkeit, oder außerhalb der Unkenntniß vermöge einer Undeutlichkeit? – Keines von beiden. – Scheint also wohl hingegen, sprach ich, die Meinung Etwas zu sein, was dunkler als die Einsicht und heller als die Unkenntniß ist? – Ja, durchaus so, sagte er. – Innerhalb der beiden aber liegt sie? – Ja. – Also ein Mittelding zwischen diesen beiden möchte wohl die Meinung sein? – Ja wohl, gar sehr. – Nicht wahr also, wir sagten in dem Obigen, daß, falls sich uns etwas Derartiges zeigen würde, was zugleich ist und nicht ist, ein Solches in Mitte zwischen dem in reiner Weise Seienden und zwischen dem durchaus Nichtseienden liege, und daß weder Wissen noch Unkenntniß auf Seite desselben stehen werde, sondern hinwiederum jenes, was als Mittleres zwischen Unkenntniß und Wissen sich zeigen würde? – Ja, dieß ist richtig. – Nun aber hat sich uns ja ein Mittleres zwischen diesen gezeigt, welches wir so eben Meinung nannten? – Ja, es hat sich gezeigt. –

22. Es ist uns demnach, wie es scheint, noch übrig, jenes zu finden, was an jenen beiden, nemlich an dem Sein und an dem Nichtsein, Theil hat und als keines der beiden in voller Reinheit richtig bezeichnet wird, damit wir es, wenn es sich gezeigt hat, mit Recht als den Gegenstand der Meinung bezeichnen, den beiden Aeußersten das Aeußerste und dem Mittleren das Mittlere zutheilend; oder etwa nicht in dieser Weise? – Ja, in dieser. – Nachdem also dieses uns so zu Grunde liegt, möge mir jener Wackere Antwort geben, welcher ein Schönes an und für sich und eine immerwährend sich gleich bleibende Idee der Schönheit nicht annimmt, hingegen als eben jener Schaulustige an viele schöne Dinge glaubt und es niemals ertragen kann, wenn Jemand behauptet, ein Eines sei das Schöne und das Gerechte und das übrige Derartige. Gibt es also etwa, o Bester, werden wir zu ihm sagen, unter jenen vielen schönen Dingen irgend ein Einziges, welches nicht auch als schimpflich sich zeigen könnte, und unter den gerechten Dingen ein Einziges, welches nicht auch als ungerecht, und unter den heiligen Dingen ein Einziges, welches nicht auch als unheilig? – Nein, sagte er, sondern nothwendig müssen sie alle gewissermaßen sowohl als schöne, als auch als schimpfliche sich zeigen, und so auch bei dem Uebrigen, um was du fragst. – Wie aber? zeigen sich nicht auch die vielen doppelten Dinge ebensosehr zugleich als halb?D. h. wie alle übrigen Ideen, so erfährt auch die Idee der Doppelheit (das διπλάσιον) innerhalb der Vielheit der erscheinenden Dinge gleichsam eine Verunstaltung oder Verunreinigung, insoferne sie dortselbst mit ihrem eigenen Gegensatze verflochten sein kann; denn sowie bei den empirisch erscheinenden Dingen z. B. die Schönheit nur eine relative sein kann, da nach einer anderen Seite betrachtet das nemliche Ding auch als häßlich gelten kann, so ist in der empirischen Erscheinung auch das Doppelten immer mit seiner Kehrseite verbunden, weil, wo von einem Doppelten die Rede ist, immer bei anderseitiger Betrachtung auch von einem Halben gesprochen werden muß. Schlechthin verkehrt ist hiebei nur, daß Plato dieses Wechsel-Verhältniß bloß der empirischen Erscheinung der Vielheit als einen Zustand des Uebels zuweist, denn gewiß kann ja auch in der Region der Begriffe der Mensch nie Einen Gegensatz ohne den entsprechenden andern denken, oder, mit anderen Worten, Plato verwechselt hier die Relativität mit der Gegensätzlichkeit, was freilich Sache einer gar eigenthümlichen Logik ist. – Ja, ebensosehr. – Also auch die großen Dinge und die kleinen und die leichten und die schweren werden nicht mit größerem Rechte so genannt, als man sie auch mit dem gegentheiligen Ausdrucke bezeichnen kann? – Nein, nicht mit größerem, sagte er, sondern immer wird jedes nach beiden Seiten hin sich anklammern. – Gilt also nun bei jedem einzelnen unter den vielen Dingen das Sein dessen, was wir es nennen, mehr als das Nichtsein desselben?Diese Schlußfolgerung aber überschreitet nun wahrlich vollends alles Maß des Erträglichen; denn wenn wir auch von dem in der vorigen Anm. so eben erhobenen Bedenken völlig absehen und dem Plato vollständig zugeben, daß alle qualitativen Bestimmungen, welche wir von den Dingen aussprechen, durchaus relativ seien, und daß, was wir schön, gerecht, groß, schwer u. s. f. nennen, wirklich von einer anderen Seite betrachtet zugleich auch häßlich, ungerecht, klein, leicht u. s. f. genannt werden könne, so ist es doch gewiß unlogisch, wenn Plato nun von diesen Qualitäten flugs auf die Substanz, auf die individuelle Wesenheit der Dinge überspringt und in seiner Weltschmerzlichkeit zu dem Resultate kömmt, daß außerhalb der Ideenwelt in der Erscheinung z. B. ein Mensch nicht in höherem Grade Mensch sei, als er auch Nicht-Mensch sein könne, und z. B. ein Gesetz ebenso gut Nicht-Gesetz wie Gesetz sein könne; denn, wie gesagt, darüber rechten wir mit Plato nun nicht mehr, daß ein Mensch zugleich einerseits schön und andrerseits häßlich, und ein Gesetz zugleich gerecht und ungerecht sein könne, aber jenes wenigstens steht uns fest, daß ein Mensch Mensch, und daß ein Gesetz Gesetz ist. Eine solche Schlußfolgerung, welche von Qualitäten in frivolster Weise auf die Substanz überspringt, nennt wohl schwerlich irgend Jemand eine philosophische Deduction, und gröbere Verstöße, als derartige, kann wohl ein »Philosoph« in seinem Fache schwerlich begehen. Vgl. m. Anm. 16 u. 17 z. Phädon. – Jenen zwitterhaften Dingen also, sagte er, wie wir sie bei Gastmählern vorbringen, gleichen sie, oder auch jenem Kinder-Räthsel von dem Wurfe eines Verschnittenen auf eine Fledermaus, mit welchem Dinge er sie dem Räthsel zufolge getroffen habe, und worauf sie dabei gesessen seiJenes Räthsel, welches bei den Alten öfters angeführt wird, lautetete: »Ein Mann und auch nicht ein Mann sah einen Vogel und auch nicht einen Vogel auf einem Holze und auch nicht auf einem Holze sitzen, und warf ihn mit einem Steine und auch nicht mit einem Steine. Was ist dieß?« Die Auflösung lautet. »Ein Verschnittener sah eine Fledermaus auf einem Rohrstengel sitzen und warf auf sie mit einem Bimssteine«. – Daß es üblich war, derlei Räthsel bei Gastgelagen sich gegenseitig aufzugeben, ist bekannt.; denn zwitterhaft sind auch sie, und von keinem derselben kann man weder das Sein noch das Nichtsein, nemlich weder beides noch keines von beiden, irgend in fester Weise denken. – Weißt du also, sagte ich, was du mit ihnen anfangen müssest, und kannst du ihnen eine trefflichere Stellung anweisen, als jene zwischen dem Sein und dem Nichtsein? denn weder dunkler als das Nichtseiende zeigen sie sich, so daß sie etwa in noch höherem Grade ein Nichtseiendes sein könnten, noch auch heller als das Seiende, so daß sie in noch höherem Grade ein Seiendes wären. – Völlig wahr ist dieß, sagte er. – Wir haben also gefunden, wie es scheint, daß jene vielen geltenden Annahmen der großen Menge betreffs des Schönen und des Uebrigen irgendwo in Mitte zwischen dem Nichtseienden und dem in reiner Weise Seienden sich herumwälzen. – Ja, dieß haben wir gefunden. – Vorher aber haben wir ja zugestanden, daß, wenn sich ein Derartiges zeige, wir es als Gegenstand der Meinung, nicht aber als Gegenstand der Einsicht bezeichnen müssen, insoferne vermöge der mittleren Fähigkeit das Mittlere als ein Unstätes ergriffen werde. – Ja wir haben es zugestanden. – Von Denjenigen also, welche wohl viele schöne Dinge betrachten, das Schöne an und für sich aber nicht sehen und auch einem Anderen, der sie dahin führt, nicht zu folgen vermögen, und ebenso auch wohl viele gerechte Dinge sehen, das Gerechte an und für sich aber nicht, und bei dem Uebrigen in gleicher Weise, werden wir nun behaupten, daß sie Sämmtliches bloß meinen, Nichts aber von jenem, was sie meinen, einsehen. – Ja, nothwendig, sagte er. – Wie aber bei jenen, welche all dieses an und für sich und in seinem immerwährend gleichen Verhalten betrachten? werden wir von diesen nicht behaupten, daß sie es einsehen, nicht aber, daß sie es meinen? – Ja, auch dieß ist nothwendig. – Nicht wahr also, auch schätzen und lieben werden, wie wir nun wohl behaupten dürfen, die Einen jenes, worauf ihre Einsicht gerichtet ist, und die Anderen jenes, worauf ihre Meinung? oder erinnern wir uns etwa nicht mehr daran, daß wir sagten Oben Cap. 20., daß solche Menschen schöne Töne und Farben und dergleichen lieben und betrachten, das Schöne an und für sich aber gar nicht als Seiendes dulden wollen? – Ja, wir erinnern uns daran. – Wir werden uns also wohl nicht vergreifen, wenn wir dieselben mehr Meinungsliebende als Weisheitsliebende nennen, und sie werden uns demnach nicht stark es verübeln, wenn wir uns so ausdrücken? – Nein, sagte er, wenigstens dann nicht, wenn sie mir folgen; denn die Wahrheit zu verübeln, ist unerlaubt. – Diejenigen also, welche jedes Seiende an und für sich hochschätzen, werden wir Weisheitsliebende, nicht aber Meinungsliebende nennen müssen? – Ja wohl, völlig so. –


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