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In Tiwieten beim Grafen Buchenberg war große Gesellschaft. Der Graf, der ein Vetter der Schweinsbergs war, gab den beiden Brautpaaren einen Ball und die wirbelnde Tanzmusik schmetterte lustig hinaus in den fallenden Schnee, den der Wind in großen Flocken über die winterlichen Felder jagte. Doch was kümmerten sich die lustigen Leute, die sich dort im warmen Saal im raschen Walzer drehten, um das Stühmwetter draußen auf der Haide. Noch war ja die Stunde zum Aufbruche nicht gekommen und wenn sie kam, nun, man hatte schnelle Pferde vor den leichten Schlitten und in wenig Stunden war man zu Hause.
Der Graf und seine Gemahlin zeigten sich als die liebenswürdigsten Wirthe, das Parquet war glatt, die Musik war gut. Die Jugend tanzte fröhlich durch einander und es fiel ihr nicht ein, daß man unter so bewandten Umständen auch noch etwas Anderes thun könne, als tanzen. Die meisten alten Herren und einige junge dachten darüber aber anders. Oben im Rauchzimmer waren die grünen Tische aufgeschlagen und besagte alte Herren saßen an ihnen und spielten Whist oder Préference oder Boston. Als man eine Weile gespielt hatte, erklangen von dem einen der Tische eigenthümlich kurze, monotone Ausrufe. An diesem Tische saß ein Vetter des Tiwieten'schen, auch ein Graf Buchenberg, ein Mann von militairischer Haltung mit einem langen, röthlichen Schnurrbart, einer sehr scharf gebogenen Adlernase und einem unbeschreiblich mageren Gesicht. Er war Militair gewesen, hatte als solcher lange Zeit in Warschau gelebt und war dort ein leidenschaftlicher Spieler geworden.
Wenn er in größere Gesellschaft fuhr, so nahm er gleich seinen Spielapparat, der für solche Fälle construirt war, mit. Da er sonst als ein tadelloser Gentleman bekannt war, sah man darüber hinweg, daß das Spiel ihm mehr zur Gewohnheit geworden war, als billig.
An diesem Tische saß noch der P…sche. Er war ein sehr schöner Mann und trug sich immer ungemein comme il faut. Die älteren Damen behaupteten, er trage die schönste Wäsche, die es im Lande gebe und die jungen Herren ahmten ihm in Allem und Jedem nach, ja, man wollte sogar bemerkt haben, daß, seit er wieder im Lande sei (er lispelte etwas), sich unter der adeligen Jugend das Lispeln unnatürlich verbreitet habe. Der P…sche war so höflich und glatt, daß kein Mensch sich in seiner Gesellschaft irgend behaglich fühlen konnte, und daß man trotz der unbeschränkten Hochachtung, die man für ihn empfand, froh war, wenn sich die Thür hinter ihm geschlossen hatte. Er spielte gern und gewann in der Regel.
Der Dritte im Bunde war der R…sche. Er nannte sich gegen die Landessitte »Freiherr,« und so war die Bezeichnung »der Freiherr« sein Spitzname geworden. Er war ein großer, dicker Mann mit einem bartlosen Gesichte, das bei Gemüthsbewegungen purpurroth anlief. Frau Eleonore behauptete von ihm, er habe die Kenntnisse eines Kutschers und die Manieren eines Friseurgehilfen, er selbst aber dachte darüber anders. Er liebte es, durch Entwickelung krautjunkerlicher Ansichten der ungeheuerlichsten Art, zumal den Damen der Gesellschaft zu einem sanften Gruseln zu verhelfen. Außerdem war er immer voll von obscönen Geschichten, über die er sich vor Lachen ausschütten wollte, ohne daß in der Regel seine Heiterkeit von seinen Zuhörern getheilt wurde.
Er spielte ebenso leidenschaftlich als unglücklich, und man behauptete, daß drei Generationen R…scher Majoratsherren nicht im Stande sein würden, seine Schulden zu bezahlen – wenn sie das thun müßten.
Der Vierte war der Bachhöfsche Schweinsberg.
Als die eben erwähnten kurzen, monotonen Ausrufe an diesem Tische ertönten, übten sie eine ungemeine Anziehungskraft auf die Nachbarn aus und bald standen die andern Tische leer, während sich um den Tische, an welchem der Graf und sein Apparat in Thätigkeit waren, dichte Gruppen bildeten. Bald lag ein großer Haufe Papiergeld auf dem Tisch und von allen Seiten streckten sich Arme zwischen den Vorstehenden hindurch oder über sie hinweg, um Scheine zu dem Haufen zu legen, oder um solche von demselben zu nehmen.
Als der Tiwietensche heraufkam und die Gruppen gewahr wurde, protestirte er energisch dagegen, daß man bei einer solchen Gelegenheit spiele. Ein Ball sei keine Jagd, meinte er. Er drang aber mit seinem Proteste nicht durch.
»Du kannst doch von uns alten Kerls nicht verlangen, daß wir tanzen sollen,« rief der Bachhöfsche. »Die jungen Leute werden ohnehin unten bleiben.« Dem Grafen Buchenberg, der die Bank hielt, schien es nicht einmal nöthig, sich dieserhalb mit seinem Vetter in eine Discussion einzulassen.
Der Tiwieten'sche sah ein, daß hier Nichts zu machen war und begnügte sich daher damit, wenigstens die jungen Ausreißer mit sich hinunter zu nehmen.
Während einer Pause im Tanze kam auch Otto Schweinsberg herauf. Er hatte eigentlich nur eine Papiercigarre rauchen und dann gleich wieder hinunter gehen wollen, aber der Anblick des grünen Tisches wirkte auf ihn wie das Eisen auf die Magnetnadel.
Auf einem Nebentische stand ein silberner Pokal von sehr schöner getriebener Arbeit. Er stand eigentlich nicht da, damit man aus ihm trinke, sondern nur zur Zierde, aber Otto ließ ihn sich bis an den Rand mit Champagner füllen und trank ihn dann bis auf den Grund leer.
»Das nenne ich Fall,« sagte der junge S…sche, der dabei stand und lachte.
Der Aarburgsche trocknete sich mit dem Taschentuche den Schnurrbart, schlug dann seinen Arm um die Schultern des jungen Mannes und sagte:
»Komm, Karl, wir wollen einmal ein wenig setzen. Ich muß doch sehen, wie sich das Glück im Spiele zu mir verhalten wird, seit ich so großes Glück in der Liebe habe.«
Der junge S…sche war bereit, dieses Experiment mitzumachen, obgleich er sich über großes Glück in der Liebe keinesweges beklagen konnte.
Otto gewann im Spiele fast nie, denn er pflegte nicht eher zu ruhen, als bis er das Gewonnene wieder angebracht hatte. Gewöhnlich begünstigte ihn das Glück nicht, aber heute gewann er beständig.
Nach einer Viertelstunde war der Haufen Papiergeld, der auf dem Tische lag, sein Eigenthum; die Bank war gesprengt.
Otto hatte den Pokal mit sich genommen und trank ihn zum zweiten Male leer. »Auf das Wohl unseres braven Lehmhof!« rief er und machte die Nagelprobe.
Einige schauten ernst vor sich hin, die Meisten lachten laut. »Auf sein Wohl! Auf Lehmhof's Wohl!« hieß es.
»Wo mag der Biedermann jetzt stecken?« fragte der unglückliche Bankhalter.
»Das mußt Du ja wissen, Otto,« rief der S…sche.
»Warum?« fragte der Aarburgsche und sah den Fragenden so eigenthümlich an, daß dieser es für gut hielt, rasch einzulenken.
»Ich denke, Du warst doch mit der Frau befreundet?« sagte er mürrisch.
»Ich war und bin allerdings mit Frau von Lehmhof befreundet,« sagte Otto, »aber ich sehe nicht ein, warum Du dessen hier erwähnst.«
»Frau von Lehmhof und ihr Mann sind in Italien,« sagte der P…sche.
»Arme Frau!« rief der S…sche. » Die Flöhe und dann noch Lehmhof als Mann. Nun bravo!«
Man lachte laut.
»Laßt Lehmhof in Frieden,« sagte der Bachhöfsche ernst. »Den Mann hat schweres Leid getroffen!«
Der ernste Ton, in dem diese Worte gesprochen wurden, rief für den Augenblick eine peinliche Pause hervor. Der Graf unterbrach sie aber, indem er sagte: »Wer hält die Bank?« Ich! Ich! rief es von verschiedenen Seiten und bald war das Spiel wieder im Gange.
Otto setzte wie unsinnig und gewann wieder beständig. In kurzer Zeit war die Bank zum zweiten Male gesprengt.
Ein Bruder der Wirthin kam hinaufgestürzt, nahm Otto bei Seite und bat ihn, mit ihm hinunter zu gehen. »Du erregst durch Dein Wegbleiben Aufsehen,« sagte er eifrig.
»Um so besser, mein Junge. Aufsehen giebt Ansehen. Ich gedenke noch ein drittes Mal die Bank zu sprengen.«
Nach einer Weile kam auch Horace herauf. Er kam, um seinen Schwager hinunter zu holen, aber da ihm das nicht gelang, blieb er selbst da und betheiligte sich am Spiele.
Otto nahm sich des Schwagers an und trank ihm so fleißig zu, daß dieser bald in eine sehr erhöhte Stimmung gerieth. Diese steigerte sich noch, als auch er heute im Spiele gewann. Die beiden künftigen Schwager tranken und spielten bald so lustig weiter, als ob ihre Bräute gar nicht auf der Welt, geschweige denn unten im Tanzsaale wären. Sie riefen durch ihre Rücksichtslosigkeit die Indignation der jüngeren und bedenkliches Kopfschütteln der älteren Herren hervor, aber sie ließen sich dadurch nicht irre machen.
Nach einiger Zeit nahm Schweinsberg Horace bei Seite und sagte leise:
»Höre, Horace, ich habe mir einen köstlichen Spaß ausgedacht.«
»Einen Spaß? O, das ist sehr erfreulich. Ich bin ganz in der Stimmung, mich an einem Spaße zu betheiligen. Was hast Du vor?«
»Wir wollen heute Abend mit unsern Bräuten tauschen.«
»Wie? Tauschen?«
»Ich meine natürlich nicht für immer, Verehrtester, denn ich weiß sehr wohl, daß Du Deine liebenswürdige Schwester nicht heirathen kannst. Ich meine, wir sollten heute Abend bei'm Nachhausefahren mit unseren Bräuten tauschen.«
»Das ist lustig. Ich werde hinunter gehen und es ihnen vorschlagen.«
»Nicht doch. Dadurch würdest Du den Spaß verderben, denn es kommt ja eben auf die Ueberraschung an.«
»Ja so, Du hast Recht. Es kommt auf die Ueberraschung an; wir wollen sie überraschen.«
»Du weißt doch, daß wir der schlechten Bahn wegen in lauter kleinen Schlitten gekommen sind. Weißt Du das noch?«
»Ja, ich glaube, wir kamen in kleinen Schlitten.«
»Gut. Das also müssen wir benutzen. Als wir herkamen, kutschtest Du Duding und ich Madeleine. Die Mädchen werden nun natürlich glauben, daß es auch bei der Rückfahrt so bleibt und werden ruhig in die Schlitten steigen, und das um so mehr, da jeder von uns vor seinem Schlitten steht und ihnen hineinhilft. Da es draußen sehr windig ist und sie getanzt haben, so werden sie ihre Gesichter wohl verwahren. Wenn nun alle Schlitten sich in Bewegung setzen, steigst Du in meinen Schlitten zu Madeleine und ich in Deinen zu Duding. Verstehst Du, der Spaß wird köstlich sein!«
»Ja, das hast Du Dir hübsch ausgedacht. Ganz vortrefflich. So wollen wir es machen.«
»Nun, siehst Du, alter Junge, da verhelf ich Dir doch wieder zu einem lustigen Augenblicke,« rief Otto und lachte hell auf. »Aber nun reinen Mund gehalten, denn die Mädchen dürfen nichts merken.«
Spät gegen Morgen erst brach man auf. Der Wind hatte aufgehört, aber es schneite noch in großen, nassen Flocken. Vor der Hausthür erwartete ein buntes Gewirr von kleinen Schlitten die scheidenden Gäste. Die Rosse bäumten sich, die Glocken klangen hell durcheinander, die Kutscher und Stallknechte schrieen einander zu. Es konnten nicht alle Schlitten an die Freitreppe, Niemand wollte warten, Jeder beeilte sich, in seinen Schlitten zu gelangen. Horace, der so viel getrunken hatte, daß er sich nur mühsam aufrecht erhielt, handelte genau nach der Verabredung und war seelenvergnügt, als Schweinsbergs schäumender Rappe mit ihm und seiner Schwester wild an den Schlitten der vor ihnen Fahrenden vorüberstob. Der Champagner in ihm war stärker als seine Furchtsamkeit. Der »Spaß« war gelungen – er jubelte innerlich.
Schweinsberg hatte richtig gerechnet. Duding war wirklich so dicht verschleiert, daß sie gar nicht gewahr wurde, wer neben ihr saß, zumal Otto seines Schwagers Fuchs anfangs in mäßigem Trab erhielt und in der Reihe der Schlitten blieb. Erst als das Pferd plötzlich vom Wege abbog und zugleich in Carriere überging, wandte sie sich erschreckt um und erkannte mit Entsetzen ihren Vetter.
»Otto,« rief sie, »Wahnsinniger, was willst Du?«
Sie versuchte zugleich, sich aus dem Schlitten zu werfen, aber Otto hatte das voraus gesehen und sein rechter Arm umfaßte sie wie eine eiserne Klammer.
»Fürchte nichts,« sagte er, »fürchte nichts. Dir wird nichts geschehen, ich schwöre es Dir. Ich wollte nur einmal noch mit Dir allein so dahinfahren, ich bringe Dich direct nach Hause. Verzeihst Du mir, Duding?«
Das junge Mädchen saß schweigend und bewegungslos da. Otto zügelte das Roß und ließ es in kleinem Trabe gehen.
»Es ist ja ein toller Streich von mir, Duding,« sagte er, »und vielleicht auch mehr als das, denn ich compromittire Dich ernstlich, aber ich konnte nicht anders. Ich mußte noch einmal unter vier Augen mit Dir zusammen sein und aus Deinem Munde vernehmen, daß Du wirklich entschlossen bist, die Frau jenes einfältigen Knaben zu werden. Ich kann mich darein nicht finden, daß wir Schweinsberge die Kinder der Parkhöfschen alten Närrin werden, daß wir Schweinsberge uns mit dem französischen Lumpengesindel verbinden sollen. Es geht mir gegen das Blut, Duding, und ich weiß, daß es Dir ebenso ergeht. Ich muß Dich noch einmal fragen, Dich selbst fragen, ob Du es wirklich vorziehst, an der Seite dieses Burschen ein sattes, ödes Leben zu führen, oder ob Du lieber mit mir in fremder Erde ein einsames Grab finden willst. Duding, ich bin ein wilder Gesell, aber ich bin doch ein ganzer Mann. Ich passe in die zahme Welt hier, in der man seinen Muth nur an Hasen und Rehen erprobt, nicht hinein, aber gieb mir freie Bahn und Du sollst sehen, daß es keine Hecke giebt und keinen Graben, die ich nicht nehme. Ich frage nicht nach Gut und Böse, ich vertraue auf keinen Gott und fürchte mich vor keinem Teufel. Ich vertraue der eigenen Kraft und ich will ein Leben haben voll von Abenteuern und Erlebnissen, voll verwegenen Wagens und kühnen Spiels. Duding, komm' mit! Wie der Falke frei durch die Lüfte zieht, so wollen wir durch den Urwald streifen. Ein Blockhaus und eine Büchse für Dich, ein Beil und eine Büchse für mich – das ist Alles, was wir brauchen. Reißt einen von uns ein Jaguar nieder – aus dem einen Laufe zerschmettert der Andere rächend den Kopf der Bestie, aus dem andern Laufe jagt er die Kugel in's eigene, verwaiste Herz. Duding, ich flehe Dich an, komm' mit! Komm' mit zu kühner, verwegener Lust, von der Niemand weiß, um die Niemand sich kümmert. Wir werden es hier doch nicht lange machen, ist es da nicht besser, wenn wir dort der Tatze des Panthers oder der Wucht eines fallenden Baumes erliegen, als wenn man uns hier wie ertränkte Katzen aus dem Flusse zieht?«
»Und nun habe ich Alles gesagt, was ich Dir nochmals sagen mußte. Willst Du nun doch hier bleiben und hier verderben, dann nicke mir zu und ich will nicht ein Wort mehr zu Dir sprechen und Dich ruhig auf den Weg und wieder nach Hause bringen.«
Er blickte scharf zu ihr hinüber und er sah, wie sie ihm zunickte.
Er zog seinen Arm zurück und lenkte das Pferd um.
Schweinsberg war hart hinter Tiwieten vom großen Wege abgefahren und hatte einen schmalen Feldweg eingeschlagen, der zuerst durch die Gutsfelder und dann über eine weite Haide, eine sogenannte Atmatte, führte, die sich von hier lang hinzog. Auf dieser Haide befanden sie sich jetzt. Der Wind hatte jede Spur des Weges verweht, schwer keuchend und sich schüttelnd trabte der Fuchs durch den tiefen Schnee.
Es hatte aufgehört zu schneien, aber dunkle Wolken standen am Himmel und nur das Schneelicht gab einen unbestimmten, trügerischen Schein. So weit das Auge reichte, ließ sich nichts gewahren, als die ebene Schneedecke.
Otto ließ sich dadurch nicht irre machen. Er trieb das Thier an und fuhr in scharfem Trabe auf gut Glück vorwärts. Von Zeit zu Zeit stieß der Schlitten gegen einen Maulwurfshügel und schwankte dann so stark, daß er umgefallen wäre, wenn Otto Duding nicht wieder umschlungen und so den Schlitten einigermaßen balancirt hätte. Sie mochten wohl eine Stunde lang gefahren sein, als der Schlitten gegen einen Grenzpfosten stieß und umfiel. Otto half seiner Gefährtin schweigend wieder auf ihren Sitz und sie fuhren weiter. Er fühlte, wie sie unter seinem umschlingenden Arme wie im Fieberfroste bebte.
Sie fuhren noch eine Strecke weiter, dann verschwand plötzlich das Pferd vor dem Schlitten, dieser selbst zerbrach und seine Insassen fielen hinaus. Das Thier war in eine Lehmgrube gefallen und hatte sich ein Bein gebrochen. Otto richtete Duding auf.
»Bist Du unverletzt?« fragte er und hielt sie in seinen Armen.
»Ja,« sagte sie und lehnte ihren Kopf an seine Brust, »ich bin unverletzt.«
»Duding,« sagte er, indem er sie an sich drückte und sie durch den Schleier auf den Mund küßte, »Duding, ich gebe Dir mein Ehrenwort, daß es durch Zufall so gekommen ist; aber ich bin herzlich froh, daß die Bestie dort uns diese Ueberraschung bereitet hat.«
Er tödtete das Thier durch einen Pistolenschuß, dann sagte er:
»Nun komm', wir werden wohl ein Gesinde finden. Im schlimmsten Falle gehen wir zu Fuße nach Hause.«
Sie gingen bei dem trüben Scheine des Schneelichts langsam durch den tiefen Schnee. Duding stützte sich schwer auf seinen Arm, die fieberhafte Aufregung, in der sie sich befand, kam ihr zu Hülfe und hielt sie aufrecht. Sie hatte den Schleier zurückgeschlagen und er küßte sie nun oft und heiß.
Als der erste fahle Schimmer des nahenden Wintermorgens die Dunkelheit ein wenig erhellte, standen sie ein paar hundert Schritte unterhalb Endhof am Flusse.
»Wohin?« fragte Duding.
»Zu mir und dann gleich weiter. Hältst Du es aus, mein Indianerweib?«
»Vorwärts, Otto!«
Auf dem Flusse lag eine ebene, weiße Schneeschicht und tiefer Schnee bedeckte den Uferhang.
»Komm', ich werde Dich hindurchtragen,« sagt Otto und trägt sie durch den tiefen Schnee, der ihm bis an den Leib reicht. Er setzt sie auch noch nicht ab, als er schon auf dem Flusse ist, und sie ruht willig in seinem stählernen Arme. So geht er schräg über den Fluß. Plötzlich kracht es dumpf unter ihm, ein Schrei tönt gellend durch die stille Nacht, das Wasser schäumt hoch auf – dann lagert sich wieder tiefes Schweigen über die nächtliche Landschaft.
Aber nicht auf lange. In Endhof hat man den schrecklichen Schrei gehört, die Thüren werden aufgerissen, Heinz, Weinthal, die Knechte eilen halb bekleidet aus dem Hause.
»Es ist Jemand in ein Eisloch gerathen,« heißt es, »der Schnee hat die Tannenreiser verdeckt.«
Alle eilen wieder zurück in die Zimmer, hüllen sich in Pelze und laufen dann hinab auf den Fluß. Spuren von Männertritten führen vom Ufer gerade auf das Loch zu. Das leichte Eis, das dieses bedeckte, ist gebrochen und auf dem Wasser schwimmt ein schwarzer Gegenstand, der durch die Strömung gegen das Eis gedrückt wird. Heinz erkennt mit Entsetzen die Mardermütze des Aarburgschen.
Am Steine, unterhalb der Aarburgschen Fähre, zog, spät am Nachmittage, der alte Jahne mit einem Bootshaken die Leiche seines Herrn und die Dudings aus dem Wasser. Die Todten hielten sich fest umschlungen.