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Drittes Buch.
Die Tage der Erhebung.


I.
Die Brücke von St. Lorenzen.

Den ganzen Tag und die ganze Nacht war Anton Wallner mit seiner Schaar durch das Pusterthal weiter gezogen, den Weg nach der Mühlbacher Klause dahin. Ihm zur Seite war seine Tochter Elise gewandert, und sein Freund und Gesinnungsgenosse, der junge Johann Panzl, hinter ihnen marschirten die muthigen Tyroler, die an jedem Ort, durch welchen sie kamen, Zuzug erhielten und bald zu einer mächtigen Schaar anwuchsen, welche mit lautschallendem Jubel Anton Wallner zu ihrem Ober-Commandanten und Johann Panzl zum Unter-Commandanten der Pusterthaler ernannten.

Ich nehm's an, Ihr Freunde, sagte Wallner seinen Hut lüftend und freundlich grüßend, ja, ich nehm's an, und will Euer Ober-Commandant sein, will Euch redlich und getreulich führen, immer dem Feind entgegen. Aber wollt Ihr mir auch allzeit folgen, und das Feuer nicht fürchten, und nit vor den Kanonenkugeln Reißaus nehmen?

Nein, nein, das wollen wir nit, rief die muthige Schaar, wir wollen treu zu Dir halten, und mit Dir kämpfen für's Vaterland und den Kaiser!

Das ist brav von Euch, Ihr Männer, schrie Johann Panzl, einen Luftsprung machend, der den Tyrolern ein Ach der Bewunderung entlockte. Ich sag', es ist brav von Euch, daß Ihr so denkt, und darum will ich mit Freuden auch die Ehr' annehmen, die Ihr mir bietet, und will Euer Unter-Commandant sein, will unserm braven Ober-Commandanten stets gehorsam sein und ihm dienen und will ihm helfen, mit Euch für Gott und unsern Kaiser den Feind aus dem Land hinauszujagen! Hui, Ihr lieben Tyrolersleut', wenn wir nur endlich die Franzmänner und die Boarfoks erwischen könnten, um sie beim Kragen zu packen und zum Land 'naus zu schmeißen. Ich sag's Euch, wenn das geschehen ist, so führ' ich Euch mit der Elise Wallner, meiner lieben Muhme, ein Tanzl auf, daß dem Glockner und dem Venediger vor Vergnügen ihre alten Schneeköpf' schmelzen und warm werden sollen! Nit war, Lisel, wir Zwei, die wir die berühmtesten Tänzer im ganzen Pusterthal sind, wir führen ihnen ein Siegestanzl auf?

Wir thun's, Vetter Panzl, sagte Elise lächelnd. Aber ehe wir tanzen, müssen wir vorwärts marschiren, aber nimmer rückwärts laufen.

Nein, nimmer rückwärts laufen, riefen die fröhlichen, siegesmuthigen Tyroler.

Vorwärts also, vorwärts! commandirte Anton Wallner, und die ganze Schaar setzte sich in Bewegung und eilte im Sturmschritt über die Berge und durch die Thäler dahin, überall mit Jauchzen empfangen, überall Zuzug erhaltend durch die Männer, die frohbegeistert aus den Hütten hervorstürzten, den Stutzen, oder wenn sie den nicht hatten, irgend eine andere Waffe, wenn auch nur einen hölzernen Knüttel im Arm, und so den Vaterlandsvertheidigern mit tapferm Muth sich anschlossen.

Schon näherten sie sich dem Ziel ihrer Wanderung, dort drunten lag schon die Stadt Brunnecken in weiter Thalfläche da, überragt von der Veste Brunneck und andern alterthümlichen, halb verfallenen Burgen, und hinter denselben, weit unten im engern, von hohen Bergmassen eingeschlossenen Thal, durch welche die Rienz mit schäumenden Wellen dahinschießt, sah man schon das Städtchen St. Lorenzen. Hatte man St. Lorenzen erst erreicht, so fehlte nur noch eine Stunde muthiger Wanderung bis zur Mühlbacher Klause, welche die muthigen Pusterthaler, wie Andreas Hofer es ihnen befohlen, besetzen und vor dem von Botzen heraufziehenden Feind sichern sollten.

Aber auf einmal, mitten im raschen Wandern, stand Anton Wallner still, und sich rückwärts wendend, gab er Panzl, der weiter abwärts zur Seite der Tyroler marschirte, ein Zeichen anzuhalten. Die ganze Schaar stand jetzt still und horchte.

Ja, es war kein Zweifel, das waren Flintenschüsse, welche dort in der Ferne krachten, und jetzt hörte man das laute Donnern der Kanonen, und dazwischen tönte weitschallend durch das Thal das Sturmläuten der Glocken von Brunnecken und St. Lorenzen.

Jetzt vorwärts, Tyroler, vorwärts! schrie Anton Wallner. Im Sturmschritt hinunter nach Brunnecken!

Vorwärts! schrieen die Männer, jubelten die Weiber, die muthig hier und dort ihren Männern sich angeschlossen und gleich ihnen bereit waren, zu kämpfen für ihr Vaterland und ihren Kaiser.

Im Sturmschritt ging es hinunter nach Brunnecken. Die ganze Stadt schien hier in Aufruhr und Bewegung. Männer, Greise, Weiber, Kinder, Alles eilte dem Thore zu, das nach St. Lorenzen dahinführt.

Was giebt's? schrie Anton Wallner, einen Greis beim Arm packend, der, mit einer Heugabel bewaffnet, im rasenden Lauf dahineilte.

Was es giebt? fragte dieser, bemüht, sich von der machtvollen Hand loszureißen. Es giebt, daß es endlich losgeht. Die Baiern wollen die Brücke bei St. Lorenzen sprengen, damit die Oesterreicher nit hinüber können. Das ganze Militair-Detachement hier aus Brunnecken ist schon hinausgezogen, und dazu sind heut' Morgen von Brixen Sapeurs ankommen, die die Brück' sprengen sollen. Aber wir wollen's nit leiden. Sie müssen uns erst allmitsammen todtschießen, eh' wir's leiden, daß sie die Brück' sprengen!

Nein, wir wollen's nit leiden! schrie Anton Wallner. Vorwärts, Ihr Männer aus dem Pusterthal, vorwärts nach der Brücke von St. Lorenzen!

Im Sturmschritt ging's weiter das Thal entlang. Immer deutlicher hörte man jetzt das Knattern der Flintenschüsse, das Rollen des Kanonendonners, und jetzt, wo das Thal eine Biegung machte, bot. sich das wunderbarste, überraschendste Schauspiel dar.

Dort hinten lag die über einen weiten Abgrund sich wölbende Brücke, ihr zur Seite in enggeschlossenen Reihen standen zwei Bataillone bairischen Fußvolkes, und auf einer Anhöhe zur Seite der Rienz waren drei Kanonen aufgefahren, drohend zugleich gegen die Brücke gerichtet, und gegen das Volk, das in immer dichteren Massen gegen die Brücke heranzog. Vor den Reihen der Baiern sprengten die Hauptleute und Officiere auf und ab, ihre Soldaten zum Angriff anfeuernd, zum Angriff auf diese Volkshaufen, die hinter ihnen, und vor ihnen und von beiden Seiten heranzogen. Von allen Höhen stürzten sie hernieder, die muthigen Söhne Tyrols, das Sturmgeläute von Brunnecken und St. Lorenzen hatte sie nicht umsonst gerufen. Sie kamen die Berge hinunter, das Thal hinauf, sie kamen, Männer und Weiber, Greise und Kinder, und Jeder war bewaffnet, nur wer kein Gewehr besaß, der hatte einen Dreschflegel, eine Heugabel, einen Knittel. Wie ein breiter, buntschillernder Strom wogte die Menschenmenge von allen Seiten heran, und den Schaaren vorauf und inmitten derselben sah man Priester im vollen Ornat, das Crucifix hoch emporhaltend, die Schaaren segnend mit frommen Worten, sie zum Kampf anfeuernd mit glühenden Verwünschungen gegen den Feind.

Und dazwischen donnerten die Kanonen, deren Kugeln immer und immer wieder gegen die Brücke krachten, heulten die Glocken von den Kirchthürmen und knatterten die Schüsse aus den Büchsen der Baiern. Aber diese trafen nur selten ihr Ziel. Die Menge war zu entfernt für ihre Kugeln und nur zuweilen verkündete irgend ein lauter Schrei, daß eine verlorne Kugel ihren Weg in die Brust eines Tyrolers gefunden. Desto sicherer aber trafen die Kugeln der Tyroler Schützen, die zu beiden Seiten des Thals auf den Anhöhen sich geborgen und aus ihrem Versteck hervor auf die Baiern schossen, niemals ihr Ziel verfehlten, und mit jedem Schuß sicher und tödtlich in die Reihen der Baiern hineintrafen.

Mit einem Blick hatte Anton Wallner die ganze Situation begriffen und erkannt. Kinder! rief er mit schallender Stimme, die Kanonen müssen wir haben. Die Brücke darf nit zerstört werden, über welche die Oesterreicher kommen müssen. Auf zum Sturm! Die Kanonen müssen wir haben!

Ja, tönte es jubelnd durch die Schaar, die Kanonen müssen wir haben!

Und der Ruf tönte herüber zu einer andern Schaar Bewaffneter und ward mit stürmischem Jubelruf wiederholt, und dann aufgenommen wieder von der nächsten Schaar, und endlich halte es ringsum von den Höhen durch das Thal: die Kanonen müssen wir haben!

Anton Wallner gab seinen Schützen ein Zeichen und warf sich mit ihnen in das kleine Gehölz, das da zur Seite, unfern der Kanonen, den Berg hinauf sich erstreckte. Bald verschwand die muthige Schaar im Dickicht des Waldes, und als wäre es eine allgemeine Verabredung, verschwanden auch die andern Tyrolerhaufen im dichten Gehölz. Drunten im Thal aber lagen die Weiber und die Kinder auf den Knieen und beteten, und vor ihnen standen die Priester mit den Crucifixen, sie gleichsam mit denselben schützend vor dem Feind, der dort jenseits des Thals stand und dessen Reihen sich immer mehr lichteten von den Schüssen der Tyroler.

Auf einmal sah man jetzt dort auf der Höhe, oberhalb der Kanonen, wo zu beiden Seiten der Wald sich lichtete und die kahlen, zerbröckelten, moosbewachsenen Felsenmassen aufwärts stiegen, die Tyroler in bunten Schaaren aus dem Wald hervorstürzen. Ihnen Allen voran Anton Wallner und Johann Panzl. Mit lautem Siegesgeschrei sprangen die Beiden Jeder auf ein hervorragendes Felsgerölle und legten ihre Gewehre an. Die Schüsse krachten und zwei Kanoniere fielen, tödtlich getroffen, neben den Geschützen nieder.

Mit lautem Triumphgeschrei begrüßten die Tyroler diese That ihrer Anführer, drunten von den Baiern her aber ertönte das Commandowort der Officiere, eine ganze Salve krachte, die Kugeln pfiffen um Wallner's und Panzl's Ohren, aber keine hatte sie getroffen, und wie der Dampf verflog, sah man Johann Panzl, der mit lautem Jauchzen einen Luftsprung machte, während Anton Wallner ruhig seinen Stutzen wieder anlegte.

Abermals krachte sein Schuß und neben der dritten Kanone fiel der Kanonier blutend zusammen.

Jetzt, Kinder, drauf, wir müssen die Kanonen haben, schrie Wallner vorwärts springend, und schreiend und jauchzend stürzten die Schaaren hinter ihm drein, den Berg hinunter.

Vorwärts, vorwärts, commandirte da drunten im Thal der Obristlieutenant Wreden seinen Baiern, vorwärts, die Kanonen dürfen nicht in die Hände des Bauernvolks fallen, wir müssen sie vertheidigen bis auf den letzten Mann! Vorwärts also im Sturmschritt!

Und vorwärts stürmten die Baiern den Berg hinauf.

Aber schon war es den Tyrolern gelungen, sämmtliche Artilleristen zu erschießen oder niederzuschmettern, schon hatten sie der Kanonen sich bemächtigt. Während Anton Wallner mit einer wüthenden Schaar den heranstürmenden Baiern sich entgegenwarf und Tod und Verderben in ihre Reihen schleuderte, blieb Johann Panzl mit einer andern Schaar zur Vertheidigung der Kanonen zurück.

Ein wüthendes Gemetzel entstand jetzt, immer wieder wurden die heranstürmenden Baiern von den Tyrolern zurückgedrängt und die hinter den Bäumen und Felsblöcken aufgestellten Schützen halfen den kämpfenden Brüdern durch ihre Schüsse, die, sicher gezielt, niemals ihren Mann fehlten. Aber auch die Baiern, die weiter abwärts noch in der Ebene standen, waren bemüht, ihren im Kampfe und Handgemenge ringenden Gefährten beizustehen; doch die Kugeln, die sie hinaufschickten, trafen oft statt der Feinde in die Reihen der Freunde und erlegten die eigenen Landsleute. Oft freilich auch trafen sie ihr Ziel und trugen Wunden und Tod in die Haufen der Tyroler. Aber so oft dies geschah, sah man ein junges Weib mit todesverachtendem Muth sich mitten unter dem dichtesten Kugelregen in die Reihen der Kämpfenden stürzen, um den Gefallenen emporzuraffen und ihn mit starken Armen aus dem Getümmel des Kampfes fortzutragen nach jenem stillen Platz am Rande des Waldes, den ein vorspringendes Felsstück vor jeder Kugel des Feindes sicherte.

Dieses junge Weib, das war Elise Wallner. Dort hinter dem Felsblock hatte sie eine Art Lazareth sich errichtet; dort hatte sie einige Frauen und Mädchen um sich gesammelt, die mit ihr den heiligen Dienst der Pflege der Verwundeten übernommen hatten, während zwei Priester sich mit ihnen vereinigt hatten, um den Sterbenden die Sacramente des Todes zu reichen. Aber den schwierigsten und gefährlichsten Theil dieses Werkes der Liebe hatte Elise Wallner sich selber aufbewahrt. Sie allein hatte den Muth, sich in das Kampfgewühl zu stürzen, um die gefallenen Brüder ihm zu entreißen, sie allein hatte die Kraft, sie zu jenem stillen Asyl hinzutragen, und die Begeisterung, die freudige Zuversicht der guten That allein war es, welche ihr diese Kraft verlieh. Ihr Auge leuchtete, ihre Wange glühte, und das sonst so rosige, heitere Angesicht des jungen Mädchens zeigte jetzt jene klare Blässe, jene ernste stolze Ruhe, wie sie nur große Entschlüsse und erhabene Momente dem Menschenantlitz zu geben vermögen.

Und mit freudigem Eifer folgten die Frauen ihrem Beispiel, wuschen mit dem aus der nahen Quelle herbeigeholten Wasser die Wunden der Vaterlandskämpfer, zerrissen ihre Busentücher, ihre Oberkleider, um daraus die nöthigen Bandagen herzustellen und drückten denen, welche unter den Segnungen der Priester ihren Geist aufgaben, mit frommen Thränen des Mitleids die Augen zu.

Aus diesen frommen Werken der Liebe wurden die Frauen plötzlich durch ein lautes Triumphgeschrei der Ihrigen aufgeschreckt. Elise sprang hinter dem Felsen hervor, zu sehen, was es gäbe. Ein zweites, noch lauteres Triumphgeschrei ertönte, denn das Werk war vollbracht! Anton Wallner hatte mit seinen Schaaren seinen Zweck erreicht. Es war ihm gelungen, die drei Kanonen von der Höhe hernieder in die Rienz, die tief unten in ihrem felsigen Bett dahinrollte, hinabzustoßen. Die Erde bebte noch von dem furchtbaren Sturz, ringsum in den Felsen dröhnte noch das Echo von dem donnernden Geräusch, mit dem die Kanonen niedergefallen waren in die Rienz, deren Wasser mit schäumendem Gischt hoch aufgespritzt war und jetzt mit zürnendem Gebrause über die versunkenen Kanonen dahinstürzte.

Aber diese That, welche das Entzücken der Tyroler erregte, machte auf die Baiern die entgegengesetzte Wirkung. Sie hatten ihre Geschütze und damit die Mittel verloren, die Brücke zu sprengen, und jetzt standen sie unbedeckt, fast wehrlos dem Feind gegenüber. Dann rasch, auf ein lautes Commandowort Anton Wallners waren die Tyroler jetzt in den Wald zurückgesprungen, und hinter Bäumen und Felsstücken versteckt, trafen sie mit der Sicherheit ächter Tyrolerschützen mit jedem Schuß ihren Mann, während die Baiern vergeblich ihre Kugeln emporschickten zu den Sichergeborgenen.

Der Anführer der Baiern, Obristlieutenant Wreden, das Gefährliche und Nutzlose eines ferneren Kampfes erkennend, gab seinen Truppen den Befehl zum Rückzug, und die Baiern hatten diesen längst ersehnten Befehl nicht so bald erhalten, als sie auch im Sturmschritt sich von der Brücke zurückzogen und den Weg nach Sterzing einschlugen.

Diesem Rückzug des Feindes hatte das zweite Triumphgeschrei gegolten, welches Elise Wallner vernommen, und lachend und weinend zugleich vor Freude stürzte sie zu ihrem Vater hin, um ihn in ihre Arme zu schließen und Gott zu danken, daß keine Kugel ihn getroffen.

Wallner schloß sie zärtlich an sein Herz und drückte einen Kuß auf ihre Stirn.

Hast Dich brav gehalten, mein Liesel, sagte er, hab's wohl gesehen, wie Du unsere armen Brüder mitten aus dem Gefecht hervorgeholt hast. Mein Herz hat sich über Dich gefreut, und ich würd' heut' selbst nit geweint haben, wenn Du im frommen Dienst des Vaterlandes getödtet wärst. Aber ich dank' Gott, daß es nit geschehen ist, und ich bitt' Dich, mein Liesel, geh' nit weiter mit. Ich glaub' jetzt wieder an Dich und ich weiß, daß Du doch ein brav Tyrolerkind bist, wenn Du auch zum Unglück einen Baiern liebst. Geh' also heim, denn es ist kein Frauenwerk, das wir vorhaben, und harte Arbeit wird's geben und viel Blut wird noch fließen, bevor wir's Vaterland gereinigt haben vom schlimmen Baiern und gottverfluchten Franzosen!

Nein, Vater, ich bleib' bei Dir, rief Elise mit freudiger Entschlossenheit. Bin nit dazu geschaffen, daheim zu sitzen und zu spinnen und zu beten, wenn mein Vater für's Vaterland kämpft. Die Wirthschaft kann die Mutter schon allein besorgen und der Schröpfel, der hilft ihr dabei, aber die harte Arbeit, die's hier giebt, die kannst Du nit allein besorgen, und dabei will ich Dir helfen, mein herzliebes Vaterlein. Ich will der Arzt und Chirurgus sein bei Deiner Schaar, so lange, bis Ihr einen besseren und geschickteren Arzt gefunden habt. Darfst mich nit zurückweisen, lieb' Vaterle, denn's wär' Unrecht gegen die armen Verwundeten, die doch jetzt noch kein' Hülf' weiter haben, als mich allein und die Frauen, die ich bered' und erbitt', daß sie mir beistehen.

Hast Recht, Liesel, es wär' halt Unrecht, wenn ich Dich heimschicken und nit leiden wollt', daß Du den Verwundeten hilfst und beistehst, sagte ihr Vater ernst. So möge denn Gott und die heilige Jungfrau Dir beistehen und Dich behüten. Ich geb' Dich hin an's Vaterland, wie ich mich selber hingeb'!

Er küßte sie noch einmal und wandte sich dann den Tyrolern zu, die in einzelnen Gruppen am Saum des Waldes lagerten, und von dem Kampf ruhend, aus ihren Jagdtaschen von dem mitgebrachten Brod und Fleisch ihre Mahlzeit hielten.

Brüder! rief Anton Wallner mit machtvoller Stimme. Brüder, jetzt frisch auf und vorwärts. Wir müssen dem Feind den Rückzug nach Sterzing abschneiden. Wir müssen auch, wie's uns der Andreas Hofer im Namen des Erzherzogs Johann befohlen, die Mühlbacher Klause besetzen. Der Feind hat aber gerad' seinen Weg dahin eingeschlagen, und wenn er vor uns durch die Brixener Klause und zur Laditscher Brücke kommt, so werden wir's nit hindern können, daß er auch glücklich durch die Mühlbacher Klause hindurch kommt und nach Sterzing marschirt. Wir dürfen also jetzt nit ruhen, müssen rasch vorwärts! Ein Trupp von uns zieht mit dem Unter-Commandanten Panzl rasch vorwärts, auf dem Gebirgsweg gerad' hin in die Mühlbacher Klause. Wir andern kommen nach, nur müssen wir vorher den Feind in der Brixener Klause aufhalten, und während wir das thun, geht ein Theil von uns weiter hinunter nach der Laditscher Brücke und zerstört sie, damit der Feind nit über die Eisack 'nüber kann. Auf, Freunde! auf zur Brixener Klause! Wir müssen Bäume hinunterrollen, Felsstücke in Bewegung setzen und sie auf den Feind schleudern, wir müssen von der Höhe wie auf dem Schießstand sicher auf sie 'nabschießen, und jeder Schuß muß seinen Mann treffen! Auf, auf! zur Brücke von Laditsch hin!

Ja, ja! riefen die Tyroler freudigen Muthes, auf zur Brücke von Laditsch hin!


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