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C. A. Larsen.

XXVI. Die Bootsfahrt von der Paulet-Insel nach Snow Hill.

Wir hatten schon lange beschlossen, sobald die Eisverhältnisse es gestatteten, den Versuch zu machen, uns mit den übrigen Mitgliedern der Expedition in Verbindung zu setzen, und zu diesem Zweck hatten wir von Zeit zu Zeit von den Höhen der Insel die Einwirkungen der Stürme und Meeresströmungen auf das Eis beobachtet und nach offenem Wasser ausgeschaut, das eine Bootsfahrt möglich machte. Jetzt im Oktober, wo sich die Pinguine und andere Frühlingsboten einfanden, war der Zeitpunkt gekommen, bei der ersten günstigen Gelegenheit diesen Plan ins Werk zu setzen, auf dessen glücklichem Ausgang das Wohl so vieler beruhte. Die Vorbereitungen wurden natürlich mit grossem Eifer betrieben. Unsere Geduld sollte indes sehr lange auf die Probe gestellt werden; auf die Veränderungen in dem Eise und dem offenen Wasser, die wir hin und wieder beobachtet hatten, war nicht viel Verlass, denn die Stürme trieben neue Eismassen in den Sund, und die von Zeit zu Zeit immer wiederkehrende starke Kälte schlug die an wärmeren Tagen entstandenen Waken und Kanäle in neue Eisbande. Erst gegen Ende des Monats konnten wir den Versuch wagen. Am 30. Oktober ging ich mit dem ersten Steuermann und ein paar Leuten, die sich an der Fahrt beteiligen wollten, auf die Insel hinauf, um zu sehen, was die unsern Plänen günstigen Faktoren, die Weststürme und das Tauwetter, ausgerichtet hatten. Im Süden sahen wir das Eis sich mehrere Meilen bis ins Meer hinein erstrecken, während im Osten nur ein schmales Eisband lag. Konnten wir das durchbrechen, so durften wir darauf rechnen, am Ufer entlang rudernd, Snow Hill zu erreichen. Wir beschlossen, wenn sich das Wetter hielt, so früh wie möglich am nächsten Morgen unsere Reise anzutreten und deswegen alles zur Fahrt bereit zu halten. Ausser dem dritten Steuermann Reinholdz sollten mich begleiten: Der Kandidat K. A. Andersson, der zweite Maschinist Karlsson, der Bootsmann Olsen und der Koch A. Andersson. Die Ausrüstung bestand aus einem Schiffszwieback pro Mann für zwanzig Tage, ½ Pfund Butter pro Mann für 15 Tage, einigen Dosen Konservenfleisch, die wir für diese Fahrt aufgespart hatten, einer Kiste mit Petroleum, sowie einigen Gerätschaften, unter denen sich auch einige zur Fischerei gehörige befanden. Alle Mann hatten genug zu tun, um alles zu ordnen. Ich vertraute der Obhut des ersten Steuermanns meine Bücher, Kleider, Papiere und Rechnungen, sowie meinen Geldschrank mit ungefähr 100 Lstrl. in Geld an. Von diesem Geld gehörten Leutnant Sobral 30 Lstrl. Diese Massregel beobachtete ich für den Fall, dass ich nicht zurückkommen sollte.

Endlich, am 31. Oktober, konnten wir uns auf den Weg begeben. Um fünf Uhr morgens waren wir zur Abfahrt bereit, aber sobald wir hinauskamen, trieb uns eine östliche Brise mit immer dichter werdendem Schneegestöber entgegen, so dass wir nur ein paar Bootslängen vor uns sehen konnten. Wir ruderten aber doch in südöstlicher Richtung weiter, so gut es ging, und kamen gegen 9 Uhr um die Landzunge herum, von nun an einen westlicheren Kurs innehaltend. Als der Wind anfing, heftiger zu wehen, setzten wir das Segel und sausten in fliegender Fahrt zwischen dem Eise dahin. Wir hielten uns so viel wie möglich in der Nähe des festen Eisrandes, und nachdem wir einen sehr grossen Eisberg passiert hatten, fuhren wir eine ganze Strecke, in nordwestlicher Richtung weiter, bis wir die Paulet-Insel in Nord-Nordost peilten. Da nahmen wir den Kurs mit erhöhter Geschwindigkeit West zu Süd. Der Wind war inzwischen nach Süd-Südost übergegangen. Es war frisch und kalt, aber nach einer Segelfahrt von gut zwei Stunden trafen wir auf dichtes Eis, so dass wir das Segel einziehen und wieder zu den Rudern greifen mussten, bis die Rosamel-Insel in Sicht kam. An diese ruderten wir so nahe wie möglich heran, um Schutz gegen den Sturm zu haben, der sich so aufgenommen hatte, dass die See hoch ging. Wir zogen das Boot auf eine Eisscholle hinauf, die nicht besonders gross war, da wir aber nichts anderes fanden, blieb uns nichts anderes übrig. Es war jetzt 5 Uhr nachmittags, und um 6 Uhr kochten wir Kaffee und wärmten Seehundsteaks auf, was uns sehr erquickte. Da wir aber keinen Platz hatten, auf dem wir uns ausruhen konnten, und der Wind und die Kälte zunahmen, war unsere Lage keineswegs angenehm. Bedenklich wurde die Sache, als der Seegang anfing, die elende Eisscholle unter unsern Füssen Stück für Stück abzubröckeln. In der Finsternis und Kälte blieb uns nichts weiter übrig, als mit Aufbietung aller Kräfte das Boot nach einer Erhöhung des Teiles der Eisscholle, der noch vorhanden war, hinaufzuschleppen. Hier waren wir verhältnismässig sicher, und ein Mann hielt Wache, während die übrigen in ihre Schlafsäcke krochen und zu ruhen suchten, was jedoch ohne allen Schutz gegen den starken Sturm und die Kälte keineswegs angenehm war. Wir froren sehr, aber auf einer Expedition, wie es diese war, muss man das Leben nehmen, wie es kommt.

Der Sturm und der Seegang nahmen während der Nacht zu, so dass unsere kleine Eisscholle ganz auf der Kante stand und wir nach dem Rande hinabglitten, wo unserer ein sicherer Untergang harrte. Unser Boot wäre nämlich zwischen den Eisstücken in dem erregten Meer wie eine Eierschale zerdrückt worden. Deswegen schleppten wir es wieder über das Treibeis, bis wir gegen Mittag (am 1. November) eine geeignete Eisscholle fanden, auf der wir unser Lager aufschlagen konnten. Um ein wenig Schutz zu haben, stellten wir das Boot mit der Breitseite gegen den Wind, der jetzt allerdings ein wenig abflaute und nach Süd-Südwest herumgegangen war. Gegen Nachmittag trieb etwas mehr Eis von Süden herein und lagerte sich an dem Eisrande, so dass wir uns sicherer fühlten als auf der ersten Eisscholle. Die Luft hatte sich aufgeklärt, und gegen Abend, als wir uns in den Schlafsäcken zur Ruhe begaben, war es ganz windstill, aber kalt. Der Bootsmann hatte die erste Wache, aber schon um 10 Uhr benachrichtigte er uns, dass das Eis anfange, sich zu teilen. Sofort waren alle Mann auf den Beinen und wir rüsteten uns zum Aufbruch, das Boot wurde hinabgelassen, denn das Eis lag so dünn, dass wir zu den Rudern greifen konnten. Es war ein herrlicher Mondschein und schwacher nördlicher Wind, aber kalt, und als wir glücklich ins Treibeis hinausgekommen waren, mit dem wir fünf englische Meilen südwärts trieben, trafen wir zu unserer grossen Überraschung auf neu gebildetes Eis von ungefähr ½-2 Zoll Dicke und an einzelnen Stellen in doppelten Schichten gefroren. Hier war es schwer, vorwärts zu kommen, und das Rudern war eine langwierige Sache. Es war ein hartes Stück Arbeit, aber mit Ausdauer und Geduld überwindet man viel in der Welt. Und so ging es auch hier. Doch gelangten wir an diesem Tage nicht bis an das Depot bei Mount Bransfield.

Der Montag, der 2. November, brach mit schwacher, nördlicher Brise und klarem Himmel nach Norden zu an. Wir ruderten aus Leibeskräften, aber es ging nur langsam vorwärts, denn das Eis war so hart, dass es mehrerer Schläge mit dem Ruder bedurfte, um hindurch zu kommen. Ich selber lag vorn im Boot und stiess die Eisschollen von dem Bug weg, eine so anstrengende Arbeit, dass ich Nasenbluten bekam und mir schwindlig wurde. Glücklicherweise überwand ich diesen Schwächezustand aber bald, denn es war sehr notwendig, dass alle Mann bei frischen Kräften blieben. Als wir an der nördlichsten der beiden Inseln an der linken Seite des Sundes, ungefähr fünf englische Meilen vom Depot entfernt, angelangt waren, Die Irizar-Insel. fanden wir es zwecklos, uns weiter abzumühen. Das frisch gebildete Eis wurde nämlich immer schwerer zu durchdringen, und so weit man sehen konnte, war der Sund mit frisch gefrorenem Packeis angefüllt. Deswegen beschlossen wir, an einem geeigneten Platz auf der Insel zu verweilen, aber das war leichter gesagt, als getan, denn das Eis befand sich infolge der Flut in starker Bewegung; am Rande der Insel war es sehr seicht, und überall lagen grosse Steine und Felsblöcke. Wir mussten sehr vorsichtig sein, um nicht auf Grund zu geraten, da das Eis das Boot leicht umwerfen konnte. Dann wäre unsere Lage verzweifelt gewesen. Nach grosser Mühe fanden wir endlich tief drinnen im Sund zwischen den Inseln einen Landungsplatz. Das Eis lag eben und bildete einen vorzüglichen Übergang an Land. Hier war unsere erste Sorge, den Kaffeekessel aufzusetzen und uns mit einer Tasse Kaffee und einigem Schiffszwieback zu stärken. Dann zogen wir das Boot auf den Strand und begaben uns zur Ruhe, die sehr erforderlich war nach zehnstündiger, ununterbrochener harter Arbeit ohne die geringste Nahrung. Der ganze Sund zwischen den Inseln war mit Klippen angefüllt und offenbar mit einem Schiff sehr schwer zu passieren. Ganz tief drinnen in dem schmalsten Teil des Sundes lag das Eis noch ganz eben ausgebreitet. Es war jetzt fast windstill und der herrlichste Sonnenschein. Wir lagen im Boot und ruhten unsere müden Glieder, sonnten uns und warteten nur darauf, dass unsere Suppe aus Konservenfleisch und etwas Gemüse fertig war, um in die Schlafsäcke zu kriechen und uns des stärkenden Schlafes zu erfreuen. Den hatten wir sehr nötig, denn wir waren völlig ermüdet; ich persönlich hatte drei Nächte hindurch kaum ein Auge geschlossen. Bei harter Arbeit und mangelhafter Ernährung friert man zuletzt am ganzen Körper, und schlimmer ist das noch, wenn man mürbe geschlagen wird; aber alle meine Gefährten auf dieser Fahrt waren sehr tüchtig und ausdauernd, sonst wäre es auch nicht möglich gewesen, ein Unternehmen wie das unsere durchzuführen. Die auf der Paulet-Insel zurückgebliebenen Kameraden waren sicher in grosser Besorgnis um unser Ergehen bei dem starken südöstlichen Sturm. Sie mochten das schlimmste befürchten, und dabei hing ja ihr eigenes Schicksal von dem Gelingen unserer Fahrt ab. Mussten wir doch eine Verbindung mit unsern übrigen Kameraden und dem Entsatzschiff herstellen, auf dessen Kommen wir alle hofften, um sie zu benachrichtigen, dass sich ein Teil der Expedition auf der Paulet-Insel befände. Um 3 Uhr verzehrten wir unsere Fleischsuppe, und alle waren der Ansicht, dass es herrlich sei, einmal wieder zivilisiertes Essen zu bekommen. Dann krochen wir in unsere Schlafsäcke, um auszuruhen.

In der Nacht zum 3. November, als ich gegen 2 Uhr hinausguckte, wehte ein nordwestlicher Wind, und leichte Wolken segelten am Himmel dahin. Nachdem alle geweckt waren und ihren Morgenkaffee getrunken hatten, begaben wir uns um 4 Uhr auf die Fahrt. Wir gingen jetzt mit der Strömung, so dass wir schnell vorwärts kamen, denn das Eis bereitete uns nur geringe Hindernisse. Nur an einigen Stellen war es schwer, hindurch zu dringen. Indessen fing die Luft an, sich zu verändern, die wohlbekannten weissen, scharfränderigen Wolken tauchten auf, und ich erkannte, dass ein starker Wind im Anzuge sei. Aber wir ruderten drauf los, um noch im Laufe des Tages das Depot zu erreichen. Nachdem wir nach der Westküste nördlich von dem Sund an einem Pinguinlager angelangt waren, mussten wir landen, denn der Wind hatte sich derartig aufgenommen, dass an ein Weiterfahren nicht zu denken war. Es war Ebbe und sehr schwer, das Boot auf den Strand hinaufzuziehen, aber mit grosser Anstrengung gelang es uns dennoch. Wir waren sehr überrascht, zu sehen, dass die Pinguine schon Eier hatten, und zwar in grossen Mengen, was uns sehr gelegen kam. Sowohl gekocht, als auch in Seehundspeck gebraten, schmeckten sie vorzüglich, und nachdem wir den eigenen Bedarf gedeckt hatten, sammelten wir noch einen Vorrat ein, um ihn nach der Winterstation mitzunehmen. Wir hatten auch das Glück, ein Seehundspaar zu treffen; das Weibchen musste das Leben lassen, um uns mit Fleisch und Speck zu versehen. Ich ging ein paarmal auf die Berge hinauf, um nach Versteinerungen zu suchen, aber es gelang mir nicht, welche zu finden. Allerlei Moose und Flechten sammelte ich für Skottsberg ein. Seit wir gelandet waren, hatte der Wind sich in einen wahren Orkan verwandelt, der gar nicht nachlassen zu wollen schien. Es war daher gut, dass wir einen sicheren Platz hatten, wo wir uns aufhalten konnten, wenn auch das Leben in dieser Kälte und bei dem Sturm, so ganz ohne allen Schutz, schwer genug für uns war. Das Unwetter raste mit fürchterlicher Gewalt, es fehlte nicht viel daran, so wären wir mit samt dem Boot ins Meer geweht. Wir befestigten deswegen schwere Steine an den Bootsrand, namentlich an der Windseite, um unser Fahrzeug zu schützen, während wir selber in den Schlafsäcken Zuflucht suchten. Aber es war keine Kleinigkeit, bei der Musik einzuschlafen, die aus dem Geschrei der Pinguine, dem Heulen des Sturmes und dem Brausen des kaum vierzig Fuss von uns entfernten Meeres zusammengesetzt war.

Trotz der Gewalt des Sturmes erwachten wir am 4. November frisch und vergnügt und vertrieben uns die Zeit mit Kaffeekochen und Pinguineierschmausen, in der Erwartung, dass das Unwetter sich ändern möge. Es war uns peinlich, wieder untätig daliegen zu müssen, aber es war doch besser hier, als draussen im Treibeise. Gegen Abend liess der Wind nach und ging mehr nach Westen herum, so dass wir gegen 7 Uhr aufzubrechen beschlossen. Es ging schnell vorwärts, wir konnten aber das Segel nicht die ganze Zeit anwenden, da der Wind umsprang und wir ihn direkt entgegen hatten. Trotzdem kamen wir weiter. Der ganze Weg längs des Gletschers war sehr seicht, so dass der Strand bei niedrigem Wasserstand völlig nackt lag, mit einer Menge grösserer und kleinerer Klippen. Um 10½ Uhr des Abends waren wir in der Bucht am Depotplatz, aber es war wegen der Ebbe unmöglich, zu landen. Hier war kein Strand ausser dem hohen Eisrand, weswegen wir die Flut abwarten mussten. Wir machten das Boot fest und liessen zwei Mann als Wache dabei zurück, während wir andern an Land gingen, um zu untersuchen, wie es sich mit dem Depot usw. verhielt. Wir fanden eine kleine Steinhütte und eine Stange mit einer Tafel, auf der mitgeteilt wurde, dass J. G. Andersson, Duse und Grunden hier vom 11. März bis zum 28. September 1903 überwintert hatten; über der Tafel war eine Flasche angebracht, die ein Schreiben und eine Kartenskizze von ihrer Route enthielt. Sie hatten auf der ersten Ausfahrt infolge grosser Schwierigkeiten umkehren müssen und sich jetzt über Land nach der Sidney Herbert-Bay begeben, von wo sie, an der Küste entlang, über das Eis nach Snow Hill wandern wollten. In Andersons Schreiben wurde unter anderm mitgeteilt, dass ein Fass und einige Kisten mit Versteinerungen an Ort und Stelle zurückgelassen seien. Die Versteinerungen seien auf einem Berge, nicht weit vom Hause entfernt, gesammelt, und enthielten unter anderm eine Menge schöner Abdrücke von Farnen usw. In einem in englischer Sprache abgefassten Schreiben bat Andersson das Schiff, das möglicherweise hierher kommen würde, sich dieser Sammlungen anzunehmen und sie nach Schweden zu befördern. Er äusserte auch die Vermutung, dass die »Antarctic« an der Küste der Joinville-Insel gescheitert sei und bat den Kapitän des Schiffes, die kleinen Inseln an der Ostseite der Bucht daraufhin abzusuchen. Er hatte also an uns gedacht, und wir unserseits hofften, dass sein und seiner Kameraden zweiter Versuch, Snow Hill zu erreichen, geglückt sein möge. Aber wir waren in Sorge um sie, denn es war spät gewesen, als sie sich auf den Weg gemacht hatten. Wären sie jetzt hier gewesen, so würde ihnen eine bequemere Beförderung zu Teil geworden sein. Wir nahmen etwas von der alten Persenning, die wir als Schutz für das Boot gebrauchten, breiteten den übrigen Teil aber wieder über die prächtigen Sammlungen aus. Auch nahmen wir eine der Stangen mit, die sie benutzt hatten, um das Dach ihrer Hütte zu stützen. Wir wollten sie als Mast gebrauchen, und obwohl sie nicht so stark war, wie wir es wohl gewünscht hätten, konnte sie doch ein Stück Weges halten.

Donnerstag, den 5. November, wehte ein westlicher Wind, als wir gegen 5 Uhr morgens das Boot an Land zogen und uns zu der Fahrt gen Süden rüsteten. In dieselbe Flasche, in der wir das Schreiben von Andersson gefunden hatten, legten wir neben dieses eine in norwegischer und englischer Sprache abgefasste Mitteilung nieder, dass wir jetzt an der Sidney Herbert-Bay nach Andersson und seinen Gefährten forschen würden, wie auch, dass sich die Besatzung der »Antarctic« auf der Paulet-Insel aufhalte. Wir sammelten Eier und brachten den Mast in Ordnung, konnten aber wegen des zunehmenden Sturmes unsere Reise noch nicht fortsetzen. Der Sturm raste die ganze Nacht, und erst gegen 4 Uhr am Freitagmorgen liess er etwas nach. Wir machten alles klar zur Abreise, kaum aber wollten wir unser Boot in See lassen, als der Sturm von neuem losbrach, so dass wir auch an diesem Tage nicht an eine Abfahrt denken konnten.

Endlich in der Frühe des Sonnabendmorgen, am 7. November, war das Wetter still und schön. Um 4 Uhr 20 Min. morgens brachen wir auf und ruderten dann den ganzen Tag in der Richtung auf die Sidney Herbert-Bay zu. Nur hin und wieder stiessen wir auf zerteiltes Eis. Das schöne Wetter hielt die ganze Nacht an, und schnell ging die Fahrt unserm Ziele zu. Kaum aber hatten wir Kap Gage passiert und waren in den Admiralitäts-Sund eingebogen, als sich uns ein neues Hindernis entgegenstellte, das wir nicht mit dem Boot zu überwinden vermochten. Das Eis lag nämlich in gerader Linie quer über die ganze Bucht nach der Cockburn-Insel und Kap Seymour zu und über den ganzen Sund ausgebreitet. Wir zogen deswegen um 2 Uhr nachts das Boot an den Strand und begaben uns zur Ruhe, der wir sehr bedurften, da wir seit Sonnabend Morgen früh an den Rudern gesessen hatten. Erst um 11 Uhr morgens krochen wir wieder aus den Säcken und nahmen unsere aus Kaffee und Fischklössen bestehende Mahlzeit ein. Wir glaubten nämlich, uns jetzt, wo wir dem Ziel so nahe waren, ein wenig zu gute tun zu dürfen. Ungefähr zwölf bis fünfzehn englische Meilen trennten uns jetzt noch von der Winterstation, nach der wir alle sechs um 3 Uhr nachmittags zu Fuss die Wanderung antraten. Es war ein mühseliger und beschwerlicher Marsch, denn der Schnee war so weich, dass wir oft bis an die Knie hineinsanken. Aber gegen 10 Uhr abends hatten wir das Ufer unterhalb der Station erreicht, und wurden zuerst von Bodman empfangen, der vor Freude »Larsen! Larsen!« schrie und Hurra rief, so dass alle von der Station herbeieilten. Von unserer gegenseitigen Freude kann man sich leicht eine Vorstellung machen, aber wir waren ganz starr vor Staunen, als die andern wie aus einem Munde berichteten, dass ein argentinisches Fahrzeug vor der Bucht liege und dass wir alle zu Weihnacht wieder in der Heimat sein würden. Überwältigt vor Freude über diese unerwartete Nachricht, dachten wir daran, wie froh unsere Kameraden auf der Paulet-Insel sein würden, wenn wir mit den Argentiniern kamen, um sie abzuholen. Eine besondere Beruhigung war es mir, J. G. Andersson, Duse und Grunden frisch und wohlbehalten nach den schweren Strapazen hier zu sehen. Eine Menge Fragen schwirrten durcheinander, eine Menge erfreulicher und interessanter Neuigkeiten hatten die so lange von einander getrennten Mitglieder der Expedition sich gegenseitig mitzuteilen. Von den Argentiniern erfuhren wir, dass eine schwedische Expedition mit dem »Frithiof« zu unserm Entsatz ausgesandt sei usw. Grossen Eindruck machte es auf uns, als wir zum erstenmal wieder weiches Brot zum Kaffee verzehrten, ein königliches Mahl! Und erst in später Stunde begaben wir uns zur Ruhe. Ich bekam Sobrals Koje, und das war etwas anderes als die Schlafplätze im Boot während der Ruderfahrt dieser letzten Woche!

Die Winterhütte auf der Paulet-Insel, von Pinguinen umgeben.

In der Frühe des nächsten Tages, am 9. November, begann der Transport der Sachen von der Winterstation nach dem argentinischen Schiff. Die Hundeschlitten wurden beladen, und dahin ging es über das Eis, so schnell ein Mann nur laufen konnte, mit neun Hunden vor zwei Schlitten. Es war ein wahres Vergnügen, zu sehen, wie schwere Lasten die Hunde ziehen konnten. Dr. Andersson und ich fuhren mit der ersten Bootslast an Bord, wo mir der herzlichste Empfang von Kapitän Irizar und allen seinen Offizieren zu teil wurde. Hier bedurfte es keiner Vorstellung, Kapitän Irizar sagte sofort, ich sei Larsen, und umarmte mich. Es war wirklich rührend, bei den Vertretern einer fremden Nation einen so herzlichen Empfang zu finden.

Es war eine andere Fahrt, die wir jetzt machten, als wir am nächsten Tage den Kurs nach der Paulet-Insel lenkten. Das alles aber hat Dr. Nordenskjöld schon geschildert, deshalb brauche ich es nicht noch einmal zu beschreiben.


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