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III.
Beim Sterzinger Moos.

Andreas Hofer mit seinen Passeyrn war indeß über den Jaufen dahin gezogen, und überall hatte das Volk ihn mit lautem Jubel empfangen, überall hatte es sich erhoben, bereit ihm zu folgen, mit ihm zu kämpfen um die Befreiung des Vaterlandes, Gut und Blut einzusetzen für den Kaiser und das liebe Tyrol! – Mit jeder Stunde wuchs daher die Streitmacht Hofers. Mit einigen hundert Mann hatte er am neunten April seinen Zug begonnen, jetzt, am Morgen des eilften April, hatten sich schon mehrere tausend Mann um ihn versammelt, und mit ihnen hatte er jetzt schon die Höhen von Sterzing erreicht! Hier, wo man einen weiten Blick hatte über die Ebene, die sich nun vor ihnen aufthat, hier machte Andreas Hofer Halt, und befahl seinen Tyrolern sich zu lagern, und zu ruhen nach so langem, beschwerlichen Marsch. Er selber mochte nicht ruhen, denn sein Herz war sorgenvoll und schwer, und sein sonst so heiterer Blick war umwölkt und trübe.

Während die Andern ruhten und fröhlich des Weins und der Speisen genossen, welche die Weiber und Mädchen aus den nahen Ortschaften mit freudiger Bereitwilligkeit herbeischleppten, stieg Hofer höher den Fels hinauf, bis zu jener Felsenspitze, von welcher man einen freien Ueberblick weit über alle Höhenzüge ringsum und über die große Ebene zu seinen Füßen hatte. Sein vertrauter Adjutant, der Anton Sieberer, war ihm leise gefolgt, und als Hofer es sah, lächelte er und nickte ihm freundlich zu.

Schau' nur, Bruderherz, sagte er seufzend, hinabdeutend in's Thal. Wie friedlich das Alles aussieht, und wie ruhig. Da liegt das Sterzing so heimlich und nett und läßt sich bescheinen von der lieben Gottessonn', und in seinen Gärten blühen die Obstbäum', und die Maaßlieb' und Primeln und Hagebutt' haben ihre Aeuglein aufgethan, und schauen still vergnügt zum blauen Himmel auf. Und jetzt soll ich daher kommen, all' diese Ruh' zu stören, den lieben, stillen Gottesfrieden, wie ein Stück Papier, an dem nichts gelegen, aus einander zu reißen, und den Menschen als einen Uriasbrief in's Angesicht zu schleudern. Ach, Sieberer, es ist gar ein grausam' Ding um den Krieg, und wenn ich's so recht bedenke, so mein' ich halt' immer, es ist gar eine große Sünd', die die Menschen auf sich laden, daß sie gegen einander ausziehen, um sich zu erschlagen, zu erschießen und zu erstechen, als wären sie wilde Thiere, die einander zerfleischen wollen, und nit Menschen, die der liebe Herrgott nach seinem Bilde geschaffen hat. Und ich frag' mich in meines Herzens Zerknirschung, ob ich denn das Recht hab', meine lieben Freund' und Landsleut' aufzuhetzen, daß sie mir nachfolgen, und Jagd machen auf Menschen, die doch unsere Brüder sein sollen.

Wenn Du wirklich Dich das fragst, und den Muth verloren hast, so sind wir All' mitsammt verloren, sagte Sieberer düster. Der Andreas Hofer ist es, an den die Passeyr glauben, dem sie folgen zum blutigen Kampf um's Vaterland. Wenn der Hofer zaudert, so werden bald Alle verzagt werden, und es wär' besser, wir kehrten gleich jetzt noch um, und ließen uns noch ferner geduldig schinden und treten und würfen uns vor dem Bonaparte und seinen Franzosen fein demüthig nieder in den Staub, statt wie freie Männer das Haupt zu erheben, und zu streiten für unser gutes Recht.

Wir sind zu weit gegangen, wir können jetzt nit mehr zurück, sagte Andreas Hofer sanft, indem er leise sein Haupt schüttelte, und sinnend zum Himmel empor starrte. Dann nach einer Pause fuhr er mit lauter, kräftiger Stimme fort: und wenn's nit so wär', und wenn wir noch zurück könnten, so möcht' ich's doch nit. Werd's nimmer bereuen, daß ich meine Stimm' erhoben hab' für's Tyroler Land'l, und für den Kaiser, hab' auch nit den Muth verloren, und bin nit zaghaft worden, wie Du denkst, Bruder Sieberer. Ich weiß halt wohl, daß wir's unserm guten Kaiser und unserm Vaterland schuldig sind, daß wir's vertheidigen mit unserm Gut und Blut, und ich zittere halt auch nit für mich. Hab' mein Leben und mein Blut dem lieben Vaterland dahin gegeben, hab' Abschied genommen von Weib und Kind, und gehör' jetzt nur noch dem Land'l und dem Kaiser an. Wär's mit meinem Blut allein gethan, und wär's genug, daß sich der Hofer opferte, sieh'st Du, so würd' ich mich freudig und mit einem Dankgebet von der Höh' hier 'nunter stürzen, und mein Gebein zerschellen, und würd' im Sterben Gott danken, daß er mich halt so großer Gnad' gewürdigt, und mit meinem Blut die Freiheit des Land'ls erkaufen läßt. Aber ich bin nur ein armer und geringer Knecht und Streiter Gottes, und mein Blut allein thut's nit, sondern ihrer Viele werden ihr Blut vergießen und sterben müssen, damit die Andern die Freiheit schauen, und dem lieben Kaiser wieder angehören. Und darum, wenn ich mir halt die tapfern Männer und die jungen Bursch' anschau, die meinem Ruf gefolgt sind, so erbarmt's mich, und ich frag' mich halt immer wieder: hast ein Recht gehabt, sie von ihrem Haus, von Weib und Kind fortzurufen, um sie vielleicht dem Tod entgegenzuführen? Wird der liebe Herrgott mir nit fluchen, daß ich hab' Aufruhr und Krieg gepredigt, statt Demuth und Unterwerfung?

Bist sonst ein frommer und gottesfürcht'ger Mann, Anderl, sagte Sieberer mit einem vorwurfsvollen Blick, und hast doch vergessen, was der Herr Jesus Christus zu den Pharisäern gesagt hat?

Was meinst, Anton? Sag' es mir, wenn's ein Trost für mich ist!

Er hat gesagt: »gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gottem, was Gottes ist!« Nun denk' ich wohl, daß unser Tyrol doch halt' dem Kaiser gehört, und daß die Baiern und Franzosen gar nichts nit damit zu schaffen, sondern es dem Kaiser nur fortgestohlen haben. Wir thun also nach den Befehlen des Herrn Jesu Christ, wenn wir unser Gut und Blut und Leben d'ran setzen, dem Kaiser wieder zu geben, was des Kaisers ist. Und ich denk auch wohl, daß die Kirchen und die Klöster die Häuser sind des lieben Herrgotts und ihm allein gehören. Die Baiern aber, die haben im Tyrolerland auch dem lieben Herrgott seine Häuser gestohlen, und haben seine Diener mit Schimpf und Schanden ausgetrieben und verjagt. Wir thun also abermals nach den Befehlen des Herrn Jesu Christ, wenn wir unser Gut und Blut und Leben d'ran setzen, Gottem wieder zu geben, was Gottes ist, und wenn wir dabei all' mitsammen unser Leben verlieren, so sind wir gestorben im heiligen Dienste für Gott und den Kaiser!

Hast Recht, Bruder Sieberer, rief Hofer freudig, und ich dank' Dir, daß Du mein Herz wieder aufgerichtet und gestärkt hast. Ja, wir stehen im Dienst für Gott, unsern Kaiser und's liebe Tyrolerland'l.

Und dem Andreas Hofer hat Gott und der Kaiser die Pflicht auferlegt, daß er wirken soll zugleich als der Prophet Gottes, und der Feldherr des Kaisers, sagte Sieberer feierlich. Gehe also hin, Andreas, und thue Deine Pflicht!

Ich werd's thun, treu und tapfer bis an mein Ende, rief Hofer begeistert. Dann hob er das kleine Crucifix von seiner Brust empor, küßte es inbrünstig und betete leise.

Ueber Anton Sieberer's Antlitz flog ein leises, spöttelndes Lächeln, aber es verschwand schnell wieder, als er jetzt seine Augen ganz zufällig über die nahen Berge dahin gleiten ließ. Seine Blicke richteten sich scharf und spähend dorthin, nach dem Bergpfad, der von Mittewald daher führte. Er sah da einen kleinen schwarzen Punkt, der rasch sich vorwärts bewegte. War's ein Vogel? Nein, jetzt war der Punkt schon größer geworden, jetzt schon erkannte er deutlicher, es war ein Mensch, – es war ein Weib, welches den Bergpfad daher sprang. Jetzt war sie schon so nahe, daß man deutlich ihr Gesicht erkennen konnte; es war das Antlitz eines jungen Mädchens, ihre Wangen glühten, ihre Augen blitzten; muthig und kühn, wie eine Gemse, sprang sie vorwärts, ihre langen schwarzen Zöpfe flogen um sie her, ihr Busen hob sich stürmisch unter dem faltigen weißen Mieder.

Jetzt stand sie einen Augenblick still, und schien zu lauschen, dann neigte sie sich weit vor über den Abgrund, an dem sie stand, und in dem die Tyroler-Schaaren sich gelagert hatten. Als sie dieselben erblickte, jauchzte sie fröhlich auf, und vorwärts springend, rief sie jubelnd: das sind die Passeyr! und nun werd' ich auch ihren Anführer finden, den Andreas Hofer! Andreas Hofer, ich ruf' Dich, Andreas Hofer!

Hier bin ich! rief Hofer, aus seinem inbrünstigen Gebet emporschreckend, und einige Schritte vortretend.

Das junge Mädchen stutzte bei dem Anblick der beiden Männer, die durch einen großen Felsblock ihr bisher verborgen gewesen, aber sie blickte sie forschend und klar an, und schien gar nicht erschrocken, und ängstlich zu sein.

Bist auch wirklich der Andreas Hofer? fragte sie athemlos.

Frag' den da, ob ich's bin, sagte Hofer lächelnd, auf Sieberer deutend.

Ist nit nöthig, erwiderte sie ruhig, seh's schon, daß Du's bist. Schau'st grad' so aus, wie Dich mein Vater mir beschrieben hat. Da ist der lange Bart, und das Crucifix, und das Heiligenbild auf der Brust, und da sind die guten Augen, und's ganze liebe und herzige Gesicht. Grüß Dich Gott, Andreas Hofer, und viel schöne Grüß' bring' ich Dir von meinem Vater, dem Anton Wallner Aichberger.

Grüß Dich Gott, Mädel, rief Andreas Hofer, ihr seine beiden Hände darreichend. Elise nahm sie, dann neigte sie sich und drückte einen heißen Kuß auf Hofer's Rechte.

Mädel, was thust nur? fragte Hofer ganz verwirrt und beschämt.

Ich küßt' die liebe ehrwürdige Hand, die der Herrgott ausersehen hat, Tyrol zu befreien, sagte sie, die liebe Hand, die so fromm den Rosenkranz und so tapfer das Schwert hält, die Hand, in die mein Vater seine Hand, als wie auf einen Altar gelegt, als er zu Gott schwur, daß er helfen wollt', das Tyrolerland vom bösen Feind zu befreien, und es dem Kaiser wieder zu geben.

Ei, Sieberer, schau mal 's Mädel an, wie die zu schmeicheln versteht, rief Andreas ihr lächelnd die glühende Wange streichelnd. Und Dein Vaterle, sagst Du, hat Dich zu mir geschickt?

Ja, Andreas Hofer, so sagt ich, und so ist's. Bin den ganzen, gestrigen Tag gelaufen, und heut' früh mit der Sonn' wieder aufgestanden, und weiter gelaufen, um schnell bei Dir zu sein, und Dir meines Vaters Botschaft zu bringen.

Wirst müde sein, armes kleines Dingerle, sagte Hofer herzlich. Setz Dich dorthin auf den Felsblock! So! Und nun sprich!

Zuerst läßt Dir der Anton Wallner seinen besten Gruß vermelden, und läßt Dir sagen, er hab' treu sein Wort erfüllt, und's ganze Pusterthal sei schon im Aufstand, und alle Männer folgten ihm und wollten mitsammen kämpfen für's Tyrolerland und den lieben Kaiser Franz. Und einen tüchtigen und blutigen Kampf hätten wir schon bestanden bei der Laditscher Brücke, und vorher schon bei der Brück' von St. Lorenzen. In der Brixener Klause sind viele Feinde erschlagen, und auch bei der Laditscher Brück' liegen viel todte Baiern und Franzosen, aber auch viele von den Unsrigen. Sie haben tapfer gekämpft, aber es waren ihrer zu viele Baiern und Franzosen, und so haben sie sich zuletzt doch durchgeschlagen, und sind weiter gezogen gen Sterzing zu. D'rum hat mich der Vater eilends abgeschickt, daß ich Dir die Botschaft bringen und Dir sagen sollt: seid auf Eurer Huth! es kommen ein paar tausend Baiern und Franzosen auf Sterzing zu. Zwar halten die Unsern die Mühlbacher Klause besetzt, aber der Feind ist zu stark, die Unsrigen werden ihn doch nit bewältigen und ganz und gar vernichten können.

So wird er also hierher kommen, rief Andreas Hofer.

Ja, und es wird endlich zum Kampf kommen, sagte Anton Sieberer freudig. Es ist gut, daß es so ist, und daß die Unsern endlich in's Gefecht kommen, damit sie ihre Kraft prüfen und Blut fließen sehen.

Und die Oesterreicher kommen noch immer nit, seufzte Hofer.

Ja, die Oesterreicher kommen, rief Elise. Auch das soll ich Dir sagen vom Anton Wallner. Die Oesterreicher kommen. Ein paar hundert Mann waren schon bei uns an der Laditscher Brück'. Es war der Vortrab von ihnen, und sie sagten, daß die Andern alle bald nachfolgen würden.

Das ist der General Hiller mit seinen Truppen, die von Salzburg kommen, sagte Hofer. Aber wo bleibt denn der Chasteler und Hormayr, die von Kärnthen her zu uns kommen wollen? Ich denk', sie zaudern gar sehr.

Aber die Baiern zaudern nicht, sagte Elise, und gar grausame und wilde Leute sind's. Bin nicht hineingegangen nach Sterzing, aber die Leut' unterwegs haben mir erzählt, wie die Baiern da drin gestern gewüthet, gemordet, gesengt und gebrannt haben, und die mir's erzählten, die weinten vor Wuth und vor Schmerz. Die ganze Stadt ist in Aufruhr und haben sich Alle bewaffnet für den Kaiser Franzl, und wollen lieber sterben, als dem Baier und dem Franzosen noch länger gehorchen. Dem Major von Bärenklau, der in Sterzing liegt mit den bairischen Soldaten, dem ist endlich ganz angst und bange worden, und als er gehört hat, daß von der einen Seit' der Andreas Hofer mit seinen Passeyrn gegen ihn heranzieht, und auf der andern Seit' der Anton Wallner mit den Pusterthalern die Laditscher Brücke besetzt hält, da hat er's am gerathensten gehalten, aus Sterzing hinaus zu ziehen, um die Unsern auf offenem Felde zu erwarten. Hab' sie drunten im Thal wandern sehen, während ich auf der Höhe dahin schritt, und ich denk', es wird nit gar lange dauern, so werden wir sie drunten in der Ebene sehen können.

Schau, da sind sie schon, rief Anton Sieberer, der, während Elise sprach, mit seinen Falkenaugen weit hinausgespäht hatte in die Ebene des sogenannten Sterzinger Mooses.

Wirklich, dort hinten sah man jetzt eine große schillernde Masse heranziehen. Ja, das waren bairische Soldaten, und sie kamen näher und näher. Hurrah, die Baiern kommen, der Kampf beginnt, rief Anton Sieberer jauchzend, und weiter unten am Abhang, wo die Tyroler lagerten, tönte es jauchzend mit tausendstimmigem Ruf wieder: die Baiern kommen! Der Kampf beginnt.

Der Kampf beginnt, sagte Hofer, und Gott geb' uns in seiner Gnad' und Barmherzigkeit, daß nit gar so viel Blut vergossen wird, und daß wir siegen! Komm, Du liebes Mädel, ich nehm Dich unter meinen Schutz, denn jetzt kannst halt doch nit gleich wieder Deinen Rückweg antreten, sondern mußt schon hier bleiben bei mir. Ich werd' schon sorgen, daß Dir nichts geschieht, und während wir kämpfen, werden wir schon eine Höhle oder ein Felseneckel finden, wo wir Dich verstecken.

Ich versteck' mich nicht, Andreas Hofer, sagte Elise stolz. Die Priester und die Weiber haben auch ihren Dienst zu thun im Krieg, müssen die Verwundeten aus dem Gefecht forttragen, müssen sie verbinden, müssen mit den Sterbenden beten, die Verwundeten, die am Leben bleiben, pflegen.

Du bist ein tapfer Tyrolerkind, das ist eine Freud', Dich zu hören, rief Andreas Hofer freudig. Jetzt komm, wir wollen uns besprechen mit den Unsern.

Er faßte Elisen's Hand, winkte seinem Adjutanten Sieberer, und schritt mit ihnen den Felsen hinunter zu den Tyrolern.

Sie ruheten und lagerten nicht mehr, sondern hatten sich Alle schon erhoben, und sahen mit gespannter Aufmerksamkeit nach dem Feinde hin. Als sie Hofer erblickten, jubelten sie, und forderten mit lautem Geschrei, daß er ihnen gestatte, dem Feinde entgegen zu ziehen.

Erst lasset uns sehen, wo hinaus er will, und was er für Absichten hat, sagte Hofer bedächtig. Vielleicht weiß er nit, daß wir hier sind, und will weiter ziehen. Dann lassen wir ihn ziehn, und folgen ihm nach und greifen ihn erst an, wenn er in der Mittewalder Klause drin steckt.

Nein, er will nicht weiter ziehen, rief Sieberer. Seht, er postirt sich auf der Ebene, er bildet Carré's, wie sie's vom Bonaparte gelernt haben. Oh Brüder, jetzt drauf und dran. Fürchtet Euch nit, ich kenn' solche Carré's, hab' Anno fünf oft mit den Brüdern gegen sie Sturm gelaufen, und wir haben sie genommen. Drauf also, drauf, Ihr Freunde! Jetzt gilt's: für Gott und unsern Kaiser!

Für Gott und unsern Kaiser! riefen die Tyroler, und Jeder griff nach seiner Waffe, und machte sich bereit.

Halt, halt, rief Hofer mit machtvoller Commandostimme. Habt mich zu Eurem Commandanten gewählt, so müßt Ihr mir nun auch gehorsam sein, und meine Befehle respectiren.

Wir wollen's auch, schrieen die Tyroler. Sag's nur, Ober-Commandant, was wir thun sollen, und wir werden gehorchen.

Ihr sollt nit hinunter gehen in die Ebene, und nit von allen Seiten den Feind angreifen. Denn die Carré's, seht Ihr wohl, die sind schußfertig nach allen Seiten, und wenn Ihr sie also auf offener Ebene allseitig angreift, so seid Ihr ganz schutzlos. Zumal da sie besser bewaffnet sind als wir, und Kanonen haben, so wird das vielen von den Unsern das Leben kosten, und gar viel Menschenblut wird dabei nutzlos vergossen werden.

Wahr ist's, was der Ober-Commandant sagt, murrten die Tyroler. Es ist immer besser, wenn wir den Feind von 'ner gedeckten Stellung aus angreifen, und ein paar Berg' im Rücken haben.

Und solche gedeckte Stellung, von der aus Ihr angreifen sollt, die will ich Euch jetzt zeigen, sagte Andreas Hofer mit seiner überlegenen Ruhe. Schaut mal 'nein, links uns zur Seit'. Seht Ihr da den Hohlweg, der in's Gebirg' 'nein führt? Nun, wir gehen jetzt auf dem Bergweg rasch dahin, steigen nieder in den Hohlweg, und von dem aus stürzt Ihr dann Euch auf den Feind.

Ja, ja, das ist wahr! Das thun wir! Der Andreas Hofer ist ein guter Feldherr! riefen die Tyroler unter einander.

Hofer winkte ihnen mit einer gebieterischen Handbewegung. Haltet Euch jetzt fein still und ruhig, sagte er, damit wir den Feind nit vor der Zeit auf uns aufmerksam machen, und er nit den Hohlweg besetzt, ehe wir da sind. Rasch also, vorwärts im Wald entlang und dann geräuschlos allmitsammen niedergestiegen in's Thal. Aber erst, ehe denn Ihr aufbrecht zum Kampf, lasset uns jetzt noch zwei Rosenkränze beten! Wenn's Glück uns kommen soll in der Schlacht, müssen wir's mit Gott angreifen.

Er nahm seinen Rosenkranz und betete, und die Tyroler neigten ehrfurchtsvoll und fromm ihre Häupter und beteten, gleich ihrem Ober-Commandanten.

Dann huschten sie geräuschlos und rasch durch das Waldesdickicht dahin, ihnen voran Andreas Hofer, mit zärtlicher Sorgfalt Elise Wallner an der Hand führend.

Endlich war der Hohlweg erreicht, und eben schickte Hofer sich an, gleich den Andern hinabzusteigen in den Hohlweg, als Anton Sieberer, Jacob Eisenstocken, und einige Andere der bedeutendsten Tyroler zu ihm traten, und ihn mit liebevoller Gewalt zurückhielten.

Ein Feldherr geht nicht persönlich in den Kampf, sagte Eisenflocken. Das ist nicht seines Amtes. Er hat mit seinem Kopf die Schlacht zu lenken, nicht aber sie mit seinem Arm durchzufechten.

Denk' doch, daß der Bonaparte sich nit genirt, und auch in der Schlacht seine Soldaten nicht verläßt, sagte Andreas Hofer, bemüht die Andern bei Seite zu drängen und vorwärts zu schreiten.

Nein, herzliebster Ober-Commandant, rief Anton Sieberer, Du darfst nit hinunter. Bedenk', was sollt' aus uns und unserer Sach' werden, wenn unserm Ober-Commandanten ein Leids widerführ, und eine Kugel ihm sein liebes Haupt zerschmetterte? Unsere Freund' und Schützen würden meinen, ihnen allsammt auf einmal wär' ne Kugel durch den Kopf geschossen, würden sich alle zerschmettert fühlen, die Courage verlieren und unsere Sach' verloren geben. Nein, nein, Andreas Hofer, Du bist's Deinem Vaterland, Deinem Kaiser und Deinen Tyrolern schuldig, daß Du Dich nit in all zu große Gefahr begiebst, denn Dein Leben ist uns nothwendig, und Du bist die Fahn', der die Tyroler folgen. Wenn unsere Fahne sinkt, laufen unsere Tyroler vor Schrecken und Angst davon. Darfst also nit in den Kampf, heute nicht, und niemals sonst!

Es ist wahr, ich seh's ein, sagte Hofer traurig. Sie würden gar sehr erschrecken, wenn ihren Ober-Commandanten eine Kugel träf, und so füg' ich mich denn und bleib dahier. Du bleibst bei mir, Anton Wallner's Liesele, und auch der Ennemoser, mein Schreiber soll bei mir bleiben. Jetzt geht Alle, und der liebe Herrgott geb', daß wir uns allmitsammen wiedersehn. Hier an dieser Stell' bleib' ich, und wer was von mir will, der soll zu mir kommen. Ich kann von hier aus die ganze Ebene vom Sterzinger Moos überschauen. Nun, meine lieben Freunde und Brüder, rief er mit laut schallender Stimme, nun mit Gott, für's Vaterland und Euren Kaiser!

Mit Gott für's Vaterland und unsern Kaiser! riefen die Tyroler, mit Sturmesgewalt den Berg hinunter laufend, in den Hohlweg hinein, um von dort aus hervorzubrechen auf den Feind.

Aber die Baiern waren auf ihrer Huth gewesen, und ihr Anführer, der Obrist von Bärenklau, hatte, die Taktik der Tyroler errathend, seine beiden Kanonen gegen den Hohlweg auffahren lassen.

Jetzt donnerten die ersten Schüsse aus ihren Mündungen hervor, und zugleich krachten die Gewehrsalven von allen Carré's den anstürmenden Tyrolern entgegen. Die Tyroler, nicht gefaßt auf einen so schnellen und heftigen Angriff, entsetzt von den Verheerungen, welche die Kugeln in ihren Reihen anrichteten, wichen zurück, rannten über die Leichen der Ihrigen dahin, wieder dem Hohlweg zu. Aber da stand die Schaar der Frauen, welche dem Zug gefolgt, welche aus Sterzing, aus der ganzen Umgegend herbei geeilt waren, und sich mit den Tyrolern aus dem Hohlweg fast bis zu den Carré's des Feindes hinaus gewagt hatten. Sie empfingen die Ihrigen mit Scheltworten und zürnenden Blicken, sie sprachen ihnen Muth ein, sie baten und flehten mit gefalteten Händen, mit Thränen in den Augen, die Sache des Vaterlandes nicht zu verlassen, nicht wider die Ehre gleich beim ersten Kampf muthlos zu werden, und sich zum Gelächter der verhaßten Baiern und Franzosen zu machen.

Und die Männer hörten auf die Stimmen, sie tranken sich Muth aus dem Wein, den die Weiber ihnen darreichten, und stürmten zum zweiten Mal vorwärts. Ihre Schüsse krachten und schmetterten die vordersten Glieder der Baiern nieder, aber hinter den Leichen standen die zweiten Glieder, und ihre Musketensalven gaben den Tyrolern Antwort, und ihre Kanonen brüllten ihre Donner über die von Blut und Pulver dampfende Ebene dahin.

Zum zweiten Mal wichen die Tyroler zurück, denn das mörderische Feuer der Baiern machte sie betäubt, entsetzt, muthlos.

Auf die Art werden wir nimmer siegen, und die Unsrigen sind verloren, sagte Andreas Hofer, der in athemloser Spannung von der Höhe aus dem Kampf zuschaute. Aber wir dürfen nicht die Schand' haben, daß wir besiegt werden, gleich im ersten Gefecht, denn die Unsern werden dann die Courag' auf immer verlieren. Frisch auf, Ennemoser, laufe hinunter, sag' ihnen, sie sollen's zum dritten Mal wagen, und wenn sie's nit thäten, so ging' der Andreas Hofer ganz allein dem Feind entgegen, und blieb da stehen, bis ihm die Kugeln zerschmettert hätten.

Der junge Schreiber Ennemoser stürzte von dannen, Hofer drückte sein Crucifix an seine Lippen und betete, Elise Wallner trat bis dicht an den Rand des Abhanges, und blickte mit ihren leuchtenden Falkenaugen hinunter auf die Ebene. Ihre Augen füllten sich mit Thränen, als sie die vielen Leichen sah, die zu beiden Seiten des Hohlwegs lagen, aber auch drüben die Carré's des Feindes waren schon bedeutend gelichtet, auch in ihren Reihen hatte der Tod mörderisch gewüthet.

Andreas Hofer, rief sie jetzt, laut aufjubelnd, Deine Botschaft hat geholfen. Die Unsern stürmen vorwärts. Hörst nit, wie sie jauchzen und jubeln?

Ich hör's und der liebe Herrgott steh' ihnen bei, seufzte Andreas Hofer, dicht zu Elisen herantretend.

Sie sahen jetzt, wie die Tyroler im Sturmschritt wieder aus dem Hohlweg hervorstürzten, wie sie dem Feind entgegenstürmten, der sie mit seinen Kanonen und Gewehrsalven empfing.

Aber ach, sie sahen auch, wie die Tyroler abermals, wenn auch langsamer wieder nach dem Hohlweg zurückwichen.

So geht's nimmer, rief Hofer verzweiflungsvoll. So werden die Unsern ermordet, und können nit hinan an den Feind, der mit seinen Kanonen wie mit Sensen mäht. Oh mein Herrgott, zeig' mir doch ein Mittel, den Unsrigen zu helfen!

Er ließ seine trostlosen Blicke, gleichsam nach Rettung spähend, umher schweifen über die Ebene. Auf einmal blitzte ein heller Freudenschein in seinen Augen auf.

Ich hab's Mittel gefunden, ich dank' Dir, mein Herrgott, rief er laut. Schau, Liesel, schau dorthin. Was siehst dort auf der Ebene hinter dem Hohlweg?

Ich seh' dort vier hochbepackte Heuwagen, sagte Elise, ja, vier Heuwagen, weiter nichts!

Und die Heuwagen, das ist unsere Rettung! Sie müssen durch den Hohlweg daher geführt werden, gerade auf den Feind los, dahinter verschanzen sich die Schützen, und kommen sicher vorwärts, und wenn sie nah genug sind, geben sie Feuer und strecken zuerst die Kanoniere nieder, damit die Kanonen schweigen, die so viel Unheil und Verderben unter den Unsern angerichtet haben. Komm', Liesel, wir wollen hinunter gehen zum Sieberer und den anderen Hauptleuten, und ihnen selber meine Ordre bringen! Es werden sich doch wohl vier beherzte Bursche finden, die den Gottesmuth haben, die Heuwagen vorwärts zu fahren?

Sie werden sich finden, rief Elise frohmüthig.

Es kommt nur drauf an, daß Einer sein Leben wagt, und den ersten Heuwagen führt. Die andern freilich, die sind dann schon vom ersten gedeckt. Aber der Erste, der ist dem Tod geweiht, und ich werd' Schuld sein an seinem Tod.

Er wird sterben für's Vaterland, rief Elise. Geh', Andreas Hofer, steig' hinab, und meld' den Unsern, was geschehen soll, denn es hat die größte Eil', daß die Heuwagen rasch herbei kommen, und den Unsern eine Deckung geben.

Komm, laß uns gehen, Liesel, gieb mir Deine Hand!

Nein, steigt Ihr voran, ich folg' Euch nach! Sogleich!


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