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Große Veränderung in der Familie. Walther wird Hofpoet bei Jüffrau Laps. Die Berge Asiens als Prophylaxis gegen europäischen Hochmut. Die Waschfrau und ihre Tochter.

Jüffrau Pieterse muß wohl geerbt haben. Denn die Pieterses zogen mit einem male in eine »anständigere« Gegend, und die jungen Jüffrauen kannten keine einzige mehr von den Mädchen, mit denen sie auf Schneiderei gegangen waren. So etwas kommt immer bei Erbschaften vor, und wenn man umzieht, d. h. wenn man sich dabei »verbessert.« Und es waren noch andere Zeichen. An Leentje wurden eifrigst Versuche gemacht, sie zu einer feineren Sprechweise zu veranlassen, und Stoffel gab sich alle Mühe, bloß Jüffrau Pieterse selbst verdarb es durch schlechtes Beispiel.

Walther hatte eine neue Jacke bekommen mit einem kleinen Kragen, wie sie später die Kutscher trugen. Selbstverständlich, von einer in die Hose gesteckten Jacke war nun keine Rede mehr. »Es sah so kindisch aus,« hatten die Schwestern gesagt, »und noch dazu, wo der Junge schon Verse machen konnte.«

Denn daß Walther Verse machen konnte, das erzählte man jedem, der es hören wollte. Eigentlich war es ja nicht richtig, Ruhm von einem Thun einzuernten, das dem Thäter so schlecht bekommen war. Das beweist wieder einmal, was die Eitelkeit für eine große Rolle in der Welt spielt. Er selbst brauchte ja nichts davon zu wissen. Man sprach bloß davon, wenn er nicht dabei war.

Das Bild der langen Cecil war aus Walthers Herzen geschwunden, und auch die kleine Emma war vergessen. Selbst Omikron mußte von Zeit zu Zeit ihr Gesicht in den Sternen zeigen, um das Kind an seine Liebe zu erinnern. Und selbst wenn er den Abendhimmel ansah, wenn seine Seele von einem unaussprechlichen Verlangen nach dem Guten berührt wurde, dann noch dachte er weniger an Omikron, als daß er durch unbestimmte liebevolle Erinnerungen bewegt wurde. In seinem zwölfjährigen Leben gab es schon eine mythische Vorwelt, die schwer von der wirklichen Geschichte zu trennen war.

Er selber wußte nicht, daß er Verse machen konnte. Er glaubte ganz gutmütig, daß sein Räuberlied unter der Kritik war, und grüßte Klaasje van der Gracht mit einer Art von Ehrfurcht.

Aber er erfuhr es von Jüffrau Laps, daß er dichten konnte. Es war ihm eine richtige Erleuchtung.

Dies Menschenkind hatte einen Oheim, der nächste Woche Geburtstag hatte. Und sie vollführte einen Staatsbesuch bei den Pieterses, um zu fragen, ob Walther zu der Gelegenheit ein Verschen machen wollte. Sie hätte auch ein paar Bonbons dafür übrig.

»Aber, Jüffrau Pieterse, Sie müssen ihm sagen, daß es fromm sein muß, und daß mein Oheim ein Witwer ist. Sehen Sie, das muß er hineinbringen. Und ich hätte gern, daß es in der Melodie des 103. Psalms wäre, denn mein Ohm hat den Psalm auf der Leier.«

Der begabte Leser merkt wohl, daß sie nicht von Apollos Leier sprach. Sie sprach von so einem Drehding, das ein quietschendes Geräusch macht.

Jüffrau Pieterse wollte es Walther sagen, wenn er aus der Schule käme, aber sie überlegte mit Stoffel, wie sie das Ersuchen oder den Befehl einrichten sollte, ohne daß Walther einen Grund von Überhebung darin finden sollte. »Den haßte sie wie den Tod ... bei einem Kinde.«

»Hast du deine Lektion gekonnt, Walther?«

»Nein, Mutter, ich sollte dreizehn Berge in Asien hersagen und wußte bloß neun.«

»Das geht mit dir aber auch gar nicht. Ich bezahle ja mein Schulgeld umsonst. Denkst du, daß mir das Geld auf dem Rücken wächst? Was soll aus dir werden?«

Das sage ich auch.

Der Auftrag, den Vers zu machen, schmeichelte Walther aber doch. Jüffrau Pieterse und Stoffel hatten sich umsonst bemüht, die gute Meinung, die sie von seinem Talent hatten, durch Geringschätzung zu verdecken. Der arme Junge bekam einen freudigen Schreck bei der Entdeckung, daß man ihn für etwas ansah. Er hatte ja so oft gehört, daß er eigentlich gar nichts war und daß niemals etwas aus ihm werden sollte... mit knapper Not hörte er auf alle die Versuche, die seine Mutter und sein Bruder anstellten, um ihm klar zu machen, daß der ganze Auftrag weiter nichts wäre als eine Strafe für seine Unkenntnis asiatischer Berge. Stoffel gab ihm in aller Eile Unterricht von »stehenden und liegenden« Versen, und daß diese abwechseln sollten, die Verse sollten aber gleich lang sein, und wenn er etwas nicht wüßte, sollte er ihn fragen ...

Walther hatte wohl Lust dazu. Er ging ins Hinterzimmer nahm einen Schieferstift und fing an zu schreiben. Aber schön war es nicht. »Ein Witwersmann von Gott«... »O Gott, ein Witwersmann ...« Weiter kam er nicht.

Der arme Junge biß sich die Zähne stumpf an seinem Griffel und den Griffel zu Müll, aber es ging nicht. Die liegenden und stehenden Zeilen Stoffels kamen ihm immer dazwischen. Er war einen Augenblick stolz gewesen und wurde schwer dafür gestraft. Jetzt begann er zu glauben, daß seine Mutter recht hatte, wenn sie sagte, daß »aus diesem Jungen niemals etwas werden würde.«

Leentje konnte ihm auch nicht helfen. So beschloß er denn, es morgen wieder zu versuchen; vielleicht würde es dann besser gehen. Das fand Leentje auch.

»Gut,« sagte die Mutter» »aber denke dran, daß du mich nicht vor Jüffrau Laps blamierst ... denn ich habe gesagt, du kannst es ... und der Mann hat Donnerstag über acht Tage Geburtstag... viel Zeit hast du also nicht.« Walther ging nach dem Aschenthor, suchte seine Brücke und begann da bitterlich zu weinen.

»Sieh doch mal nach, was dem Jungen fehlt,« hörte er eine Frau zu einem Mädchen von vierzehn, fünfzehn Jahren sagen, »gewiß hat er was verloren.«

»Hast du was verloren?«

Walther blickte auf und erschrak, denn es war ihm, als ob er das Gesicht erkenne. Es erinnerte ihn an Fancy.

»O, nun ist alles gut ... nun du da bist! Ich habe so nach dir verlangt ...«

»Nach mir?«

»Ja, ja, ja ... ich wußte es bloß nicht ... aber nun weiß ich's. Ach sage mir's doch schnell ... wie ich den Vers machen soll?«

Das Mädchen, das mit ihrer Mutter Wäsche zum Bleichen aufs Gras legte, sah Walther erstaunt an. Sie lief zu ihrer Mutter zurück und sagte, sie wüßte nicht, was ihm fehlte. Daß ihm aber etwas fehle, war sicher.

»Er sieht aus, als ob er erschrocken wäre,« sagte sie.

Und dann holte sie aus einem kleinen Häuschen in der Nähe etwas Wasser, das sie Walther in einer Tasse reichte. Walther selbst begann zu merken, daß er sich geirrt hatte. Es war aber etwas so Gutmütiges in der Art des Mädchens, daß er sich sofort zu ihr hingezogen fühlte, wenn sie auch nur Femke hieß. So nannte sie die Mutter. Und dieser Name erinnerte ihn an Fancy, und das war immer etwas.

Femke wies Walther ein umgekehrtes Körbchen an, und forderte ihn auf, ihr zu erzählen, was die Ursache seines Kummers wäre. Walther that das, so gut es ging, während ihre Mutter sich mit der Bleiche beschäftigte.

»Vielleicht kann ich dir helfen,« sagte die Mutter, »denn ich habe einen angeheirateten Neffen, der Witmann ist.«

»Ja, Jüffrau ... aber die Verse? Und es muß etwas von Gott drin sein.«

»Gewiß. Ach, es ist eine ganze Geschichte. Seine Frau war meines Mannes Nichte, weißt du, denn wir sind katholisch, und sie that nach ihrem Glauben ... leg ein Steinchen auf die Achseltücher, Femke, sonst fliegen sie weg ... ja, 's ist so ein Ding mit der Bleiche, du hast keine Ahnung davon ... nun, sie that nach ihrem Glauben, und da that sie wohl daran ... denn du wirst wissen ... sonst ist nicht viel mit dem Menschen los ... aber er ... zieh das Hemd was zurück, Femke, der Ärmel hängt in den Graben ... aber er gab nichts darauf und sagte, es wäre alles Unsinn ... als sie aber starb und er sah, wie für sie gesorgt wurde ... es war Pater Jansen, der um sie war, du wirst ihn wohl kennen ... er geht immer mit so 'nem schwarzen Stöckchen, aber er kommt nie damit auf die Erde ...«

Die Frau sah Walther fragend an. Der arme Junge saß auf seinem umgekehrten Körbchen, die Ellbogen auf dem Knie und das Kinn in beiden Händen. Er horchte mit offenem Munde und paßte wohl auf, wie die Sache aufs Versemachen kommen sollte. Aber von Pater Jansen und dessen erdeverachtendem Stöckchen hatte er nie gehört. Das mußte er eingestehen.

»Nun, 's war Pater Jansen, der um sie war. Und als meines Mannes Neffe das sah ... gieß nicht vorbei, Femke, dann spritzt der Schmutz so auf ... ja, wie er sah, daß 'n Mensch doch nicht so stirbt wie ein stummes Tier, da hatte er doch Achtung davor, und er hielt später seine Ostern wie ein anderer ... und wie er vergangenes Jahr das Bein brach, er ist nämlich Färber, weißt du, hat er neun Wochen lang dreizehn Stüber von den Armen gehabt ... ich will also bloß sagen, daß ich einen Witwer in der Familie hab'. Und nun mußt du aufstehen von dem Korbe, denn ich brauch' ihn.«

Walther stand schnell auf, als ob er unbescheiden zu sein fürchtete. Und die Frau ging weg mit einer ernstlichen Mahnung an Femke, gut auf die Wäsche aufzupassen und sie zu rufen, wenn böse Jungens kämen. Denn das käme wohl vor.

»Bist du wieder besser?« fragte die freundliche Femke.

»Ach ja,« antwortete Walther, »aber ich weiß nicht, wie ich das alles in meinem Vers zurechtbringen soll. Du mußt bedenken, daß es sich reimen muß, Femke, und daß alle Verse gleich lang sein sollen, und sie müssen liegen und stehen ... denn das hat mein Bruder gesagt und der ist Schulmeister ...«

Femke sann nach, und auf einmal rief sie:

»Kannst du Lateinisch?« als ob Walther damit geholfen wäre.

»Ach nein.«

»Na, 's macht nichts, 's Holländisch steht dabei ... ich werde dir helfen. Willst du einmal auf die Wäsche achtgeben?«

Walther versprach es, und Femke lief nach Hause.

Da kamen ein paar Jungen, die mit Steinen warfen. Walther, im Bewußtsein seiner Verantwortlichkeit, rief ihnen zu, sie sollten damit aufhören. Nun wurde es noch schlimmer. Denn sie kamen näher und ärgerten Walther, indem sie auf die Wäsche trampelten. Er hatte ein Gefühl, als sähe er Femke mißhandeln, und rannte auf die Wäscheverwüster los. Aber er war der Stärkste nicht, und einer gegen zwei, sodaß er wahrscheinlich unterlegen wäre, wenn seine Dame nicht schnell zurückgekommen wäre. Diese rettete ihn und jagte die Angreifer davon. Als sie sah, daß Walther an der Lippe blutete, gab sie ihm einen Kuß. Das Herz des Knaben zitterte. Seine Seele wuchs auf einmal zu ungekannter Höhe, er fühlte wieder ... zum erstenmal seit langer Zeit das Prinzenhafte, das Leentje damals so erschreckt hatte. Seine Augen blitzten, und den armen Jungen, der eben noch nicht wußte, wie er einen Vers zusammenbauen sollte, durchschossen Strahlen von Gefühl, von Phantasie und von Mut, die den Menschen zum Dichter machen.

»O Fancy, Fancy ... sterben für dich ... sterben mit solch einem Kuß auf den Lippen!«

Es kränkte ihn, daß die Jungen weg waren. Wären es ihrer zehn gewesen, er hatte Mut zu dem ungleichen Streit.

Und Femke, die niemals etwas von poetischen Ergüssen gehört hatte, verstand ihn sofort, weil sie ein unverdorbenes Mädchen war. Sie fühlte Walthers Ritterlichkeit, und daß sie eine Dame war, die Ritterlichkeit belohnen konnte.

»Du bist ein lieber, lieber Junge,« sagte sie und faßte sein Haupt mit beiden Händen und küßte ihn wieder und noch einmal ... in einer Weise, als ob sie es wohl schon öfter gethan hätte. Was doch nicht der Fall war.

»Und nun mußt du in das Büchelchen sehen, wo die Verse drin sind, vielleicht hilft dir das für deine Tante ...«

»Sie ist meine Tante nicht,« sagte Walther, »aber das Buch will ich wohl sehen.«

Er legte es auf das Geländer der Brücke und begann zu lesen. Femke, größer als er, hatte den Arm um seinen Hals gelegt und zeigte ihm mit der anderen Hand, wo er lesen sollte.

»Siehst du, die Reihen sind gleich lang,« sagte sie.

»Ach ja ... aber sie reimen nicht.«

Und Walther las:

Allerreinste Mutter,
Unbefleckte Mutter,
Mächtige Jungfrau,
Gütige Jungfrau,
Getreue Jungfrau,
Geistlich Gefäß,
Ehrwürdig Gefäß,
Schön Gefäß der Ergebung,
Geistige Rose,
Turm Davids,
Elfenbeinerner Turm,
Thor des Himmels ...

»Aber Femke, wie kann ich das für meinen Vers gebrauchen, ich verstehe nichts davon!«

Femke begriff auch nicht viel davon. Seit vier, fünf Jahren las sie täglich in dem Buche, und sie war immer mit ihrem Begriffsvermögen zufrieden gewesen. Jetzt bemerkte sie erst, daß sie ebenso unwissend war wie er. Sie schämte sich und schlug das Buch zu.

»Kennst du denn den Glauben nicht?« fragte sie, als ob beider Unwissenheit die Folge dieses Umstandes sein könnte.

»So nicht,« sagte Walther. »Ich hab's anders gelernt.«

»Aber du glaubst doch an Jesus?«

»O ja, das ist Gottes Sohn. Aber ich wußte nichts von den Gefäßen und Türmen. Gehört das zum Glauben?«

»Gewiß doch! Und du kennst die heilige Jungfrau doch! Das ist Maria.«

»So? Maria? Dann weiß ich's.«

»Und das Fegefeuer?«

»Davon weiß ich nichts.«

»Und die Beichte?«

»Nein.«

»Aber wie macht ihr's denn dann?«

»Wie meinst du das, Femke?«

»Nun – um selig zu werden.«

»Ja, das weiß ich nicht,« antwortete Walther. »Meinst du, um in den Himmel zu kommen?«

»Na gewiß. Darum ist's zu thun, und das geht nicht ohne die heilige Jungfrau und ohne solch Buch. Soll ich dir den Glauben lehren, Walther? Dann kommen wir zusammen in den Himmel.«

Das wollte Walther gern. Und Femke begann:

»Gott schuf die Welt ...«

»Was that er vorher, Femke?«

»Das weiß ich nicht. Aber die Menschen sind schlecht geworden durch eine Schlange, und dann hat der Papst die Schlange verflucht, denn der Papst wohnt in Rom, weißt du. Und dann ist Jesus gekreuzigt, um die Menschen wieder gut zu machen... es ist lange her...«

»Ja, ich weiß wohl,« sagte Walther. »Jesus hat das Jahr verändert. Er fing mit Null an bei seiner Geburt.«

Das wußte nun wieder Femke nicht. So ergänzte der eine die Weisheit des anderen, und Walther war stolz, daß er doch auch etwas vom Glauben wußte, wenn es auch nach Femke nicht der rechte war.

»Also Jesus hat die Menschen wieder gut gemacht, und wenn du nun gut betest aus solch einem Buche, dann wirst du selig. Verstehst du, Walther?«

»Nicht ganz. Was ist denn eigentlich ein elfenbeinerner Turm?«

»Na, das ist so ein Name für die heilige Jungfrau. Es ist, als ob du zum Pastor Pater sagst. Da hast du nun...«

Femke suchte ein Beispiel.

»Du hast eine Mutter... wie nennst du die?«

»Na... ich sag': Mutter.«

»Richtig. Wie sagen aber die anderen?«

»Die sagen: Jüffrau Pieterse.«

»So ist es. Also, wenn man die heilige Jungfrau anredet, sagt man: elfenbeinerner Turm – gerade wie man zu deiner Mutter Jüffrau Pieterse sagt. Wenn man ruft: Jüffrau Pieterse, so ist es, daß sie hören soll, und so will elfenbeinerne Pforte bedeuten, daß man unter der heiligen Jungfrau hindurchgehen muß, um in den Himmel zu kommen. Denn darum handelt es sich.«

»Aber Femke ... was ist denn das eigentlich ... eine Jungfrau?«

Femke errötete.

»Das ist jemand, der niemals ein Kind gehabt hat...«

»Ich?« fragte Walther erstaunt.

»Nein doch, Junge, es muß ein Mädchen sein!«

»Bist du eine Jungfrau?«

»Natürlich!«

Femke sprach die reine Wahrheit.

»Natürlich... weil ich nicht verheiratet bin.«

»Aber Maria war doch verheiratet... und Jesus war ihr Kindchen.«

»Das ist gerade das Heilige bei der Sache,« antwortete Femke. »Und darum heißt sie elfenbeinerne Pforte. Verstehst du nun, Walther?«

Walther verstand es nicht. Aber er bat um Erlaubnis, das Buch mitzunehmen, um darin zu studieren. Das ging nun nicht, denn Femke brauchte es täglich, sagte sie, und Walther beruhigte sich dabei um so schneller, als er für keine Schätze der Welt die Ursache sein wollte, daß an Femkes Seligkeit etwas verdorben würde. Aber Femke forderte ihn auf, öfter wiederzukommen. Sie wollte ihm immer gern erzählen, was sie von der Sache wüßte, und wenn es mit etwas haperte, wollte sie Pastor Jansen fragen. Dann würde wohl Walther bald so klug werden wie sie selber.

Walther zog ab, nachdem er das Mädchen herzlich geküßt hatte. Das Zusammentreffen mit diesem Mädchen, das geheimnisvolle Buch, das Seligweiden, der Kampf mit den Wäscheverwüstern, alles kam mit den Gedanken an den Vers, den er machen sollte, durcheinander. Und es schien ihm Zusammenhang dazwischen zu sein.

Zu Hause angekommen, blätterte er in Stoffels Büchern, ob da wohl von heiligen Gefäßen, elfenbeinernen Türmen und allerreinsten Jungfrauen etwas zu finden wäre. Er fand aber bloß trockene Schulbücher, die über alles Mögliche, nur nicht über die Seligkeit handelten. Walther fühlte Lust zu schweben, und die ganze Umgebung zwang ihn zu kriechen ...

»Meister Pennewip hat 'n Vater und 'ne Mutter gehabt ... und der alte Pennewip, der Speckschlager war, gewiß auch ... und der auch ... aber wer ist der erste Pennewip gewesen? Und wer hat die Schweine geschlachtet, ehe Speckschlager waren? Und was thaten die Speckschlager, wie es noch keine Schweine gab? ... Und ... und ...«

Einmal würde er das alles wissen, dachte Walther. Wenn er nur so über das Zustandekommen des Verses beruhigt gewesen wäre! Aber wenn das erst in Ordnung wäre, dann würde er wohl auch über die ersten Ursachen aller Dinge ins klare kommen. Inzwischen träumte er von Femke, von ihren blauen Augen, von ihrer Freundlichkeit und ihren sanften Lippen. Und von der Stimme, mit der sie gesagt hatte: »Du bist ein lieber, lieber Junge ...«

Sollte sie es sein – Omikron? dachte er.

So träumte das Kind. Und bei dem Knaben, wie in der Entwicklungsperiode der Menschheit, wirkten die Kräfte der dreifachen Feder, die uns vorwärts treibt in einer Richtung.

Lieben, wissen, streiten ...


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