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Der berühmteste Niederländer des Jahrhunderts, und was er zuwege brachte. Jüffrau Laps auf dem Kriegspfade.

Lange nur getrost zu, mein Junge, und genier' dich nicht. Oder willst du vielleicht erst die Jacke ausziehen, denn da du doch die Nacht hier bleibst ...«

Walther behielt vorläufig die Jacke noch an.

»Und ... ein Liqueurchen hab' ich auch für dich ... feine Sorte! Von Fockink, weißt du, der seine Fabrik da in der engen Straße hat, weißt du. Du mußt nie durch die Straße gehen, da wohnen gemeine Weibsbilder, und die stehen an der Thür, siehst du, und das ist nicht gut für einen Junggesellen, wie du bist.«

Der Junggeselle Walther sah recht erstaunt drein, aber ich kann nicht sagen, daß er böse gewesen wäre. Diese Erhebung war ja noch schmeichelhafter als »in den Handel« zu gehen.

Aber verlegen war er doch. Also fand Jüffrau Laps es gut ihm noch zuzureden.

»Denn ganz gewiß, Walther, du bist ein Junggesell. Weißt du das nicht? Das kommt davon, daß du zu Hause noch so kindisch behandelt wirst. Ich sage dir, du bist ein Junggeselle, so gut wie einer! Denkst du, daß ich von ... Stoffel so viel halte wie von dir? Ach nein! Ganz und gar nicht! Ich halte viel mehr von dir. Willst du 'ne Pfeife rauchen? Du bist Manns genug dazu. Natürlich, warum, sollst du nicht dein Pfeifchen rauchen wie andere Männer?«

Männer!

Walther antwortete, daß er »noch nicht« rauchen könnte. Es kostete ihm Mühe, aber sein erster Versuch, es Stoffel hierin gleich zu thun, war böse abgelaufen.

»So? Rauchst du nicht?«

Sie ließ das »noch« weg.

»Sehr gut. Es ist auch eigentlich eine dumme Angewohnheit von den Männern. Das ewige Gequalme! Ich kenne mehr junge Leute, die nicht rauchen. Da ist beispielsweise Piet Hammel, der ist so alt wie du, bloß ein bißchen kleiner, und heiratet 'ne Base von mir – der raucht auch nicht.«

Man denke!

»Ja, sie wollen heiraten, so etwa ... ich weiß nicht, wann. Aber heiraten wollen sie. Ich will bloß sagen, daß du 'n richtiger Junggeselle bist. Ist ja rein dumm, daß sie dich immer noch wie 'n Kind behandeln. Hab's deiner Mutter schon hundertmal gesagt. Da ist zum Beispiel – na, eben auf der Straße. Ich hatte Angst, nicht? Weil ich ein schwaches Weib bin, na ja. Und 's war Nacht. Denkst du, daß ich mich fürchtete, als du bei mir warst? Keine Spur! Und warum nicht? Na, weil jeder sehen konnte, daß ich eine Mannsperson bei mir hatte. Ich hätte dich unterfassen können – du bist ja beinahe größer als ich – ich that's aber nicht, weil du 'n Paket hattest. Und dann – die Menschen schwatzen so! Der Wächter hätte's sehen können und dann, überall herumerzählen, daß ich nachts mit 'm Herrn ging!«

Mit einem Herrn!

»Der Mensch muß immer auf seine Reputation denken. Hier zu Hause ist's anders, ganz was anderes. Ich weiß, ja, du wirst nichts Schlechtes von mir erzählen. Wer 'ne Frau beklatscht, ist kein wahrer Mann, das weißt du wohl.«

Ja, das wußte Walther. Sie wurde diesmal besser verstanden, als sie ahnte.

»Also, was ich sagen wollte, du mußt nie durch jene Gasse gehen. Wenn du 'n Kind wärest, wäre ja nichts dabei. Aber du! Laß mich also einschenken!«

Walther trank.

O Fancy, meine Muse, was machst du!

»Wie findest du das Liqueurchen?« Walther erkannte an, daß das Schnäpschen schmeckte.

Und Satans Ladenmädchen schenkte nochmals ein. Die Gläserchen waren ja so klein, richtige Fingerhüte.

»Und du mußt auch was essen, mein allerbester Junge! Ach, ich habe immer so viel von dir gehalten. Das ist gesund zu so 'nem Schnäpschen.«

Walther begann zu essen.

»Und ziehe ruhig deine Jacke aus, mein Lieber. Wir sind ja hier ganz unter uns.«

Richtig. Walther zog die Jacke aus.

»Und ich will mich dicht zu dir setzen, weil du so ein lieber guter Junge bist.«

Fancy! Fancy!

Der Liqueur war kräftig, und Waltherchen trank auch mehr davon als gut war. Er verlor etwas von seiner Schüchternheit und antwortete das eine oder andere auf das Geschwätz der Jüffrau, die aber immer noch nicht mit der Sache vollkommen zufrieden war. Na, 's wird schon noch besser werden, hoffte sie.

Von Zeit zu Zeit dachte Walther an den eigentlichen Zweck seines Hierseins. Seine Wirtin schien aber alle Diebe und Mörder vergessen zu haben, und als Walther sie daran erinnerte, zeigte sie eine Tapferkeit, die ihm sehr angenehm war. Denn – die seine war futsch.

»Ich thät' sie ... denkst du, ich fürcht' mich vor so 'm Kerl? I wo! Nicht vor dreien. Nicht vor zehn! Vor der ganzen Welt nicht! Ich thät sie ...!«

Desto besser, dachte Walther, dann brauchte er nicht zu »thäten.«

Jetzt raschelte etwas auf dem Boden. Walther erschrak. Er war wieder ganz Kind.

»Bleib hier,« rief das Weibsbild. »Ich will nachsehen. Denkst du, ich will dich schlagen oder stechen oder ermorden lassen, mein Junge! Niemals! Wer an dich will, kommt zuerst an mich ... an mich, das sollen sie wohl erfahren.«

Und sie ging hinaus und nahm das Licht mit, um nachzusehen, was da oben knackte. Sie ließ Walther lange genug im Dunkeln allein, um ihn ihre Rückkehr wünschen zu lassen. Die Rollen waren vertauscht – noch ein wenig, und der Junge sollte wohl unter ihrer Schürze Schutz suchen.

»Aber Jüffrau ...«

»Du kannst ruhig Christine sagen. So heiß ich.«

Das getraute sich Walter aber nicht. Lieber vermied er die ganze Anrede.

»Aber soll ich nun nicht lieber heimgehen?«

»Nicht doch! Deine Mutter ist lange zu Bett, das kannst du dir wohl denken. Wir haben's ja abgemacht, daß du hier bleiben sollst ... und frühstücken.«

Frühstücken. Ach lieber Himmel, der Junge that ja schon eine ganze Stunde nichts anderes. Sollte das bis zur Morgenstunde so weiter gehen?

»Weißt du was? Ziehe dich ruhig aus. Ich werde ein Lager für dich zurecht machen, da ... in der Ecke. Denn wenn ich allein bin – ich als Frau – mit all den Dieben und Mördern, dann werde ich so ... graulig.«

Walther wagte nicht, nein zu sagen, ebensowenig aber auch zu thun, was ihm so verlockend angetragen wurde. Er schwankte ...

Sie redete zu ...

Er begann ...

Das Kind war benebelt!

O Fancy, ist's nicht schade um den Jungen?


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