Helmuth von Moltke
Unter dem Halbmond
Helmuth von Moltke

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30.
Zweite Audienz beim Großherrn

Bujukdere, den 26. Juli 1837

Am Tage, nachdem ich dir das letzte Mal geschrieben hatte, wurde ich ins Mabeïn befohlen. Dieses Gebäude ist durch eine hohe Mauer von dem eigentlichen Serai oder Schloss geschieden, in welchem dann der Harem wieder besonders abgeteilt ist, der nur von Frauen, Verschnittenen und dem Großherrn selbst bewohnt wird. Wassaf-Effendi, der bisherige erste Sekretär und Günstling des Großherrn, von dem ich dir geschrieben hatte, war abgesetzt und seine Stelle durch Sayd-Bey eingenommen worden, den ich auf der Reise näher kennen gelernt hatte. Das Gespräch drehte sich um gleichgültige Gegenstände und unvermeidliche Komplimente. Eine Pfeife wurde nach der anderen geraucht, und Zeit und Weile fingen mir an lang zu werden, als Sayd-Bey mich aufforderte ihm zum Großherrn zu folgen; da dergleichen Audienzen hier selten und ungewöhnlich sind, so kam mir dieser Vorschlag sehr unvermutet. Ich war in meinem Überrock und Strohhut, also nichts weniger als feierlich gekleidet.

Das Palais Beglerbey, wo der Sultan im Sommer residiert, erhebt sich an der asiatischen Seite des Bosporus in einer sehr schönen Lage. Rechts sieht man die weißen Türme der Hissar oder alten Schlösser und den Bosporus hinauf bis fast nach Bujukdere, links Skutari, Pera und Galata, Konstantinopel und die Serajspitze mit ihren weißen Minaretts und schwarzen Zypressen. Beglerbey selbst ist ein ausgedehntes Gebäude, hellgelb angemalt, wie alle übrigen Wohnungen aus Brettern zusammengenagelt und mit zahllosen Fenstern, eins über dem anderen. Ich trat durch ein vergoldetes Tor in einen echt türkischen Garten mit kleinen, von Buchsbäumen eingefassten Blumenparterres, die Gänge mit Muscheln ausgestreut; die Bassins mit Goldfischen und Springbrunnen waren umstanden von Pyramiden aus Zypressen- und Orangenbäumen.

Ich sah mir eben diese Herrlichkeiten an, als der Großherr über eine Art Galerie aus dem Harem ging und uns aus dem Fenster rief heraufzukommen. Unten auf dem Flur, der mit schönen Marmorplatten ausgelegt ist, begegneten wir dem dritten Prinzen Sr. Majestät auf den Armen eines schwarzen Sklaven; ein sehr schöner Knabe von zwei Jahren, lustig und gesund aussehend. Sayd-Bey hatte die Ehre den Rockzipfel des Kindes zu küssen. Wir stiegen eine recht schöne breite Treppe hinauf, durchschritten einige Säle, in denen eigentlich nichts war, was man nicht in jedem gut eingerichteten Privathaus bei uns auch findet, und standen vor Sr. Hoheit, der in einem Kabinett, ganz nahe an der Tür, in einem Lehnsessel saß und seine Pfeife rauchte. Vor ihm stand Mehmed Aly Bey, neben ihm Rissa Bey, seine beiden Pagen oder Vertrauten, die Arme vorn verschränkt, in ehrfurchtsvollem Schweigen. Das Zimmer war von einer angenehmen Dunkelheit; ein starker Zugwind, den hier niemand fürchtet und ohne den man nicht leben kann, unterhielt trotz der Hitze des Tages die angenehmste Kühle; die Fenster sahen auf den Bosporus, dessen Strömung sich hier mit Geräusch gegen den Kai bricht. Nachdem Sayd-Bey mit der Hand den Fußboden berührt hatte, meldete er einige Dienstangelegenheiten und brachte dann eine Entschuldigung wegen meiner Toilette vor; der Großherr erwiderte, dass das ganz einerlei sei, und drückte in wohlwollender Weise seine Zufriedenheit aus mich zu sehen. Se. Majestät erwähnten die gemachte Reise, äußerten sich beifällig über mehrere Gegenstände und erkundigten sich, ob meine Kameraden schon unterwegs seien. Zum Abschied ließ der Großherr mir durch Rissa Bey eine sehr schöne Tabatiere überreichen mit der Bemerkung, ich möge sie als Andenken in meiner Familie aufbewahren.


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