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Vierundzwanzigstes Kapitel.

Wie im Traume war das feierliche Ja gesprochen, die theuere Stimme von Vater Johannes hatte sie vereinigt, angesichts der Kaiserin, im Beisein einer Anzahl von Zeugen. Wie im Traum war Paula vor der Kaiserin gekniet und hatte deren Hand geküßt, gnädige Abschiedsworte tönten an ihr Ohr, zärtlich mütterliche Segensworte begleiteten sie in den Wagen, in welchem sie neben Max saß, unfähig zu denken, zu reden, während die vier stolzen Pferde denselben in gestrecktem Trabe der Residenz zuführten. Endlich fand sie Worte: »Max,« sagte sie mit gepreßter Stimme, »sage mir, daß ich nicht träume, sage mir, daß ich wirklich lebe – ich meine, ich wäre gestorben und in einer schönen Welt erwacht.«

»Du lebst und träumst nicht, meine Paula, endlich mein Weib, mein Alles,« rief jubelnd Max, sie an seine Brust pressend, »ich habe dich mir errungen, die Festung wollte sich dem offenen Angriffe nicht ergeben, der List mußte sie weichen!«

Verwirrt blickten Paula's große dunkle Augen in sein sonniges strahlendes Antlitz.

»Aber wie kam denn alles?« frug sie, »deine Mutter, du, selbst Vater Johannes – weiß mein Vater?«

»Alles weiß er,« entgegnete Max, »doch hier sind wir.« Donnernd fuhr der Wagen in der Herrengasse vor das väterliche Palais der Gräfin; Max trug sein Weib, mehr als daß er sie führte, in das zu ihrer Aufnahme hergerichtete Gemach.

»Konntest du glauben,« sagte er hier angekommen und sich neben sie setzend, »konntest du glauben, ich würde so schnell von dir lassen? sicher machen mußte ich meinen scheuen Vogel, daß er mir nicht wieder davon fliege und sich verstecke! Meine Mutter war schnell bereit auf den Plan einzugehen – meine Hülfe, meinen Schutz bei unserer gütigen Kaiserin hast du verschmäht, allein wollte mein stolzes Mädchen den Schritt thun, aber als unsichtbare Geister standen wir ihr zur Seite! meine Mutter liebte dich und mich genug, um die weite Reise an den Hof der Kaiserin zu unternehmen und das gütige Herz der hohen Jugendfreundin für dich einzunehmen, was ihr bald gelang, nur bestand die Kaiserin auf der Geheimhaltung. ›Etwas Strafe muß ihr doch werden,‹ meinte sie, ›dafür, daß sie zweimal das Auge ihrer Kaiserin getäuscht.‹ Ich hätte so gern meinem Liebling die Angst und die Demüthigung erspart,« fügte Max seiner Erzählung bei, zärtlich die Locken aus der Stirne Paula's streichelnd.

»Und diese Narbe,« frug leise Paula, »wirst du dich nie ihrer schämen?«

»Sie ruft mir den liebsten Freund in's Gedächtniß zurück, den Freund, der mir in dir alles vereinigt!« rief Max und bedeckte ihre Stirne mit seinen Küssen.

* * *

Nicht sobald trennte sich, was sich so glücklich zusammengefunden hatte. Janos wurde mit Madame Beaumont zurückgeschickt, um dem Grafen zu berichten und die neue Wohnung zu bereiten. – Die Kaiserin hatte Max den Abschied bei der Truppe bewilligt und ihn zum Kommandanten und Statthalter von Kroatien ernannt. »Ihr müßt mir tüchtige Regimenter dort schaffen, und mit Eurer jugendlichen Kraft noch ferner dienen,« hatte sie ihm in der Abschieds-Audienz gesagt.

Gräfin Gisela ließ sich gerne bewegen, noch eine Zeitlang mit den Kindern in Wien zu bleiben. Das väterliche Haus, die Umgebung der Vaterstadt riefen die schönen Erinnerungen ihrer Kindheit und Jugend wieder wach, in dem Glück ihrer Kinder verjüngte sie sich selbst wieder und freute sich, manche der schönen Orte zu besuchen, an denen Wiens Umgebung so reich ist. So saßen sie denn auch heute an einem der schönsten Punkte beisammen: ein weiter Horizont erstreckte sich vor ihren Blicken, zu Füßen trieb die Donau ihr Wasser den weiten Ebenen Ungarns zu, vor ihnen lag das Häusermeer der Residenz, überragt von der kühnen Spitze des Stephanthurms. »Hier war es,« sagte die Gräfin zu der neben ihr sitzenden Paula, »wo ich Maxens Vater kennen lernte, deßhalb wünschte ich noch einmal mit Euch heraufzukommen.« »Möge es mir dereinst vergönnt sein, mit demselben Bewußtsein schön vollbrachter Pflicht hier zu stehen, wie Sie, theure Mama!« entgegnete Paula, der Schwiegermutter die Hand küssend.

»Wie steht es denn jetzt bei Gräfin Paula mit den widerstreitenden Empfindungen?« frug lächelnd Vater Johannes, der etwas ferner stehend in den Anblick der Aussicht versunken, bis jetzt nicht am allgemeinen Gespräche Theil genommen hatte, »möchte sie sich noch immer in's Schlachtengetümmel stürzen?« –

»Ich habe nur eine Empfindung in mir,« entgegnete Paula, und schmiegte sich näher an die hohe Gestalt ihres Gatten, »die Empfindung unsäglichen Glückes, unaussprechlicher Wonne: sein eigen zu sein, ich kenne nur einen Wunsch: ihn so glücklich zu machen, als dies in menschlichen Kräften steht!«.

»Ihre Prophezeihung, Kaplan, ist in Erfüllung gegangen,« versetzte die Gräfin mit feuchtem Blick, zu dem alten Freunde, tretend.

»Und die wäre?« frug dieser.

»Als Paula,« entgegnete sie leise, »mit dem Schicksal rechten wollte, sie am Leben gelassen zu haben, da sagten Sie, Gott würde sie noch leben lassen, um die beiden sich streitenden Naturen in ihrem Innern zu einem harmonischen Ganzen zu vereinen. Das ist geschehen,« setzte sie hinzu, und sandte einen Blick voll warmer, mütterlicher Liebe auf das schöne Paar, das sich ebenfalls erhoben hatte, »nun ich sehe beruhigt in die Zukunft meines Sohnes.«

An dem Abend trafen sie verschiedene Briefe zu Hause an.

»Therese kommt nicht,« sagte den seinigen lesend Max, »sie kann Klara, deren Mann gegenwärtig viel beschäftigt ist und die ein krankes Kind hat, nicht verlassen.« – »Es thut mir um so mehr leid,« schreibt sie, »als dein künftiger Wohnort und der meinige so sehr entfernt sind, und die Wahrscheinlichkeit gering ist, daß wir uns sobald sehen. Wenn aber deine Frau ihrem Bruder Wilmos ähnlich ist, so ist sie meiner Liebe sicher – das Andenken dieses schönen, ernsten Jünglings lebt noch warm in unsern dankbaren Herzen.« Eine hohe Röthe übergoß Paula's Antlitz und ein peinlicher Ausdruck flog darüber hin.

»Immer noch eine Lüge,« murmelte sie, nur für Maxens Ohren verständlich, »und doch kann ich es nicht ändern!«

»Mit den Schwestern würden es zu viele erfahren,« sagte Max, den ernsten Ausdruck mit einem leisen Kuß verscheuchend, »soll es unser alleiniges Geheimniß bleiben, so darf Niemand mehr eingeweiht werden, wenn es auch Karl Nostiz, der noch jetzt etwas gereizt ist, wenn von Wilmos gesprochen wird, wesentlich beruhigen würde.«

»Dieser kleinen Eifersucht von seiner Seite habe ich es zu danken,« sagte die Gräfin lachend, »daß die Figuren jenes Töpfers und hauptsächlich das Bild, das Gabriele von dir gemalt, in meinem Besitze blieb. Das Bild hängt, seit du mich verlassen, in meinem Zimmer über der Thüre. Doch auch du hast einen Brief bekommen, meine Tochter?«

»Von der Fürstin Lobkowitz,« entgegnete Paula, und sich zu ihrem Gemahl wendend, fuhr sie fort, »sie bittet uns, sie auf unserer Heimreise zu besuchen. Wir seien ganz sicher vor unerwarteten Besuchen, schreibt sie, denn Sidonie sei, Dank der zu erwartenden Erbschaft, verheirathet und lebe in einer fernen Garnison.«

Noch einen Besuch machten sie auf dieser Reise, das war in dem verborgenen Jagdschlößchen bei den guten alten Förstersleuten, von da ging Paula allein in das Kloster.

»Grüße Marie von dem Jugendfreunde,« sagte Max bewegt, und sage ihr, ihren frommen Gebeten und ihrer treuen Pflege an dir, danke ich ein Glück, das ich nie zu erreichen gehofft, als sie mir entsagte.

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