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Kann ich Armeen aus der Erde stampfen …?

Die Äußerungen der europäischen Presse ließen keinen Zweifel darüber, daß man sich in der alten Welt ehrlich entrüstete über den heimtückischen Angriff auf unser Land. Aber was nützte uns diese flammende Verurteilung der japanischen Gewaltpolitik. Mit solchen Zeitungsartikeln schlug man nicht einen einzigen Soldaten des Tenno zu Boden. Was nützten uns alle Resolutionen begeisterter Volksversammlungen in Deutschland und Frankreich, was nützte uns die Versicherung, mit der man tagtäglich die Ozeankabel strapazierte, daß man mit seinen Sympathien auf Seiten des amerikanischen Volkes stehe!

Diese Äußerungen der öffentlichen Meinung lieferten allerdings den Beweis, daß die alte Welt doch endlich begriffen hatte, daß die gelbe Gefahr zu einem Weltereignis geworden war, das nicht nur zufällig ein Volk an den Rand des Abgrundes drängte, sondern alle Völker betraf, alle ohne Ausnahme. Über die Kathederweisheit der Lobredner der japanischen Kulturentwicklung war man hinweggeschritten zu der Erkenntnis, daß, wenn es den Vereinigten Staaten nicht gelingen werde, Japan niederzuzwingen und den Feind aus dem Lande zu treiben, daß dann der siegreiche japanische Imperialismus auf der nächsten Etappe mit donnernden Kolbenstößen an Europas Tore pochen werde, daß dann das Ende sämtlicher europäischer Kolonialreiche gekommen sei.

Während aber die Staatsrechtslehrer der alten Welt noch emsig ihre papierne Weisheit auskramten und in zahllosen Artikeln die Tatsachen bestaunten, wie ein Krieg ohne Kriegserklärung und ohne diplomatisches Vorspiel sich in das politische Schema der Weltgeschichte hineinpassen könnte, erwuchs uns insgeheim bereits eine wirkliche Kriegshilfe. Unsere Presse gab sich freilich noch immer der Illusion hin, daß die Hunderttausende unseres Milizheeres und des Aufgebotes an Freiwilligen in etwa drei bis vier Wochen ins Feld rücken könnten, aber der heillose Wirrwarr in den Truppenlagern redete eine andere Sprache. Vor allem machte sich der Mangel an tüchtigen Offizieren empfindlich geltend. Die Erfahrungen des Feldzuges gegen Spanien wiederholten sich in riesenhaftem Maßstabe. Wir hatten zwar ein vorzügliches Menschenmaterial, wir hatten den besten Willen, aber uns fehlte die praktische Erfahrung, den auf unsere kleine reguläre Armee zugeschnittenen Heeresapparat auf die Massen eines Volksheeres zu übertragen. Wir hatten geglaubt, mit Geld und gutem Menschenverstande aus einer Summe körperlich leistungsfähiger und sportsmäßig ausgebildeter Individuen in kurzer Zeit eine brauchbare und sogar siegreiche Armee zu schaffen, aber wir irrten uns. Es waren für den Transport-, den Verpflegungs- und den Sanitätsdienst die Formationen direkt aus dem Nichts zu schaffen, es war besonders auch ein Train zu organisieren. Wenn der Gouverneur eines Staates im Juni meldete, er habe sein Infanterieregiment formiert und bis auf Gewehre, Uniformen und die nötigen Fahrzeuge sei alles zur Stelle, und ein anderer erklärte, die beiden Kavallerieregimenter und die sechs Batterien seien bereit, nach dem Truppenlager auszurücken, sobald die Pferde, Geschütze, Munitionswagen und Geschirre geliefert würden, so waren das Zustände, die die Mängel unseres Mobilisationsplanes mit erschreckender Deutlichkeit zeigten.

Deshalb waren die zahlreichen deutschen Offiziere, die im Juni in unsren atlantischen Häfen landeten, nachdem sie offiziell aus dem deutschen Heeresverbande ausgeschieden waren, hochwillkommene Gäste, deren Erfahrung langsam Ordnung in das wilde Durcheinander in den Truppenlagern brachte. Die alte germanische Lust am Waffenspiel, der alte Landknechtstrieb der Deutschen hatte sich wieder geregt. Konnten die Regierungen, konnte die Diplomatie uns nicht helfen, die Scharen europäischer Offiziere und Freiwilliger halfen uns. Der in ihnen erwachte Drang, gegen den gelben Mann in einer Front zusammenzustehen, hat unserer werdenden Armee die Erzieher und die Führer gegeben.

In London schlich die Diplomatie herum wie ein geprügelter Hund. Die Begeisterung für das Bündnis mit Japan war ja längst verflogen, seitdem die englische Kaufmannswelt so unangenehme Erfahrungen mit der geschäftlichen Skrupellosigkeit der Japaner gemacht hatte. Das Bündnis hatte ja auch seine Schuldigkeit getan, nachdem Japan Englands russischen Krieg geführt hatte. Aber das Kabinett von St. James hielt an dem Vertrage fest, weil es in dem Moment, da man die Trosse loswarf, befürchten mußte, daß von Tokio aus das Stichwort für einen indischen Aufstand gegeben werden würde. Der Boden dafür war ja seit Jahren bearbeitet worden. Deshalb blieb man in der City sehr kühl gegenüber der Entrüstung der ganzen Welt über Japans perfiden Friedensbruch. Man sorgte, daß die Reparaturen japanischer Schiffe in Esquimault sich theoretisch nur auf Havarien bezogen, die die »Seefähigkeit« betrafen, man zahlte für das amerikanische Rote Kreuz, wettete in den Klubs auf den Erfolg der japanischen Waffen, hatte aber doch das Gefühl, in den Augen der Welt etwas schäbig geworden zu sein.

Ende Juli begannen endlich die Truppentransporte nach Westen. Wenn aber bei der Verladung der Regimenter die Polizisten in der Umgegend der Bahnhöfe nach japanischen oder chinesischen Spionen Ausschau hielten, so suchten sie an einer ganz verkehrten Stelle. So schlau war der Feind auch, daß er sich nicht unvorsichtig exponierte oder Spione, die als Mongolen sofort der Wut des Volkes zum Opfer gefallen sein würden, in die Nähe der Truppenlager entsandte.

Das hatte man auch gar nicht nötig, denn über alles, was in den Staaten geschah, wurde Japan auf eine viel einfachere Art, durch die amerikanische Presse selber informiert, die, noch immer nicht durch Schaden klug geworden, die militärischen Maßnahmen der Regierung, die Organisation der Armee, ja sogar die Möglichkeiten des strategischen Vormarsches mit einer Ungeniertheit erörterte, die nach den furchtbaren Schlägen der letzten Monate in Staunen setzen mußte. Die Warnungen der Regierung blieben besonders von der Lokalpresse unbeachtet; man konnte sich eben noch nicht von dem System freimachen, alle Tagesereignisse nur von dem Standpunkte zu betrachten, der journalistischen Konkurrenz in der Verbreitung von Sensationsnachrichten zuvor zu kommen.

Dieser Wettlauf um die Nachrichten vom Kriegsschauplatze und aus den Truppenlagern mußte erst zu einer vollen Katastrophe führen, bevor in dieser Hinsicht endlich eine straffe Disziplin geübt wurde. Wenn auch patriotische Redakteure in vielen Fällen darauf verzichteten, das ihnen zur Verfügung stehende Material öffentlich zu verwerten, was an Kabelnachrichten über den Ozean nach Europa gelangte, was man triumphierend nach dort als Beweis dafür meldete, daß das amerikanische Volk nunmehr imstande sei, die »Gelben in den Pacific zu werfen«, genügte vollkommen, um die Japaner in den Stand zu setzen, rechtzeitig ihre Gegenmaßregeln zu treffen.

Während die amerikanische Nordarmee gegen Nogis Streitkräfte in den Blauen Bergen vorrückte, sollte die Südarmee gleichzeitig von Texas aus einen Angriff auf die japanischen Stellungen an der Grenze von Arizona machen. Zu diesem Zwecke wollte man die in den Bergen New Mexikos stehenden drei Brigaden durch die Truppen aus Kuba und Portorico und durch die beiden Regimenter aus Florida verstärken. Alle diese Streitkräfte wurden auf dem Seewege nach Corpus Christi dirigiert. Man hoffte so den Angriffsplan möglichst lange geheim zu halten und den Feind unvermutet überraschen zu können, so daß er, auch im Süden angegriffen, nicht imstande sei, Verstärkungen nach Norden zu senden, wo vor den Blauen Bergen der Hauptschlag fallen sollte. Aber unser Angriffsplan blieb nicht geheim. Bevor noch ein einziger Soldat die schon wochenlang in Havana und vor Tampa liegenden Transportdampfer bestiegen hatte, wurden die japanischen Nachrichtenbureaux in Kingston (Jamaica) und in Havana teils durch eine Spionage, zu der die verlotterten Elemente des westindischen Mischblutes von den Inseln das Hauptkontingent stellte, teils aus der amerikanischen Presse ausreichend darüber informiert, wohin der Schlag sich richten sollte. Am 30. Juli war schon ein Kavallerieregiment aus Tampa in Corpus Christi eingetroffen. Am folgenden Tage wurden die kubanischen Truppen dort erwartet.


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