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II.
Erzherzog Johann in Komorn.

Das Unerhörte, das Unglaubliche war also geschehen, Napoleon war besiegt worden, besiegt von den Oesterreichern. Erzherzog Carl hatte ihm bei Aspern eine große Schlacht abgewonnen, Napoleon hatte sein ganzes Heer auf die Insel Lobau zurückgezogen, er selbst verweilte in dumpfem Hinbrüten auf dem Schlosse Edersberg, und wie vernichtet von dem unerwarteten Schlag, der ihn betroffen, und der ihm zugleich einen seiner Lieblinge, den Marschall Lannes, entrissen, schien Napoleon auf einmal aller seiner Energie beraubt zu sein. Er sprach nicht, er aß nicht, er saß ganze Tage lang in seinem Kabinet, starrte auf die Landkarten, die vor ihm auf dem Tisch lagen, und vergaß doch, sie, wie sonst, wenn er seine Schlachtpläne entwarf, mit den bunten Nadeln zu bestechen, die ihm die Heere der verschiedenen kriegführenden Nationen anzeigten. Der Sieg hatte dieses eherne Cäsarenangesicht nicht mehr zu erweichen vermocht, aber die Niederlage hatte seine Züge jetzt belebt mit dem Ausdruck des Zorns und des Schmerzes. Dennoch klagte er nicht, und niemals gönnte er seinen Vertrauten nur den Vorzug, ihnen einzugestehen, daß er leide. Nur einmal, einen kurzen Moment schob er den Vorhang zurück, der Allen sein Inneres verhüllte, nur Einmal ließ er seine Marschälle auf dem Grunde seiner Seele lesen. Marmont hatte es gewagt, den Kaiser im Namen aller Marschälle zu bitten, sich nicht länger dem Kummer über das Geschehene hinzugeben, sondern zu bedenken, daß es seine Pflicht sei, sich dem Wohl seiner Völker und dem Ruhm seiner Zukunft zu erhalten. Darauf hatte ihm Napoleon mit einem matten Lächeln erwidert: Ihr denkt, ich sitze hier, um über meinem Kummer zu brüten? Es ist wahr, ich begrabe meine Todten, und da deren leider sehr Viele sind, so dauert es freilich eine lange Zeit. Aber auf dem Grabe der Todten von Eßlingen will ich ein Denkmal errichten, das strahlen soll im Siegesglanz, und auf seinem Frontespice soll man das Wort: Rache! lesen. Der Kaiser von Oesterreich ist verloren! Hätte ich ihn in dieser Schlacht besiegt, so würde ich ihm seinen Hochmuth und Treubruch vielleicht vergeben haben; da er mich besiegt hat, so muß und so werde ich ihn vernichten.

Während Napoleon so seine Todten begrub und über sein »Denkmal der Rache« nachsann, herrschte Siegesjubel im Hauptquartier des Erzherzogs Carl, des Siegers von Aspern, und ganz Oesterreich, ganz Deutschland stimmte ein in diesen Jubel und pries den gesegneten, glorreichen Tag der ersten Demüthigung Bonaparte's.

Und bald folgte dieser Siegesbotschaft eine zweite, nicht minder herrliche. Die Tyroler, die einfachen Bauersleute, hatten den kriegsgewandten Franzosen, und den mit ihnen verbündeten Baiern bei Innsbruck am Berge Isel am einundzwanzigsten Mai eine große Schlacht abgewonnen. Andreas Hofer, der jetzt von den Tyrolern zu ihrem Ober-Commandanten erwählt worden, hatte vereint mit Speckbacher, Wallner und dem Kapuziner Haspinger zum zweiten Mal die wiedereingedrungenen Baiern und Franzosen auf's Haupt geschlagen, zum zweiten Mal dem Feind eine siegreiche Schlacht geliefert und das »Landel« vom Feinde befreit.

Mit dieser frohen Siegesbotschaft war Graf Nugent, der Generalquartiermeister des Erzherzogs Johann, so eben zu ihm eingetreten, und mit strahlendem Auge hatte er ihm von den Heldenthaten der Tyroler, von dem frommen Gotteseifer Hofer's, von den kühnen Unternehmungen Speckbacher's und Wallner's, deren Thaten an die alten Helden Homer's erinnerten, von dem kriegsmuthigen Kapuziner Haspinger erzählt, der mit seinem hölzernen Stabe, als seiner einzigen Waffe, sich immer in den vordersten Reihen der Kämpfer befunden hatte.

Mit flammender Begeisterung hatte Graf Nugent dem Erzherzog so eben von all' diesen Wunderthaten der Tyroler erzählt, und dennoch war zu seinem Erstaunen das Antlitz des Erzherzogs trübe geblieben, kein Strahl der Freude hatte es erhellt.

Ew. Hoheit theilen also mein Entzücken nicht? fragte er traurig. Sie nehmen die Nachricht ganz kühl und gleichgültig auf, und doch handelt es sich um Ihre geliebten Tyroler, um Ihre Helden Andreas Hofer, Joseph Speckbacher und Anton Wallner! Sie haben mit ihren Heldenschaaren zum zweiten Mal Tyrol vom Feinde befreit, und Ew. Hoheit sind nicht erfreut darüber?

Nein, lieber Graf, sagte der Erzherzog seufzend, denn sie werden es zum zweiten Mal verlieren. All' dieses Blut wird umsonst vergossen sein, und mein armes Tyrol wird dennoch wieder verloren gehen.

Sie glauben das? Sie, der ganz Tyrol zu den Waffen gerufen, der ihm seine Helden, seine Vorkämpfer erweckt, der selber bereit ist, die muthigen Tyroler mit dem letzten Blutstropfen zu unterstützen?

Immer bereit, ja, das bin ich, rief Johann mit einem bittern Lachen, aber was hilft es mir! Man wird doch künstliche Schlingen genug um meine Füße legen, um mich zum Fallen zu bringen, man wird mir doch wieder die Hände binden, und meinen Willen einschnüren in die Zwangsjacke der Unterthänigkeit und des Gehorsams. Ich kann ja nicht, wie ich will, ich bin ja nur ein Werkzeug in den Händen Anderer, und daran werde ich, daran wird Tyrol zu Grunde gehen. Ich möchte mein Leben hingeben für Tyrol, und ich werde es doch nicht retten können. Uebrigens, mein Freund, kannte ich schon alle diese Details über die glorreiche Schlacht am Berge Isel. Ein Bote Hormayr's war so eben bei mir angelangt, und hat mir ausführliche Nachrichten gebracht. Ich konnte dem Boten gleich eine gute Belohnung für die tapfern Tyroler mitgeben, einen Brief des Kaisers, meines Herrn Bruders, den ich heute Morgen durch einen Courier erhielt mit dem Befehl, ihn den Tyrolern zu senden. Ich habe eine Abschrift des kaiserlichen Handschreibens genommen, denn es mag ein Tag kommen, wo es Noth thun wird, den Kaiser an dieses Schreiben zu erinnern. Hier ist die Abschrift. Lesen Sie, und lesen Sie laut, damit ich auch einmal höre, wie schön die kaiserlichen Worte klingen.

Der Erzherzog reichte dem Grafen Nugent ein Papier dar, und dieser las: »Nach bedeutenden Unglücksfällen und nachdem der Feind selbst die Hauptstadt der Monarchie eingenommen hat, ist es meiner Armee gelungen, die französische Hauptarmee unter Napoleon's eigener Anführung im Marchfelde am einundzwanzigsten und wiederholt am zweiundzwanzigsten Mai zu schlagen und nach einer großen Niederlage über die Donau zurück zu werfen. Die Armee und die Völker Oesterreichs sind von höherem Enthusiasmus als je beseelt; alles berechtigt zu großen Erwartungen. Im Vertrauen auf Gott und meine gerechte Sache erkläre ich hiermit meiner treuen Grafschaft Tyrol, mit Einschluß des Voralberges, daß sie nie mehr von dem Körper des österreichischen Kaiserstaates soll getrennt werden, und daß ich keinen andern Frieden unterzeichnen werde, als den, der dieses Land an meine Monarchie unauflöslich knüpft. Sobald als möglich wird sich mein lieber Bruder, der Erzherzog Johann, nach Tyrol begeben, um so lange der Anführer und Schützer meiner treuen Tyroler zu sein, bis alle Gefahren von der Grenze der Grafschaft Tyrol entfernt sind. Franzv. Hormayr: Das Heer von Inner-Oesterreich, unter den Befehlen des Erzherzogs Johann. S. 189.

Und noch jetzt, nach diesem feierlichen Versprechen, das Se. Majestät den Tyrolern giebt, noch jetzt zweifeln Ew. Hoheit?

Mein Freund, sagte der Erzherzog, mit einem langen prüfenden Blick das Gemach überfliegend, mein Freund, wir sind allein, Niemand, beobachtet, Niemand, hoffe ich, hört uns. Lassen Sie mich also einmal ein offenes Wort zu Ihnen sprechen, lassen Sie mich, außer vor Gott, auch noch vor meinem Freunde, vor Ihnen, mein Herz ausschütten, lassen Sie mich eine Viertelstunde vergessen, daß ich der Unterthan und mein Bruder der Kaiser ist, gestatten Sie mir, die Dinge mit dem Auge eines Beobachters zu betrachten, und als Mensch über Menschen zu urtheilen. Ich gestehe Ihnen also, ich kann die allgemeine Freude über die letzten Ereignisse nicht theilen, und – möge Gott es mir verzeihen, – ich glaube selbst nicht einmal an die Versprechungen, welche der Kaiser den Tyrolern macht. Er selber mag in dieser Stunde noch den festen Willen haben, sie zu erfüllen, es mag ihm heiliger Ernst sein mit dem Wort der Verheißung: nimmer einen Frieden zu unterzeichnen, als den, der Tyrol unauflöslich an seine Monarchie knüpft, aber die Verhältnisse, und besonders die Menschen werden ihn schon dazu zwingen, einen andern Frieden einzugehen. Sie wissen es ja, es giebt zwei Parteien in der Umgebung des Kaisers, und diese liegen in beständiger Fehde. Die eine Partei will den Frieden, die andere den Krieg, und an der Spitze der Friedenspartei steht unglücklicherweise der Generalissimus unserer Armee, steht der Erzherzog Carl selber. Sie kennen den Brief voll demüthiger Schmeicheleien und unterthäniger Unterwürfigkeit, den der Generalissimus nach dem unglücklichen Gefecht von Regensburg an Napoleon geschrieben, und auf welchen Napoleon ihn nicht einmal einer Antwort gewürdigt hat. Dieser Brief des Erzherzogs Carl an Napoleon lautete: »Sire, Eure Majestät haben mir Ihre Ankunft mit Kanonendonner angekündigt, ohne mir Zeit zu lassen, Sie zu becomplimentiren. Kaum unterrichtet von Ihrer Gegenwart, konnte ich diese durch den Schaden ahnden, den Sie mir zugefügt haben. Sie haben mir viele Leute abgenommen, Sire. Auch meine Truppen haben einige Tausend Gefangene gemacht auf den Punkten, wo Sie nicht den Befehl führten. Ich mache Eurer Majestät den Vorschlag, sie Mann für Mann, Grad für Grad, auszutauschen, und wenn Ihnen dieser Antrag gefällt, mir Ihre Gesinnungen über den zur Auswechselung bestimmten Platz wissen zu lassen.
Ich fühle mich geschmeichelt, Sire, mit dem größten Feldherrn des Jahrhunderts zu kämpfen. Ich wäre glücklich, wenn das Schicksal mich erlesen hätte, meinem Vaterland die Wohlthat eines dauernden Friedens zu sichern. Welches immer die Glücksereignisse des Krieges oder die Annäherung des Friedens sein mögen, bitte ich Eure Majestät, zu glauben, daß mein Ehrgeiz mich Ihnen immer entgegenführt, und daß ich mich gleichmäßig geehrt halte, dem Degen oder dem Oelzweig in der Hand Eurer Majestät zu begegnen.
Carl
Napoleon reichte diesen Brief, nachdem er ihn gelesen, an Duroe und sagte: »Lesen Sie! So sind diese Leute, bei dem geringsten Schimmer des Glücks übermüthig, im Unglück verzagt und kleinmüthig. Man kann ihnen in acht Tagen antworten« – Aber auch nach acht Tagen antwortete er nicht, sondern marschirte nach Wien, das er einnahm.
An der Spitze der Kriegspartei steht die Kaiserin und der Graf Stadion. Aber die Kaiserin hat leider wenig Einfluß auf ihren Gemahl, und der Minister Stadion eben so wenig. Seine edle Begeisterung, sein feuriges Vorwärtsdrängen widerstrebt dem Kaiser, und er wird ihn entfernen, so bald er nur irgendwo eines gefügigern, unterwürfigern und dabei ebenso geschäftsthätigen Stellvertreter für Stadion entdeckt hat. Einen Punkt aber giebt es, worin diese beide, sich immer befehdenden Parteien übereinstimmen, worin sie sich die Hände bieten, und einander unterstützen, das ist ihre gemeinschaftliche Feindschaft gegen die Erzherzöge, die Brüder des Kaisers, und in diesem Einen Punkt verläßt die Friedenspartei sogar ihr Haupt, den Erzherzog Carl, um in Gemeinschaft mit der Kriegspartei gegen ihn zu operiren. Der Adel in Oesterreich hat für sich stets das Privilegium in Anspruch genommen, alle höhern Aemter zu besetzen, und er sieht mit glühendem Zorn, daß die Erzherzoge den Anspruch erheben, ihrem Vaterland und ihrem Kaiser ihre Kräfte weihen zu wollen. Der Adel hat deshalb eine entschiedene Abneigung vor einer Bedeutsamkeit der Erzherzöge, durch welche seiner Oligarchie eine Schranke gesetzt werden könnte. Schlosser: Geschichte des 18. Jahrh. Th. VIIa. S. 249. Er bekämpft daher mich sowohl, als alle übrigen Erzherzoge, und es gilt ihm ganz einerlei, ob bei diesem Kampf die Interessen des Vaterlandes, des Kaiserthums selber gefährdet werden. Vieles würde auch in diesem Feldzug besser sein, wenn die Generäle, die unter dem Commando der Erzherzoge stehen, besser und eifriger ihre Pflicht, mit größerer Pünktlichkeit und Bereitwilligkeit die Befehle ihre Vorgesetzten ausgeführt hätten. Aber sie sind absichtlich lässig gewesen, sie haben absichtlich oft gezögert, ihre Ordres falsch verstanden, oder überhört. Man will die Unfähigkeit der Erzherzöge beweisen, um sie zu stürzen, und man' weiß sehr wohl, daß man dem Kaiser selber damit einen Dienst erzeigt, denn man weiß, daß der Kaiser seine Brüder nicht liebt.

Nein, Hoheit, rief Nugent, als der Erzherzog jetzt seufzend schwieg, nein, darin, hoffe ich, geht man zu weit, darin irren auch Sie. Es ist unmöglich, daß der Kaiser seine Brüder nicht liebt, welche doch durch ihre hohe Begabung, ihre Tugenden, ihre Talente, seinem Kaiserhause Ruhm und Ehre bringen.

Mein Freund, Sie sprechen als Hofmann, sagte Johann kopfschüttelnd, Sie übertreiben als Freund. Aber, wenn Sie selbst Recht hätten, so wäre das nicht geeignet, uns das Herz des Kaisers geneigter zu machen. Der Ruhm und die Ehre des Kaiserhauses, es soll allein vom Kaiser ausstrahlen, nicht von den Erzherzögen, nicht von diesen jüngern Söhnen seines Vaters, welche er haßt.

Nein, nein, Hoheit, es ist unmöglich, daß der Kaiser seine Brüder haßt!

Und warum unmöglich? fragte Johann achselzuckend. Hassen seine Brüder, die Erzherzöge, sich nicht selber unter einander? Oder glauben Sie etwa, daß der Generalissimus Erzherzog Carl mich liebt, oder mir nur wohl will? Ich habe das Mißgeschick gehabt, in diesem Kriege jetzt zwei Mal Glück zu haben, während er zwei Mal Unglück gehabt hat, ich habe bei Sacile und St. Bonifacius gesiegt, während er bei Landshut und Regensburg besiegt worden ist. Das ist ein Verbrechen, welches mir der Erzherzog niemals vergeben, und für welches er seine Revanche nehmen wird.

Sollte er nicht vermeinen, daß er durch die Schlacht von Aspern eine edle und glorreiche Revanche genommen hätte?

Oh, mein Freund, Sie vergessen, daß wir Italiener sind von unserer Mutter her, und daß wir daher Ihre edle, glorreiche Revanche nicht genügend finden, sondern sie in die italienische Vendetta übersetzen. Sich selber Ruhm erobert zu haben, wird dem Generalissimus daher nicht genügend erscheinen, sondern ich muß eine Niederlage, eine Schmach erleiden, welche meine kleinen, ach leider so unbedeutenden Lorbeeren von Sacile und St. Bonifacio in Staub zermürbelt. Oh, ich kenne meinen Herrn Bruder, den Generalissimus, ich sehe alle diese kleinen Fäden, die er um mich her legt, und die er, sobald sie nur stark genug sind, zusammenziehen wird zu einem Netz, in dem er mich einfangen wird, um mich der Welt zu zeigen als einen Unfähigen, einen Träumer, der zum Kriegsmann weder Glück noch Geschick hat. Sagen Sie mir nicht, daß ich mich täusche, mein Freund, ich habe bis hierher Alles genau beobachtet, und meine Wahrnehmungen täuschen mich leider nicht. Der Generalissimus will mich strafen für meine Erfolge von Sacile und St. Bonifacio, mich strafen auch dafür, daß ich zum Kriege gedrängt habe, während er sich drei Mal gegen denselben erklärte. Er hat mich dem Kaiser schon mehrmals als einen Ungehorsamen und Widerspenstigen bezeichnet, der immer geneigt sei, seinen Befehlen zu widersprechen, oder gar entgegen zu handeln, und der Kaiser hat sich jedes Mal das Vergnügen gemacht, mir die Klagen des Generalissimus zu hinterbringen.

Es ist wahr, seufzte Graf Nugent, diese Abgeneigtheit des Generalissimus gegen Ew. Hoheit ist leider nicht abzuleugnen, und Sie haben darunter zu leiden.

Oh, rief Johann ungestüm, wenn ich nur darunter zu leiden hätte, so würde ich mich nicht beklagen, so würde ich das zu den vielen andern Nadelstichen meines Schicksals legen und würde suchen sie zu erdulden, ohne mich zu beklagen! Aber meine Soldaten, der Ruhm der österreichischen Waffen leiden darunter, und die Freiheit Tyrols wird daran zerschellen! Man weiß gar wohl, daß dies die Stelle ist, wo ich am leichtesten verwundbar bin, daß ich Tyrol liebe, daß ich Alles daran setzen will, um das kaiserliche Wort einzulösen, und Tyrol dem Kaiserhause zu erhalten, ihm seine alten Privilegien und Freiheiten wiederzugeben. Man weiß auch, daß es mein sehnlichster Wunsch ist, in spätern Tagen des Friedens hier in Tyrol als der Statthalter des Kaisers zu leben, und fern von dem Geräusch der Residenz in einfacher begrenzter Stille, im Frieden der Natur, mir selbst, den Menschen, die ich liebe, von denen ich geliebt werde, und meinen Studien zu leben. Oh, mein armes, unglückliches Tyrol wird es theuer büßen müssen, daß ich es liebe, es wird zum zweiten Mal, und jetzt vielleicht für immer, für Oesterreich verloren gehen.

Ew. Hoheit glauben das? rief Nugent entsetzt. Sie glauben das auch jetzt noch, nachdem Sie mir eben den Brief mitgetheilt, in welchem der Kaiser den Tyrolern verspricht, niemals einen Frieden einzugehen, der nicht Tyrol und Vorarlberg unauflöslich an seine Monarchie knüpft, in welchem er ihnen verheißt, ihnen seinen lieben Bruder Johann an seiner Statt zum Schutz und Wächter zu schicken.

Mein Freund, gerade diese vielen und großen Versprechungen machen mich mißtrauisch, und geben mir die Ueberzeugung, daß sie nicht ernstlich gemeint sind. Wäre es Ernst, daß die Erhaltung Tyrols dem Kaiser am Herzen läge, daß ich mit meinem Heer zur Stütze und Rettung Tyrols bestimmt sei, müßte man da nicht mir freie Hand gelassen haben, nach meinem Ermessen und in Uebereinstimmung mit den Tyrolern zu wirken, statt daß man mir die Hände bindet und mich immer nur als einen abhängigen, durchaus unselbstständigen kleinen Theil der Armee des Generalissimus betrachtet und verwendet? Schauen Sie doch rückwärts, Nugent, überlegen Sie Alles, was in diesen Wochen, seit wir im Felde sind, geschehen ist, und dann sagen Sie mir, ob ich Unrecht habe?

Nein, es ist leider wahr, seufzte Nugent, ich kann Ew. Hoheit nicht länger widersprechen, ich darf es nicht leugnen, daß Ihnen und uns manches Unrecht geschehen ist, daß man Sie immer beschränkt, immer von thatkräftigem Einzelhandeln zurückgehalten, Sie und Ihre Armee immer abhängig erhalten hat, daß man Sie leider auch immer gehemmt und oft gerade das Gegentheil gethan hat von dem, was Sie wünschten, und für das Richtige erachteten.

Und nachher werden Sie doch sagen, ich allein trage die Schuld von dem Mißlingen meiner Pläne, rief der Erzherzog mit einem traurigen Lächeln, ich hätte die Versprechungen, die ich so großprahlerisch dem Kaiser und den Tyrolern gemacht, nicht durchführen können, und der Kaiser wird triumphiren über den großsprecherischen Erzherzog, der sich vermaß, das ganze Tyrolervolk in Waffen zu rufen, sich an seine Spitze zu stellen und diese heilige Festung, die Gott und die Natur selber für Oesterreich erbaut, siegreich zu verteidigen gegen alle herandringenden Feinde. Ja, in Waffen steht das treue Tyrolervolk, in Waffen stehe auch ich, aber schon hat man mich zurückgedrängt von Tyrol, schon hat man meinen Arm gelähmt, daß er sich nicht mehr ausstrecken kann, um die Hand zu fassen, die mir Tyrol hülfeflehend entgegenstreckt. Hätte man nach den Erfolgen, die mein Herr bei Sacile über den Vicekönig von Italien und über Marmont errungen, mich weiter vordringen lassen, so würde ich vielleicht jetzt schon den Feind aus Ober-Italien, aus Südtyrol vertrieben haben. Aber ich durfte meine Vortheile nicht verfolgen, mitten in meinem glücklichen Lauf mußte ich inne halten; weil der Generalissimus mit seiner Armee bei Regensburg eine Niederlage erlitten, mußte ich, statt den Feind im raschen Verfolgen zurückzutreiben und ihn zur Defensive zu zwingen, selber den Rückzug antreten und aus dem Verfolger der Verfolgte werden! Statt nach Tyrol zu gehen, erhielt ich vom Generalissimus Befehl, mich nach Ungarn zu wenden, und mich mit der ungarischen Insurrection in Verbindung zu setzen. Kaum hatte ich mich dahin gewandt, so kam der entgegengesetzte Befehl, wieder nach Südtyrol zu rücken, nach Villach und weiterhin nach Salzburg vorzurücken, mich mit Jellachich zu vereinigen, dem Feldmarschall Giulay die Hand zu bieten, und mit ihm im Rücken des bei Wien stehenden Feindes zu operiren. Und man wußte nicht, daß Jellachich inzwischen bei Würzl geschlagen, daß Villach von den Franzosen besetzt worden, und daß ich nicht dem Feind im Rücken stand, sondern den Feind im Rücken hatte, und jeden Tag gegen ihn Front machen mußte, man wußte nicht, oder wollte nicht wissen, daß der Vicekönig von Italien mit sechsunddreißigtausend Mann mir im Rücken, daß der Herzog von Danzig mir bei Salzburg in der Fronte stand. Unter steten Gefechten, steten Verlusten sind wir seitdem umhergezogen, und jetzt endlich, hier in Komorn, haben wir Rast gemacht, um mein kleines Heer zu ergänzen und zu ordnen, und kaum sind wir hier angelangt, so kommt der Befehl, auf die Insel Schütt und nach Preßburg zu rücken. Vergebens wagte ich zu remonstriren, die Schwäche und Ermattung meiner Truppen anzuführen, vergebens bat ich, mir einige Tage Zeit zu lassen, mein Heer zu ordnen, dann Macdonald anzugreifen, und ihn zu verhindern, sich mit Napoleon zu vereinigen. Vergebens bewies ich, daß dies seine Absicht sei, und daß Niemand ihn hindern könne, dieselbe auszuführen, sobald ich mich nach Preßburg wenden und Macdonald die Straße nach Wien freigeben müsse. Man achtet nicht auf meine Vorstellungen, man will mir wieder beweisen, daß ich nur ein Werkzeug sei, ein willenloser Stift in der großen Staatsmaschine, man erneuert den Befehl, daß ich mich nach Ungarn wenden solle. Nun, ich werde mich abermals unterwerfen, ich werde abermals gehorchen, aber ich werde es nicht schweigend thun, ich werde mindestens dem Kaiser sagen, daß es wider meinen Willen ist, und daß ich nur, wenn Er die Befehle des Generalissimus gut heißt, mich nach Raab und Preßburg wende.

Das heißt also, Ew. Hoheit wollen sich offen gegen den Generalissimus erklären?

Nein, das heißt, ich will den Kaiser, als meinen obersten Kriegsherrn, von meinen Zweifeln und Besorgnissen in Kenntniß setzen, und ihm offen mein Herz und meine Wünsche darlegen. Sie lächeln, mein Freund, es ist wahr, ich bin immer noch ein armer Träumer, der auf das Herz speculirt und glaubt, daß die Wahrheit endlich doch zum Siege gelangen müsse. Aber ich will mir wenigstens sagen können, daß ich meine Pflicht gethan, daß ich den Muth der Wahrheit gehabt habe. Ich gehe noch heute zum Kaiser nach Wolkersdorf. Noch einmal will ich es wagen, offen und freimüthig zu ihm zu sprechen! Ich will mindestens meinen Feinden mit offenem Visir gegenüber treten, und ihnen beweisen, daß ich sie nicht fürchte. Gott weiß es, gälte es nur meine persönliche Ehre und Sicherheit, so würde ich mich schweigend zurückziehen und meinen Gram und meine Besorgnisse in mich selber verschließen, aber es gilt mein Vaterland, es gilt das arme, in seiner Liebe so begeisterte, in seiner Treue so standhafte Tyrol, es gilt die Ehre und den Ruhm unserer Waffen! Ich wage also noch einmal das Wort der Wahrheit, und möge Gott ihm Kraft verleihen!


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