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Elftes Kapitel.

Waren alle die frommen Segenswünsche eines dankbaren Mutterherzens, alle heißen Gebete von reinen Kinderlippen gesprochen, genügend, einen lichten Strahl in Paula's Seele zu senken? Wer konnte es wissen? wer ahnte damals in der Abgeschlossenheit ihres inneren Lebens das schmerzliche Sehnen nach Wahrheit ihres von Natur zur Offenheit geschaffenen Gemüthes, indessen jeder Schritt, den sie im Leben that, jedes Wort, das ihre Lippe sprach, eine Lüge war! O jene Fluchesworte des Vaters, sie tönten unablässig in ihren Ohren, sie hörte sie in ihren Träumen seit jener schrecklichen Stunde, sie schreckten sie zurück von den hl. Handlungen ihrer Religion, denn wie durfte sie vor Gottes Altar treten mit einer Lüge auf dem Gewissen? Und doch wagte sie nur vor Ihn allein zu treten in stummer, wortloser Bitte um den Tod, als einzige Erlösung von einem Scheindasein, dessen Entlarvung jede Stunde Schande über sie und den noch immer heiß geliebten Vater bringen konnte. War es nicht Verrath an jenen reinen Frauen, sich einzudrängen in ihren Kreis? wie würden sie zurückbeben vor dem Mannweib, vor der Betrügerin, die einen edlen Namen gestohlen! Sie, die dem Tod ruhig in's Auge sah, schauderte vor diesem Gedanken zurück! Wer blickte tiefer in ihres Herzens verborgensten Schrein und sah die wachsende Liebe, die von Tag zu Tag die Fesseln zu sprengen drohte? Vergebens suchte sie den Freund zu meiden, seine ahnungslose Seele sah keine Gefahr und gab sich einer Freundschaft hin, die sie fliehen mußte, sollte sie nicht, wie jede weichere Regung, ihr Verderben herbeiführen. Langsam ritt sie, gefolgt von dem treuen Janos, dem einzigen stummen Mitwisser ihres unseligen Geheimnisses, in die Herbstnacht hinaus, den Lichtschein des frohen Familienkreises, das unschuldige Geplauder der Kinder, die sanften Klänge der Musik hinter sich lassend, als die Hufschläge von Pferden an ihr Ohr schlugen.

»Wilmos,« rief laut Max hinter ihr drein reitend, »laß mich auch mit, was reitest du denn so einsam in die Nacht hinein? Auch mich hielt es nicht länger in der dumpfigen Halle, um so mehr, als ich Grund zur Vermuthung habe, daß Daun mit Nächstem einen Hauptstreich wagen und ein Befehl vom Oberkommando uns aus der trägen Ruhe, in der wir jetzt schmachten, reißen wird. Wir müssen strenge Ordnung halten, um sogleich bereit zu sein. Mit solchen Gedanken und Aussichten kann ich es unter den Frauen nicht aushalten, vollends wenn mir eine davon so antipathisch ist, wie diese Sidonie. Apropos, sie erinnert sich ja, einmal bei Euch gewesen zu sein und deine Schwester gekannt zu haben.«

»Sie sagte es mir letzthin, ich bezweifle aber, daß meine Schwester, die von jeher ein wildes unbändiges Mädchen gewesen, ihr angenehm war.«

»Immer noch besser als diese zimperlichen Dinger, die es unweiblich finden, einem Hund zu pfeifen und doch unweiblich genug sind, mit jedem jungen Manne zu liebäugeln, ihn an sich zu locken, dabei aber zu jedem Opfer zu feig sind. Ich möchte deine Schwester kennen lernen, Wilmos.«

Der Angeredete schien die letzten Worte nicht zu hören, denn er sah über die Ebene hinweg scharf nach der Richtung des Dorfes, das vor ihnen lag, eine Feuersäule hob sich vom dunkeln Nachthimmel ab. Sogleich bemerkte auch Max dieselbe, und ohne ein Wort weiter zu wechseln, gaben sie ihren Pferden die Sporen und jagten der Gegend zu. Sie fanden das ganze Dorf in Bewegung, diesmal waren es jedoch nicht, wie schon so oft, Kroaten, sondern preußische Marodeurs, die plündernd durchgezogen, jedoch schon vor den braven, hier stationirten Uhlanen im Weichen begriffen waren. Schnell übersah Max die Lage der Dinge.

»Wilmos,« gebot er, »sammle die Leute und verfolge die Kerle, suche womöglich eines habhaft zu werden, er kann uns vielleicht als Spion dienen, ich will sehen, mit den Uebrigen hier den Ort zu säubern. Jenes Haus dicht an dem brennenden scheint mir nicht geheuer.«

Er stieg ab und lenkte sofort seine Schritte dorthin; bereits züngelte die Flamme gierig nach neuer Nahrung an dem elenden Balkenwerk der Hütte, aus deren Fenster unbeweglich ein kleiner Lichtstrahl drang. Gebückt trat Max durch die niedere Thüre die enge Treppe hinauf und in die Stube, wo er ein Nest verborgenen Gesindels zu finden dachte, statt dessen lag hier, den eindringenden Rauch nicht achtend, ein todtenbleicher Priester betend an einem niedern Lager, auf dem ein Sterbender seinen Worten lauschte. Ueberrascht von dem unerwarteten Anblick blieb der Oberst einen Augenblick stehen, trat aber dann vor und den laut betenden Priester berührend, sprach er:

»Frommer Bruder, folgt mir, das Haus brennt, noch einen Augenblick und Ihr seid verloren.«

»Weiche von mir, Versucher,« entgegnete der Priester sich bekreuzigend, »hier, bei dem Sterbenden ist mein Platz, seine Seele dem ewigen Feuer zu entreißen, ist meine Aufgabe, und sollte auch meine irdische Hülle darob ein Raub der Flammen werden.«

»Das wird sie in dieser Stunde, wenn Ihr mir nicht folgt,« drängte Max, den etwas, das er sich nicht erklären konnte, zu dem jungen Ordensmanne hinzog.

»So wird meine Seele desto heller glänzen in den himmlischen Gefilden,« beharrte der Fanatiker und fuhr fort das Gebet über den Sterbenden zu sprechen.

»Nun, so kann ich dir nicht helfen,« erwiederte Max, und den sich Sträubenden mit Riesenkraft wie ein Kind in die Arme nehmend, trug er ihn die steile Treppe hinunter und übergab ihn einem der Bauern, dessen Haus entfernter lag. Eben kam ein Theil der von Wilmos abgesandten Leute, darunter Janos, mit einigen Gefangenen in ihrer Mitte, zurück.

»Nun, was habt Ihr denn da, Michel?« rief Janos die Bauern an, die sorgfältig den ohnmächtigen Priester in ihrer Mitte trugen, grell beleuchtet von der Flamme der brennenden Häuser.

Bevor die Leute antworten konnten, gab aber Janos seinem Zügel einen Riß, daß sein Pferd fast auf die Hinterfüße fiel.

»Heiliger Janos, mein Schutzpatron,« rief er, »er ist es!« Schnell jedoch, mit dem Instinkt des treuen Dieners faßte er sich, und nachdem er von dem Bauern gehört, wohin der fromme Mann gebracht werde, drehte er rasch sein Pferd und hielt erst wieder vor seinem Herrn, dem er in geflügelten Worten etwas mittheilte.

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