Balduin Möllhausen
Die Mandanen-Waise
Balduin Möllhausen

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21

Der Brief

In demselben Augenblick, da der Kopf des vordersten Pferdes in unsern Gesichtskreis trat, brach die junge Amazone in ein helles Lachen aus. »Seht doch, welche Eile sie haben, ihren Haustyrannen wiederzufinden!« rief sie aus, indem sie emporsprang und ihre federgeschmückte Mütze lustig ums Haupt schwang. »Betrachtet nur ihre Gesichter,« fuhr sie mit bezauberndem Mutwillen fort, »sollte man nicht meinen, ihnen sei die verbürgte Nachricht zugegangen, meine regenbogenfarbigen Haare hingen bereits samt meiner Kopfhaut, der besseren Konservierung wegen, in dem Rauchfang irgendeines beliebigen indianischen Naturaliensammlers?«

»Kate, ich freue mich zwar sehr, dich wohlbehalten wiederzusehen, allein du zwingst mich wirklich dazu, entweder selbst umzukehren oder dich bis zur nächsten Handelsstation zu bringen und dich dort bis zu meiner Rückkehr streng bewachen zu lassen!« rief ein alter stattlicher Herr zornig aus, indem er vom Pferde sprang und dicht vor das junge Mädchen hintrat.

»Guten Tag, mein lieber Vater!« entgegnete Miß Kate lachend, dem alten Herrn um den Hals fallend und einen Kuß auf seine Lippen drückend, »guten Tag, meine hochgeehrten Herren Brüder!« wandte sie sich dann an zwei kräftige junge Leute, die zugleich mit ihrem Vater eingetroffen, aber noch nicht von ihren Pferden gestiegen waren; »tausend Dank für Eure freundliche Fürsorge, Ihr seht, ich befinde mich in guter Gesellschaft und habe bereits recht tüchtig zu mittag gespeist, während Ihr wahrscheinlich noch den Hirsch schießen möchtet, der Euren Hunger stillen soll.«

»Laß die Kindereien jetzt beiseite und höre mein letztes Wort,« unterbrach sie der Vater streng; »wenn du fortfährst, auf eigene Hand die Wildnis zu durchwandern, so wirst du mich bald bereuen machen, dich überhaupt mitgenommen zu haben.«

»Aber ich kann nicht so lange schlafen wie meine trägen Brüder,« versetzte Kate, eine komisch herausfordernde Haltung annehmend, »und wenn du wirklich grausam genug wärest, mich zurückzusenden, so würde ich meinen Gefangenenwärtern bei der ersten Gelegenheit entspringen und nach drei Tagen schon wieder bei dem besten und großmütigsten aller Väter eintreffen.«

»Schon gut, schon gut, meine Tochter,« entgegnete Mr. Dalefield besänftigt »ich weiß, an dir ist keine Hilfe mehr; allein heute hätte ich doppelten Grund gehabt, dir zu zürnen, weil – weil – nun, weil mir scheint, als ob wir doch nicht so Eine Zeile im Buchsatz fehlt -genenwärtern bei der ersten Gelegenheit entspringen und nach drei Tagen schon wieder bei dem besten und großmütigsten aller Väter eintreffen.«

»Das wäre ja herrlich!« rief Miß Kate mit einem neckischen Seitenblick auf mich aus, »ich befürchtete bereits, wir würden nach St. Joseph zurückkehren müssen, ohne das kleinste Abenteuer erlebt zu haben.«

»Fordere das Geschick nicht heraus, Mädchen,« versetzte der Vater wieder ernster, indem er mich prüfend betrachtete, »du kannst nicht wissen, wie nahe uns die Gefahr ist. Wir haben allen Grund, argwöhnisch zu sein.«

Offenbar wollte er sich nicht deutlicher aussprechen, weil er nicht wissen konnte, ob er mir trauen dürfe. Ich hielt es daher für angemessen, mich an der Unterhaltung zu beteiligen und, wie es im Westen Sitte ist, meine Dienste anzubieten.

Meine Einladung, in meiner Nähe das Lager aufzuschlagen, wurde von allen Seiten angenommen; der jüngere der beiden Brüder ritt zurück, um die übrigen Mitglieder der kleinen Expedition, und den Wagen herbeizuschaffen, die Pferde wurden bei den meinigen angepflöckt, Schanhatta, unterstützt von Miß Kate, .beschäftigte sich mit der Zubereitung eines neuen Mahls, wir drei Männer dagegen legten uns im Schatten der Laube nieder, um die nichts Gutes verheißenden Umstände, von denen Mr. Dalefield gesprochen hatte, genauer in Erwägung zu ziehen.

Zu einem Neger, einer Negerin und zwei weißen Arbeitern hatte Dalefield auch noch zwei Indianer gedungen, die ihn als Führer und Jäger bis nach Fort Union hinauf begleiten sollten. Diese hatten sich für Minetareh-Indianer ausgegeben und versprochen, anstatt den weiteren und beschwerlicheren Weg am Missouri hinauf zu verfolgen, die große Biegung des Stromes abzuschneiden und die Gesellschaft in gerader und näherer Richtung quer durch die Wildnis nach dem an der Vereinigung des Missouri und des Yellow-Stone-Flußes gelegenen Fort zu bringen.

Die Reisenden hielten ihre indianischen Begleiter für vollständig zuverlässig und priesen sich glücklich, gerade mit solchen gediegenen Wüstenjägern zusammengetroffen zu sein; denn es verging kein Tag, an dem sie nicht von irgendeiner aufregenden Jagd oder einem erfolgreichen Fischzug zu erzählen gehabt hätten.

. So hatten sie denn nach einem Marsch von mehreren Wochen dasselbe Flüßchen erreicht, an dem ich seit bereits acht Tagen stromaufwärts gezogen war. Da aber auch dort die Führer immer noch keine Miene machten, sich dem Missouri wieder zuzuwenden, im Gegenteil, zur Fortsetzung ihrer Reise eine Richtung bezeichneten, in der sie unbedingt weit Westlich von Fort Union auf den Yellow-Stone-Fluß gestoßen wären, so fühlte Dalefield sich veranlaßt, die Richtung der Reise selbst zu bestimmen.

Die Willfährigkeit der Führer, ihm nachzugeben, hatte das Mißtrauen, das Dalefield gegen sie hegte, wieder eingeschläfert, als plötzlich sein Argewohn aufs neue und zwar in erhöhtem Grade wachgerufen wurde.

Am Morgen desselben Tages nämlich, an dem sie mein Lager erreichten, als Miß Kate sich schon längst auf den Weg begeben hatte und endlich auch für die kleine Expedition das Zeichen zum Aufbruch erteilt worden war, bemerkte Dalefield, daß statt der zwei Führer sich nur einer in geringer Entfernung vor dem Zuge hinbewegte. Auf seine Frage nach dem Abwesenden erhielt er zur Antwort, daß jener die Spur eines Panthers aufgenommen habe und im Laufe des Tages, spätestens gegen Abend wieder bei der Gesellschaft eintreffen werde.

Die Zeit verstrich, Mittag rückte heran, allein der zweite Führer blieb verschwunden, weshalb bei allen die Besorgnis erwachte, daß sie möglicherweise das Spiel einer hinterlistigen Verräterei geworden seien.

Dem Argwohn gegen ihre indianischen Begleiter hatte sich aber auch zugleich die größte Besorgnis um Kate zugesellt, und dieser war es zuzuschreiben, daß der Vater mit seinen Söhnen, den Windungen des Flüßchens folgend, vorauseilte und endlich, trotz der Freude des Wiedersehens, seine Tochter mit einer ihr sonst ungewohnten Härte über ihre gänzliche Mißachtung von Gefahren tadelte.

Ich hatte nur noch soviel Zeit, zu fragen, ob man dem bei der Gesellschaft zurückgebliebenen Indianer Beweise von Mißtrauen gegeben habe, und, als dieses verneint wurde, das strengste Schweigen gegen ihn anzuraten, als Harry, der jüngste Sohn Dalefields, um den Ufervorsprung herumritt, sich sehr angelegentlich mit einem ihm zur Seite schreitenden eingeborenen Jäger unterhaltend.

Bald darauf folgte auch der Wagen; aber erst nach längerer Zeit, nachdem die Pferde ausgespannt und abgesattelt worden waren und man sich schon mit dem Aufschlagen der beiden Leinwandzelte beschäftigte, näherte ich mich meinem Küchenfeuer, vor dem der Indianer sich nachlässig auf seine Büchse lehnte und mit großer Aufmerksamkeit der Arbeit der beiden jungen Mädchen zuschaute.

Was er dachte und ob er überhaupt etwas dachte, ging aus seinem feuerrot bemalten Gesicht nicht hervor. Mir entging aber ebensowenig die versteckte Teilnahme, mit der er unter seinen matt niederhängenden Augenlidern hervor Schanhatta betrachtete, wie daß er, wenn dies unbemerkt geschehen konnte, einen spähenden Blick über mich hingleiten ließ.

Er empfand offenbar tiefen Verdruß über meine Anwesenheit, und wohl hatte er Ursache dazu, denn ich hätte mich nicht so lange müssen unter den Dacotah-Stämmen jagend, tauschend und beobachtend umhergetrieben haben, um nicht auf den ersten Blick zu entdecken, daß ich am allerwenigsten einen Gros Ventre oder Minetareh-Indianer vor mir sehe.

Der Fremdling war eine stattliche Erscheinung, sowohl was seinen hohen und ungewöhnlich starken Körperbau anbetraf, als auch hinsichtlich seiner Bekleidung und Bewaffnung, die mehr auf einen angesehenen Krieger und Häuptling deuteten als auf einen Pfadsucher, der durch Dienstleistungen geringerer Art seinen Unterhalt von den Weißen zu verdienen suchte.

Das Haar trug er lang und ohne Kopfputz, nur zwei mit Otterfell umwickelte Flechten fielen von seinen Schläfen weit über die breite Brust nieder. Außerdem bemerkte ich dicht unterhalb der festgeflochtene Wirbellocke eine dicke Strähne weißer Haare, die, wahrscheinlich auf einer vernarbten Wunde gewachsen, mit Vorbedacht recht augenfällig um die Skalplocke herumgewunden worden war. Von den Gesichtszügen war nicht viel zu erkennen, da sie zu sehr durch die dicke Lage roter Farbe verwischt wurden.

Seinen Oberkörper schmückte außer einigen blauen Tätowierungen und dem Riemen, an der der gefüllte Köcher von Luchshaut und die Kugeltasche nebst Pulverhorn hingen, keine Bekleidung, dagegen fiel von seinem Gurt ein scharlachartiger schmaler Schurz bis auf die Erde nieder. Auch an seinen wildledernen Leggins und Mokasins waren alle nur denkbaren indianischen Zieraten von der farbigen Glasperle und den Lederfransen bis zu den flatternden Skalpstreifen von erschlagenen Feinden nicht unmalerisch angebracht worden.

Meine Annäherung schien er gar nicht zu beachten, und obwohl er in mir einen Gebirgsjäger von Fach erkennen mußte, blickte er doch kaum auf, als ich ihn anredete.

»Die Minetarehs sind gute Jäger,« begann ich in der mir geläufigen Sioux-Sprache, »sie kennen jeden Pfad in Wald und Prärie, sie besitzen zahlreiche Herden schöner Pferde und mehr gedörrtes Büffelfleisch, als sie zu verzehren vermögen. Ich wundere mich daher, daß ein Häuptling den Bleichgesichtern Dienste leistet, zu denen er seine Läufer hätte aussenden können. Oder ist mein roter Bruder vielleicht kein Häuptling?«

»Blackbird ist ein Häuptling,« antwortete der Krieger ebenfalls in der Sioux-Sprache, und zugleich traf mich unter seinen gesenkten Augenlidern hervor ein Blick, so giftig, wie der einer gereizten Klapperschlange, wenn sie sich zum Angriff zusammenrollt und den Kopf zurückzieht, um den tödlichen Streich nach ihrem Opfer zu führen.

»Mein Freund Blackbird ist ein Häuptling,« bemerkte ich in zweifelndem Tone, »und dennoch entfernt er sich von seinem Stamme ohne gebührende Begleitung; warum leistet er die Dienste, die einer von seinen jungen Männern ebensogut hätte leisten können? Mein Freund hat mir auf diese Frage nicht geantwortet.«

»Ist es immer die junge Antilope, die der Kriegsadler niederstößt, oder nimmt er auch zuweilen zu Kaninchen und Springratten seine Zuflucht?« lautete die mit einem unerschütterlichen Ernst gestellte Gegenfrage.

»Mein Freund Blackbird ist weise, er versteht zu antworten,« entgegnete ich höflich, »er muß viel mit weißen Menschen verkehrt haben, ich sehe es an dem Medizintäschchen, das er am Hals trägt; gewiß ist er im Besitz von sprechenden Papieren, die von seinen Tugenden erzählen?«

Der Indianer fuhr unwillkürlich mit der Hand nach dem Täschchen, doch sich schnell besinnend ließ er sie wieder sinken.

»Blackbird war stets ein Freund der Weißen«, erwiderte er darauf scheinbar gleichmütig, »sie haben ihm sprechende Papiere gegeben mit vielen schönen Worten; aber Blackbird bedarf deren nicht, er versteht es, mit den Bleichgesichtern umzugehen und sich durch seine Taten auszuweisen.«

»Will mein Freund mir die sprechenden Papiere zeigen?« fragte ich, denn die Bewegung des Indianers, so geringfügig sie auch war, hatte mich belehrt, daß er gerade von den in dem Täschchen verborgenen Papieren eine zum wenigsten ihm nicht erwünschte Aufklärung befürchte.

Der Indianer schien meine Frage zu überhören, denn er wies mit seiner ausgestreckten Hand auf Schanhatta, indem er mich fragte, wieviel Pferde ich für die junge Squaw bezahlt haben wolle.

»Nimm alle Büffel, die in der Prärie weiden, Häuptling, und mache Pferde daraus,« antwortete ich, der entsetzten Mandanenwaise einen beruhigenden Blick zuwerfend, »bringe mir die Pferde und biete sie mir für die junge Squaw, so werde ich dir antworten: es sind noch lange nicht genug. Schanhatta ist mein Eigentum und ich will sie behalten. Aber mein Freund Blackbird ist sehr eilig,« fügte ich höhnisch hinzu, »er stellt seinerseits Fragen, eh' er mir auf die meinigen geantwortet hat; zeige mein Freund mir die Papiere, und dann erst wollen wir von Weibern sprechen.«

»Ich besitze nur ein Papier, und das ist verschlossen,« versetzte Blackbird, scheinbar teilnahmslos vor sich auf die röstenden Fleischschnitten starrend, »mein weißer Freund ist nicht Medizinmann genug, um durch das Papier hindurchzulesen.«

»So zeige mein Freund es mir, oder fürchtet er, daß ich wirklich durch das Papier hindurchblicken und lesen könne, er sei ein Weib?«

Wiederum traf mich ein drohender Blick aus den schläfrigen Augen, dem aber ebenso schnell ein Lächeln des Selbstbewußtseins folgte. »Der schwarze Vogel war ein Weib, solange sein Haar nur eine Farbe trug,« erwiderte mein schlauer Gegner, indem er sich stolz aufrichtete; »seit aber eine weiße Locke die Stelle bezeichnet, auf der ein Schippewä-Tomahawk seinen Schädel traf, ist er zum Manne geworden. Wo ist ein zweiter Krieger, der eine weiße Locke auf seinem Haupte aufzuweisen hätte? Die weiße Locke ist eine große Medizin; die Stelle, auf der sie wächst, blutete noch, da streifte der Minetareh-Knabe den ersten Skalp von dem Haupte eines mächtigen Schippewä-Kriegers, und er war kein Knabe mehr. Er wurde ein Mann und nannte sich nach dem schwarzen Vogel mit der weißen Krone. Blackbird ist also kein Weib, er liebt es nicht, in Gegenwart von Weibern seine sprechenden Papiere ins Sonnenlicht zu halten.«

»Gut, mein großer Minetareh-Freund, die Prärie ist umfangreich genug, um Weibern auszuweichen; gehen wir dahin, wohin die Augen der Weiber nicht reichen. Ich will das verschlossene Papier sehen, vielleicht enthält es eine schädliche Medizin, die den schwarzen Vogel mit der weißen Krone an der Ausführung seiner Pläne hindert.«

Bei diesen Worten öffnete der Indianer seine Augen weit. Offenbar sann er darüber nach, inwiefern ich mit meiner Voraussetzung recht haben könne. Der Umstand, daß Dalefield seinen Reiseplan geändert hatte, mochte ihn in seinem wachgerufenen Aberglauben bestärken.

»Begleite mich mein Freund denn,« sagte er endlich, »bis um jenen Vorsprung, und ich will ihm das sprechende Papier zeigen.«

Ohne ein Wort zu erwidern begab ich mich mit dem Indianer nach der bezeichneten Stelle, und wir warfen uns dort im Schatten einer verkrüppelten Pappelweide auf den Rasen nieder.

»Mein weißer Bruder hat in seiner Begleitung eine schlanke, antilopenäugige junge Squaw,« hob Blackbird endlich an, »Blackbird ist ein berühmter Krieger, allein er hat auch ein Herz für Weiber. Sein Wigwam steht leer, er fand bis jetzt keine Squaw, die würdig gewesen wäre, sein Wigwam mit ihm zu teilen; er hat niemand, der die Häute des von ihm erlegten Wildes gerbt, niemand, der Perlen an seinen Leggins befestigt und die schadhaften Stellen an seinen Mokasins ausbessert. Er will nicht mehr allein in seinem Wigwam wohnen. Meines weißen Bruders Squaw gefällt mir; ich besitze Pferde genug, um mehr für das antilopenäugige Mädchen zu zahlen, als je für eine Häuptlingstochter hingegeben wurde. Mein Freund hat eine bleiche Haut, seine Begleiterin trägt die Farbe Blackbirds; braun und weiß paßt nicht zusammen; nehme mein Freund das bleiche Mädchen mit den Himmelsaugen, das ich ihm zuführte, und sage er mir ernstlich, was er für die junge Squaw verlangt.«

Daß der Indianer so frei über Kate Dalefield verfügte, war mir ein neuer Beweis für seine verräterischen Absichten. Ich unterdrückte indessen behutsam jede Kundgebung von Argwohn.

»Mein Freund Blackbird hat recht,« entgegnete ich daher, »die bleiche Frau würde besser zu einem bleichen Jäger als zu einem roten passen, und umgekehrt, meine braune Begleiterin besser für einen indianischen Krieger; allein weiß mein Freund auch, ob die beiden Mädchen auf seinen Vorschlag eingehen werden?«

»Weiber haben keine Stimme im Rate von Männern,« versetzte der Indianer mit stoischer Ruhe.

»Ganz recht, mein Freund, doch ist dies nur eine indianische Sitte. Wer bürgt mir dafür, daß das bleiche Mädchen mich nicht zurückweist?«

»Wer will meinem Bruder nehmen, was er sich einmal angeeignet hat?« lautete die Gegenfrage; »die Prärie ist groß, eine Taube braucht viele Wochen, um von dem einen Ende nach dem andern hinüberzufliegen.«

»Mein Freund spricht sehr wahr, doch darf ich jetzt noch keinen Entschluß fassen; ich kenne das bleiche Mädchen nicht, ich muß es länger sehen und von ihm träumen; im Traume verkündet Manitou den Menschen oft seinen Willen.«

»Mein Bruder besitzt ein kleines Herz; Blackbird sah die antilopenäugige Squaw und sagte: sie soll die Mutter von Häuptlingen werden.«

»Mein Freund Blackbird befindet sich unter dem Einfluß einer schädlichen Medizin; in seinen Papieren müssen böse Zauberworte enthalten sein oder er spräche nicht in so dringendem Tone von Weibern, solange sein Kopf noch mit den Plänen eines Kriegers angefüllt ist,« warf ich jetzt ein, um eine schnellere Entscheidung herbeizuführen.

»Vermag mein Freund in meinem Kopfe zu lesen?« fragte der Indianer, indem er die eine Hand auf das an seinem Halse hängende Täschchen legte, während die andere wie spielend den Griff des in seinem Gurt steckenden Messers umspannte.

»Nein, Blackbird, das vermag ich nicht,« entgegnete ich lachend, »allein es scheint mir, als ob die Gedanken meines Freundes sich verirrt haben; ich bedauere ihn, er ist das Opfer einer falschen Medizin, er befindet sich auf dem besten Wege, ein Weib zu werden und bei dem Anblick eines blutenden Hirsches zu beben.«

Der Indianer betrachtete mich eine Weile von der Seite, dann das Täschchen öffnend und einen versiegelten Brief hervorziehend, hielt er mir die Aufschrift vor die Augen. »Versteht mein Bruder, was das Papier spricht?« fragte er sodann, mich anschauend, als ob er mich mit seinen Augen durchbohren wollte.

Ich war indessen auf meiner Hut und nachdem ich ohne eine Miene zu verziehen gelesen: »Dem Herrn William Dalefield zu übergeben,« kehrte ich Blackbird mein vollständig ruhiges Gesicht wieder zu.

»Allerdings verstehe ich, was das Papier spricht,« begann ich lächelnd, aber in bedauerndem Tone; »Hütet Euch vor dem Blackfoot-Indianer, er ist ein Weib im Kleide eines Kriegers, steht hier klar und deutlich; kein Wunder, daß mein Freund Blackbird lieber in die dunklen Augen einer jungen Squaw, als auf einen feindlich geschwungenen Tomahawk sieht.«

Bei diesen Worten ließ der Indianer den Brief wie ein glühendes Stück Eisen fallen, doch hob er ihn sogleich wieder auf, und mich wiederum fest anschauend, fragte er ängstlich:

»Spricht mein Bruder mit einer Zunge oder ist seine Zunge gespalten, wie die einer Schlange?«

»Ich spreche mit einer einzigen Zunge, und wenn mein Freund meinen Worten nicht glaubt, so mag er hingehen und den andern Bleichgesichtern das Papier zeigen; sie werden ihm dasselbe sagen und viel Schlimmeres noch entdecken, wenn er das Schloß des Papiers öffnet und sie in die verborgenen Winkel desselben hineinblicken läßt.«

Mit innerem Triumph bemerkte ich, daß der Indianer, der angesichts des schrecklichsten Martertodes mit keiner Muskel gezuckt haben würde, bei der seine Ideen verwirrenden Erklärung, er sei das Opfer einer übernatürlichen Täuschung geworden, seine Fassung verlor.

»Will mein Bruder das Schloß des Papiers öffnen und sehen, was darin verborgen ist?« fragte er nach einer Weile, nachdem er seine Selbstbeherrschung wiedergewonnen hatte.

»Wenn ich meinem Bruder einen Gefallen damit erweise,« entgegnete ich äußerlich gleichgültig, »ich liebe es sonst nicht, derartige Papiere lange zu betrachten, sie enthalten zuweilen böse Medizin und werden dadurch gefährlich.«

»Ich werde es meinem Bruder danken, wenn er mir seine Augen und seine Zunge leiht,« erwiderte der Indianer dringend.

Ohne etwas zu entgegnen, öffnete ich darauf den Brief, und langsam und jedes Wort meinem Gedächtnis fest einprägend, las ich ihn zu Ende, während Blackbirds glühende Augen wieder auf mir hafteten und den geheimnisvollen Inhalt des Schreibens aus meinen Zügen zu entziffern trachteten.

»Mein teurer Dalefield,« lautete der Brief; »Daß Ihr Euch wirklich zu der Reise entschlossen habt, erfüllt mich mit großer Freude, aber auch mit einiger Besorgnis. Es war indessen ein glücklicher Gedanke, mir die ungefähre Richtung und Dauer Eurer Fahrt anzugeben; ich bin infolgedessen imstande, Euch entgegenzureisen. Haltet Euch stets in der Nähe des Missouri, wo möglich, auf seinen Ufern; es wird mir dann mit Hilfe einiger indianischer Läufer nicht schwer werden, zu Euch zu stoßen. Bei der sogenannten Großen Biegung werde ich Euch erwarten, wenn ich vor Euch daselbst eintreffen sollte. Übrigens ist der Überbringer dieses Schreibens beauftragt, Euch zu führen und die besten Lagerstellen zu bezeichnen. Er ist ein guter Jäger und hat als Krieger einen großen Ruf, wie mir von einzelnen seiner Stammesgenossen, den Blackfoot- Indianern, versichert worden ist; doch rate ich Euch, ihm nicht blindlings zu trauen. Die Eingeborenen dieser Gegend haben im Charakter Ähnlichkeit mit gezähmten Raubtieren; haltet sie kurz und seid unerschrocken, und sie dienen Euch gewissenhaft; zeigt ihnen Furcht und laßt sie erst das Übergewicht über Euch gewinnen, und Ihr habt das Schlimmste von ihnen zu befürchten. Die besten Grüße an Eure Söhne. Auf ein fröhliches Wiedersehen um Mitte Juni. Der Eurige Halbert.

Nachschrift. Daß Miß Kate Euch durchaus begleiten wollte, sieht dem lieben Kinde ganz ähnlich; so gern ich sie auch wiedergesehen hätte, so beruhigt fühle ich mich wieder, sie nicht in Eurer Gesellschaft zu wissen.«

So lautete der Brief, der mir mit einem Male die hinterlistigen Pläne des Indianers aufdeckte und mich belehrte, wie unvermeidlich der Untergang der ganzen Familie gewesen wäre, wenn man sich noch einige Tage länger Blackbirds Führung überlassen hätte.

Aber auch jetzt war die Gefahr, wenn auch hinausgeschoben, doch keineswegs beseitigt; denn daß Blackbird seinen Plan, sich in den Besitz von Dalefields Eigentum zu setzen, noch nicht aufgegeben hatte, war durch das Verschwinden seines Gefährten erwiesen.

Doch hier war keine Zeit mehr, Betrachtungen aufzustellen; die mißtrauischen Blicke eines scharfsinnigen und grausamen Feindes waren auf mich gerichtet, und noch eh' ich den Brief ganz durchgelesen hatte, wußte ich bereits, was ich Blackbird als vorgeblichen Inhalt des Schreibens am zweckmäßigsten mitzuteilen habe.

»Mein tapferer Freund muß einen Feind in Fort Union haben,« bemerkte ich, einen gewissen Ausdruck von Schadenfreude in den Ton meiner Stimme legend, »ein anderer würde nie gewagt haben, einen großen Krieger in solcher Weise zu beschimpfen und ihn zum Träger einer Medizin zu machen, die sein Herz allmählich in das eines Weibes verwandeln muß.«

Blackbird schaute mich erstaunt an; eine seltsame Mischung von Haß, Rachedurst und abergläubischer Furcht spielte auf seinen zinnoberroten Zügen.

»Alle Weißen sind Feinde der Rothäute,« zischte er mir giftig zu, »aber worauf wartet mein Bruder mit dem kalten Herzen? Möge er mir sagen, was das Papier enthält, damit Blackbird wisse, gegen wen er seine Rache kehre.«

Ich hob den Brief wieder empor und langsam, als ob ich den Inhalt in die Sioux-Sprache übersetze, begann ich, mit Vorbedacht solche Worte wählend, von welchen ich erwarten durfte, daß sie die beabsichtigte Wirkung auf den Indianer ausüben würden:

»Dalefield, Halbert sendet Dir die Hand. Der Blackfoot, der ein Minetareh sein will, soll Dir den Weg zeigen am großen Flusse hinauf. Ich habe in Blackbirds Herz gelesen. Sein Herz ist das eines Weibes und soll das Herz eines Weibes bleiben, so lange er dies Papier in seinen Händen hält; alle seine Unternehmungen werden mißlingen. Übergibt er Dir dies Papier und führt er Dich, wie er versprach, sicher am Missouri hinauf, so ist der böse Zauber gebrochen und er wird wieder ein Mann und Krieger.«

»Ist das alles?« fragte der Indianer hastig, sobald ich schwieg.

»Das ist alles, und ich rate meinem Freunde, das Papier seinen weißen Freunden einzuhändigen, der schädliche Zauber wird alsdann gebrochen sein.«

»Wenn das Medizinpapier nicht mehr in Blackbirds Händen ist, so ist der Zauber gebrochen?« fragte der Indianer mit glühenden Augen und bebenden Lippen, indem er mir den Brief fortnahm.

»Ganz gewiß,« antwortete ich, nichts Arges ahnend und den besten Erfolg hoffend.

Blackbird legte das auseinandergefaltete Papier vor sich auf die Erde, dann schüttete er etwas Pulver darauf, und nachdem er mittels Stahl und Stein ein Stückchen Baumzunder in Brand gesetzt hatte, näherte er diesen dem Pulver, und im nächsten Augenblick glimmte das durch das Aufblitzen geschwärzte Papier an verschiedenen Stellen.

Obwohl ich den Inhalt des Briefes ziemlich genau im Gedächtnis behalten hatte, sah ich doch mit Bedauern ihn in Asche zerfallen. Blackbird dagegen betrachtete mit leicht erkennbarer Schadenfreude die hellen Funken, wie sie mit komischer Eilfertigkeit auf den verkohlten Teilen des Briefes ein Weilchen umherirrten, bis sie endlich erstarben. Hätte ich noch an seinen verräterischen Absichten gezweifelt, der Ausdruck, mit dem er zuletzt den vor seinem verstärkten Hauch davonstäubenden schwarzen Flocken nachblickte, wäre genügend gewesen, mir volles Licht über diese zu verschaffen. Aus seinen schwarzen Augen leuchtete der unversöhnlichste Haß und eine schwer zu befriedigende Raublust. Es leuchtete daraus hervor, daß er ebensowenig daran denke, Dalefield und seine kleine Expedition unangefochten Fort Union erreichen zu lassen, als auch seine Pläne betreffs Schanhattas aufzugeben. Schweigend kehrten wir in das Lager zurück, ich mir voll bewußt, welche Verantwortlichkeit jetzt auf mir lastete.


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