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Es war vierzehn Tage nach jener letzten Unterredung des Erzherzogs Johann mit dem Kaiser, als der Erzherzog einem an ihn ergangenen Befehl des Kaisers gemäß, sich abermals nach Wollersdorf in das kaiserliche Hauptlager verfügte und sich bei seinem Bruder anmelden ließ.
Sie kommen gerade zu rechter Zeit, Herr Bruder, sagte der Kaiser, als Johann in sein Cabinet eintrat. Ich wußte, daß der Baron Steigentesch heute hier anlangen würde, deshalb ließ ich Sie hierher bescheiden, denn ich habe Ihnen ja versprochen, daß Sie die Antwort des Königs von Preußen auf meinen Antrag erfahren sollten! So eben ist nun der Herr Obrist wirklich hier angelangt und wartet im Vorsaal auf meinen Ruf.
Bevor indeß Ew. Majestät ihn rufen, bitte ich, mich anzuhören, sagte Johann mich ernster, bebender Stimme.
Sie wollen mir doch nicht etwa gar ein Geheimniß anvertrauen? fragte der Kaiser.
Nein, Majestät, leider wird das, was ich Ew. Majestät zu sagen habe, bald aller Welt bekannt sein, und unsere Feinde werden sich schon Mühe geben, daß die Siegesposaune ihres Ruhmes es durch ganz Europa ausschreit.
Es ist also eine Niederlage, welche Sie mir zu verkünden haben? fragte der Kaiser düster.
Ja, Ew. Majestät, eine Niederlage. Gestern bin ich mit dem Feind bei Raab zusammengetroffen, Am 14. Juni 1809. die Unsrigen haben wacker gekämpft, Einzelne haben Wunder der Tapferkeit verrichtet, aber die Uebermacht war zu groß. Der Vicekönig stand uns gegenüber mit neununddreißigtausend Kerntruppen. Alle wohlgeschult, wohldisciplinirt und kriegsgeübt. Wir, das heißt der Palatin und ich, waren anfangs, mit Inbegriff der ungarischen Insurgenten, fast eben so stark. Aber gleich der erste Angriff des Feindes, der erste Kugelregen brachte die Insurgenten zum Weichen, in panischem Schrecken wichen sie zurück, verließen die Höhe, auf welcher ich sie aufgestellt hatte, und stürzten in wilder Unordnung von dannen. Die Höhe ward jetzt vom Feinde besetzt, und damit war das Schicksal des Tages schon bald nach Beginn der Schlacht gegen uns entschieden. Doch hätten wir uns halten können, doch hätte auch uns noch der Sieg zu Theil werden können, wenn Alle meinen Befehlen genau und pünktlich gefolgt wären, wenn man mir nicht, wie immer in diesem Feldzuge, Hindernisse in den Weg gelegt hätte.
Ah, Ew. Liebden wollen, um die Anklage gegen sich zu vermeiden, lieber als Ankläger gegen Andere auftreten, rief der Kaiser achselzuckend.
Ja, Majestät, ich klage den Ban von Kroatien, Ignaz Giulay, des Ungehorsams gegen meine Befehle, der Widersetzlichkeit, der absichtlichen Zögerung an. Ich hatte zu rechter Zeit dem Ban den Befehl gesandt, am dreizehnten Juni bei Komorn zu mir zu stoßen, und er hatte mir die bestimmte Zusicherung schriftlich und mündlich gegeben, genau Zeit und Ort einzuhalten und am bestimmten Tage bei mir zu sein. Ich rechnete auf sein Eintreffen, und traf darnach meine Dispositionen. Ich hatte vom Generalissimus den Befehl erhalten, mich auf dem rechten Ufer über Raab mit seinem Heere zu verbinden, und brach deshalb am dreizehnten von Komorn auf, ganz überzeugt, daß die Truppen Giulay's zu rechter Zeit zu mir stoßen und mir nachrücken würden. Allein ich wartete vergeblich auf ihn, er hat mich, trotz meiner Befehle, trotz seiner Zusage im entscheidenden Augenblicke im Stich gelassen, und dies zumeist hat das Unglück des gestrigen Kampfes verschuldet. Siehe: Schlosser's Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts. Th. VIIa. S. 540.
Sie schleudern da eine harte Anklage gegen einen Mann, den ich immer als treu, tapfer und ehrenhaft gekannt habe, sagte der Kaiser mit schneidender Kälte.
Majestät, ich bitte um die Gnade, den Banus von Kroatien zur Rechenschaft zu ziehen, rief Johann lebhaft. Ich bitte, daß Ew. Majestät die Gnade haben, sich von ihm meine Ordre und Depeschen vorlegen zu lassen, und zu fordern, daß er sich verantworte, warum er dieselben nicht befolgt habe.
Ich werde den Ban zur Verantwortung ziehen, sagte der Kaiser, und ich bin überzeugt, daß er sich vollständig zu rechtfertigen wissen wird.
Erzherzog Johann zuckte zusammen, eine tiefe Blässe überzog seine Wangen, seine Augen blitzten auf wie im Feuer des Zorns, sein Mund öffnete sich schon zu einem ungestümen heftigen Wort, – aber er hielt es mit Gewalt zurück; die Lippen fest auf einander pressend, bleich, mit keuchendem Athem, trat er hastig einige Schritte zurück und näherte sich der Thür.
Bleiben Sie! befahl der Kaiser mit harter Stimme. Ich habe noch einige Fragen an Sie zu richten! Auf Ihnen ruht die Verantwortung für dies Gefecht bei Raab, und Sie sind mir noch einige Aufklärung darüber schuldig. Wie geschah der Rückzug? Wo stehen die Unsrigen jetzt?
Der Rückzug geschah in voller Ordnung, sagte Johann mit leiser, zitternder Stimme. Mit vier Grenadier-Bataillons und zwei Gratzer Landwehr-Bataillons zog ich mich längs den Höhen langsam bis nach Als fort, wo wir um Mitternacht anlangten, und heute wieder bis Komorn zurückgegangen sind. Dort also stehen die Unsrigen jetzt.
Und Raab? Ist es schon von dem Feind genommen?
Nein, Majestät, noch hält es sich, aber es wird, wie ich Ew. Majestät schon vor vierzehn Tagen ankündigte, es wird fallen, denn der Generalissimus hat mir weder eine Unterstützung an Munition, noch an Mannschaft geschickt, um die ich ihn doch so dringend gebeten hatte.
Soll das abermals eine Anklage sein? fragte der Kaiser rauh.
Nein, sagte Johann wehmüthig, es soll nur meine Vertheidigung sein, denn ich bedarf leider immer der Vertheidigung.
Ah, Ew. Liebden betrachten sich immer als das Opfer der Kabalen, rief der Kaiser, Sie glauben immer, daß man Sie anfeindet, verfolgt, daß man aus Eifersucht vor Ihren erhabenen Eigenschaften, aus Neid vor Ihren Talenten, Sie bei Seite drücken, Sie in ein falsches Licht stellen will. Sie vermeinen, daß man Ihre Größe fürchtet, vor Ihrem Genie und Ihrer Gelehrsamkeit Sorge hat, und Sie deshalb verfolgt, gegen Sie intriguirt, und Ihrer Größe nicht den gehörigen Spielraum läßt, um sich zu entfalten. Aber Sie irren Sich, Herr Erzherzog, ich fürchte Sie nicht, und so sehr ich auch durchdrungen bin von Bewunderung für Sie, so sehr ich, gleich Ihnen selber, überzeugt bin, daß Sie das größte Feldherrngenie sind, so – –
Majestät, unterbrach ihn Johann mit lauter, heftiger Stimme, Majestät, ich –
Nun, was soll's? rief der Kaiser, seinem Bruder hastig einige Schritte entgegentretend, und ihn mit trotzigen Blicken anstierend. Was haben Sie mir zu sagen?
Nichts, Majestät, sagte Johann tonlos, Sie sind der Kaiser! Ich schweige und unterwerfe mich!
Und Ew. Liebden thun sehr wohl daran, denn, wie Sie selbst eben sagten, ich bin der Kaiser, und bei Gott, ich will es bleiben, allen meinen erhabenen und großartigen Brüdern zum Trotz. Wenn das Ew. Liebden nicht behagt, wenn Sie vermeinen, es geschähe Ihnen Unrecht, wenn Sie Sich als einen Märtyrer dünken, warum machen Sie es da nicht, wie der Generalissimus es schon drei Mal in diesem Feldzuge gemacht hat, warum fordern Sie da nicht Ihren Abschied? Warum bitten Sie Ihren Kaiser nicht, Sie aus seinem Dienst zu entlassen?
Wollen Ew. Majestät mir gestatten, Ihnen darauf eine aufrichtige, gerade Antwort zu geben? fragte Johann, den Kaiser mit festen, ernsten Blicken anschauend.
Ja, ich gestatte es Ihnen?
Nun denn, Majestät, ich fordere meinen Abschied nicht, weil ich kein Invalide, weil ich jung und kräftig bin zur Arbeit, ich bitte den Kaiser, mich nicht aus seinem Dienst zu entlassen, weil ich nicht blos ihm allein, weil ich dem Vaterlande diene, und weil ich diesem meinen Dienst und meine Kräfte schuldig bin. Ich weiß wohl, daß es Vielen erwünscht wäre, wenn ich mich ganz in die Einsamkeit zurückzöge, und aller Wirksamkeit entsagte, aber ich kann diesen Wünschen nicht genügen, und niemals werde ich mich aus der Dienstleistung zurückziehen; alle Unbilden, selbst Kränkungen, können mir zugefügt werden, allein sie sind fruchtlos, denn wankend werden sie mich nie machen können. Denn ich denke, Alles, was mir Unangenehmes geschieht, kommt von einzelnen Menschen, nicht vom Vaterlande; warum sollte ich aber, indem ich abträte, und dadurch meine Dienste entzöge, an dem Vaterlande mich rächen, welches doch nichts gegen mich verschuldet? Des Erzherzogs eigene Worte. Siehe Briefwechsel mit Johannes von Müller. S. 92. Ich diene dem Vaterland, indem ich Ew. Majestät diene; wenn ich mich zurückzöge, würde ich also meinen beiden Herren ungetreu werden, und dann erst hätten Ew. Majestät ein Recht mich zu verachten.
Hören Sie, sagte der Kaiser, das Wort »Vaterland« ist ein gar gefährliches und zweischneidiges, und ich halte nicht viel davon. Auch die Aufrührer und Revolutionairs führen es immer im Munde, und wenn sie sich gegen ihren Fürsten erheben, und ihm die Treue brechen, so sagen sie auch, daß sie es im Dienste des Vaterlandes thun, und diesem ihre Treue und ihre Kräfte weihen. Der Soldat zumal hat gar nichts zu thun mit dem Vaterland, sondern nur mit seinem Kriegsherrn, und diesem allein hat er die Treue geschworen, und diesem allein muß er sie halten. Da Sie nun aber auch Soldat sind, und es bleiben wollen, so gedenken auch Sie daran, daß Sie Ihrem Kaiser und Kriegsherrn unverbrüchliche Treue und schweigenden Gehorsam geschworen haben, und lassen Sie mich nichts wieder von Ihren feinen Unterscheidungen zwischen Ihrem Kaiser und Ihrem Vaterlande hören. Und jetzt, da Sie mir Ihren Rapport über die unglückliche Affaire bei Raab abgestattet haben, jetzt kann der Herr von Steigentesch kommen, um uns auch seinen Rapport über seine Affaire in Königsberg zu machen. Bleiben Sie also, und hören Sie ihm zu!
Der Kaiser klingelte heftig, und dem eintretenden Lakayen befahl er, den Minister, Grafen Stadion, und den Obristen von Steigentesch sofort zum Kaiser zu bescheiden.
Wenige Minuten später traten die beiden Herren in das Cabinet ein. Jetzt, Herr Obrist, rief ihm der Kaiser entgegen, jetzt sollen Sie mir Bericht abstatten über ihre Sendung nach Königsberg, und ich gestehe, daß ich ziemlich begierig auf dieselbe bin. Aber bevor Sie anfangen, habe ich noch ein Wort mit Ihnen zu reden, mein Herr Minister des Auswärtigen. Ich übergab Ihnen an demselben Tage, an welchem ich den Herrn von Steigentesch nach Königsberg abschickte, ein versiegeltes Papier, und befahl Ihnen, mir dasselbe aufzubewahren, bis zur Rückkehr meines Abgesandten. Haben Sie das gethan.
Majestät, ich habe es gethan!
Und bringen Sie mir dies Papier jetzt wieder?
Hier ist es, Majestät, sagte Graf Stadion, ein versiegeltes Couvert aus seinem Busen hervorziehend und es mit einer tiefen Verbeugung dem Kaiser darreichend.
Franz nahm es, und betrachtete mit der größten Aufmerksamkeit das Siegel, dann näherte er es hastig seiner Nase und roch daran.
Wahrhaftig, rief er freudig, es hat noch seinen Wohlgeruch, und ist so frisch und glänzend, als wäre es eben erst aufgetragen. Und welch' ein tiefes schönes Incarnat dieses Lack hat! Ich habe also endlich das richtige Recept gefunden, und dieses von mir angefertigte Lack nimmt es mit dem Siegellack aus den renommirtesten Fabriken Spaniens auf. Und wie dünnflüssig es ist. Oh, ich sehe schon, dieses Lack wird die Verzweiflung meines Chiffre-Cabinets werden, denn es wird unmöglich sein, einen Brief zu öffnen, der mit einem Siegel von diesem Lack geschlossen ist, selbst das feinste Messer wird untauglich dazu sein. Meinen Sie nicht auch, Herr Minister?
Ich verstehe mich wenig auf die Eigenschaften des Siegellacks, sagte Graf Stadion kalt, und ich bekenne, daß ich das Siegel dieses Couverts gar nicht weiter betrachtet habe. Ew. Majestät gaben es mir zur Aufbewahrung mit dem Befehl, es Ihnen, wenn Herr von Steigentesch zurückgekehrt sei, wiederzugeben. Ich habe das Couvert also aufbewahrt, und es heute Eurer Majestät zurück erstattet, das ist Alles!
Der Kaiser lächelte, und legte mit einem leisem Kopfnicken das versiegelte Papier neben sich auf den Tisch, dann ließ er sich langsam in das Fauteuil niedergleiten, und winkte den Herren, auf den Stühlen an der andern Seite des Tisches Platz zu nehmen.
Jetzt, Herr Obrist von Steigentesch, jetzt lassen Sie hören, was für Botschaft Sie uns zu bringen haben. Zuerst also, – hat Ihnen her König Friedrich Wilhelm kein Antwortsschreiben für mich mitgegeben?
Nein, Majestät, erwiderte der Obrist von Steigentesch mit einem feinen Lächeln, ich bin nur der Ueberbringer einer mündlichen Antwort. Ich glaube, eine schriftliche Antwort schien dem König zu gefährlich, oder er fürchtete, er könne sich durch eine solche compromittiren. Ich habe aber jedesmal nach den Unterredungen mit dem König oder der Königin mir jedes Wort, daß von dem königlichen Paar gesprochen worden, aufgezeichnet, und wenn Ew. Majestät erlauben, nehme ich mein Tagebuch zu Hülfe, um Ew. Majestät zu antworten.
Thun Sie das, sagte Franz, lassen Sie uns hören, was Sie in Ihrem Tagebuch niedergeschrieben haben.
Herr von Steigentesch zog eine Brieftasche aus seinem Busen, und schlug sie auf.
Nun also, wie empfing Sie der König? fragte Franz nach einer Pause.
Der König empfing mich ziemlich kalt und trocken, las Herr von Steigentesch aus seinem Tagebuch, er fragte mich, was die Absicht meiner Sendung sei? Ich erwiderte ihm, dieselbe sei ja in dem Briefe meines Kaisers, den ich ihm überbracht hätte, hinlänglich erklärt. Darauf schwieg der König eine Zeit lang, dann war er ziemlich verdrießlich: »der Kaiser verlangt jetzt Hülfe; später wird er vielleicht einen Separat-Frieden schließen, und mich Preis geben.« – Ich erwiderte indeß dem König: mein erhabener Herr, der Kaiser Franz, verlangt keine Hülfe; die Schlacht von Aspern hat bewiesen, daß Oesterreich an Vertheidigungsmitteln keinen Mangel leidet. Da aber der ausgesprochene Zweck dieses Krieges darin besteht, daß die Mächte ihre alten Besitzungen wieder erlangen, so ist es auch billig, daß sie dazu mitwirken, und dieser Zweck kann schnell erreicht werden, wenn der günstige Augenblick benutzt wird. Ich bin nicht geschickt worden, eine Frage zu erörtern, die schon entschieden sein muß, sondern nur um die Mittel zur Ausführung zu verabreden.
Sehr gut geantwortet, rief der Kaiser, lebhaft mit dem Kopf nickend. Und was erwiderte Ihnen der König von Preußen?
Der König schwieg eine Weile, und ging, die Hände auf dem Rücken gefaltet, mehrmals im Zimmer auf und ab. Dann blieb er vor mir stehen und mit lauter fester Stimme sagte er: Trotz der Furcht, die ich haben könnte, von Oesterreich verlassen zu werden, so bin ich doch entschlossen, mich eines Tages mit Ihrem Hofe zu verbinden; es ist aber noch nicht Zeit. Setzen Sie den Krieg fort; unterdessen verstärke ich mich nach und nach; und dann erst werde ich nützlich sein können. Es fehlt mir an Pulver, Flinten und Geld; bei meiner Artillerie habe ich nur junge Leute. Es ist für mich schmerzhaft, einem österreichischen Offizier das ganze Unglück meiner Lage einzugestehen; ich muß es aber thun, um Ihrem Herrn zu zeigen, was mich noch zurückhält. Sie werden sich leicht überzeugen, daß ich Ihnen durch alle meine Mittel nützlich zu sein suche. Ihre Kranken werden bei mir gepflegt und in ihre Heimath geschickt; ich gebe allen meinen Offizieren, die ihn verlangen, Urlaub, um in Ihrer Armee zu dienen. Daß ich mich jetzt aber erklären soll, hieße meinen Untergang fordern. Versetzen Sie dem Feinde noch einen Schlag, und ich werde einen Offizier ohne Uniform in Ihr Lager zum Kaiser schicken, um über die Mittel zu verhandeln. Des Königs eigene Worte. Siehe: Lebensbilder. III. 262. Nach diesen Worten nickte mir der König einen Abschiedsgruß zu und entließ mich.
Ach, in der That, der Herr König von Preußen ertheilt uns da einen recht weisen Rath, rief der Kaiser, wir sollen dem Bonaparte noch einen Schlag versetzen, und dann will er mit uns unterhandeln. Wenn wir zum zweiten Male gesiegt haben, dann will der vorsichtige König von Preußen sich in heimliche Unterhandlungen mit mir einlassen, und mir einen Offizier in's Lager schicken, aber, wohl verstanden, ohne Uniform, um sich ja nicht zu compromittiren. Waren Sie denn ohne Uniform, Herr Obrist?
Verzeihung, Majestät, ich war in Uniform. Aber dies schien dem König nicht genehm, und er forderte mich auf, die Uniform abzulegen, ich erwiderte ihm aber: ich wäre seit dem Tage von Aspern zu stolz auf meine Uniform, als daß ich sie ablegen könnte. Lebensbilder. III. 262. Darauf ersuchte mich der König, im Publicum zu sagen, ich sei aus keinem andern Grunde nach Preußen gekommen, als um Se. Majestät um Erlaubniß zu bitten, in Schlesien Getraide und in Preußen Pferde kaufen zu können.
Und Sie fügten sich diesem Ansinnen, Herr Obrist?
Nein, Majestät, ich erwiderte, ich selbst könne dies nicht sagen, denn es widerstrebte meinem Ehrgefühl, ich wolle aber nicht widerstreben, wenn man ein solches Gerücht ausstreuete.
Sehr gut, mein Herr Obrist, sagte der Kaiser lächelnd, Sie haben Sich durchaus eines Oesterreichers würdig gezeigt. Und nun lassen Sie hören: haben Sie auch die Königin gesehen?
Ja, Majestät, Ihre Majestät ließ mich gleich am Tage meiner Ankunft zu sich bescheiden. Die Königin sah bleich und angegriffen aus, aber sie schien ihr Leiden unter dem Lächeln, das ihr Gesicht wie ein Sonnenstrahl verklärte, verbergen zu wollen.
Schauen's, rief der Kaiser ironisch, unser Obrist wird halt ja ganz poetisch, da er von der Königin spricht. Ist sie denn so schön?
Majestät, sie ist mehr als schön, sie ist zugleich ein edles zartes Weib, und eine erhabene Königin. Die Schmach und das Unglück haben ihren Nacken nicht gebeugt, sondern mehr noch in diesen Tagen der Erniedrigung, als in den Tagen des Glanzes, scheint diese edle Frauengestalt von einer Erhabenheit und Majestät umflossen.
Und was sagte Ihnen die Königin? War sie auch der Ansicht ihres Gemahls, daß man Oesterreich noch keine Hülfe leisten, sondern erst, bevor Preußen sich für uns erkläre, abwarten müsse, ob es Frankreich allein besiegen könne?
Majestät, die Königin war offener, rückhaltloser in ihren Aeußerungen, als ihr Gemahl. Sie machte kein Hehl aus ihrem Haß gegen Napoleon, und sie ist der Meinung, daß Preußen eine entschiedene Stellung gegen Frankreich nehmen müsse. Denn, sagte sie, ich bin überzeugt, daß der Haß, den der französische Kaiser gegen Oesterreich gefaßt hat und seine Absicht, alle Dynastieen zu vernichten, keine Hoffnung auf Frieden übrig läßt. Ich bin Mutter von neun Kindern, denen ich ihr Erbtheil erhalten möchte, Sie können also urtheilen, welche Wünsche ich hege. Der Königin eigene Worte. Siehe: Lebensbilder. III. 260.
Wenn die Königin so denkt, wird sie ohne Zweifel, bei dem großen Einfluß, den sie auf ihren Gemahl ausüben soll, den König doch noch zu einer schnellen Entscheidung gedrängt haben, und Sie bringen mir diese Anzeige als letztes Resultat Ihrer Reise mit?
Verzeihung, Majestät, ich bringe dies glückliche Resultat nicht mit, und es scheint, der Einfluß der Königin reicht nicht so weit, um einen Entschluß, den der König Friedrich Wilhelm einmal fest gefaßt hat, wieder umzustürzen. Der König ist aber durchaus entschlossen, jetzt noch nicht sich mit Oesterreich zu verbinden, sondern durchaus noch abzuwarten, bis Oesterreich, wie er sagt, »dem Kaiser von Frankreich noch einen Schlag versetzt hat.« Alle meine Unterredungen mit Sr. Majestät waren gewissermaßen nur Variationen über dieses Thema. In meiner letzten Unterredung mit ihm drückte sich der König nicht anders aus, als wie in der ersten. Er wiederholte, er würde, sobald Oesterreich noch einen entscheidenden Schlag gegen Frankreich gethan, einen Offizier ohne Uniform in's österreichische Lager schicken, dann aber fügte er hinzu: Ich hoffe zu kommen, und nicht allein zu kommen. Die Königin war, als ich mich beurlaubte, trauriger noch als sonst, und ihre Stimme zitterte in Thränen, als sie zu mir sagte: sie hoffe mich bald und unter günstigern Verhältnissen wieder zu sehen.
Und was sagte die Umgebung des Königs? Wie äußerten sich die Prinzen seines Hauses, seine Generäle und Minister?
Der Prinz Wilhelm, der Bruder des Königs, sagte achselzuckend zu mir: »Sie werden hier die Stimmung nicht so finden, wie Sie es wünschen. Die Unentschlossenheit des Königs wird ihn zum zweiten Mal in's Verderben stürzen.« Die Prinzessin, seine Gemahlin, entschuldigte sich bei mir, daß die Befehle des Königs ihr nicht erlaubt hätten, mich zum Essen einzuladen. Unverhohlen in ihrer Ungeduld und Entrüstung aber äußerten sich die Generäle und Minister des Königs. Der Großkanzler von Beyme sagte mir: »Der König möchte sich mit Ihnen verbinden, aber er kann sich nicht dazu entschließen. Da jedoch seine ganze Umgebung eine Verbindung mit Oesterreich wünscht, so hoffe ich, daß man den König mit fortziehen wird.« Lebensbilder III. 262. – General Blücher aber hat in seiner stürmischen, offenen Weise an den König geschrieben, seinen Abschied gefordert, und gesagt: »er wolle nicht Zeuge sein, wie der Thron zusammenstürze, und möchte es vorziehen, in einer fremden Armee zu dienen, wenn sie nur gegen die Franzosen Krieg führe.« Eben so heftig und rückhaltslos und mit ebenso entschiedener Feindschaft gegen Frankreich äußerte sich der Kriegsminister von Scharnhorst. Er hat dem König ein Memoire überreicht, in welchem er sagt: »Ich will nicht entehrt in's Grab steigen; ich wäre es, wenn ich nicht riethe, den gegenwärtigen Augenblick zu benutzen, um Frankreich zu bekriegen. Können Ew. Majestät wollen, daß Oesterreich Ihnen Ihre Staaten als ein Almosen zurückgebe, wenn es noch großmüthig genug ist; oder daß Napoleon, wenn er siegt, Ihre Soldaten entwaffne, wie die Miliz einer Reichsstadt?« Aber alle diese Vorstellungen, diese Bitten, ja selbst die Thränen der Königin sind vergeblich gewesen. Der König blieb dabei: er wolle sich eines Tages mit Oesterreich verbinden; noch aber sei es nicht an der Zeit. Erst müsse Oesterreich einen entscheidenden Schlag gegen Frankreich thun, einen entscheidenden Sieg gewinnen, dann wäre für Preußen der Moment gekommen, sich auch offen gegen Frankreich zu erklären. Dies, Majestät, ist die einzige Antwort, die ich aus Preußen auf meine Sendung mit heimbringe.
Nun, man muß gestehen, daß diese Antwort recht vorsichtig und recht weise ist, rief der Kaiser lachend. Wenn wir halt die Kastanien aus dem Feuer geholt haben, so will Preußen so gut sein, sich mit Oesterreich zu Tische zu setzen, und ihm helfen, sie zu verzehren. Nun, was sagen Sie dazu, mein Herr Bruder Johann?
Ich sage, daß dieses Zögern Preußens ein Unglück ist, nicht blos für Oesterreich, für Preußen, sondern ein Unglück für Deutschland. Denn wenn jetzt über dem zersplitterten uneinigen Deutschland Frankreich und Rußland sich die Hände reichen, so ist Deutschland verloren. Das Heil von Europa ruht jetzt in dem Bund von Oesterreich und Preußen, und dadurch allein kann ein europäischer Krieg vermieden werden. Aber dieser Bund mußte offen, mit gegenseitigem Vertrauen, ohne Rückhalt geschlossen werden. Kein Privatinteresse, keine kleinen Rücksichten, allein geeignet, um ein Unternehmen scheitern zu machen, – sondern der große Zweck von Staatenrettung, Menschenerhaltung und Wohl der Unterthanen stets vor Augen, wird und kann nur allein eine solche Unternehmung krönen. Des Erzherzogs eigene Worte. Siehe: Erzherzog Johann's Briefe an Johannes von Müller. S. 91.
Und Preußen scheint wenig geneigt, solchen Zweck vor Augen zu haben, sagte der Kaiser. Nun, Herr Minister, Sie sagen ja gar kein Wort? Sie waren so beredt, als es galt, mich für dieses Bündniß mit Preußen zu gewinnen, Sie versicherten mich so eifrig, daß Preußen nur auf meine Aufforderung warte, um mir die Hand zu reichen, und jetzt –
Jetzt, Majestät, sagte Graf Stadion traurig, jetzt sehe ich zu meinem Schmerz, daß Preußen seine Sonderinteressen den Interessen Deutschlands vorzieht, jetzt gestehe ich, daß ich mich in Preußen geirrt habe.
Und Sie wollten mich überzeugen, daß ich im Irrthum sei mit meiner entgegenstehenden Ansicht, und mein Herr Bruder da sprach so weise und so erhaben von dem deutschen Bruderstamme Preußen, von dem einigen Deutschland, das wir zusammen bilden würden! Nun, Sie sollen wenigstens sehen, daß ich, wenn ich auch nachgab, und mich, um Euch weise Leute alle los zu werden, an Preußen wandte, doch an den Erfolg nicht glaubte. Herr Minister, haben's jetzt die Gefälligkeit, und nehmen's den Brief, den Sie so lange in Verwahrsam hatten. So! Jetzt brechen Sie das schöne Siegel, öffnen Sie den Brief, und lesen's uns einmal vor, was ich da niedergeschrieben habe an dem Tage, an welchem ich Herrn von Steigentesch zum König von Preußen abschickte. Lesen Sie!
Stadion faltete den Brief auseinander und las: »Der Obrist von Steigentesch wird von seiner Sendung unverrichteter Sache zurückkehren. Preußen und Oesterreich sind die Rivalen in Deutschland, und sie werden sich niemals zu gemeinsamem Werk die Hand reichen. Oesterreich kann's nimmer vergeben, daß Preußen ihm Schlesien nahm, und Preußen wird heimlich immer argwöhnisch sein, daß Oesterreich seine aufstrebende Macht schwächen und zurückdrängen will. Preußen wird daher auch jetzt zaudern und schwanken, obwohl es gilt, dem gemeinsamen Feind Deutschlands, dem eroberungssüchtigen Frankreich, die Stirn zu bieten; es wird zaudern, weil es heimlich wünscht, Oesterreich gedemüthigt zu sehen, und es wird nicht bedenken, daß die Schwächung Oesterreich's eine Gefahr für Preußen, ja für ganz Deutschland ist.«
Nun, meine Herren, sagte der Kaiser, als Graf Stadion zu Ende gelesen, Sie sehen also jetzt, daß meine Ansicht die richtige war, und daß ich sehr wohl wußte, was ich von Preußen zu erwarten hatte. Wir müssen's also schon versuchen, allein mit Frankreich fertig zu werden, aber wenn wir den zweiten Schlag gegen Frankreich, wie der Herr König von Preußen es begehrt, wirklich geführt haben, dann werden wir uns wohl hüten, Preußen zu unserm Siegesschmause mit einzuladen, es wär' ihm dann schon recht, wenn wir es zwängen, uns zu unserm Dessert den schlesischen Leckerbissen wieder herauszugeben. Nun, wir werden ja sehen, was die Zeit bringt. Der erste Schlag gegen Frankreich ist uns gelungen! Herr Erzherzog, gehen Sie hin, und helfen Sie, daß uns auch der zweite gelingt, und wenn wir Frankreich allein besiegt haben, werden wir auch allein die Herren von Deutschland sein!