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Erstes Kapitel

Von all' den unabhängigen kleinen Potentaten Kroatiens, wie sie jetzt noch und früher in ihren niedern einstöckigen steinernen Herrenhäusern hausten, glich keiner an Macht und Ansehen dem Obersten Hannibal Grafen von Simonitch. Sein Rang als kaiserlicher Oberst und seine Stellung als Dèpôt-Kommandant des ganzen Militärbezirks gaben ihm die Gewalt eines unumschränkten Herrschers über Leben und Tod. Vor seinem eisernen Willen beugte sich Jeder, vor seinem Zorn zitterte mit Recht, wer ihn veranlaßt hatte.

Er hatte wenig oder keinen Verkehr mit den benachbarten Gutsbesitzern und kam nur im Dienst nach Agram oder Warasdin, den nächst gelegenen Städten.

Der Grund dieser finstern Abgeschlossenheit, die ganz verschieden von dem geselligen Treiben seiner Nachbarn war, lag in der Kränklichkeit seiner Frau sowohl als in seiner dienstlichen Thätigkeit und der Bitterkeit, die sich in ihm festgesetzt hatte, nach seiner Versetzung vom aktiven Dienst auf diesen, wenn auch auszeichnenden Friedensposten, die während des letzten schlesischen Feldzuges stattfand. Man suchte die Veranlassung dieser Versetzung in den Excessen des kroatischen Regimentes, das er befehligt und die er nicht hatte verhindern können. Daher auch seine unerbittliche Strenge, mit der er die geringsten Vergehen der Leute jetzt ahndete.

Das einstöckige steinerne Haus war umgeben von einem großen Park voll uralter Eichen und Buchen, die nur einen kleinen Hofraum vor dem Hause, an das sich der geräumige Pferdestall anschloß, frei ließen. Das Haus selbst würde uns, die wir an unsere pittoresken Burgen und Schlösser mit ihren Thürmen und Zinnen gewohnt sind, kaum den Eindruck eines Herrenhauses machen, mit seinen grob ausgehauenen Fenstern, deren dicke, schwarz und gelb angestrichene Läden von altem Eichenholz die einzige Schutzwehr gegen äußere Angriffe bildeten. Allein solche gab es auch nicht, das Volk stahl höchstens; in knechtischer Unterwürfigkeit niedergehalten durch despotische Herrschaft, wagte es keine offene Gewalt gegen die, welche es von der Geburt an als seine Herren anerkannte.

An der Hauptstraße bei den etwas entfernten Oekonomie-Gebäuden des Herrenhofes war ein Bube von der niedrigsten Stufe jener gemeinen Race beschäftigt, einen armen Raben zu mißhandeln; vergebens schrie und zappelte der Vogel, vergebens weinte und jammerte der kleine Bruder, dem der Rabe gehörte, der Bube lachte nur und fuhr fort, dem unglücklichen Vogel die Augen zu durchstechen, da fühlte er sich plötzlich von einer kleinen aber kräftigen Faust am Genick gepackt. »Habe ich dich endlich: du heilloser Hallunke,« rief die jugendliche Stimme eines ungefähr 14jährigen Knaben von edlem, aristokratischem Aussehen, während der Rabe augenblicklich befreit sich in die pflegenden Hände seines Eigenthümers rettete und ein kleines wallachisches Pferdchen allein seinen Weg nach dem Stalle fand, der Bube aber zitternd in die Knie sank.

»So leicht kommst du mir heute nicht davon, als damals,« rief der entrüstete Knabe, »wo ich selbst gesehen, wie du deinem blinden Großvater das Brod und den Wein stahlst und ich auf die Bitten des alten Mannes hörte, jetzt aber sollst du deine Strafe haben,« und er ließ bei diesen Worten seine Reitpeitsche so lange auf dem Rücken des Thierquälers tanzen, bis er erhitzt und außer Athem endlich aufhören mußte.

Dem Treiben hatte lachend ein junger Offizier zugesehen, der langsam des Weges geritten kam.

»Hallo«, rief er endlich, »kann mir jemand mein Pferd in den Stall führen und mir den Weg nach dem Schlosse zeigen?« Der gezüchtigte Bube, gierig nach einem Trinkgeld, kroch mit unterwürfiger Geberde herbei, aber der Knabe stieß ihn verächtlich zurück.

»Halt, du nicht,« rief er mit blitzenden Augen, »solch ein Kerl ist es nicht werth!« zu einem ferner von ihm stehenden alten Burschen sich wendend, fuhr er fort: »Janos, daher! nimm das Pferd, führe den Offizier in's Schloß und versorge das Pferd gut.«

»Du scheinst ein strenges Regiment zu führen mein schöner Knabe und würdest keiner Truppe Schande machen, die Große dazu hättest du auch schon.«

Halb lachend, halb ärgerlich sah der Knabe zu der ungewöhnlich hohen schönen Gestalt empor. »Ich bin kein Junge,« sagte er trotzig und wandte sich stolz dem Gehöfte zu.

»Das will schon ein junger Herr sein,« brummte, den dicken blonden Schnurrbart drehend, der junge Mann und folgte dem Führer in das Schloß, wo er sich sofort beim Obersten melden ließ und nach einer Stunde wieder wegritt. Verschiedene Ordonnanzen würden nach den entfernten Bezirken ausgesandt und heute und die nächstfolgenden Tage war eine größere Bewegung bemerkbar.

Mit gerunzelter Stirn und finster zusammengezogenen Brauen schritt einige Tage später Graf Simonitch in seinem großen düstern Gemache auf und ab. Ungeheure Hirschgeweihe und riesige Eber- und Bärenköpfe gaben dem tiefen, von nur einem Fenster beleuchteten Zimmer etwas Unheimliches. Alte Waffen auf einander gethürmt und Geier mit ausgebreiteten Flügeln bildeten außer dem massiven Schreibtisch und den hohen Lehnsesseln den einzigen Schmuck.

Auf einen Wink öffnete sich die Thüre und begleitet von zwei Wachen trat derselbe Janos ein, der letzthin gewürdigt worden, Dienste bei dem Offizier zu thun. Ein gewisser Trotz und etwas mehr Selbstgefühl als bei den andern seiner Klasse war in dem Gesicht des Mannes zu lesen.

»Du hast in der Herberge beim Trunk dem Hanko sein Geld gestohlen?« herrschte ihn der Oberst an. – »Das ist nicht wahr,« unterbrach ihn der Mann keck vortretend.

»Donner und Doria, Spitzbube, auch das noch!« schrie außer sich vor Zorn der Oberst und eine Pistole vom Tisch nehmend, hätte er unfehlbar losgedrückt, wenn nicht in demselben Augenblick die Thüre rücksichtslos aufgerissen worden wäre. Erschreckt ob solcher Kühnheit wichen die Wachen zurück, ein junges Mädchen trat zwischen den gespannten Hahn und den Angeschuldigten und eine ungewöhnlich tiefe aber klangvolle Stimme rief: »Vater, erschieße den Mann nicht, er ist nicht schuldig und der beste deiner Leute!« Dunkle Augen blitzten erregt aus dem hoch gerötheten Antlitz, dem scharfe, etwas große aber edel geschnittene Züge ein knabenhaftes Ansehen gaben. – Die schön geformte Hand wie schützend auf die Schulter des Mannes legend, stand sie stolz hochaufgerichtet da, gleich einer Minerva.

»Mädchen, was fällt dir ein,« rief zornig der Graf, »entferne dich sofort!«

»Janos ist unschuldig,« bestand das Mädchen auf ihrer Behauptung, des Befehles nicht achtend, »dein Jäger selbst war dabei; Hanko, der sich an mir rächen wollte, steckte dem Janos den Beutel in die Tasche und der merkte es nicht, weil er betrunken war, und dafür hättest du Prügel verdient, so ein alter Kerl wie du,« setzte sie, diesem einen leichten Schlag versetzend, hinzu, »und dann ging der elende Schuft her und verklagte ihn, das reizte Janos und er widersetzte sich der Festnahme.«

In fliegender Hast hatte sie diese Worte gesprochen, indessen dem Burschen die Thränen über die Backen liefen.

»Steckt ihn einen Tag in's Loch und dann kann er springen, den Hanko aber packt sofort und meldet ihn zur Untersuchung,« befahl nun der Oberst kurz und mit militärischem Gruße machten die Leute kehrt, Janos aber war mit Blitzesschnelligkeit niedergekniet und hatte der jungen Gräfin den Kleidessaum geküßt.

»Was fange ich nun mit dir an, du wilde rebellische Hexe?« wandte sich der Graf, das Pistol ans den Tisch legend, an seine Tochter, indem er sich setzte und sie an sich zog, der Zorn in seinem Gesicht wich einem Ausdruck alles besiegender Zärtlichkeit. »Was hast du gewagt, du trotziges Ding, im nächsten Augenblick schoß ich los und traf dich, abgesehen von meinem Zorn, den du kennen und fürchten solltest!«

»Bah,« lachte das Mädchen und zeigte zwischen den Purpurlippen zwei Reihen perlweiser Zähne, »hast du mir etwa auf deinen Jagdzügen Furcht gelehrt, wenn der wilde Eber auf uns zuschoß, wüthend gemacht durch einen schlechten Schuß, oder ein Bär brummend seine Nähe verrieth? Jubelte ich dann nicht auf? und ich sollte mich fürchten, wenn es galt, meinen Vater vor einer That zu bewahren, die ihn gereut hätte?«

»Ja, ja, es ist wahr,« entgegnete ihr Vater ernster werdend, »und ich habe dich so erzogen – ob es das Richtige war, das ist noch fraglich,« setzte er für sich hinzu, indem er aufstand und etwas unruhig im Zimmer auf und ab ging, während Paula (so hieß das Mädchen) sich eine kleine Jagdflinte von der Wand nahm und dieselbe zu laden begann.

»Wie siehst du denn heute aus,« begann der Graf auf's Neue, vor ihr stehen bleibend und ihren nicht ganz tadellosen Anzug musternd, »in Weiberkleider? aus eigenem Antrieb, oder auf Geheiß der Mutter?«

»Aus eigenem Antrieb,« entgegnete erröthend Paula, an sich herumzupfend, wie jemand, dem das Kleid nicht sitzt.« Knabenkleider sind viel bequemer, da kommen aber fremde Leute und halten mich für einen Knaben, groß genug, um unter die Soldaten zu gehen und feig genug, müßig herumzulungern. Da ich aber leider nun einmal kein Knabe bin, so will ich eben ein Weib sein.« In den letzten Worten klang es wie ein Seufzer.

»Ich wollte, du wärest mein Sohn und ich könnte dich mitnehmen in's Feld, könnte dich stolz meiner Kaiserin vorstellen, die mich nun wieder zur aktiven Armee versetzt hat. Du aber bist ein Mädchen, und noch dazu solch' ein wildes Ding, was mache ich denn mit dir, wann ich fort muß?«

»Nimm mich mit, Vater!« bat das Mädchen ganz ernsthaft.

»Du wärest es im Stande,« lachte der Graf, »das geht nun einmal nicht. Du bist 16 Jahre alt, eine fertige Jungfrau, fast so groß wie dein Vater; was hast du denn gelernt bei der alten Mademoiselle Beaumont, die extra den weiten Weg von Paris machen mußte, um aus dir eine Dame zu machen?«

Paula hatte sich dem Vater auf das Knie gesetzt und ihren Arm um ihn geschlungen, auf die Frage ließ sie den Kopf etwas hängen und erwiederte:

»Nicht viel, da sie mich weder reiten noch schießen lehrte und ich Geographie und die andern Wissenschaften bei Pater Anselmo lernte.«

»Das muß jetzt anders werden,« sagte ihr Vater, »du mußt ein Weib werden, mußt sitzen lernen, ein Weib, das nicht weiblich ist, ist ein Unding, das nirgends hinpaßt.«

»Warum hast du mich dann bis jetzt alle Freiheiten eines Knaben genießen lassen?« rief Paula, dem Vater vorwurfsvoll in's Gesicht blickend.

»Weil es mir gefiel,« entgegnete dieser kurz angebunden, »nun aber hört dies auf und du mußt in Kurzem in ein Kloster, um gezähmt zu werden, du wilde Katze.« Zornig riß sie sich los.

»Das kann dein Ernst nicht sein, Vater,« rief sie erglühend, »gar eine jammernde, betende Klosterfrau, die hinter dumpfen Mauern Jahr aus Jahr ein sitzt und nichts weiß von dem Treiben der Natur draußen! Verbiete dem Vogel, sich in die Lüfte zu schwingen, verbiete dem Hirsch, durch die Wälder zu jagen, ebenso wenig kannst du deine Tochter in's Kloster sperren!« Damit hing sie die Flinte um und verließ das Gemach, die Thüre hinter sich zuwerfend.

Kopfschüttelnd sah der Graf ihr nach: »Trotzkopf, zu lange habe ich das Spiel erlaubt, du würdest mir selbst über den Kopf wachsen – aber noch ist es nicht der Fall und du sollst und mußt noch gebeugt werden! – ach wärest du mein Sohn, statt jenes bleichen Knaben!«

In Gedanken versunken, schritt er mit schweren Schritten im Zimmer auf und ab. Bilder vergangener Zeiten stiegen vor ihm auf, da er, von heißer Liebe entbrannt, die zarte Natalie Szynnay heimgeführt. Bald erkannten sie, daß sie nicht zusammenpaßten, das schwache, in einem Kloster aufgezogene Mädchen konnte sich nicht in die rauhen Sitten des Soldaten finden, konnte und wollte ihn nicht hinausbegleiten auf seine Ritte durch Feld und Wald. – Sein leidenschaftlicher Wunsch, einen Sohn und Stammhalter zu bekommen, wurde endlich erfüllt, nachdem die Geburt eines Mädchens im ersten Jahr, seine Geduld auf eine harte Probe gestellt. Die Freude an dem Sohn wurde aber getrübt durch die Kränklichkeit seiner Gemahlin, die nur selten mehr das Ruhebett verlassen konnte. Auch der Knabe, der seinen Stamm fortpflanzen sollte, war und blieb eine schwächliche Pflanze, indessen die um ein Jahr ältere Tochter ungewöhnlich groß und blühend heranwuchs. Alle Pflege und Sorgfalt konzentrirte sich auf die leidende Gräfin und den zarten Knaben, alle Liebe der Mutter auf dieses Kind; so blieb Paula schon als kleines Mädchen viel auf sich selbst angewiesen. Schon früh begleitete sie den Vater auf seinen weitesten Ritten, auf einem kleinen Ponny neben ihm herreitend; Hunde und Vögel, selbst Rehe und Füchse, die sie zähmte, waren ihre liebsten Gefährten. Die Mutter, mit sich selbst beschäftigt und ihre Zeit zwischen ihrem Beichtvater und dem abgöttisch geliebten Sohne theilend, setzte nur schwachen Widerstand entgegen, als der Graf Paula, auch da sie älter war, Knabenkleider tragen ließ. »Was soll der Wust von weiten Röcken, der Unsinn von frisirten und gepuderten Haaren für das Kind,« setzte er ihren Vorstellungen entgegen, »sie bleibt höchstens im Wald daran hängen, und es gibt noch ein Unglück.«

Er selbst aber, den schönen blühenden Pseudo-Knaben an der Seite, hatte so wenigstens den Traum, einen Sohn zu haben, der ihm glich und freute sich ihres erwachenden Geistes, ihres lebhaften und ihres frischen Muthes – weiter hinaus dachte er nicht.

Die Gräfin aber fühlte sich abgestoßen von der ihr so ungleichen Tochter, deren edlen Kern unter der rauhen Hülle sie nicht zu erkennen vermochte, nicht zu suchen sich die Mühe gab.

Aus seinem tiefen Sinnen aufgeschreckt durch den Schlag der alten roh gearbeiteten Wanduhr, hielt der Graf in seinem Gang durch's Zimmer inne: »Schon so spät,« sagte er zu sich selbst, »es ist die höchste Zeit, daß ich endlich mit ihr spreche, es muß sein!« Zögernden Schrittes ging er auf die entgegengesetzte Seite des Hauses, und die schweren Vorhänge hinter der Thüre zurückschlagend, trat er bei seiner Frau ein:

»Guten Morgen, liebe Natalie,« begann er, die Stimme etwas dämpfend, indem er an das Ruhebett trat, auf welchem eine zarte kränkliche Gestalt mit Kissen und Polstern gestützt lag, das bleiche Gesicht mit den krankhaft dunkeln Ringen um die matten Augen einem Priester zugewendet, der zu ihr sprach, sich aber sogleich beim Eintritt des Grafen erhob. »Wie hast du geschlafen?« fuhr der Graf fort, den Ordensbruder grüßend.

»Schlecht, wie immer,« war die in leisem nervösem Ton gegebene Antwort, »willst du etwas, Hannibal, daß du so früh schon zu mir kommst?«

»Es ist zwölf Uhr, also nicht zu früh,« erwiederte der Graf, »und ich habe nothwendig mit dir zu reden; Pater Anselmo, Sie können bleiben, es gibt ja keine Geheimnisse vor Ihnen.«

Sich einen Lehnsessel herbeiholend, setzte er sich seiner Gemahlin gegenüber.

»Gestern,« fing er an, »brachte mir eine Ordonnanz des obersten Feldherrn den Befehl, zwei Regimenter zu bilden und sie in möglichst kurzer Zeit Ihrer Majestät unserer gnädigsten Kaiserin vorzustellen, die mich zugleich wieder zum aktiven Dienst und zum General ernannt hat.«

»So ist ja dein höchster Wunsch erreicht,« sagte seine Frau mit matter, gleichgiltiger Stimme.

»Und die Armee hat einen ausgezeichneten Offizier weiter in ihren Reihen,« fügte Pater Anselmo hinzu.

»Ehe ich abreise«, fuhr der Graf fort, »was in den nächsten Tagen der Fall sein wird, muß die Zukunft unseres Sohnes besprochen und bestimmt werden.«

Natalie zuckte leise auf und ihr ohnehin bleiches Gesicht wurde aschfahl.

»Er ist in der letzten Zeit kräftiger geworden, und sein Eintritt in die von der Kaiserin neugegründeten Militär-Anstalt in Wiener-Neustadt darf nicht länger verschoben werden. Der Gedanke kann dir nicht überraschend kommen, Natalie, denn seit Jahren bereitete ich dich auf etwas vor, was unwiderruflich und unabänderlich beschlossen ist und nur aus Rücksicht auf deine leidende Gesundheit verschoben wurde. Dem Knaben selbst wäre es vielleicht längst gesünder gewesen, er wäre dem Weiberregiment entrückt worden.«

»Wie werden sie beim Militär einen so schwachen Knaben aufnehmen,« wandte sich mit sichtlicher Gewalt zusammennehmend die Gräfin ein.

»Bah,« erwiederte ihr Gemahl, »zu jetziger Zeit ist man nicht wählerisch, übrigens ist es meine feste Ueberzeugung, daß er erstarken wird, die Uebungen in freier Luft, bei Wind und Wetter und Verkehr mit Knaben seines Alters werden seiner Gesundheit zuträglicher sein, als die sitzende Lebensart und das viele Studiren, – der Knabe wird zu ernst, zu träumerisch. Der Kommandant der Anstalt ist mein Jugendfreund und wird aus besonderen Rücksichten für ihn wohl ein Auge zudrücken.«

»Hannibal,« sagte entschlossen die Frau, »verlange, was du willst, nur laß mir meinen Sohn, der Militärdienst wäre sein Tod, Trennung von ihm der meinige.«

»Ich kann nicht,« fuhr der Graf auf, sich von seinem Stuhl erhebend und mit schweren klirrenden Schritten das Zimmer durchmessend, »quäle mich nicht durch Bitten. Es kann nicht anders sein – kennst du es nicht, das alte vergilbte Dokument, das ich dir vor vielen Jahren zeigte, das einen Theil meiner Besitzungen der Kirche und einen andern Theil mit diesem Schlosse dem Staate zuschreibt, sollte einmal ein Sohn des alten Hauses Simonitch sich dem Militärdienst entziehen; bis jetzt ist es noch nie vorgekommen, soll nun durch meinen Sohn die Familie um ihren Stammsitz, um einen Theil ihrer Güter kommen, soll auf meinem Sohn die Schmach sitzen bleiben, daß die Menschen noch in späten Tagen sagen, ein Simonitch war nicht fähig, sein Blut zu verspritzen für Kaiser und Vaterland, daß ich selbst aber zu schwach war, meinen Willen bei Weib und Kind durchzusetzen? Es muß sein, ich befehle es, hörst du, und hier ist der Befehl an den Kommandanten in Agram, in drei Wochen einen Offizier zu senden, der meinen Sohn, wenn er nicht früher schon freiwillig fort ist, zur bestimmten Zeit nach Wiener-Neustadt führt, wo er schon angemeldet ist, eine Schande aber wäre es, sollte es so weit kommen. Janos wird ihn begleiten und sein Diener bleiben, dies ist eine besondere Vergünstigung, die mir vom Kommandanten gewährt wurde. Gegen meine Ueberzeugung um deinetwillen ließ ich mich herab, ihn darum zu bitten,« setzte der Graf sanfter hinzu, sich wieder zur Gemahlin setzend und die Hand der Halb-Ohnmächtigen in die seinige nehmend, »du wirst sehen, dein Sohn kommt männlicher und kräftiger zurück.«

Bitter lächelnd entgegnete Natalie, dem grausamen Gatten die Hand entziehend: »Seine Mutter ist dann längst todt am gebrochenen Herzen.«

»Du kennst nun meinen Willen, man stirbt nicht so schnell am gebrochenen Herzen.« Damit verließ er festen Schrittes das Gemach.

»Trösten Sie sich, meine Tochter,« tönte eine sanfte beruhigende Stimme in das Ohr der Kranken, »noch thut die heilige Jungfrau Wunder für die, die inbrünstig beten.«

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