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Siebenzehntes Kapitel.

Er kehrte wieder! Paula aber blieb, wie die Motte um das Licht flattert, bis sie ihre Flügel verbrennt. Er kam und blieb ganze Tage und sprach mit ihr von vergangenen Zeiten, er erzählte ihr von dem verlornen Freund, er sprach Worte zu ihr, wie sie noch nie gehört, Worte, die ihr Herz erbeben machten in ungekannter Wonne – und die Stimme der Vernunft, die schüchtern warnte, die Stimme des Gewissens, die strafend sie von Neuem der Lüge zieh, sie erhoben sich in der Stille der Nacht und scheuchten den Schlaf von den Augen, sie erhoben sich, wenn sie die heißen Schläfen in der frischen Waldesluft am schäumenden Fluß zu kühlen suchte, und sie beschloß dann zu fliehen, bevor ein Zufall sie verrathen hatte; aber wenn die Zeit dann wieder kam, wo seines flüchtigen Rosses Huf an ihr Ohr drang, wo seine Schritte sich nahten, dann verstummten sie, die frühere männliche Energie verschwand und sie war nur das liebende Mädchen.

Alten Damen, die das Glück der Liebe nicht gekannt, wird der Vorwurf gemacht, daß sie es gerne stiften – (Ihr selbst, meine lieben Kinder, habt erfahren, ob dies wahr ist) – Die Fürstin, die bis jetzt menschenscheu und menschenfeindlich einsam ihre Tage verlebt hatte, fühlte ein neues Interesse auftauchen, ihr Liebling und der Sohn des einst geliebten Mannes, welch' schönes Paar würde das geben! was kümmerte sie, daß sie nicht einmal den Namen dieses Lieblings wußte, daß sie nicht wußte, woher sie kam, wer sie war – Gräfin Gisela beschützte sie – im entscheidenden Augenblick mußte der Schleier des Geheimnisses fallen, diese hohe königliche Gestalt, diese edlen Gesinnungen konnten nur edlem Blut entsprossen sein! Wohlgefällig ruhte ihr Blick auf dem schönen Paar, das auch diesen Vormittag langsam durch den Park schlenderte, während sie auf der Bank unter der schützenden Esche sitzen blieb.

»Es ist doch etwas Eigenes um Aehnlichkeiten,« fuhr Max in einem angefangenen Gespräch fort, »wie man oft in fernen Gegenden Menschen findet, die sich nie gesehen, und die sich doch ähnlich sind; im Anfang wissen wir nicht, warum uns ein Gesicht bekannt vorkommt, das wir doch nie gesehen, warum in dem Ton einer Stimme ein Klang mitklingt, der die Bilder der Vergangenheit wie in einem Spiegel vor unsere Seele führt, erst allmälig gewinnt das Unbestimmte eine gewisse Form.«

»Es geht auch so mit Gegenden,« bemerkte Paula mit innerlichem Beben, »ein Traumbild hat sie uns vielleicht in früheren Zeiten einmal gezeigt.«

»Das glauben wir bei Menschen, die uns auf den ersten Augenblick wie mit magnetischem Zauber anziehen,« versetzte Max, und ein Blick reiner Liebe traf Paula, »aber es ist nicht nur ein Traum, nein, ein glückliches Spiel der Natur möchte ich es nennen, durch das uns liebe Freunde, die wir verloren, wieder vor die Seele geführt werden. Doch Sie sind ernster geworden, Paula, was zog so trübe Wolken auf Ihr schönes Antlitz?«

Wie hätte er sie verachten müssen, wäre die Maske gefallen, hätte er es gesehen, das Brandmal der Lüge, das die Locken verdeckten! hätte er es gehört das Klopfen ihres Herzens, während sie ruhig erwiederte:

»Ich denke bei Ihrer Rede so manches Todten, der dem vergangenen Krieg zum Opfer fiel und starb, betrauert und beweint, während Andere einsam stehen im Leben, die, wenn sie weggenommen werden, nur ein Sonnenstäubchen weniger sind im großen All.«

Sie waren bei der Fürstin angelangt und das Gespräch wurde allgemein. – Während dessen war vor dem Schloß ein Reisewagen vorgefahren, aus dem eine junge Dame stieg und in Ermangelung Wenzels, der beschäftigt war, von der alten Haushälterin mit kriechender Katzenfreundlichkeit empfangen ward. »Ach Baroneß Sidonie,« rief sie, ihr die Hand küssend, »ist das eine Überraschung, daran dachten wir gar nicht! erst im Sommer hofften wir auf den gewöhnlichen lieben Besuch – aber unverhofft kommt oft! Haben Sie denn gehört, daß sich jemand in's Nest gesetzt hat, hi hi! ganz bezaubert sind wir von der Liebenswürdigkeit der stolzen Gesellschaftsdame, ja ja, es ereignen sich noch Wunder.«

»Ich verstehe Sie nicht, Frau Aelbel,« sagte verwundert die Ankommende, in der Vorhalle stehen bleibend, »eine Gesellschaftsdame? die Fürstin, die nie jemand um sich haben will?«

»Ja ja, und eine schöne, der der junge Herr General recht tief in die Augen zu sehen scheint; gut, daß Sie da sind, es wäre jammerschade!« und Frau Aelbel zwinkerte schelmisch mit den Augen. »Doch ich eile, den Musje Wenzel aufzusuchen, daß er Sie meldet, die Herrschaften sind im Park. Jungfer Amalie, führen Sie Baroneß Sidonie in die Zimmer, die sie voriges Jahr bewohnte.«

Stillschweigend führte das Mädchen das Fräulein hinauf, dessen sie sich vom vorigen Jahr noch gut erinnerte, hatte sie es doch beim Aufbau der hohen Frisur nie recht machen können, da war einmal der Puder nicht recht, dann wieder die Locke nicht recht gesteckt und jene Puffe zu nieder, um die nicht mehr ganz frischen Reize der Dame in das günstigste Licht zu stellen. Heute schien aber das Fräulein sehr gnädig.

»Meine Tante hat Besuch?« frug sie in herablassendem Tone, während das Mädchen Schachteln und Koffer zu öffnen begann.

»Ja, Baroneß,« entgegnete sie, »eine liebe freundliche Dame.«

»Wer ist sie denn?« forschte Sidonie, indem sie das Gesicht sorgfältig zu pudern begann.

»Das weiß ich nicht, gnädigste Baroneß,« erwiederte das Mädchen, während sie den etwas in Unordnung gerathenen Kopfputz verbesserte, »ein Zufall führte sie uns in einer schrecklichen Stunde zu unserer Rettung herbei.« Sie erzählte mit wenigen Worten jene Begebenheit, dabei unvermerkt wärmer werdend. »Seitdem will sich die Frau Fürstin nicht mehr von ihr trennen ...«

»Das machst du schlecht,« unterbrach ungeduldig Sidonie, »diese Schleife muß hierher; – wie sieht sie denn aus?«

»O, sehr schön, groß und vornehm wie eine Königin,« entgegnete das Mädchen, die letzte Schleife steckend, »nur etwas entstellt durch eine große Narbe über der Stirne, die aber durch hereinfallende Locken ihrer wunderschönen schwarzen Haare ganz verdeckt ist.«

»Weißt du, woher sie diese Narbe hat?« frug anscheinend gleichgiltig das Fräulein, sich vor dem Spiegel ein Schönpflästerchen auf die Wange klebend.

»Ich nahm mir einmal den Muth, den alten Janos zu fragen – verzeihen Baroneß, wenn ich Sie stach, sie machten soeben eine Bewegung – ein mürrischer alter Kerl, allein er ließ mich arg abfahren – was wird es anders sein, sagte er, als daß sie einmal als Kind in ein Messer gefallen sein wird – er war Kroat und sprach nur ganz schlecht deutsch.«

»Gut, du kannst gehen, ich danke dir,« sagte Sidonie, damit die Dienerin entlassend.

Ihr Blick fiel auf das Fenster in den Park und blieb auf dem schönen Paar haften, das sich da unten erging. Von rückwärts erkannte sie Max von Falkenstein, nach dessen Besitz seit Jahren ihr Herz und ihr Ehrgeiz trachtete. Wie weit hatte er es in kurzer Zeit gebracht, o, daß sie damals in Dresden in thörichter Angst sich verleiten ließ, Therese im Stich zu lassen – er hatte es ihr nicht verzeihen können. Jetzt waren Jahre darüber hingegangen, sie hatte seine Versetzung nach Salzburg erfahren – freilich ihre alte Mutter in Linz war leidend und konnte sie schwer entlassen, aber so in der Nähe von Max zu sein, der sicher die alte Freundin seines Vaters aufsuchen würde, die Gelegenheit war zu günstig; aber wer war die räthselhafte Unbekannte, die ihr gefährlich zu werden drohte? sie strengte ihre Sehkraft an, noch bot sie ihr den Rücken, wie er sich zu ihr herbog, in sie hineinsprach! In eifersüchtiger Wuth ballte sie ihre kleine Hand. »Was war mit der Narbe ... War es nicht auf der Stirne, daß – nein, der Gedanke war doch zu toll und doch –« sie dachte an einzelne Momente nach dem Gefecht, wo sie den Thurm belauscht hatte, »warum blieb das Zimmer der Gräfin Mama und der Thurm uns allen verschlossen? Auch der Name des Dieners – und Kroate?« Wie Funken sprühte es in ihrem Gehirn durcheinander.

Da drehte das Paar sich um und nahte sich dem Hause – ein Lachen, leise und unterdrückt entfuhr ihr, während die Thüre geöffnet wurde und Amalie meldete: »Die Frau Fürstin erwarten die gnädige Baroneß in ihrem Wohnzimmer.«

»Ich erwartete dich nicht jetzt, Sidonie,« sagte die alte Dame, dem jungen Mädchen die runzelige Hand zum Kusse reichend, »deine Mutter klagte in den letzten Briefen viel über Beschwerden des Alters, – auch habe ich es lieber, wenn ich vorher gefragt werde.«

»Ist mein Brief nicht angekommen?« frug mit verstelltem Schrecken Sidonie, »ich schrieb doch und bat meine gnädige Tante um die Erlaubniß, zu kommen, da ich der Sehnsucht meines Herzens, Sie nach der langen Krankheit, von der Dieselbe heimgesucht worden ist, wieder zu sehen, nicht widerstehen konnte; keine Antwort, dachte ich, ist die gehoffte Bejahung, und da meine theure Mutter viel besser ist, so benützte ich eine Gelegenheit, die sich mir bot.« Und sie kniete liebkosend vor der Greisin nieder, und küßte wiederholt ihre Hände, die schönen Augen mit rührend flehender Miene zu ihr aufschlagend.

»Schon gut, schon gut,« wehrte die Dame ab, »du weißt, ich mag derlei Ueberschwänglichkeiten nicht. Gehen wir nun hinunter in den Salon, daß ich dir meine junge Freundin Fräulein Paula vorstelle. Du wirst nicht überrascht sein,« fuhr sie mit einem etwas spöttischen Zug um den Mund fort, »einen alten Bekannten und Verwandten, Max von Falkenstein, hier zu treffen, da du die Ernennung des jungen Generals auf den Posten nach Salzburg schon in Linz erfahren haben wirst.«

* * *

Die Bekanntschaft war bald gemacht und gleich darauf setzte man sich zur Tafel. Obwohl Paula sehr still war und Max verstimmt, so wußte Sidonie doch mit der ihr eignen Gewandtheit und Lebhaftigkeit die Conversation in Gang zu bringen. Sie erzählte von Klara, die ein schönes Mädchen geworden sei und immer noch mit kindlicher Schwärmerei das Bild von Wilmos festhalte und dasselbe mit einer Art von Glorie umgebe. Sie machte die Andern reden, mochten sie wollen oder nicht, mit andächtiger Aufmerksamkeit hörte sie die Schilderung der Fürstin über die Begebenheit im Wald, den Ueberfall der Räuber und die Rettung durch Paula. »Wahrhaftig,« sagte sie bewundernd zu Paula hinüberblickend, »dazu gehörte wahrhaft männlicher Muth und Entschlossenheit.«

»Doch nicht so sehr,« entgegnete Paula, »wenn man, wie ich damals, einige handfeste Männer hinter sich weiß.«

»Doch, doch, meine Liebe,« behauptete die Fürstin mit Wärme, »ebensoviel männlicher Muth, als weibliche Sanftmuth und Geduld, um eine kritliche alte Frau zu pflegen, oder fern oben auf einsamer Alp einer kranken Mutter die nöthige Nahrung zu bringen und ihre Kinder zu versorgen.«

»Bei der Erzählung Ihres Abenteuers,« nahm der General das Wort, »fällt mir ein Gerichtsfall ein, der mir kürzlich angezeigt wurde. Einer jener Spitzbuben, die Sie damals überfielen, kam als früherer Deserteur vor das Militärgericht. Ihr Anblick, gnädiges Fräulein,« er wandte sich dabei an Paula, »scheint ihn außer Fassung gebracht zu haben, denn noch vor Gericht sagte er aus, Gespenster gesehen zu haben.«

»Gespenster!« rief Sidonie, »wie interessant! wen wollte er denn als Gespenst gesehen haben?«

»Ja, liebe Cousine,« entgegnete lachend der Graf, »wir frugen ihn darüber nicht viel aus, wir hatten so viel erwiesene Geschichten von ihm gehört, daß wir nicht mehr viel Federlesens mit ihm machten und ihn dem übrigen Gesindel nachschickten, das einen bleibenden Flecken auf unsere Armee geworfen hat.«

Die Tafel war zu Ende, die Fürstin zog sich zurück, wie sie immer zu thun pflegte, und die drei jungen Leute suchten einen schattigen Platz zunächst dem Schlosse auf, wo sie sich einer leichtern, ungezwungenern Unterhaltung, als dies in Gegenwart der aufwartenden Diener möglich war, hingeben konnten.

»Cousin Max,« begann Sidonie, sich behaglich auf einem der Gartensessel niederlassend, während sie beide Arme, über welche reiche Spitzen herabfielen, bequem auf die Lehnen des Stuhles legte, »ist Ihnen an diesem Fräulein nicht auch eine große Aehnlichkeit mit Ihrem armen jungen Freund Wilmos aufgefallen?«

»Es scheint schon, daß Sie heute verurtheilt sind, mit solchen Bemerkungen gequält zu werden, gnädiges Fräulein,« sagte der junge General lächelnd zu Paula, die ihm gerade gegenüber saß.

»So finden Sie es auch,« rief mit Lebhaftigkeit Sidonie, »und ich begreife, welch' angenehme Empfindungen Sie in Ihnen erwecken muß, denn ich erinnere mich noch recht gut, wie Sie diesen liebenswürdigen Menschen liebten.« Wehmüthig stützte sie das Haupt auf die fein gepflegte Hand. »Vorigen Herbst waren es fünf Jahre,« fuhr sie zu Max gewendet fort, »daß ich Sie zum letzten Mal gesehen, ich war dazumal noch fast ein Kind, und bekam von dem ältern Cousin, der mir stark imponirte, manchen kleinen Verweis.«

Der General protestirte lachend.

»Nein, nein,« entgegnete Sidonie, »es war so, und die Verweise bekamen mir recht gut. Bald darauf marschirten Sie ab und es wurde still im Schloß, wir hatten genügend zu thun, denn Ihre edle Mutter bereitete alles zur Aufnahme von Verwundeten vor; es kam jener angstvolle Tag, an dem wir Sie in Gefahr wußten, jenes kurze Billet, in welchem Sie Ihre Rettung kündeten und die tödtliche Verwundung Ihres Freundes, den ein Säbelhieb auf den Kopf – glaube ich – getroffen hatte. Von da an war die Gräfin nur selten mehr sichtbar, sie pflegte mit Vater Johannes Verwundete oben, wir unten, es ward aus dem Schloß ein Lazareth, und der Kirchhof empfing manchen daraus, darunter Ihren armen Freund, der in den ersten Tagen gestorben zu sein scheint, und ohne große Leichenfeierlichkeit beerdigt wurde, um die übrigen Verwundeten nicht zu alteriren.«

Max war still geworden und strich sich traurig über die Stirne, während Paula vor sich niedersah; sie fühlte instinktiv den stechenden Blick Sidoniens auf sich wie der Vogel den Blick der Schlange: war sie erkannt? was kam zunächst? Bleischwer hing etwas über ihr gleich einer dunkeln Wolke, bereit, sie im nächsten Augenblick zu erdrücken.

»Ueber fünf Jahre schon!« begann Sidonie gedankenvoll, »wie doch die Zeit vergeht, alles hat diese Aehnlichkeit wieder so hell vor meine Augen geführt! Sie wäre aber noch täuschender, wenn Sie die Haare anders trügen, so daß Ihre schöne Stirne frei würde, erlauben Sie nur einen Augenblick,« und ehe Paula sich umsehen konnte, hatte sie sich erhoben und sich über sie herabbeugend, steckte sie ihr in graziöser Weise mit einer Nadel die Locken zurück, und die breite Narbe quer über die Stirne wurde sichtbar.

Wie vom Blitz getroffen, fuhr Max empor und hielt sich an der Lehne des Stuhles, um nicht zu wanken. In demselben Augenblick aber erschien ein Diener und meldete Paula ein Weib aus dem Dorfe, das sie zu sprechen wünsche – sie entfernte sich rasch.

Wie fest gebannt starrte Max ihr nach, da hörte er das Rauschen eines Kleides neben sich.

»Sidonie,« sagte er mit heiserer Stimme und ergriff sie beim Arme, daß die feine Spitze zerriß, »was soll das heißen? was haben Sie gethan?«

»Nichts soll es heißen als daß Frauen mehr Scharfblick haben, als Männer,« entgegnete höhnisch lachend Sidonie, »aber lassen Sie mich los, Sie thun mir weh und gethan habe ich nichts anderes, als meine gute, unerfahrene Tante von einer Betrügerin befreit.«

»Sidonie,« fuhr Max auf und seine beiden Hände packten wie mit eisernen Klammern die zarten Schultern des Mädchens, während aus seinen blauen Augen Blitze auf sie niederschossen, vor denen sie erschreckt die ihrigen senkte – »Sidonie, wenn ein Mann dies Wort ausgesprochen hätte, ich hätte ihn mit der Faust zu Boden geschmettert!« er schob sie verächtlich von sich, »was du auch ausspionirt, welcher Art das Geheimniß sei, das jene Narbe mir enthüllte – meine Mutter, meine edle Mutter ist dabei im Spiel ...«

Die Fürstin trat in diesem Augenblick aus dem Hause; etwas bleich zwar, aber mit vollkommenster Selbstbeherrschung ging Sidonie auf sie zu und küßte ihr die Hand. »Sie haben kurz geruht, verehrte Tante?«

»Kurz, aber gut,« entgegnete die Fürstin, »es fängt aber an, zum Sitzen zu kühl zu werden. Ihr seht auch Beide ganz bleich aus. Ist Ihnen ein kleiner Spaziergang gefällig, mein junger Freund?« wandte sie sich an Max, »ehe wir uns in den Salon verfügen?«

Max bot mit ritterlicher Galanterie der alten Dame den Arm, bat jedoch um die Erlaubniß, vorher seine Pferde bestellen zu dürfen, da er heute früher als sonst zurückkehren müsse.

»So geleiten Sie uns noch zu einer kleinen hübsch gelegenen Meierei, wo ich gern den Sonnenuntergang genieße und dann mit einem Umweg zurückfahre. Inzwischen sind die Pferde gesattelt und können Ihnen eine Strecke Weges entgegen kommen. Paula bat sie zu entschuldigen mit Armengeschäften. Die Armen der Gegend haben sie bereits ausgewittert und lassen ihr keine Ruhe.«

Nach einer Stunde hatte Max die Damen verlassen, der Boden brannte unter seinen Füßen – er mußte Paula noch einmal sehen, mußte sie noch einmal sprechen! wie toll jagten sich die Gedanken in seinem Gehirn, ohne daß er nur einen davon fassen konnte. Er befahl dem Reitknecht, an der Straße auf ihn zu warten und betrat das Haus.

»Ist Fräulein Paula einen Augenblick zu sprechen?« frug er Amalie, die er vor Paula's Zimmerthüre traf. Amalie ging hinein und kam mit der Meldung, das Fräulein sei ausgegangen, habe aber hier einen Brief an den Herrn General zurückgelassen. Damit überreichte das Mädchen den gesiegelten und adressirten Brief ...

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