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Der Kaiser von Oesterreich verweilte noch immer in seinem Hauptquartier zu Wolkersdorf. Die Siegesbotschaft von Aspern hatte den ersten Hoffnungsschimmer wieder über des Kaisers Antlitz geworfen, und die Friedenspartei war durch diesen endlichen Sieg gar sehr aus dem Felde geschlagen worden. Die Kriegspartei aber erhob desto mächtiger ihr Haupt, das schöne bleiche Gesicht der Kaiserin Ludovica war strahlend, wie man es nie zuvor gesehen, und Graf Stadion machte dem Kaiser schon Hoffnung zur baldigen Heimkehr nach seiner Residenz Wien.
Kaiser Franz aber schüttelte mit einem ungläubigen Lächeln sein Haupt. Sie kennen den Bonaparte nicht, sagte er, wenn Sie vermeinen, er würde jetzt, weil er einmal Unglück gehabt hat, sogleich bereit sein, Frieden zu machen und nach Frankreich umzukehren. Jetzt wird er nicht eher ruhen, als bis er gesiegt und seinen Fehler wieder gut gemacht hat. Es ist ein gar tückisches und wildes Blut, das dem Bonaparte in den Adern fließt, und die Affaire bei Aspern hat's nun erst recht vergiftet. Haben's nicht gehört, Stadion, daß der Bonaparte erklärt hat, ein Haus Habsburg giebt's halt gar nicht mehr, sondern nur noch die kleinen Fürsten von Lothringen, und wissen's nicht, daß er an die Ungarn eine Proclamation hat ergehen lassen, in der er ihnen den guten Rath giebt, mich ohne Weiteres abzusetzen, und sich einen neuen König, natürlich einen von den neugebackenen französischen Prinzen zu wählen? Wissen's nicht, daß er Emissaire im ganzen Ungarland herumschickt und die Leute auffordert, eine Revolution zu machen, und sich die Freiheit zu erobern, die er ihnen dann beschützen will? Wahrhaftig, es ist zum Lachen, den Bonaparte noch immer das Wort Freiheit im Munde führen zu sehen, als wär's ein Stückchen Zucker, das er den lieben Kindern, den Völkern, wenn sie schreien, nur als Lutschbeutel hinzureichen braucht, um sie still zu machen, und ihnen dann nachher recht gemüthlich die Haut über die Ohren ziehen zu können. Aber es ist wahr, die Völker sind wirklich wie die Kinder, sie werden halt nicht klug und verständig, und das vertrackte Wort Freiheit, das ihnen der Bonaparte als einen Floh in's Ohr steckt, macht sie noch immer so toll und wild, als hätt' sie die Tarantel gestochen. Sie haben's in Italien und in Frankreich gesehen, was das für ein Ding ist, das ihnen der Napoleon als die Freiheit entgegenträgt, und in was für ein Joch er sie einspannt, wenn er sagt, daß er sie zu freien Männern machen will. Aber sie werden doch nit klug, und wer weiß, ob die Magyaren sich diesmal nit auch halt dumm machen lassen und an die Freiheit glauben, die der Bonaparte ihnen verspricht.
Nein, Majestät, sagte Graf Stadion, nein, die Magyaren sind keine Kinder, sie sind Männer, welche die Schmeichelreden Bonaparte's gar wohl zu würdigen wissen, und sich von seinen trügerischen Verheißungen nicht verführen lassen. Sie haben den Erzherzog Johann mit wahrer Begeisterung aufgenommen, und täglich stürmen Freiwillige zu seinen Fahnen, um zu kämpfen gegen den französischen Despoten, der wie ein Dämon des Schreckens alles Glück, allen Frieden Europa's zerstört und unter seine blutigen Füße tritt. Nein, Bonaparte kann nicht mehr auf die Sympathien der Völker rechnen, Alle sind sie bereit, sich gegen ihn zu erheben, und was die Liebe und die Vernunft nicht hat zu Stande bringen können, das wird der Haß zuletzt bewirken. Der Haß der Völker wird Bonaparte zerschmettern und ihn von seinem Thron stürzen.
Wenn die Herren Fürsten vom Rheinbund ihn nicht halten, oder wenn der Herr Kaiser Alexander von Rußland ihn nicht in seinen Armen auffängt, sagte Franz achselzuckend. Ich hab' halt kein großes Vertrauen zu Dem, was Sie Völker nennen, es sind wirklich leichtsinnige und kindische Bursche. Wenn der Bonaparte Glück hat, werden sie ihn bald wieder auch in Deutschland vergöttern, wenn er Unglück hat, werden sie ihn steinigen. Schauen's doch nur meinen Herrn Bruder, den Generalissimus. Nach der schlimmen Affaire von Landshut und Regensburg und nach dem demüthigen Brief, den er an den Bonaparte geschrieben, da meinten Sie, mein Herr Minister des Auswärtigen, es würd' halt für das Wohlbefinden des Erzherzogs Carl nothwendig sein, daß wir ihm einen Stellvertreter gäben, und den Erzherzog, weil er gar sehr von seiner schlimmen Krankheit geplagt wird, in den Ruhestand setzten. Wir ließen's also dem Herrn Generalissimus unter'm Fuß geben, seinen Abschied zu fordern, der ihm nicht verweigert werden sollte. Aber der Generalissimus wollt' halt nicht darauf anbeißen, und meint', er müsse erst die Scharte auswetzen, die sein Schwert bei Landshut und Regensburg erhalten. Jetzt hat er's gethan, er hat bei Aspern sich Revanche geholt, und jetzt nach diesem glänzenden Sieg kommt er, und bittet um seine Entlassung und sagt, seine geschwächte Gesundheit nöthige ihn zurückzutreten, und seinen Platz Andern zu räumen. Aber jetzt mit einem Mal ist mein Herr Minister nicht mehr der Ansicht; der Sieg bei Aspern hat seine Gesinnungen umgestaltet, und jetzt meint er, daß der Generalissimus dem Heer verbleiben muß, und es nicht verlassen darf. Wenn also ein so kluger und ausgezeichneter Mann, wie der Graf Stadion ist, sich so von den Erfolgen in seiner Gesinnung bestimmen läßt, habe ich da nicht Recht, wenn ich bei den leichtsinnigen Burschen, die Ihr »die Völker« nennt, an gar keine feste Gesinnung glaube?
Verzeihung, Sire, sagte Graf Stadion lächelnd, Ew. Majestät haben da einen kleinen Irrthum begangen. Es ist Ew. Majestät geschehen, daß Sie Gesinnungen mit Ansichten verwechseln. Seine Ansichten kann ein ehrenfester Mensch sowohl, wie ein ehrenfestes Volk ändern, seine Gesinnung niemals! Gerade je fester und unerschütterlicher aber die Gesinnung ist, desto leichter kann es kommen, daß die Ansicht wechselt, denn die Ansicht sucht die Mittel zur Erreichung des Ziels, welches die Gesinnung sich gesetzt hat, die Ansicht sucht die Werkzeuge, welche für das Ziel der Gesinnung arbeiten sollen, und sie benutzt heute das Werkzeug, welches ihr scharf genug zur erfolgreichen Arbeit scheint, sie verwirft es morgen, weil es stumpf geworden, und durch ein anderes ersetzt werden muß. So ergeht es den Völkern, so ergeht es auch mir in dieser Zeit. Unerschütterlich fest steht bei den Völkern die Gesinnung gegen Frankreich, das ganze deutsche Volk, alle seine einzelnen Stämme sind einig in dem glühenden Haß gegen Napoleon. Die Völker lassen sich nicht von ihm bethören, sie schauen hinter die undurchdringliche Cäsarenmaske, und haben das Antlitz des Tyrannen, des Despoten und Intriguanten erkannt, das dahinter lauert. Sie glauben daher nichts von seinen Friedensbetheuerungen, seinen Freiheitsversprechungen, seinen liberalen Verheißungen, denn sie sehen, daß er immer Krieg will, wenn er den Frieden betheuert, daß er immer Tyrannei beabsichtigt, wenn er die Freiheit verspricht, und daß er als Despot drakonische Gesetze giebt, statt seiner liberalen Verheißungen. Die Völker hassen Napoleon und verabscheuen seine Despotenwirthschaft. Sie suchen und spähen daher nach Mitteln ihn zu vernichten, die blutige und zitternde Welt endlich von ihm zu befreien. Wären die Fürsten untereinander so einig in ihrem Haß, wie es die Völker sind, so würden wir keinen Rheinbund haben, so würde Deutschland wie Ein Mann, Ein Kopf und Ein Herz dastehen mit dem Schwert in der Hand, und vor diesem erhabenen und machtvollen Anblick würde Napoleon mit seinen Kriegerschaaren scheu zurückweichen müssen über den Rhein, den deutschen Rhein, an dessen Grenze das einige deutsche Volk Wache hält.
Sie sprechen aber da von einem Utopien, mein Lieber, sagte der Kaiser achselzuckend. Wenn das einige Deutschland allein im Stande ist, den Bonaparte zu bezwingen und zu verjagen, so wird er niemals bezwungen werden, denn Deutschland wird niemals einig werden, es wird niemals unter Einen Kopf zu bringen sein, es wird niemals wie Ein Mann dastehen, sondern immer gar sehr dem Rattenkönig gleichen, der in einem wirren Knäuel von Köpfen aneinanderhängt, mit seinen Hinterbeinen und Schwänzen hierhin und dorthin zappelt, und halt nicht aus der Stelle kommt, weil jeder Kopf anderswohin zappelt, und jeder Schwanz nach einer andern Weltgegend hinsteuert. Reden's mir nicht von einem einigen Deutschland, es ist das Phantom gewesen, an dem mein Herr Oheim, der Kaiser Joseph, den die Schwärmer den großen Joseph nennen, zu Grunde gegangen ist. Ich will aber nicht zu Grunde gehn, und darum mag ich auch nichts hören von Ihrem Rattenkönig, dem einigen Deutschland. Ich bin, Gott sei Dank, seit drei Jahren nicht mehr Kaiser von Deutschland, sondern blos Kaiser von Oesterreich, und das ist mir genug. Ich kümmere mich gar nicht darum, was die Herren Rheinbundsfürsten thun, und wie Preußen machinirt und intriguirt, um sich aus seiner Erniedrigung wieder zu erheben, ich schau' blos auf Oesterreich, und denk' blos daran, ob Oesterreich im Stande sein wird es mit dem Bonaparte aufzunehmen, und ob es ihm nicht zuletzt auch noch so gehen könnt', wie es Preußen ergangen ist. Wir haben leider schon Ein Austerlitz erlebt, wenn wir noch ein zweites haben sollten, so sind wir verloren; darum müssen wir vorsichtig sein, und darum frage ich Sie, weshalb Sie heute dem Generalissimus, der jetzt um seine Entlassung nachsucht, dieselbe nicht geben wollen, da Sie doch vor vierzehn Tagen noch seine Entfernung von der Armee für nothwendig erachteten?
Majestät, weil er vor vierzehn Tagen nur Niederlagen gehabt hatte, und weil er jetzt einen glänzenden Sieg erfochten hat. Da sehen Ew. Majestät wieder den Unterschied zwischen Ansicht und Gesinnung. Die Ansicht wechselt und läßt sich von den Erfolgen bestimmen. Nach der Schlacht von Regensburg war der Generalissimus ein Gegenstand des Zweifels und der Besorgniß für seine Armee, ja, ich darf sagen, für das ganze österreichische Volk, das seine Blicke auf den Erzherzog Johann, den Sieger von Sacile und St. Bonifacio, wandte, und zu seinem Generalissimus ihn, den Siegreichen, begehrte, statt des Erzherzogs Carl, des Besiegten; aber jetzt hat der Generalissimus sich bei Aspern als Held und Sieger gezeigt, und nun fliegt ihm das Vertrauen, die Liebe der Armee und des Volkes wieder entgegen, und ahnt in ihm den Befreier, den Sieger, und will und kann ihn nimmer lassen, bis –
Bis er wieder zu unserm Unglück eine Schlacht verloren hat, unterbrach ihn der Kaiser mit einem spöttischen Lächeln. Mein Lieber, eine Schwalbe macht noch nicht den Frühling und – nun, was giebt es, Leonhardt? wandte sich der Kaiser rasch an den eben eingetretenen Kammerhusaren.
Ew. Majestät, Se. kaiserliche Hoheit der Erzherzog Johann sind eben angelangt, und bitten um Audienz.
Laß den Herrn Erzherzog eintreten, befahl der Kaiser, und als der Kammerhusar abgetreten war, wandte Franz sich wieder dem Minister zu. Das ist die zweite Schwalbe, auf welche die kindischen Menschen hier hoffen, sagte er. Aber zwei Schwalben machen auch noch nicht den Frühling, es kann immer noch wieder ein Winterfrost eintreten, der so stark ist, daß dem Johann seine jungen Lorbeerreiser von Sacile und St. Bonifacio schwarz anlaufen und verdorren. Ach, da ist mein Herr Bruder!
Der Kaiser trat einige Schritte vorwärts, dem Erzherzog Johann entgegen, der eben die Schwelle überschritten hatte, und an der Thür stehen blieb, um seinem kaiserlichen Bruder seine tiefe und ehrfurchtsvolle Verbeugung zu machen.
Ohne Umstände, mein Herr Bruder, ohne Umstände, sagte der Kaiser lächelnd, wir sind hier nicht am kaiserlichen Hoflager, sondern im Feldlager, meine Krone liegt in Wien, und mein Haupt ist daher kahl, während das Ihre von Lorbeeren umkränzt ist.
Der Kaiser hatte das in einem so scharfen, spottenden Ton gesagt, daß der Erzherzog erbebte und die Röthe des Unmuths ihm in die Wangen stieg. Aber er bezwang sich und kämpfte seinen Aerger nieder, indem er seine Augen langsam und ruhig auf das spöttische Gesicht des Kaisers heftete.
Eure Majestät geruhen zu scherzen, sagte er gelassen, und das ist ein glückliches Zeichen, daß mein Bruder, der Sieger von Aspern, das Herz Ew. Majestät erfreut hat.
Majestät, sagte Graf Stadion leise und dringend, wollen Sie nicht die Gnade haben, mich zu entlassen?
Ach, Sie denken wohl, daß Sie der Unterredung zwischen mir und dem Erzherzog hinderlich sind, und den Erguß unserer vertraulichen Mittheilungen hindern könnten? Ich wüßte aber nicht, daß ich und mein Bruder so gar Geheimnißvolles und Absonderliches uns anzuvertrauen hätten, daß die Anwesenheit meines Ministers uns hindern könnte. Indessen, es soll auf den Erzherzog ankommen. Sagen Sie also, Herr Bruder, ist es nöthig, daß Sie mich allein und ohne Zeugen sprechen?
Im Gegentheil, Majestät, sagte Johann ruhig, es wird mir lieb sein, wenn der Herr Minister des Auswärtigen Zeuge unserer Unterredung ist, denn, wie Ew. Majestät zu bemerken geruhten, wir haben uns niemals vertrauliche Mittheilungen zu machen, und da wir nur von Geschäften reden, so wird der Herr Staatsminister sogleich daran Theil nehmen können.
Bleiben Sie also, Graf. Und jetzt, mein Herr Bruder, darf ich mir wohl erlauben, zu fragen, was den Herrn commandirenden General meines Heeres von Inner-Oesterreich, das jetzt in Komorn steht, veranlaßt, seinen Posten zu verlassen, um mir hier in Wolkersdorf einen freundschaftlichen Besuch zu machen?
Majestät, ich komme, um Ew. Majestät, um meinen obersten Kriegsherrn zu beschwören, daß er mir gnädigst das Wort erfülle, welches er mir in Wien gegeben. Ew. Majestät haben mir versprochen, daß ich mit der meiner Führung anvertrauten Armeeabtheilung den für ihre Befreiung vom fremden Joch kämpfenden Tyrolern zur Hülfe und zum Beistand dienen sollte, daß ich alle meine Kräfte darauf allein richten dürfte, diesem so edlen, so heroischen Volk, das aufgestanden ist, wie Ein Mann, um sich seinen Kaiser wieder zu erobern, mit aller meiner Macht und meinen Mitteln beizustehen. Ich war es daher, der den Aufstand in Tyrol organisirte, der ihm seine Führer gab und den Ausbruch des Aufstandes auf Tag und Stunde bestimmte.
Ja, ja, es ist wahr, unterbrach ihn der Kaiser, Ew. Liebden haben sich da als einen recht geschickten und schlauen Revolutionär erwiesen, und es ist ein rechtes Glück für mich, daß Sie Ihre revolutionairen Künste nicht gegen mich, sondern für mich in Bewegung setzen. Wenn ich jemals wieder in den Besitz von Tyrol gelange, so werde ich das blos den revolutionairen Künsten meines Herrn Bruders Johann zu danken haben, und es wird mir immer als eine großmüthige Entsagung Ihrerseits erscheinen, daß Sie mir Tyrol gelassen, und es nicht lieber für sich selbst behalten haben, denn es liegt jetzt in Ihrer Hand, und Sie sind es, den die Tyroler in ihrem Herzen eigentlich ihren Kaiser nennen.
Ew. Majestät mißtrauen der Liebe der treuen Tyroler, sagte Johann traurig, und doch haben sie dieselbe in diesen Wochen des Kampfes mit ihrem Blut besiegelt, doch war es immer nur der Name ihres Kaisers Franz, mit dem sie in die Schlacht zogen, der Name des Kaisers Franz, bei dem sie jubilirten und jauchzten, wenn Gott und ihre Tapferkeit ihnen den Sieg verliehen.
Nicht doch, Ew. Liebden, ich weiß es besser, rief der Kaiser lebhaft. Man hat sich nicht mit meinem Namen begnügt, sondern als die Bauern Innsbruck erobert hatten, da pflanzten sie an der Triumphpforte neben meinem Bildniß auch das des Erzherzogs Johann auf, umgaben es mit Lichtern, wie das des Kaisers, und erzeigten ihm dieselben Ehren, wie dem Bildniß des Kaisers.
Es ist wahr, die guten Bauern verstehen nichts von der Etiquette, sagte Johann traurig. Sie glaubten in ihrer Treuherzigkeit, daß sie den Bruder ihres Kaisers, der von demselben ihnen zu ihrer Hülfe gesandt worden, auch ein wenig lieben dürften und sein Bild ganz ohne Ceremonie dem Kaiser an die Seite stellen könnten. Aber, daß sie dennoch in ihrem Herzen gar wohl den Kaiser von dem Erzherzog zu unterscheiden wußten, und dem Kaiser die erste Stelle in ihrer Verehrung und Liebe zuerkannten, ihn für den alleinigen Hort ihrer Treue erachteten, das beweist das Lied, das die Tyroler in begeisterter Einigkeit gesungen haben, als sie in Innsbruck den österreichischen Adler wieder an der Hofburg befestigten. Da man Eurer Majestät so ausführliche Berichte aus Tyrol gesandt hat, so wird man gewiß auch Eurer Majestät das schöne Lied nicht vorenthalten haben.
Man hat mir nichts davon gemeldet, sagte der Kaiser gleichgültig. Was war das für ein Lied?
Majestät, ein Triumphlied der Freude, das seit jenem Tage von allen Tyrolern, nicht blos von den streitbaren Männern, sondern auch von den Weibern und Kindern gesungen wird, und das im niedrigen Thal sowohl wie auf der hohen Alp jetzt als das Frühlingslied der neuen Zeit erschallt. Ich beklage, daß ich das Lied nicht auswendig weiß, aber ich werde die Ehre haben, es Eurer Majestät zu schicken. Ich entsinne mich nur des Refrains jeder Strophe und der lautet:
»Ueberall lebt sich's treu und bieder,
Wo der Adler uns angeschaut,
Und nu' haben wir unsern Franzel wieder,
Weil wir halt auf Gott und ihn vertraut.«
Nun, recht hübsch, sagte der Kaiser lächelnd. Und das singen sie jetzt in Tyrol?
Majestät, sie singen es nicht allein, sondern sie glauben auch daran. Ja, die Tyroler vertrauen wirklich auf Eure Majestät, sie glauben felsenfest an die Versprechungen, die Ew. Majestät ihnen gegeben, und sie würden Denjenigen als einen Verräther bestrafen, der ihnen zu sagen wagte, daß dieselben nicht erfüllt werden sollten.
Und wer behauptet, daß sie das nicht sollen? fragte der Kaiser.
Majestät, bald werden leider die Thatsachen die armen Tyroler überzeugen, daß dem so ist, sagte Johann seufzend. In demselben Augenblick, wo Tyrol von zwei feindlichen Heeren, von dem Vicekönig von Italien, und von dem Herzog von Danzig bedroht wird, wo also Tyrol, wenn es nicht zum zweiten Mal der Uebermacht erliegen soll, gar dringend der Hülfe bedarf, in demselben Augenblick erhalte ich den Befehl, mich von Tyrol abzuwenden und nach Ungarn zu marschiren, das heißt, ich soll Salzburg, welches von den Franzosen besetzt ist, aufgeben, ich soll Innsbruck, welches von Baraguay d'Hilliers bedroht wird, ohne Hülfe lassen, ich soll nicht blos den Tyrolern keinen Beistand leihen, sondern ich soll ihren moralischen Muth brechen, ihre Energie, ihre Thatkraft lähmen, indem ich durch meinen Rückzug ihnen zeige, daß die kaiserlichen Versprechungen nicht erfüllt werden, daß das Heer von Inner-Oesterreich seinem Beruf sich abwendet, und Tyrol verläßt, um Ungarn zu unterstützen.
Nun, Tyrol ist immer noch nicht verlassen, wenn auch der Herr Erzherzog Johann nicht dort ist, sagte der Kaiser achselzuckend. Wir haben ja noch zwei Generäle mit Truppencorps dort, wie mir däucht. Ist nicht Marquis Chasteler da, und Graf Buol?
Sie sind freilich da, Majestät, aber Marquis Chasteler ist ganz und gar geistig gelähmt durch die Achtserklärung, welche Napoleon gegen ihn hat ergehen lassen, und Graf Buol hat zu wenig Truppen, um mit Erfolg gegen ihn wirken zu können, wenn der Feind von außen gar nicht bedrängt wird, und nur gegen ihn sich zu wenden hat.
Ach, Ew. Liebden wollen mir also wieder einmal einen Beweis geben von der brüderlichen Liebe, die zwischen Ihnen und dem Erzherzog Carl herrscht? fragte der Kaiser ironisch. Sie wollen gegen die Befehle Ihres Generalissimus opponiren?
Ich will meinen Kaiser, meinen obersten Kriegsherrn, fragen, ob es Sein Wille ist, daß ich Tyrol aufgebe? Ob Er befiehlt, daß ich nach Preßburg mit meinem Heer gehen, mich mit der Insurrection verbünden und dort den Feind bekämpfen soll?
Sind das die Befehle des Generalissimus?
Ja, Majestät!
Und was befiehlt er weiter?
Weiter befiehlt er, ich solle mich zum Meister der beiden Schüttinseln vor Preßburg machen, soll Altenburg durch einen coup de main nehmen, soll Raab verschanzen, und beide Festungen, Raab und Komorn, auf sechs Monate dotiren und verproviantiren.
Ein spöttischer Ausdruck flog über das Antlitz des Kaisers hin. Nun, das sind ganz hübsche und energische Befehle, sagte er, befolgen Sie sie also!
Majestät, es liegt aber nicht in meiner Macht, dies zu thun. Diese Befehle nehmen sich allerdings auf dem Papier sehr schön aus, aber es fehlt ihnen die Möglichkeit der Ausführung. Ich habe nicht die Truppen, nicht die Mittel, um Raab und Komorn mit Waffen, Munition, Mundvorrath und Mannschaft zu versorgen, um Preßburg, auch vereinigt mit den Truppen des Palatins und den ungarischen Insurgenten, zu halten. Und der Generalissimus weiß das, ich habe ihn immer in Kenntniß gehalten von Allem, was bei meiner Armee geschah, er weiß, daß der Palatin und ich kaum fünfundzwanzigtausend Mann stark sind, und daß die Hälfte von diesen ungeübt ist. Er weiß, daß der Feind uns mit gegen vierzigtausend kriegsgeübten Truppen von allen Seiten bedroht. Der Generalissimus weiß das so sehr, daß er noch vor einigen Tagen in den Depeschen, die er an mich richtete, von der Schwäche, von den Trümmern meines Heeres sprach. Heer von Inner-Oesterreich. S. 199. Aber der Sieg von Aspern scheint plötzlich alle Gesichtspunkte verrückt zu haben, und da der Generalissimus das Außerordentliche geleistet hat, glaubt er auch von mir das Unmögliche fordern zu können.
Das Unmögliche! sagte der Kaiser mit geheimer Schadenfreude. Ein so tapferer und heldenmütiger Soldat, wie Ew. Liebden sind, wird nichts für unmöglich halten, das sein Chef ihm befiehlt. Der Erzherzog Carl ist aber Ihr Chef, ihm haben Sie zu gehorchen. Er befiehlt Ihnen, Raab zu halten und Preßburg zu vertheidigen. Gehen Sie also hin, und thun Sie, was Ihr Generalissimus befiehlt.
Da Ew. Majestät befehlen, so werde ich gehorchen, sagte Johann ruhig, nur mache ich Ew. Majestät darauf aufmerksam, daß, wenn der Feind sich beeilt und mich bald zu einer Schlacht zwingt, ich Raab, für das bisher so wenig gethan ist, nicht halten kann, und ich die Schlacht verlieren werde, sobald der Generalissimus mir nicht ein größeres Truppencorps zur Hülfe herbeisendet.
Es ist Ihre Sache, sich darüber mit dem Generalissimus zu verständigen. Er besitzt mein volles Vertrauen, denn er hat sich bei Aspern als ein siegreicher Held bewährt. Es ist also gar kein Grund vorhanden, ihm mein Vertrauen zu entziehen.
Und der Himmel bewahre mich davor, dies zu beabsichtigen, rief Johann lebhaft. Möge mein Bruder Carl noch lange als Generalissimus gebieten, und möge er dem Siege von Aspern noch viele Nachfolger geben!
Aber Sie bezweifeln das, nicht wahr? fragte der Kaiser, seine kleinen wasserblauen Augen mit einem forschenden Ausdruck auf Johann richtend. Sie sind nicht so entzückt von dem großartigen Sieg bei Aspern? Sie meinen nicht, daß der Bonaparte ganz zerschmettert ist, und nun Hals über Kopf sich beeilen wird, uns den Frieden anzutragen?
Ew. Majestät glauben das selber nicht, sagte Johann lächelnd. Napoleon ist nicht der Mann, um sich von einer Niederlage in seinen Plänen beirren zu lassen, er wird sie mit um so größerer Energie verfolgen, und er wird sie, wenn auch langsamer, erreichen, vorausgesetzt, daß wir nicht energischer handeln und zu entscheidenderen Maßregeln schreiten.
Schauen's nur, Stadion, rief der Kaiser lächelnd, das ist doch eine erfreuliche Uebereinstimmung. Mein Herr Bruder sagt dasselbe, was ich Ihnen vorher über den Bonaparte gesagt habe.
Aber, Majestät, der Herr Erzherzog machte noch einen Zusatz, sagte Graf Stadion rasch, er sprach auch für Oesterreich von energischerem Handeln und entschiedeneren Maßregeln.
Ach, und jetzt hoffen Sie, daß der Erzherzog mir das sagen wird, was Sie mir schon öfter gesagt haben, und daß er dieselben Vorschläge zu energischerem Handeln machen wird, wie Sie, Herr Minister?
Ja, das hoffe ich, Majestät.
Nun, das wollen wir einmal sehen, rief der Kaiser lebhaft. Sagen Ew. Liebden mir also, was verstehen Sie unter den entschiedeneren Maßregeln, die wir ergreifen sollten?
Majestät, sagte Johann rasch, ich verstehe darunter, daß wir aus unserer isolirten Stellung herauszukommen trachten, daß wir uns nach Bundesgenossen umsehen müßten, die uns nicht blos, wie England, mit Geld, sondern uns auch mit Truppen unterstützten.
Und wer wären nach dem Rath des Herrn Erzherzogs die geeigneten Bundesgenossen für Oesterreich?
Der Erzherzog ließ einen raschen, fragenden Blick nach dem Minister hinübergleiten, welchen dieser mit einem kaum merklichen Kopfnicken erwiderte.
Majestät, sagte Johann rasch, der geeignete Bundesgenosse für Oesterreich wäre Preußen.
Der Kaiser trat einen Schritt zurück, und wandte sich dann fast ärgerlich zu Stadion hin. Wahrhaftig, rief er, es ist so, wie ich dachte, der Erzherzog wiederholt mir da Ihre eigenen Vorschläge. Es scheint also, daß die sonst so muthige Kriegspartei an meinem Hofe plötzlich die Flügel sinken läßt, und nicht mehr vermeint, daß wir allein mit dem Bonaparte fertig werden können. Deshalb hat man sich also das Wort gegeben, mich zu einem Bündniß mit Preußen zu drängen, und nun kommen die einzelnen Belagerungstruppen, mit denen man mich besiegen will. Zuerst kam der Herr Minister selber, jetzt ruft er sich den Erzherzog Johann zu seiner Hülfe herbei und beeilt sich, genau zu der Stunde gegenwärtig zu sein, wenn der Erzherzog hier anlangt, um ihm bei dem Angriff auf mich behülflich zu sein. Nur noch eine halbe Stunde, dann wird auch die Kaiserin kommen, um Sie Beide zu unterstützen und mich zu überzeugen, daß wir durchaus die Bundesgenossenschaft Preußens suchen müssen.
Verzeihung, Majestät, sagte Graf Stadion lebhaft, ich habe leider nicht die Ehre, zu den Vertrauten des Herrn Erzherzogs zu gehören, und ich gebe mein Ehrenwort, daß ich gar nicht geahnt habe, daß Se. Hoheit hierher kommen würde.
Und ich gebe Ew. Majestät mein Ehrenwort, daß weder die Kaiserin, noch Graf Stadion mich haben ahnen lassen, daß sie meine Ansicht theilen, und daß sie dieselbe bereits bei Ew. Majestät befürwortet haben.
Sie sind also ganz selbstständig und unbeeinflußt auf den Gedanken gekommen, daß wir uns mit Preußen verbünden sollten?
Ja, Majestät, ich glaube, daß dies jetzt für uns eine Nothwendigkeit geworden ist.
Aber Preußen ist ein gedemüthigter, heruntergekommener Staat, der nur noch durch die Gnade Bonaparte's und die Fürsprache des Kaisers von Rußland existirt.
Ew. Majestät sprechen da von dem Preußen, wie es 1807 war, sagte Graf Stadion, wie es nach den Niederlagen von Jena, Eylau und Friedland war. Aber seitdem sind zwei Jahre vergangen, und Preußen hat sich wieder aufgerichtet, es hat in der Stille gerüstet, es hat seine Hülfsquellen wieder flüssig gemacht, es hat thatkräftige und energische Männer gefunden, welche schweigend, aber mit unablässigem Eifer für die Organisation des Heeres arbeiten, und Alles vorbereiten auf den Tag der Rache.
Bieten wir dem wiedererstandenen, dem racheglühenden Preußen also die Hand, rief Johann glühend, vereinigen wir uns mit ihm zur Bekämpfung des gemeinsamen Feindes. Preußen und Oesterreich sind darauf angewiesen, in Eintracht zusammen zu stehen, in Gemeinschaft Deutschland zu beschützen.
Nein, sagte der Kaiser fast unwillig, Preußen und Oesterreich sind natürliche Feinde, sie sind es gewesen, so lange Preußen existirt, denn Preußen hat sich vermessen, aus einem Untergebenen sich zu einem Rival empor zu schwingen, und niemals kann ihm Oesterreich den Raub von Schlesien verzeihen!
Oh Majestät, rief Johann glühend, vergessen wir nur jetzt die Vergangenheit, und wenden wir den Blick der Gegenwart, der Zukunft zu. Frankreich ist der gemeinsame Feind für ganz Europa; ganz Europa sollte sich also die Hand reichen, ihn zu vernichten, und wir wollen nicht einmal unsern Nachbar um seine Mitwirkung angehen? Aber Oesterreich und Preußen in Einigkeit mit einander werden ganz Deutschland einig machen, und wie ein drohender Fels wird dann dieses Deutschland dastehen, uneinnehmbar wird es Frankreich zurückscheuchen in seine ihm angewiesenen Grenzen.
Worte, Worte, sagte der Kaiser achselzuckend. Mit Worten habt Ihr Schwärmer immer ein einiges Deutschland, in Wirklichkeit ist's niemals da gewesen.
Aber es wird kommen, wenn Preußen und Oesterreich einig sind, nur muß diese Einigkeit bald erfolgen, denn die Zeit drängt und droht mit unermeßlichen Gefahren. Frankreich will die Universalmonarchie, Napoleon macht gar kein Hehl daraus. Wenn es nun Frankreich wirklich gelingt, die deutschen Mächte in Unfrieden und Uneinigkeit zu erhalten, und über ihren Häuptern sich mit Rußland zu verbinden, dann hat unsere Stunde geschlagen, denn diese beiden Mächte werden, wenn sie vereinigt sind, sich sehr leicht über die Theilung Europa's verständigen; und wenn selbst Rußland bis jetzt eine solche Idee nicht gehabt hätte, so wird Frankreich sie ihm einflößen. Des Erzherzogs eigene Worte. Siehe: Briefe des Erzherzogs Johann an Johannes von Müller. S. 81. Man müßte daher auch Rußland zu gewinnen suchen, müßte es mit Deutschland verbinden, durch Preußen enger mit uns verknüpfen, um in schwerer Zeit einen Haltpunkt an ihm zu haben.
Ew. Liebden glauben also, daß noch schwere Zeiten kommen werden? fragte der Kaiser.
Ew. Majestät, ich fürchte es, wenn wir allein stehen. Es steht jetzt Alles auf dem Spiel, also muß Alles gewagt werden. Es wird jetzt nicht mehr um Provinzen, sondern um die künftige Existenz gekämpft. Kämpfen werden wir gut; allein auch die besten Kräfte erschöpfen sich durch die Dauer, und wer es am längsten aushält, der bleibt der Sieger. Für wen ist die Wahrscheinlichkeit? Für Oesterreich allein gegen Frankreich doch nicht; von dem vereinten Oesterreich und Preußen wohl. Fällt Oesterreich jetzt, so fällt der beste Gegner, so fällt Preußen, so ist Deutschland verloren. Des Erzherzogs eigene Worte. S. ebendaselbst S. 89.
Und was würden Sie thun, Herr Erzherzog, wenn Oesterreich, wie Sie vermeinen, verloren ginge?
Majestät, wenn Oesterreich in Trümmer ginge, so würde ich zu sterben wissen!
Würden sich, wie weiland Brutus, in Ihr eigenes Schwert stürzen, nicht wahr? Nun, es wird hoffentlich nicht so schlimm kommen, denn Sie haben mir ja da einen Weg der Rettung gezeigt. Sie haben mir ja bewiesen, daß Oesterreich erhalten werden kann, wenn es sich mit Preußen verbindet. Aber zum Glück hab' ich zuweilen auch meine eigenen Gedanken und sogar meinen eigenen Kopf. Hab' heute Morgen eine lange Unterredung mit dem Prinzen von Oranien gehabt, der aus Königsberg vom König von Preußen kommt. Er hat mir sehr genauen Bericht abgestattet, und ich habe darnach, ganz unabhängig von Ihren Rathschlüssen, meine Entschließung genommen. Herr Graf Stadion, haben Sie die Güte, das Papier zu nehmen, das auf dem Schreibtisch liegt. Kennen Sie die Handschrift?
Ich glaube, es ist die Handschrift Eurer Majestät, sagte Graf Stadion, der das beschriebene Blatt Papier, wie der Kaiser ihm befohlen, von dem Schreibtische genommen.
Ja, ich habe das geschrieben, denn wenn ich auch nicht so gelehrt bin, wie mein Herr Bruder Johann, so kann ich doch nöthigenfalls einen Brief schreiben. Haben Sie die Güte, mein Herr Minister des Auswärtigen, meinen Brief laut vorzulesen, und Sie, Herr Erzherzog, zuzuhören.
Graf Stadion verneigte sich, und las: »An Se. Majestät den König Friedrich Wilhelm von Preußen. Hauptquartier Wollersdorf, den 8. Juni 1809.«
»Mein Herr Bruder! Der in meinem Hauptquartier hier angelangte Prinz von Oranien hat mir ohne Rückhalt und mit vollem Zutrauen über die öfteren Zwiesprachen geredet, die er während des letzten Aufenthalts in Königsberg mit Eurer Majestät gehabt hat. Sie ließen ihn keineswegs in Zweifel über Ihre innerste Ueberzeugung, daß nur durch eine vollständige und kraftvolle Vereinigung und Verbindung die Existenz unserer beiden Monarchieen gegen die Anfälle und gegen das Raubsystem des Kaisers Napoleon beschützt und behauptet werden könne. Seit langer Zeit mit Eurer Majestät Ansichten und Weisheit vertraut, durfte ich es voraussetzen, daß Ew. Majestät sich einer Maßregel nicht entziehen würden, die eben so sehr gerechtfertigt ist durch die Gewalt der Umstände, als durch die treue Anhänglichkeit der Völker, welche die Vorsehung unserer Sorge anvertraut hat. – Die hohe Wichtigkeit unter den gegenwärtigen Umständen, jene Einleitungen möglichst zu bethätigen, deren Beschleunigung alsdann ein Gegenstand des gemeinschaftlichen Interesses sein wird, bestimmt mich, an Sie, mein Herr Bruder, einen Stabsoffizier meines Heeres abzuschicken, den Obristen Baron Steigentesch, einen ausgezeichneten Offizier, der, zugleich vollständig unterrichtet über die gegenwärtige Stellung unserer Armeen, sich beeilen wird, den mit Eurer Majestät Zutrauen beehrten Individuen alle nöthigen Aufschlüsse zu geben für die unmittelbare Disposition und für die kräftige Verwendung der Hülfsquellen und Mittel, die der Freiherr von Steigentesch Ihnen vorzutragen die Ehre haben wird, und daß Sie die nöthigen Befehle geben werden zur Beschleunigung des Abschlusses und des Vollzuges einer so nöthigen als unvermeidlichen Vereinigung beider Staaten. Aus den nämlichen Gründen werde ich meinem Minister in Berlin eilig die Instructionen und Autorisation zugehen lassen, um ihn in den Stand zu setzen, in die Eröffnungen einzugehen, die der Herr Graf von Golz in gleichem Sinne machen zu wollen, ihm angekündigt hat. Genehmigen Ew. Majestät zugleich die Versicherung, mit welcher ich bin, mein Herr Bruder, Ihr ergebener Franz, Kaiser von Oesterreich.« Lebensbilder III. S. 206.
Der Kaiser hatte, während Graf Stadion las, mit aufmerksamen Auge die Wirkung verfolgt, welche die Lectüre auf den Erzherzog ausübte. Er hatte gesehen, wie Johann anfangs erstaunte, wie allmälig sein Blick sich erhellte, wie ein Roth der Freude sich über sein Antlitz ergoß und ein Lächeln jetzt seine Lippen umspielte.
Als Graf Stadion zu Ende gelesen, schritt der Erzherzog mit dem Ausdruck lebhafter Erregung, glühenden Dankgefühls, zu dem Kaiser hin.
Majestät, rief er tiefbewegt, Sie haben mich zugleich beschämt und beglückt. Oh, geben Sie mir Ihre Hand, lassen Sie mich diese an meine Lippen drücken, lassen Sie mich Ihnen danken für die gnädige Strafe. Dankbar bin ich auch für das gnädige Vertrauen, mit dem Sie mich in Ihre Pläne einweihen.
Ist nicht nöthig, sagte der Kaiser, ohne seine Hand zu reichen, haben mir gar nicht zu danken. Auch ist es gar nicht meine Absicht gewesen, Ihnen ein besonderes Zeichen meines Vertrauens zu geben. Ich ließ Ihnen den Brief nicht vorlesen, um Sie an meinen Plänen Theil nehmen zu lassen, sondern nur um Ihnen zu beweisen, daß ich auch ohne Ihre Rathschläge meine Entschließungen nehmen kann, und um Sie deshalb zu ersuchen, mich künftig mit Ihren Rathschlägen ganz und gar verschonen zu wollen. Jetzt, mein Herr Bruder, haben wir einander nichts mehr zu sagen. Kehren Sie nach Komorn zurück, und befolgen Sie, wie es einem Untergebenen zukommt, genau, pünktlich und ohne zu murren, die Befehle des Generalissimus. Befestigen und halten Sie Raab, vertheidigen Sie Preßburg, nehmen Sie mit einem coup de main Altenburg, kurz, thun Sie, was der Generalissimus Ihnen aufgetragen. Wenn ich aber Ihres Rathes und Ihrer Weisheit bedürfen sollte, so werde ich Sie rufen lassen, und wenn der Herr von Steigentesch von seiner Sendung nach Preußen zurückkehrt, soll Botschaft an Sie gelangen. Adieu, mein Herr Bruder, und lassen Ew. Liebden mich bald von neuen Siegen hören!