Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Die Zwillinge

. Als Tobys Pferd sich emporbäumte, scheute auch Finneys Pferd und prallte so heftig zurück, daß der Irländer sich kaum noch im Sattel zu halten vermochte. Fast gleichzeitig sprengten die flüchtigen Desperados, wie unheimliche Schatten, vorüber, und in der nächsten Minute verhallte ihr Hufschlag in dem vielfach gewundenen Engpaß.

Tobys Pferd hatte sich unterdessen beruhigt; auch Finneys zum Stürzen erschöpftes Tier rührte sich nicht, während sein Reiter gespannt rückwärts lauschte.

Nichts war von dorther vernehmbar, und schwächer erschallte das Geräusch der in dem Paß aufwärts fliehenden Bande.

Da wendete Finney sich mit einem heiseren Lachen zu seinem Freunde, der noch immer sprachlos und unbeweglich wie eine Bildsäule dahielt.

»Kamerad, beim heiligen Patrik!« begann er, »dieses Mal wären wir noch mit heiler Haut davongekommen; nur schade um die Pferde, die wir nicht weiter mitnehmen dürfen. Sie haben uns gute Dienste geleistet, würden uns jetzt aber verraten, denn hängen will ich mich lassen, wenn wir nicht gerade zwischen zwei Feuer hineingestolpert sind. Verdammt! Ohne Kummer gebe ich die Bestien auf, denn ich fühle mich doch bei weitem sicherer auf meinen eigenen Untergestellen, als auf dem Rücken einer so nichtswürdigen Mähre. Komm, Kamerad, wir wollen in die nächste Wasserrinne schleichen und ihr leise nachfolgen«, fügte er hinzu, indem er abstieg und einen Schritt auf Toby zu tat.

Dieser aber hatte noch kein Lebenszeichen von sich gegeben, und Finney, in der Meinung, sein Freund lausche auf die Annäherung etwaiger Feinde, fragte mit seinem gewöhnlichen widerwärtigen Lachen, ob er seinen Worten nicht traue, oder sich nicht von dem Schrecken erholen könne.

»Finney, mein lieber Freund,« begann Toby endlich mit eigentümlich hohler Stimme, wobei seine Knie sich fest an den Sattel preßten und seine Arme die zarte, leblose Gestalt Juanitas wie um sich an ihr zu halten, krampfhaft umschlangen, »Finney, ich glaube, du hast recht, ich werde mich nie wieder von diesem Schrecken erholen – ich denke, wir müssen uns trennen –«

»Was!?« schrie der Irländer wild auf, an Tobys Seite springend und entsetzt zu ihm emporblickend, denn er hatte sich so sehr an die Leitung und Überlegenheit seines langjährigen Genossen gewöhnt, daß der Gedanke an den möglichen Verlust desselben ihn förmlich betäubte.

»Ja, wir scheiden voneinander, und leider als arme Leute, – aber du bist stark, du wirst dir noch Reichtum erwerben und deinen alten Freund rächen. Hahaha! wir haben manche lustige Stunde zusammen verlebt. – Etwas Blei ist aber durch meine Lungen gegangen, und – die Sache ist zu Ende – ich hinterlasse dir nichts als meinen guten Namen, hahaha! Nicht einmal das Mädchen lasse ich dir – verdammt! Das Korn, das durch meine Mühle fuhr, hat seinen Weg auch in die ihrige gefunden, hahaha! – Schade – Ramiro wird fluchen – aber Arabella – ja Arabella – grüße sie von mir – aber traue ihr nicht, sie ist ein Teufel –«

»Es ist vielleicht nicht so arg«, versetzte Finney bestürzt, die Hände nach dem Mädchen ausstreckend, um Toby das Absteigen zu erleichtern. »Nimm deine Kräfte zusammen, Bruder; sieh, auf der andern Seite des Grabens, dort unter der Tanne, mündet eine alte Wasserrinne; nur hundert Schritte folge mir, und wir sind gerettet –«

»Ich will versuchen – aber meine Kräfte schwinden verdammt schnell – nimm das Mädchen – und trage – bringe es zuerst in Sicherheit – schade drum, wenn die Pferde über sie hingingen – aber fein säuberlich – wenn ich bitten darf, ist eines reichen Mannes Tochter – hahaha! Wie unrecht mein erster Lehrer hatte, zu sagen, ich würde am Galgen enden – hahaha! Der alte Narr! – Ich ende im Sattel – wie – ein edler Ritter –«

Die letzten Worte brachte Toby kaum verständlich heraus, aber selbst in der flüsternden Stimme lag ein solcher Hohn, eine solche Verstocktheit, daß Finney von dem gespenstigen Ausdruck bis ins Mark berührt wurde und feige zu beben begann.

Das Erwähnen des Galgens schien ihn aber vollständig niederzuschmettern; seine Knie wankten, und wenn in diesem Augenblick ein Kind vor ihn hingetreten wäre, so würde es ihn mit Leichtigkeit zu seinem Gefangenen haben machen können.

Mechanisch Tobys Anordnungen folgend, nahm er Juanita auf seine Arme, und schwankend wie ein Betrunkener schritt er auf die bezeichneten schwarzen Bäume zu, die wie furchtbare Riesen ihre schlanken Häupter in die graue Atmosphäre hinaufreckten.

Unter einer Douglastanne, die ihre langen, festonähnlichen Zweige schirmend nach allen Richtungen hin ausbreitete, hart am Rande der wohl zehn Fuß tiefen, schmalen, felsigen, aber trockenen Wasserrinne, die in das sandige Bett des Gießbachs mündete, legte er sie behutsam nieder. Mit abgewendetem Gesicht entfernte er den Rock von ihrem Haupte. Ihn fröstelte; er wollte den Rock anziehen, aber schaudernd warf er ihn weit von sich, als seine Hände einzelne feuchte Stellen daran berührten.

»Blut!« flüsterte er, »Blut!« Und wie von den Furien der Hölle gepeitscht, eilte er zu Toby zurück, dessen erschöpftes Pferd noch immer regungslos mit seinem sterbenden Reiter dastand.

»Toby, Kamerad, geh nicht von mir!« rief er mit ängstlichem Ausdruck. »Weiche nicht von mir, oder, beim Satan! ich erdrossele dich! Komm, ich will dich tragen«, fuhr er fort; indem er aber sprach, achtete er nicht auf den Boden vor sich, und seine Füße trafen auf einen runden Felsblock. Er stolperte; das über diese Bewegung erschreckte Pferd prallte seitwärts, Toby wankte im Sattel und fiel dem Irländer schwer entgegen.

Ein tiefer Schmerzenslaut entrang sich seiner Brust; er war mit dem Kopfe heftig auf den Boden geschlagen und arbeitete mit letzter Kraft, seinen Fuß zu befreien, der in dem Steigbügel hängen geblieben war.

»Rette!« keuchte der Verbrecher, gefoltert von der furchtbarsten Todesangst, die er vorher, bei dem Gedanken an ein weniger schreckliches Ende, nicht empfunden hatte. »Rette!« wiederholte er, als das scheuende Pferd von der Seite wich und ihn nachschleppte.

Finney dagegen stand da wie versteinert, unfähig zu begreifen, wie er Hilfe leisten solle.

»Schurke! rette, erfasse die Zügel!« rief Toby noch einmal mit gurgelnder Stimme.

Finney sprang auf ihn zu, doch es war zu spät. Das Pferd hatte sich in Bewegung gesetzt, die nachschleppende Last berührte seine Hinterfüße, und von panischem Schrecken befallen galoppierte es wild und unaufhaltsam in den Paß hinein, und ihm nach galoppierte des Irländers leeres Pferd.

Wenn Finney wirklich vor seinem Richter gestanden hätte, um sein letztes, endgültiges Urteil zu vernehmen, so würde das nicht furchtbarer auf ihn eingewirkt haben, als die Szene, deren Zeuge er gewesen. Seine Zähne klapperten vor abergläubischer Furcht, und die Hände fest auf seine Ohren drückend, suchte er die gräßlichen Töne von sich auszuschließen, mit denen sein alter Raubgenosse noch lange das Echo in den Schluchten weckte.

Allmählich verhallte der Hufschlag der fliehenden Pferde, und mit ihm der letzte Todesschrei des sterbenden Räubers. Es war, als habe das Schicksal seine höhnische Prophezeiung Lügen strafen wollen, denn nicht im Sattel hatte er sein Ende gefunden; er war, nachdem ihn die Kugel schwer verwundet, zu Tode geschleift worden.

Finney stand noch lange da und hielt seine Ohren mit den Händen geschlossen. Er wagte nicht, sie zurückzuziehen, aus Furcht, den Hilferuf seines Genossen zu vernehmen. Doch es war vergebliche Mühe; im Geiste hörte er ihn fort und fort, während das blutige, verstümmelte Haupt unablässig seiner erhitzten Phantasie vorschwebte.

Endlich, als die in seiner Einbildung fortlebenden und sich wiederholenden Schreckenslaute ihm das Gehirn zu zersprengen drohten, ließ er die Hände erschöpft an seinem Körper niedersinken.

Tiefe Stille umgab ihn; die schrecklichen Töne waren verklungen, dagegen drang von der Mündung des Passes her der Hufschlag von Pferden zu ihm herüber, die sich im Schritt näherten.

Er lauschte, aber von der Stelle wich er nicht. Ihm war, als ob eine unwiderstehliche Gewalt ihn auf den sandigen Boden festgebannt und alle seine Glieder gelähmt hätte.

Endlich vernahm er auch die Stimmen der Reiter. Er glaubte sogar, einzelne von ihnen zu erkennen; ja, die Stimmen waren ihm nicht fremd; er täuschte sich nicht, er hatte sie irgendwo gehört, vielleicht unter der großen Bande der Desperados.

Eine wilde Freude ergriff ihn, denn er brauchte ja nicht mehr allein zu sein, und schärfer lauschte er, um sich über die Personen selbst Gewißheit zu verschaffen.

»Ich Weg wissen ausgezeichnet! Ich nicht irren; ihr lachen, Bootjack so schlau, Bootjack so treu«, schallte es jetzt deutlich zu ihm herüber, und indem er die Stimme und Redeweise des listigen Kahuillas erkannte, stellte sich auch sein tierischer Mut aufs neue bei ihm ein. Die Aussicht, sich bald wieder in der Mitte gleichgesinnter Genossen zu befinden, verdrängte die beängstigenden Bilder aus seiner aufgeregten Phantasie, und an die Stelle der abergläubischen Furcht und Ratlosigkeit trat ein unbesiegbarer Rachedurst.

»Verdammt will ich sein, du rothäutige Schlange, wenn ich dir den Schädel nicht in Scherben zerschlage, sobald ich merke, daß du uns einen Streich spielst!« rief die bekannte Stimme, jetzt schon bedeutend näher, dem Indianer zu, der offenbar die Stelle eines Führers übernommen hatte.

Finney hätte bei diesen Worten aufjauchzen mögen, denn nur ein Desperado konnte nach seiner Meinung eine so kräftige Sprache führen.

»Ja, es sind Freunde,« murmelte er vor sich hin, »weiß nur nicht, welcher von den Burschen es ist; muß aber schon vielfach mit ihm verkehrt haben. Hm, verdammt! Beim heiligen Patrik! wo habe ich die Stimme gehört? Doch gleichviel, er wird sich wundern, mich hier so allein zu finden.«

»Mir den Schädel gern entzweiklopfen, wenn ich lügen«, antwortete Bootjack auf die etwas derbe Anrede. »Ich kennen jeden Stein in dieser Weg, ich kennen Weg nach Schlupfwinkel; kein Mensch ihn finden, aber Bär und Bootjack ihn finden, ihr dafür Bootjack geben Geld, Tabak und Whisky.«

Indem der Kahuilla noch sprach, bog er um den letzten Felsenvorsprung herum, der ihn von der kleinen Erweiterung trennte, auf der der nunmehr beruhigte Finney, noch immer auf seiner alten Stelle, neugierig der Ankunft der Reiter entgegensah.

Hätte er noch irgendwie eine Täuschung oder einen Verrat für möglich gehalten, so würden Bootjacks ausführliche Eröffnungen seine letzten Zweifel vollständig beseitigt haben. Er vermutete mit Bestimmtheit, daß der Kahuilla nie an andere, als an flüchtige, mit den Pfaden und der Bodengestaltung unbekannte Desperados den tief im Gebirge versteckten Schlupfwinkel verraten würde.

Mit einer gewissen Spannung betrachtete er daher die schwarzen Umrisse der Reiter, die dem auf seine eigenen Füße angewiesenen Indianer folgend, sich nur unvollkommen gegen den dunkeln, von einer Felswand gebildeten Hintergrund auszeichneten und in deren Mitte er den ihm nicht unbekannten Sprecher zu entdecken strebte.

Er war seiner Sache so gewiß, daß er gar nicht bedachte, daß er selbst auf dem hellen Sande des Flußbettes stand und seine Gestalt den Ankommenden sogleich ins Auge fallen mußte, und indem seine Furcht schnell wieder den Charakter brutaler Unverschämtheit annahm, murmelte er hörbar vor sich hin:

»Der rote Satan muß das Leben einer Schildkröte besitzen, oder er hätte beim Sturz von seinem Pferde das Genick gebrochen. Beim heiligen Patrik! ich sah seinen Gaul doch leer davonspringen!« –

Kaum fünfzehn Minuten waren verstrichen, seit Finney seinen alten Genossen verloren hatte, und schon zeigte es sich, wie wenig er imstande war, ohne dessen Leitung für seine eigene Sicherheit die hinlängliche Sorge zu tragen.

Die langjährige Gewohnheit, weiter nichts, als ein zuverlässiges Werkzeug in Tobys Händen zu sein und außerdem nur materiellen Genüssen nachzujagen, hatte ihn unselbständig gemacht, und im Traume wäre es ihm nicht eingefallen, daß Bootjack, dieser Wurm in seinen Augen, gewagt hätte, an Verrat zu denken.

»Hallo! wen haben wir hier?« fragte die bekannte Stimme, als der, dem sie angehörte, der Gestalt des Irländers ansichtig wurde.

»Nur näher, Kamerad, daß ich Euer Gesicht betrachten kann!« rief Finney, der eine ganze Last von seiner Brust gewälzt fühlte, mit lustiger Vertraulichkeit zurück. »Ich will verdammt sein, wenn ich weiß, wer Ihr seid, so bekannt mir Eure Stimme auch klingt. Seid wohl scharf gehetzt worden? Beim heiligen Patrik und allen heiligen Wunden! Sie sind eben vorbeigeritten, die Spürnasen, und eine Merkwürdigkeit ist es, daß ich noch übrig geblieben bin!«

»Einer von ihnen sein«, sagte der listige Kahuilla rückwärts, ohne die geringste Überraschung über das unvermutete Zusammentreffen an den Tag zu legen, was das Mißtrauen des Irländers hätte erwecken können.

»Ja, einer von ihnen, und zwar der Letzte, den der Satan um diese Zeit noch nicht geholt hat,« antwortete Finney schnell, »und es sollte mich nicht wundern, machte er sich auch an euch, wenn ihr noch weiter auf diesem Wege fortreitet. Dumme Teufel bei alledem«, fügte er hinzu, denn bei seiner Schwerfälligkeit im Begreifen war es ihm noch gar nicht in den Sinn gekommen, daß diejenigen, von deren Hand sein Freund gefallen, etwas anderes als Milizen hätten sein können. »Ja, dumme Teufel, lassen mich nach unfreundlichem Gruß ungeschoren und reiten vorbei, um den andern nachzusetzen!«

»Keine Gefahr, Bruder!« versetzte die bekannte Stimme lachend, nachdem sie dem nächsten Reiter einige Worte zugeflüstert hatte, infolgedessen alle anhielten, zwei Reiter mit unglaublicher Gewandtheit aus ihren Sätteln glitten und im Schatten der Felsen verschwanden. »Keine Gefahr, Bruder!« wiederholte die Stimme. »Gehören andere Leute als die schwerfälligen Milizen dazu, unsereins zu fangen. Ihr kennt mich also nicht mehr? Hahaha! Hätte nicht geglaubt, daß Ihr einen alten Kameraden so bald vergessen würdet. Will Euch aber mein Gesicht zeigen, und beraten müssen wir, wohin wir uns zu wenden haben, um den Spürnasen nicht gerade in die Arme zu laufen, befinden sich einige schlaue Hunde unter ihnen!«

Indem der Reiter so sprach, traf er Anstalt, abzusteigen, was aber merkwürdigerweise sehr langsam vonstatten ging.

Der Irländer antwortete nicht, trat aber langsam einige Schritte zurück, als wenn die leicht hingeworfenen Worte etwas Drohendes für ihn gehabt hätten. Seine Blicke hielt er fest auf die Gruppe der vermeintlichen Desperados geheftet, doch vergebens trachtete er, die Gesichtszüge und die äußere Erscheinung einzelner von ihnen zu unterscheiden. Sein Mißtrauen wuchs mit jeder Sekunde, und wie von tierischem Instinkt getrieben näherte er sich behutsam dem niedrigen Buschwerk, das das gegenüberliegende Ufer des trockenen Flußbettes bekränzte.

Da vernahm er dicht hinter sich ein lautes Zischen, ähnlich dem feindlichen Schnauben einer jungen Tigerkatze.

Bestürzt wendete er den Kopf nach dem Geräusch um; er hatte die aus dem Gestrüpp auftauchenden dunkeln und formlosen Gestalten aber noch nicht vollständig überblickt und von den Schatten getrennt, da krallte eine nervige Faust sich an seine Kehle fest, und indem er sich dann schnell wieder nach dem unvermuteten Angreifer umschaute, fühlte er seine Füße nach hinten unter sich fortgezogen, und unfähig, sich im Gleichgewicht zu halten oder nach seinem Messer zu greifen, schlug er der Länge nach mit dem Gesicht auf die Erde.

Der plötzliche Angriff und der schwere Fall hatten ihn auf einige Augenblicke betäubt; es würde den drei Leuten, die sich mit Gedankenschnelle auf ihn warfen, sonst wohl kaum gelungen sein, ihn bei seinen riesenhaften Körperkräften so lange niederzuhalten. Als er sich aber von der ersten Verwirrung hinlänglich erholt hatte, um sich zur Wehr setzen zu können, da kniete der eine Angreifer schwer auf seinem Genick, während die beiden andern der Länge nach auf ihm lagen, jeder eine seiner mächtigen Fäuste umklammert hielt und beide zugleich seine Arme, wie um sie aus den Schultern zu brechen, hoch emporzwängten.

siehe Bildunterschrift

Brüllend vor Wut mußte er es dulden, daß die hinzuspringenden Gefährten der drei ersten Angreifer seine Füße banden.

Er machte wohl einige verzweifelte Anstrengungen, die Feinde abzuschütteln und sich zu befreien, allein in der unglücklichen und unnatürlichen Lage, in der er sich befand, waren es doch zu viel für ihn, und brüllend vor Wut mußte er es dulden, daß die hinzuspringenden Gefährten der drei ersten Angreifer seine Füße banden, seine Hände auf dem Rücken zusammenschnürten und ihn dann aufrecht auf den Sand hinsetzten.

Als nun Finney, schnaubend und keuchend wie ein gefesselter wilder Stier, auf der Erde saß, und der Mann, dessen Stimme, er zu erkennen geglaubt hatte, sich vor ihn niederkauerte und ihm scharf in die Augen schaute, da stöhnte er vor Schrecken und ohnmächtiger Wut laut auf, indem er einsah, daß nunmehr Rettung für ihn nicht mehr zu hoffen sei.

»Ja, ja, Ihr irrt Euch nicht, verehrter Freund, wir haben schon miteinander verkehrt«, sagte sein Feind zu ihm mit einem gewissen wohlwollenden Ausdruck. »Verdammt! Freut mich ausnehmend, von Euch wiedererkannt zu werden. Spricht sehr für Euer Gedächtnis. Auch ich habe Euch noch nicht vergessen, wie Ihr seht; komme von weit her, um Euch meine Aufwartung zu machen. Goddam! Werdet Euch gewiß freuen, auch meine Söhne genauer kennen zu lernen; hier Independence, dort Republik; brave Jungens; bei Gott! war kein Kinderspiel, einen Schurken von Euerm Kaliber ohne Blutvergießen zu fangen. Haben's aber gut gemacht, die Jungens. Wäre Euch wahrhaftig nicht nachgesetzt, hättet Ihr meine armen Kühe geschont; nein, wäre mir gewiß nicht eingefallen, meine alten Knochen so weit aus dem Tularetal zu entfernen. Was hatten Euch die armen Tiere zuleide getan, daß Ihr sie erschosset? Freilich, es sollte Rache sein, erbärmliche Rache –«

»Verdammt! Ich habe keinen Schuß auf Euer Vieh getan!« unterbrach Finney den redseligen alten Trapper.

»Gleichviel,« entgegnete Gale ruhig, »gleichviel, wer von euch sich das Vergnügen bereitet hat. Ihr seid dabei gewesen, und das ist mir genug. Mitgegangen, mitgehangen. Hoffentlich greifen wir in dieser gesegneten Nacht auch noch die übrigen Schurken. Müßt mir schon zugute halten, daß ich Euch nicht gleich am andern Tage nachfolgte; hatte aber meine Gründe, ist so Hinterwäldlerart; wollte Euch nur um so sicherer fangen. Verdammt! Kam gerade zur rechten Zeit in Los Angeles an, um mich den Milizen anschließen zu können. Sind schon seit zwei Tagen von dort her unterwegs. Man hatte Wind bekommen, daß am Tage des Stiergefechtes ein kühner Streich ausgeführt werden sollte; Ihr seht, bei der Wahl Eurer Genossen wäret Ihr nicht vorsichtig genug; einer von ihnen muß Euch verraten haben. Wird Euch übrigens wohl an den Hals gehen; habt vor einer Stunde da draußen den Scherif totgeschossen.«

»Ich habe nicht auf ihn geschossen!« sagte Finney kleinlaut und am ganzen Körper bebend. »Der es tat, ist schon bezahlt; Ihr werdet ihn weiter oberhalb finden.«

»Gut, gut«, versetzte der Trapper so ruhig und kalt, als hätte es sich um die unschuldigste Sache der Welt gehandelt; »wir werden ihn also finden, doch hindert das nicht, daß man Euch mit sehr wenig Umständen aufhängt. Liebe dergleichen nicht, sonst würde ich das Geschäft gleich hier besorgen und Euch die Reise nach Pueblo de los Angeles ersparen. Befinden sich außerdem noch einige Gerichtspersonen hier, die das Lynchen nicht gestatten dürfen und Euch vorher noch sehr gern zum Sprechen bringen möchten. Ja, ja, ein glücklicher Zufall führte mich mit ihnen zusammen, und zwar gerade vor der Mündung des Passes, nachdem wir den erschossenen Scherif recht sorgfältig unter einer Eiche niedergelegt hatten. Sie kamen von der andern Seite und waren eben im Begriff, einigen Eurer versprengten Gefährten in den Paß hinein nachzusetzen. Ihr seht, das Unglück verfolgt Euch.«

»Verdammt!« fluchte Finney, der nun erriet, daß es Desperados gewesen, die er in der Dunkelheit und Verwirrung für Milizen gehalten hatte, und die, anstatt, sich mit ihm zu vereinigen, seinen Freund und das junge Mädchen tödlich verwundet hatten.

»Verdammt!« wiederholte er, krampfhaft an den fesselnden Stricken reißend. Im nächsten Augenblick saß er aber wieder so bewegungslos da, wie die Felsblöcke, die in seiner Nähe umherlagen, und indem er, angesichts eines sicheren Endes, seine ganze tierische Verstocktheit und Gleichgültigkeit wiedergewann, die nunmehr selbst durch die Erwähnung des Galgens nicht mehr zu brechen war, stellte er des Trappers jovialer Art zu verhandeln ein finsteres Schweigen gegenüber.

Nachdem Gale also, dem nach dem Fall des Scherifs von den ihn begleitenden Milizen und Gerichtspersonen, als dem Ältesten und Erfahrensten, die ganze Leitung überlassen worden war, einige Minuten vergeblich auf eine Erklärung des Gefangenen gehofft hatte, fuhr er wieder fort:

»Trotzdem ich Euch für ehrenwert genug halte, Eure sauberen Gefährten nicht zu verraten, wie zum Beispiel Euer Freund Bootjack hier getan hat, um sich dadurch vom Galgen loszukaufen, obgleich ein Strick ihm gesunder wäre als ein Glas Whisky, so muß ich Euch doch fragen, ob Ihr gutwillig, wie es einem Stück von einem Christen geziemt, vor Euerm Baumeln die Namen Eurer Gefährten bekennen und zugleich angeben wollt, wie ihnen am besten beizukommen ist. Es wäre jetzt gerade die rechte Zeit dazu und dürfte uns dadurch ein Umweg erspart werden. Auch möchte ich sehr gern wissen, auf welche Weise derjenige, der den Scherif erschoß, dem Galgen entzogen wurde.«

Finney schwieg und überlegte. Er stand offenbar im Begriff, die letzte Frage zu beantworten, erinnerte sich indessen in demselben Augenblick, daß man sodann auch die Leiche des jungen Mädchens entdecken würde, was unbedingt eine neue Anklage auf ihn gewälzt hätte. Er erwiderte daher, daß er, wenn er etwas wisse, lieber in Ewigkeit verdammt sein, als ein einziges Wort aussagen wolle.

Der Trapper nickte zu dieser Äußerung beifällig mit dem Haupte, stellte aber alles fernere Fragen ein und forderte seine Begleiter auf, mit ihm in eine Beratung zusammenzutreten.

Nach einigem Hin- und Herreden kam man überein, den Gefangenen, um seinem etwaigen Entweichen vorzubeugen, sogleich unter Bedeckung nach Pueblo de los Angeles zurückzusenden; die Verfolgung der übrigen Desperados und das Aufsuchen ihres Schlupfwinkels dagegen unter Bootjacks Führung ohne Säumen fortzusetzen.

Sobald dieser Entschluß gefaßt war, wurden die Füße des Irländers so weit gelöst, daß ihn die Fesseln beim Gehen nicht hinderten, seine Hände dagegen noch fester und sicherer zusammengeschnürt, worauf man noch zwei Lassos um Hals und Schultern schlang und ihm das Entspringen also durchaus unmöglich machte.

Zwei Leute, die sich zu der Sendung bereit erklärten, befestigten sodann die Lassos an ihre Sättel, und den Irländer zwischen sich nehmend, schlugen sie die Richtung nach dem Tale von San Bernardino ein.

Als sie um den nächsten Vorsprung herumbogen, schwangen sich die übrigen Milizen wieder auf ihre Pferde. Bootjack trat an die Spitze des Zuges, der alte Gale folgte ihm mit seinen Söhnen auf dem Fuße, und langsam und vorsichtig ritten sie in dem trockenen Flußbett aufwärts.


 << zurück weiter >>